hat, füge ich später an, Herr Kollege Wadephul. Er hat nämlich auch noch gesagt, woher er das holen will.
Mit dem Konjunkturpaket II, das uns in dieser Tagung auch noch beschäftigen wird, haben wir etwas geschafft, was ich aus zweierlei Gründen für bemerkenswert halte. Es zeigt nämlich erstens, dass der Staat, der die Wirtschafts- und Finanzkrise nicht verursacht, sondern die Folgen davon zu beseitigen hat, Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land wahrnimmt. Es zeigt zweitens, dass Bund, Länder und Kommunen in der Lage sind zusammenzuarbeiten. Nebenbei bemerkt hat sich dabei auch erwiesen, dass das absolute Verbot für den Bund, Bildungsinvestitionen zu tätigen, das in der ersten Föderalismusreform beschlossen worden ist, falsch war und nun auch geändert werden soll.
Wie Sie sich vielleicht erinnern, hat die SPD-Landtagsfraktion bereits damals gegen eine solche Änderung votiert, die in der Theorie gut klang, in der praktischen Politik aber unnötige Probleme schafft. Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein haben damals nicht zugestimmt. Sie hatten recht. Bei der Föderalismuskommission II besteht die Gefahr wieder, aber diesmal mit ungleich größeren Folgen.
Die Föderalismuskommission hat auf Drängen der CSU und einiger CDU-geführter Bundesländer eine Nullkommanull-Schuldenbremse für die Länder ab dem Jahr 2020 beschlossen. Die SPD-Landtagsfraktion hält diese Entscheidung für unverantwortlich. Zu den Gründen dafür gehören verfassungsrechtliche Bedenken, volkswirtschaftliche Gründe und ganz besonders die Sorge um die Zukunft unseres schönen Landes Schleswig-Holstein.
Lassen Sie mich mit dem ersten Grund anfangen. Mit einer Grundgesetzentscheidung werden Bundesrat und Bundestag massiv in das Budgetrecht der Landesparlamente eingreifen, ja, sie schaffen es de facto ab. Der Bund will mit Zweidrittelmehrheit eine Schuldengrenze für einzelne Länder beschließen. Der Vorsitzende, Herr Ministerpräsident Oettinger, begründet diesen Weg ausdrücklich verfassungspolitisch, indem er sagt: Wir kriegen die verfassungsändernden Mehrheiten nicht in allen Ländern. Die Schlussfolgerung lautet: Also frage ich sie erst gar nicht. Das gehört in die Zeiten des zentralistischen Absolutismus. Ich erinnere daran, dass der Bund eine Gründung der Länder ist und nicht umgekehrt.
Es gibt hier keinen Zentralstaat, der den Ländern huldvoll Rechte gewährt. Der Föderalismus wird nämlich zur Farce, wenn der Bund derart massiv in das wichtigste Recht der Parlamente eingreift, das übrigens konstitutiv für die Staatlichkeit dieses Landes ist. Deshalb freue ich mich, dass diese Position von allen Fraktionen dieses Landtags getragen wird. Wir werden einen Weg finden, diese Vorgehensweise verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen. Ich bedanke mich ausdrücklich für das Zusammenwirken aller Fraktionen hier. Das hat auch etwas mit Selbstachtung dieses Parlaments zu tun, dass wir in dieser Frage geschlossen sind. Ich freue mich, wenn wir dies gemeinsam beschließen.
Herrscht insoweit noch Einigkeit, scheiden sich dann die Geister bei der Frage, ob ein absolutes Schuldenverbot richtig ist. Ich glaube, dass wir wieder einem theoretischen Konstrukt aufsitzen. Das klingt in den Ohren der Bürger natürlich schön, wenn wir keine Schulden mehr machten, nie mehr Schulden machten. Es wäre schön, wenn man sein Auto bar bezahlen könnte, wenn man Häuser ganz ohne Schulden bauen könnte. Wenn man aber einmal fragt, wer eigentlich in einem Betrieb arbeitet, der keine Schulden macht und keine Kredite aufnimmt, um Investitionen zu tätigen, dann stellt man plötzlich fest, das sind wirklich nur die obersten 1, 2, 3 %, für die so etwas gilt. Das kann erst recht für einen Staat absurd sein, der für Bildung, für innere Sicherheit, für Kinderbetreuung, für Verkehrsinfrastruktur verantwortlich ist. Sinnvoll ist eher eine Orientierung daran, ob ich die Zinsen zahlen kann und wie das Verhältnis von Verschuldung zum Bruttoinlandsprodukt ist. Wann, wenn nicht in der aktuellen Situation der größten Finanz- und Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, kapieren wir, dass wir flexible Regeln brauchen, die ein antizyklisches Verhalten des Staates erlauben! Mit einem absoluten Schuldenverbot gäbe es kein Konjunkturpaket und auch keine HSH-Nordbank-Rettung.
Im Übrigen: Verschuldung ist nicht schön. Wir liegen deutlich unter dem OECD-Durchschnitt, und wir zahlen die geringsten Zinsen, weil Deutschland ohne Frage kreditwürdig ist. Die prekäre Lage ist im letzten Jahrzehnt übrigens auch durch Steuersenkungen entstanden. Wenn ich heute schon wieder höre, was alles an Steuersenkungen versprochen wird, kann ich nur sagen: Ich dachte, Kirchhof ein
mal hätte gereicht. Haushaltskonsolidierung mit Schuldenbremse, Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise plus Steuersenkungen, das ist ein Konzept für das politische Nirvana.
Der neue US-Präsident Barack Obama - Herr Kollege Wadephul, jetzt bin ich bei Ihrem Zitat - sagt das, was Sie zitiert haben. Er sagt aber auch: Wir machen massive Investitionen über Kredite und refinanzieren das durch Solidarbeiträge derer mit den größten Einkommen und Vermögen. Das hat Barack Obama gesagt, und da hat er auch recht.
Ich möchte hier keinen falschen Eindruck erwecken und keinesfalls ein Verhalten propagieren: Nach uns die Sintflut und Verschuldung! Der Weg, die Schulden des Staates zu reduzieren, für unsere Kinder und Enkel die Zinslast zu verringern, um mehr politischen Gestaltungsspielraum zu gewinnen, ist richtig. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht, dass mit ihren Steuermitteln sorgsam umgegangen wird. Die vorgeschlagenen Konzepte lindern aber nicht die Krankheit, nein, sie bringen den Patienten um die Ecke. Ich sage Ihnen: Die jetzige Regelung ist für Schleswig-Holstein in keiner Weise tragbar. Das können wir nicht schaffen, ohne unsere Strukturen so kaputt zu machen, dass wir den Anschluss an andere Länder verlieren und in einer Teufelsspirale nach unten weiter an Steuerkraft und Einnahmen verlieren werden.
Wir haben ein strukturelles Defizit von 500 Millionen €, das aus geringerer Steuerkraft und den hohen Schuldzinsen für die dringend nötige Aufbauarbeit der letzten 20 Jahre bestanden hat.
Wir brauchen eher eine Politik, die qualifizierte Arbeitsplätze nach Schleswig-Holstein holt und die Bedingungen verbessert, das heißt gute Bildung, gute Betreuung, gute Infrastruktur, gutes Kulturangebot und nicht drastische Verschlechterung von all diesem. Das schaffen wir nicht, wenn wir jetzt unter Kuratel des Bundes gestellt werden. Das wäre nämlich das Konstrukt, das uns sagt: weniger Polizei, weniger Kultur, keine kostenfreie Kita.
Verehrter Kollege Wadephul, es geht nicht darum, ob wir uns das leisten können. Wir müssen uns das leisten. Das ist eine Entlastung für Kinder und Familien in unserem Land, die wir dringend brauchen - nicht die Steuersenkung, die andere versprechen.
Wir können doch nicht ernsthaft Milliarden für Banken und ihre Manager garantieren, zur Verfügung stellen und dort kürzen, wo die berechtigten Ansprüche unserer Bürgerinnen und Bürger unseres Landes beginnen. Das wäre ein Konjunkturprogramm für extreme Parteien. Das wollen wir nicht.
Was wir brauchen, ist eine Politik, die die Einnahmen des Staates stärkt und sich das Geld bei denen holt, die für die jetzigen Ausgaben verantwortlich sind oder es mit ihren starken Schultern besser tragen können. Insofern brauchen wir auch eine Föderalismusreform, mit der finanzschwachen Ländern wirklich geholfen wird. Der Vorschlag, den Uwe Döring und ich in der letzten Legislaturperiode zum Altschuldenfonds gemacht haben, der aufgegriffen und von Herrn Carstensen und Herrn Döring vorgetragen worden ist, hat keine Zustimmung gefunden. Wir haben immer gesagt: Ohne substanzielle Altschuldenhilfe oder Zinshilfe in ausreichender Höhe geht es nicht. Ich erinnere daran, dass es einen Vier-Länder-Vorschlag gegeben hat, den auch Herr Carstensen und die Landesregierung insgesamt mitgetragen haben. Darin haben wir gesagt, 0,75-%-Grenze und 260 Millionen jährliche Zinshilfen. Das wäre schwierig genug gewesen. Aber das, was wir jetzt haben, funktioniert nicht. Es beeinträchtigt sofort die politische Handlungsfähigkeit des Landes.
Es gibt einige, die sagen, 80 Millionen € seien doch ganz ordentlich, schließlich hätten am Anfang der Beratungen Hilfen für das Land völlig abgelehnt werden können. Manche sagen sogar, es sei das bestmögliche Ergebnis gewesen. Da kann ich nur sagen: Das, was wir vorgeschlagen haben, war schon die absolute Schmerzgrenze.
Hat eigentlich schon jemand die Kommunen darüber informiert, dass die 80 Millionen € inklusive Kommunen sind und dass davon auch noch der Umsatzsteueranteil abgezogen wird, dass es also real viel weniger ist? Das ist buchstäblich das Skonto auf die strukturelle Verschuldung, die wir haben. Also, „Haribo macht Kinder froh, die 80 Millionen ebenso“, das ist leider in der Realität nicht so komisch, lieber Herr Kollege Wadephul. Es macht uns nicht froh. Es kann uns nicht froh machen. Es ist nicht akzeptabel.
Ich finde es ein bisschen eigenartig, dass wir Abgeordnete des Jahres 2009 den Abgeordneten des Jahres 2020 sagen: Es sollen Gerichte entscheiden, was ihr dürft und nicht ihr selbst. Was ist das eigentlich für eine Anspruchshaltung gegenüber frei gewählten Abgeordneten? Auch dies halte ich bei einer Nullverschuldung für ein Problem. Das kann man nicht einfach machen.
Ich füge hinzu: Auch die einfachen Aufteilung, die einen wollen sparen, die anderen nicht, ist falsch. Eine durchgehende Verwaltungsstrukturreform ist bekanntlich nicht an der Sozialdemokratie gescheitert. Man kann auch über manches andere reden. Jetzt aber festzustellen, dass der Bund Bremen und dem Saarland die Zustimmung teuer abkauft, dass die neuen Länder vergessen, wie schnell 2019 kommt, ist konsequent, wie der Abgeordnete Schröder es aus Pinneberg sagt - ich meine nicht den guten Schröder, ich meine den anderen -, nämlich, dass wir gleich das Existenzrecht SchleswigHolsteins zur Disposition stellen sollen. Das hat er gestern gesagt. Das ist heute Morgen im „Deutschlandfunk“ gemeldet worden. Das Land SchleswigHolstein könne nicht bestehen, hat der Kollege Bundestagsabgeordnete Schröder gesagt. - Das war scherzhaft gemeint. Ich nehme das zurück, wenn Sie das vergrätzt hat, Herr Ministerpräsident. - Die Position zu sagen, das Land habe kein Existenzrecht mehr, halte ich für falsch und als Abgeordneter dieses Landtages auch nicht für akzeptabel.
Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, der gefundene Kompromiss schadet unserem Land. Es ist ein Verarmungsprogramm. Denn wir begeben uns auf eine Reise, an deren Ende die vom Grundgesetz geforderten gleichwertigen Lebensverhältnisse nicht mehr erreicht werden können. In der Politik ist es manchmal so wie in der Grammatik: Ein Fehler, den alle begehen, wird schließlich als Regel anerkannt. Hier kann und darf sich niemand der Meinung enthalten.
Wer Verantwortung für Schleswig-Holstein beweisen will, muss in dieser Lage konsequent und entschlossen handeln. Schulden abbauen kann man nur mit einer mutigen Politik, die auch durch Bildung und Zukunftschancen auf Zukunftsmärkte setzt und die nicht zugunsten von verkrusteten Verwaltungsstrukturen und Lobbyinteressen kaputtspart. Die SPD ist bereit, diesen Weg zu gehen, aber nicht etwas schönzureden, was unser Land in den Ruin treibt und was genauso schlecht ist, wie einfach die Schuldenspirale vorangehen zu lassen und nichts zu tun.
Deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass diese Regelung in der Förderalismusreform II schon an der verfassungsrechtlichen Frage scheitern wird. Es darf nicht sein, dass den Ländern letztlich ihre Existenz genommen wird und wir das nicht selbst entscheiden. Eine Zweidrittelmehrheit in diesem Hause wird es für eine Verfassungsänderung nur geben können, wenn wir etwas beschließen, was wir auch verantworten können und was unser Land nicht ruiniert.
Für die Fraktion der FDP hat der Vorsitzende, der Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem nun gestern das Kabinett beschlossen hat, weitere 1,5 Milliarden € in die HSH Nordbank zu pumpen, in dem Wissen, dass es damit nicht genug sein wird, haben sich die Anträge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW und auch der Koalitionsfraktionen eigentlich erledigt. Dass ausgerechnet BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Antrag stellt, finde ich in der Sache außerordentlich konsequent. Denn sie sagen im Klartext: Wir finden es gut, dass zukünftige schleswig-holsteinische Landesregierungen keine Schulden mehr machen dürfen, aber nur dann, wenn die übrigen Bundesländer Schleswig-Holstein den - ganz erheblich auch durch grüne Regierungsbeteiligung mit verursachten - Altschuldenbetrag abnehmen. Das nenne ich: Verantwortung übernehmen.
Herr Kollege Wadephul, mir ist nicht bekannt, dass die Grünen allein Regierungsverantwortung getragen haben. Sie waren der kleinere Koalitionspartner. Ich will daran erinnern, dass der Finanzminister des Jahres 2005 mit dem größten Nettoneuverschuldungsberg, den wir in der Geschichte Schleswig-Holsteins erlebt haben, mit 1,7 Milliarden €, Ihr Regierungspartner Ralf Stegner war. Wenn Sie also auf die Grünen schimpfen, nehmen Sie Ralf Stegner doch bitte mit in Ihr Gebet auf.
Der Antrag, den Grüne und SSW hier heute zur Beratung stellen, lässt sich in zwei Teile untergliedern, Schuldenbremse und Entschuldungskonzept. Zwei Teile, die in unmittelbarem Zusammenhang stehen, denn eine Schuldenbremse ohne Entschuldungs
konzept wird nicht funktionieren - ein Entschuldungskonzept ist aber auch ohne Schuldenbremse für Schleswig-Holstein dringend notwendig. Lassen Sie mich mit der Schuldenbremse beginnen.
Eine Schuldenbremse ist richtig. Sie schafft ein Fundament für zukünftige nachhaltige Ausgaben und erhält damit den Spielraum für die zukünftigen Generationen. Denn die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, dass mit ihrem Geld sorgsam umgegangen wird. Wenn die Regierungen nicht in der Lage sind, eine sparsame Haushaltspolitik zu betreiben, dann muss eben der Zwang hierzu in die Verfassung geschrieben werden. Doch aus Sicht der FDP-Fraktion muss die Schuldenbremse grundsätzlich drei Maßgaben erfüllen.
Erstens. Die Ausgestaltung des Schuldenverbots darf nicht zu starr sein. Das heißt: Verschuldung für Investitionen muss aus Sicht der FDP-Fraktion möglich sein. Anders formuliert: Die Regelungen, die getroffen werden, dürfen die Handlungsfähigkeit des Landes nicht einschnüren.
Statt über ein jährliches Verschuldungsverbot nachzudenken, müsste man vielleicht über ein Periodenverschuldungsverbot nachdenken. Denn wir wissen alle, dass es allein aufgrund der konjunkturellen Schwankungen und aufgrund der Steuerschwankungen völlig sinnlos ist, das pro Jahr, pro rata tempora, festschreiben zu wollen.
Zweitens. Es muss den finanzschwachen Ländern die Chance gegeben werden, eine solche Schuldenregel auch einzuhalten. Also müssen die Finanzhilfen ausreichen, um aus eigener Kraft zu einer Nettoneuverschuldung von null zu kommen.
Drittens. Das Budgetrecht der Landesparlamente darf nicht ausgehebelt werden. Hier stimme ich den Aussagen der Kollegen Wadephul und Dr. Stegner ausdrücklich zu.
Doch wie sehen die Regelungen der Kommission im Einzelnen aus? Der Kompromissvorschlag der Kommission sieht vor, dass ab 2016 der Bund seine Neuverschuldung auf höchstens 0,35 % des BIP beschränken muss. Warum eigentlich nur der Bund? Die Frage ist bisher nicht beantwortet. Die Länder sollen von 2020 an in normalen Haushaltsjahren überhaupt keine neuen Schulden mehr aufnehmen dürfen. Ausnahmen sind nur in Rezessionszeiten zulässig oder bei internationalen Wirtschafts