Protocol of the Session on March 27, 2009

Ich will ein weiteres Zitat liefern. Auch die Gewerkschaft ver.di ist auf Distanz gegangen und hat am 25. Februar 2009 eine Stellungnahme abgegeben und erklärt:

„Insgesamt würde die ZAG nach dem vorgelegten Gesetzentwurf keinerlei Beitrag zur besseren Betreuung und Vermittlung im Hartz-IV-Bereich leisten.“

Entscheidend für eine Neulösung ist, dass die Verantwortlichkeiten gegenüber dem Bürger transparent werden und dass die kommunale Selbstverantwortung gestärkt wird, und zwar egal, ob eine Kommune ihre Leistungen getrennt von der Arbeitsagentur erbringt, mit der Arbeitsagentur vor Ort auf freiwilliger Basis zusammenarbeitet oder für die alleinige Trägerschaft optiert hat. Darum geht es.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Das Zusammenspiel von „Fördern und fordern“ und der Fokus auf die Wiedereingliederung der Hilfeempfängerinnen und -empfänger in den Arbeitsmarkt bleiben für die CDU-Landtagsfraktion das zentrale Ziel. Ich wünsche mir auch einen möglichst schnellen Kompromiss auf Bundesebene. Diesen Kompromiss brauchen wir für eine gute Betreuung der Langzeitarbeitslosen. Wir brauchen diesen Kompromiss aber auch, um die Arbeit vor Ort dauerhaft sicherzustellen. Ich bleibe dabei: Der Kompromiss muss am Ende wirklich gut sein. Er darf die Chance nicht verbauen, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland zu mehr Optionskommunen kommen können.

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts. Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal schadet es nicht, eine überregionale Zeitung zu lesen. Ich will kurz zitieren:

„Deshalb müssen jetzt alle zusammenstehen, die nicht wollen, dass das ganze System an die Wand fährt. Wir müssen die Landesregierung im Bundesrat darauf drängen, diese Jobcenterreform mitzutragen.“

Das waren die hessischen Grünen im Hessischen Landtag. Das sind schlaue Leute. Man muss zwar nicht überall hessische Verhältnisse haben, aber in diesem Fall wären hessische Grüne durchaus vernünftige Diskussionspartner, weil sie begriffen haben, dass es so nicht funktioniert.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wenn in Presseerklärungen gesagt wird, außerdem hätten die Kommunen nach wie vor keine Möglichkeit, eigenständig Programme für Langzeitarbeitslose zu schaffen, dann denke ich, dass dies deutlich zeigt, dass hier eher Naivität als Sachkenntnis vorherrscht, denn die Kommune, die eigenständig Langzeitarbeitslose auf den Markt bringen und damit erfolgreich sein kann, ohne mit der Arbeitsagentur zusammenarbeiten zu können, möchte ich sehen. Ich glaube nicht, dass das machbar ist. Deshalb halte ich diese Aussagen eher für fahrlässig als hilfreich für die Diskussion.

(Beifall bei der SPD)

Die Betreuung der Menschen, die Arbeitslosengeld bekommen, bleibt vorerst in einer Hand. Das ist nur vorerst so, weil die Unionsfraktion im Bundestag die notwendige Neuorganisation der Jobcenter blockiert. Bis zum 31. Dezember 2010 muss es eine Neuorganisation geben. Diesen Auftrag hat das Bundesverfassungsgericht der Politik erteilt. Die einfache Wahrheit ist: Bleibt die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag bei ihrer Verweigerungshaltung, gibt es ab dem 1. Januar 2011 nur noch die getrennte Aufgabenwahrnehmung. Die ARGEn werden aufgelöst und in der Konsequenz entfällt damit auch für die Optionskommunen die Arbeitsgrundlage. Dies wäre also eine Entscheidung, die das Chaos in sich trüge.

Alle Bundesländer wollen eine Lösung, die die Zusammenarbeit von Bundesagentur und Kommunen auch weiterhin ermöglicht. Die Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und Kurt Beck haben gemeinsam mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz eine Lösung präsentiert, die die bisherigen ARGEn in „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ weiterentwickelt. Diese Weiterentwicklung ist nur mit einer Grundgesetzänderung zu erreichen, die im Ergebnis garantiert, dass Arbeitsuchende weiterhin eine einzige Anlaufstelle mit kompetenten Ansprechpartnern und die Beschäftigten in den Arbeitsgemeinschaften eine sichere berufliche Perspektive haben. Zunächst war nicht klar, ob dies durchzusetzen wäre. Unser Arbeitsminister Uwe Döring hat das als einer der Ersten ins Spiel gebracht. Alle haben damals gedacht: Wenn das mal

(Torsten Geerdts)

hinkommt. Aber es hat geklappt. Für diesen Einsatz ein herzliches Dankeschön. Ich denke, der gefundene Kompromiss ist durchaus brauchbar.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

16 Bundesländer, die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen, die Landesregierung und die Landtagsfraktionen von CDU und SPD hier in Schleswig-Holstein sind für diese Lösung, sehen wir doch alle, dass jetzt rasch eine Lösung gefunden werden muss, die noch von der Großen Koalition in Berlin umgesetzt werden kann. In den Regierungsfraktionen hier in Schleswig-Holstein herrscht Einigkeit in dieser Frage.

Um die Bemühungen der Landesregierung auf Bundesebene zu unterstützen, sind die Arbeitskreise Soziales von CDU und SPD nach Berlin gefahren und haben in Gesprächen mit dem Bundesarbeitsministerium und den schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD für diese Lösung geworben. Leider waren unsere Kollegen von der CDU bei ihren Bundestagsabgeordneten nicht erfolgreich. Darum fordere ich heute auch Sie, Herr Ministerpräsident Carstensen, noch einmal auf: Nehmen Sie Ihre Autorität als Ministerpräsident und Landesvorsitzender der CDU wahr, und reden Sie Ihren CDU-Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein ins Gewissen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Chefsache!)

Wer wie die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag nicht handeln will, organisiert Chaos und Unsicherheit. Gerade jetzt, mitten in einer Wirtschaftskrise, können wir uns dies überhaupt nicht leisten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch eine Anmerkung zum Antrag „Kommunale Trägerschaft im SGB II“ der Grünen, der ebenfalls heute zur Mitberatung ansteht. Die Grünen in Schleswig-Holstein begrüßen, ganz anders als die Grünen im Deutschen Bundestag, das Aus für die Jobcenter. Damit fordern die Grünen den Rückfall in alte Zeiten, wo sich Langzeitarbeitslose auf der einen Stelle die Arbeitslosenunterstützung und auf der anderen das Geld für die Miete abholen mussten.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was Sie da erzählen, glauben Sie doch selber nicht!)

In ihrer eigenen ideologischen Wahrnehmung verkennen die Grünen die erfolgreiche Arbeit der Ar

beitsgemeinschaften aus Bundesagentur und Kommunen, die auch mit gezielten Programmen -

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Erfolgreiche Arbeit der Arbeit- sagenturen“! Mit Prozesslawinen, eine nach der anderen!)

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Abgeordneter Hentschel, melden Sie sich bitte für einen Redebeitrag!

Dass diese Arbeit erfolgreich ist, beweist zum Beispiel die Evaluierung des Bundesrechnungshofs. Diese einmal zu lesen, würde helfen.

Wie man jetzt auch wieder hört, verkennen also die Grünen in ihrer ideologischen Wahrnehmung die erfolgreiche Arbeit der Arbeitsgemeinschaften aus Bundesagentur und Kommunen, die auch mit gezielten Programmen und Maßnahmen Langzeitarbeitslosen Chancen eröffnet haben und die Integration vieler in den ersten Arbeitsmarkt bewirkt haben.

Den Antrag der Grünen werden wir ablehnen. Mein Appell geht noch einmal an die CDU: Machen Sie sich stark, damit Ihre Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein und die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag zur Vernunft kommen!

Für die SPD ist klar: Wer hier blockiert, handelt verantwortungslos und schadet den Interessen der Arbeitsuchenden und den Beschäftigten in den Jobcentern.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Baasch, lieber Kollege Geerdts, auch wenn ich kein ausgesprochener Fan des Antrags der Grünen bin, weil er mir einfach zu unpräzise ist, würde ich aber die Kirche im Dorf lassen.

(Wolfgang Baasch)

Sie suggerieren, die Arbeit der ARGEn laufe völlig problemlos.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dass dies nicht so ist, können Sie an der Prozessflut ablesen, die es seit dem Inkrafttreten des SGB II gibt. Jedenfalls wenn man den zweiten Absatz der Forderungen liest, ist der Antrag gut gemeint. Ich finde, es hätte näher erläutert werden müssen, wie Sie sich das vorstellen, beispielsweise ob Sie bei der Hilfe aus einer Hand, die wir ja alle wollen, dennoch - ich bin überzeugt davon, dass dies in vielen Fragen notwendig sein wird - auf die Kompetenz der Bundesagentur zurückgreifen wollen. Das schließt nicht aus, dass der Empfänger von Arbeitslosengeld, sei es Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II, vor Ort nur mit e i n e r Anlaufstelle konfrontiert wird.

Ich denke, diesen Antrag könnte man durchaus auch in den Ausschuss überweisen, um ihn noch zu präzisieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, drei Jahre nach Inkrafttreten des SGB II hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die durch Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe gebildete Organisationsform der Arbeitsgemeinschaft von Kommune und Bundesagentur für Arbeit verfassungswidrig ist, weil keine eindeutigen Verantwortlichkeiten gegeben sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat der Politik eine Frist bis zum 31. Dezember 2010 eingeräumt, um die jetzige Form der Zusammenarbeit neu zu ordnen. Ausdrücklich sollten dabei die Erfahrungen der einheitlichen Aufgabenwahrnehmung in den sogenannten „Optionskommunen“ nach § 6 a SGB II ausgewertet werden können. Sollte bis zum 31. Dezember 2010 keine Entscheidung getroffen werden, müssten die bundesweit 349 Jobcenter entflochten, zahllose Verträge neu ausgehandelt und tausende Vermittler versetzt werden. Die 69 Optionskommunen gäbe es dann ebenfalls nicht mehr.

Die Folgen wären gravierend: Die von uns allen als sinnvoll und notwendig angesehene Betreuung der Arbeitsuchenden aus einer Hand gäbe es auf einen Schlag nicht mehr. Bundesagentur für Arbeit und Kommunen müssten neue Verwaltungsstrukturen aufbauen. Der gesamte Aktenbestand müsste neu aufgebaut werden. Die Kommunen bräuchten eine neue Berechnungssoftware, da das bestehende System der Bundesagentur gehört. Teilweise müsste Personal aufgestockt und in neuen Räumen untergebracht werden. Die betroffenen Arbeitsuchenden

würden wieder zwischen Arbeitsagenturen und Sozialbehörden hin- und hergeschoben.

Mitten in der größten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Republik und angesichts des bevorstehenden weiteren Anstiegs der Arbeitslosenzahlen wären bei einer vollständigen Entflechtung der Behörden diese nicht mit der Betreuung der Arbeitsuchenden, sondern mit sich selbst beschäftigt. Genau darum geht es im Kern.

(Beifall bei FDP und SSW)

Vorschläge, wie eine solche Neuorganisation aussehen könnte, gibt es einige, so beispielsweise die nachträgliche Legalisierung der vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuften Mischverwaltung der Arbeitsgemeinschaften, indem im Grundgesetz eine gemeinsame Verwaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende festgeschrieben wird. Die Arbeitsgemeinschaften würden durch sogenannte Zentren für Arbeit und Grundsicherung als Anstalten des öffentlichen Rechts ersetzt. Kommunen und Arbeitsagentur für Arbeit würden gerade nicht in zwei getrennte Behörden aufgespalten, sondern gesetzlich noch enger miteinander verknüpft. Ob damit behördeninterne Reibungsverluste behoben werden können, ist offen. Sicher ist nur, dass damit eine bislang verfassungswidrige Regelung der Verfassung angepasst würde.

Dieser Kompromissvorschlag scheint, zumindest derzeit, an der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag zu scheitern.