Protocol of the Session on January 29, 2009

Hier könnten sich vielleicht einmal in der Restlaufzeit der Großen Koalition Union und SPD zum Wohle des Landes dafür entscheiden.

Aus der Krise kommen wir durch Kreativität, durch Innovation und durch intellektuelle und oft auch physische Mehrarbeit. Aus der Krise kommen wir bestimmt nicht mit einer Mentalität, es den Staat oder Leuten wie Herrn Stegner machen zu lassen. Die Krise wird von denjenigen gemeistert, die uns auch in der Vergangenheit durch Krisen gebracht haben, nämlich tüchtige, einfallsreiche, fleißige Menschen, die die Ärmel hochkrempeln und denen wir etwas zutrauen müssen und für die wir die Rahmenbedingungen schaffen müssen, dass sie sich selbst etwas zutrauen. Dieses ganze Gerede, diese sogenannte Kapitalismuskritik: Irgendwie bin ich immer peinlich davon berührt, wenn ein System, das uns so großen Wohlstand wie kein anderes zuvor beschert hat, in dieser Art und Weise kaputtgeredet wird.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Bevor ich in der Reihenfolge der Redner fortfahre, darf ich auf der Besuchertribüne sehr herzlich Schülerinnen und Schüler der Freien Waldorfschule

aus Neumünster, Schülerinnen und Schüler der Realschule Ramskamp aus Elmshorn und die Kursteilnehmer der Fortbildungsakademie der Wirtschaft mit den begleitenden Lehrkräften sehr herzlich willkommen heißen.

(Beifall)

Das Wort für den SSW im Landtag erhält nun deren Vorsitzende, die Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die heutige Debatte hat gezeigt: Es ist wenig beruhigend, dass wir gerade in ein Krisenjahr schliddern, während Deutschland nicht nur eine Große Koalition am Ruder hat, sondern auch noch zahlreiche Wahlen bevorstehen. Es ist bezeichnend, dass die erste Reaktion auf die Finanzkrise der Erlass der Kfz-Steuer für Neuwagen war. Kein Mensch kauft sich ein neues Auto, weil er 300 € Kfz-Steuern weniger bezahlt. Für den Staat werden hier aber allein in diesem Jahr 400 Millionen € verpulvert. Diese kopflose Glanzleistung der Berliner Koalition war Teil des ersten Konjunkturpakets, das viel zu klein war, um wirklich etwas zu bewegen. Nun folgt das Konjunkturpaket II, das auch mehr als Kompromiss denn als konsistente Lösung daherkommt.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

CDU, SPD und CSU haben jeder in ihre Richtung gezogen, und die Richtungsentscheidung heißt, dass die Große Koalition in alle Richtungen geht. Dieses Muster kennen wir auch nur allzu gut hier in Schleswig-Holstein: Wenn man sich nicht einigen kann, dann macht man eben ein bisschen von jedem. Diesem elastischen Strickmuster folgend enthält das Konjunkturprogramm II zwar gute Punkte, aber auch einige Punkte, die nicht unsere Unterstützung finden. Ich möchte nicht verhehlen, dass besonders die angekündigten Steuererleichterungen mich skeptisch stimmen. Natürlich gönnen wir allen Bürgerinnen und Bürgern mehr Geld in der Tasche. Die beschlossenen Steuererleichterungen für alle Einkommensgruppen bedeuten aber in den meisten Fällen nicht mehr als 10 bis 20 € pro Monat. Ob dies jetzt wirklich hilft, die Konjunktur wirksam anzukurbeln, darf bezweifelt werden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In die richtige Richtung hingegen weist die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze für 6- bis 13-Jähri

ge. Auch für die Erwachsenen wäre eine Erhöhung der monatlichen Sätze des Arbeitslosengeldes II sowohl verteilungspolitisch als auch konjunkturpolitisch am Platz gewesen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da kann ich mir nicht die Bemerkung verkneifen, lieber Kollege Garg: Wir können uns gern über Kapitalismus unterhalten, wir können uns gern über soziale Marktwirtschaft unterhalten, aber die soziale Marktwirtschaft, wie wir sie in Deutschland haben, ist nicht dazu imstande gewesen, die Kluft zwischen Arm und Reich wirklich auszugleichen.

(Zurufe von CDU und FDP: Oh, oh!)

Denn eine noch gezieltere Entlastung von Niedrigeinkommen wäre konjunkturwirksamer gewesen als die Steuerentlastung für alle.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann wäre man ganz sicher, dass der Zuwachs des Nettoeinkommens auch in den Konsum geht. So aber bleibt abzuwarten, wie sehr die geänderten Steuersätze sich auch in der Binnennachfrage niederschlagen.

Auch die Wirkung der anderen Entlastungen ist nicht optimal. Natürlich sind 100 € Einmalzahlung für Kinder immerhin 100 € und kein Pappenstiel. Aber viele andere angebliche Wohltaten sind eher hypothetisch.

Die Senkung der Krankenkassenbeiträge zum 1. Juli entspricht gerade einmal der Erhöhung, die wir zum 1. Januar bekommen haben. Wenn die Große Koalition von einer großen Entlastung der Familien spricht, dann ist das Augenwischerei.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Entlastung fällt zu gering aus, um jetzt massenhaften Wohlstand auszulösen.

Hinzu kommt, dass die Steuerentlastung für das erste Halbjahr 2009 erst im Juli ausgezahlt werden soll. Gerade die Tatsache, dass die meisten Maßnahmen erst im zweiten Halbjahr 2009 wirksam werden, nährt den Verdacht, dass es hier vielmehr um Wahlgeschenke kurz vor der Bundestagswahl geht. Es kann aber nicht wahr sein, dass CDU und SPD diese schlimme Krise nutzen, um für sich noch Vorteile herauszuholen. Denn eines muss uns klar sein: Das, was jetzt an Steuern und Abgaben mehr

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

bei den Bürgern bleibt, steht zukünftig weniger für Bildung, Soziales oder Gesundheit zur Verfügung.

Deshalb bleibe ich dabei: Das wichtigste und beste Mittel gegen die Krise sind öffentliche Investitionen. Die Sanierung von Schulen und anderer Infrastruktur sorgen für Arbeit und Umsatz, kommen allen Bürgern zugute, und sie müssen irgendwann ohnehin getan werden. Das Deutsche Institut für Urbanistik schätzt den Investitionsstau bei Kommunen auf rund 75 Milliarden €, davon allein 6 Milliarden bei den Schulen und 30,9 Milliarden € bei Straßen.

Gerade dieser Teil des zweiten Konjunkturpakets ist die größte Herausforderung für das Land, denn wir entscheiden mit, wie es in Schleswig-Holstein umgesetzt wird. Jetzt kommt es darauf an, dass die Landesverwaltung in Zusammenarbeit mit den Kommunen die Gelder schnell und flexibel in die Taschen von Handwerkern, Unternehmern und Arbeitnehmern transportiert, natürlich für eine entsprechende Gegenleistung.

Entscheidend ist vor allem die Frage, wie die insgesamt mehr als 400 Milliarden € auf das Land verteilt werden. Ich bin froh, dass die CDU schon signalisiert hat, dass kein Windhundverfahren gewählt werden wird, bei dem die schnellsten Antragsteller die Gelder abgreifen können. Viele Windhunde sind schon längst losgelaufen, aber der kommunale Dackel muss auch eine Chance haben.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb muss es eine andere Art der Verteilung geben.

Die jetzt ins Spiel gebrachte Investitionspauschale für alle Kommunen, wie sie in Niedersachsen vorgesehen ist, halten wir allerdings auch nicht für den richtigen Weg. Würden die gesamten Gelder per Einwohnerquote verteilt und die Projekte in jeder Gemeinde beschlossen, dann ginge es nicht mehr nach der Qualität der Projekte, und dann hätten die freien Träger auch schlechte Karten. Ihre Angebote stehen nicht selten in Konkurrenz zu öffentlichen Institutionen und würden bei einer Prioritätensetzung vor Ort keine Chance haben. Deshalb erwarten wir von der Landesregierung eine Regelung, die Einrichtungen in Trägerschaft der ADS, des Dänischen Schulvereins, oder der AWO ebenso berücksichtigt wie öffentliche Einrichtungen. Ich muss es leider so deutlich sagen, weil mindestens ein Landrat schon zu verstehen gegeben hat, dass er nicht daran denkt.

Insgesamt erscheint uns eine Kombination aus Pauschalen und Antragsverfahren der beste Weg zu sein, um die Gelder in Schleswig-Holstein zu verteilen. Wenn jedes Kreisgebiet pauschal eine Summe zur Verfügung bekommt, die sich nach der Schüler- beziehungsweise Einwohnerzahl des Kreises errechnet, und innerhalb dieses Bereiches dann ein Antragsverfahren durchführt, wäre die Ausgewogenheit der Förderung gewährleistet.

Noch einmal: Wir erwarten, dass die Schülerzahlen auch freie Schulen umfassen und diese ebenso gefördert werden.

Außerdem liegt es in der Hand des Landes zu definieren, was eine finanzschwache Kommune ist und wie ihr geholfen wird. Der SSW erwartet, dass das Land klammen Kommunen unter die Arme greift, wenn sie nicht die entsprechende Kofinanzierung aufbringen können, im Extremfall bis hin zum vollständigen Verzicht auf kommunale Eigenmittel. Ansonsten verstärken wir nur die Probleme, die vor Ort bestehen.

Wer heute kein Geld für Investitionen hat, hat es nach dem Konjunkturprogramm schon gar nicht. Denn die beiden Konjunkturpakete werden zu deutlichen Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer und Einkommensteuer führen. Dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung zufolge werden diese Steuermindereinnahmen bundesweit 1,9 Milliarden € 2009 und 2,7 Milliarden € 2010 betragen. Dies sind bis zu 30 % der zusätzlichen Investitionsmittel, die durch das Konjunkturprogramm II zur Verfügung gestellt werden. Auch aus diesem Grund hätten wir uns beim Konjunkturpaket ein stärkeres Primat der öffentlichen Investitionen gewünscht. Deshalb dürfen arme Kommunen nicht ausgeschlossen werden.

(Beifall beim SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch eines muss klar sein: Das Land darf natürlich nicht als Nächstes wieder in den kommunalen Finanzausgleich eingreifen, wenn die finanziellen Folgen der Rezession und der Konjunkturpakete ihre volle Wirkung für den Landeshaushalt entfalten. Dann wären wir konjunkturpolitisch gesehen nämlich völlig gleich weit.

(Beifall beim SSW)

Der Bund hat eine Reihe von Bereichen vorgegeben, innerhalb derer die Investitionsmittel ausgegeben werden dürfen. Das Land hat die Möglichkeit, innerhalb dieser Grenzen Schwerpunkte zu setzen. Dabei muss es darum gehen, solche Bereiche und

(Anke Spoorendonk)

Maßnahmen auszuwählen, die nachhaltig sind, also auch in den kommenden Jahren nachwirken und weiteres Wachstum und Beschäftigung auslösen. Wir halten vor allem Investitionen in die Energieeffizienz von öffentlichen Gebäuden für sinnvoll, weil diese einen Multiplikatoreffekt haben. Sie sind nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern sparen auch Energieausgaben und können zukunftsfeste, neue Arbeitsplätze in der regionalen Wirtschaft schaffen.

(Beifall beim SSW)

Die Sanierung und der Neubau von Schulgebäuden sind nicht nur angesichts des maroden Zustands vieler Schulen notwendig, sondern sinnvoll in einer Zeit, in der sich die Schulstrukturen im Land ändern.

Auch die stärkere Fokussierung auf den ländlichen Raum, die nicht nur die flächendeckende Ausstattung mit Breitband-Internetverbindungen umfasst, sondern auch die von der CDU angesprochene Förderung von anderer Infrastruktur und der Wirtschaft, ist richtig. Was allerdings nicht sein kann, ist, dass die Maßnahmen gezielt eingesetzt werden, um bestimmte Schulformen zu fördern, wie es der Kollege Wadephul am Wochenende vorgeschlagen hat. Eine so stark parteipolitisch geleitete Investitionsförderung lehnen wir ab. Dies gilt ebenso für die grüne Verteufelung des kommunalen Straßenbaus.

Trotz aller Angst vor einer Rezession muss die Politik auch an übermorgen denken. Eines ist sicher: Wenn die enormen Summen zur Konjunkturförderung ausgegeben und die Krise hoffentlich überwunden ist, wird der Staat für lange Jahre kaum Geld für solche notwendigen Maßnahmen mehr haben. Es ist das Mindeste, dass die gepumpten Milliarden für die Stabilisierung der Konjunktur jetzt mit Vernunft ausgegeben werden und nicht nur mit dem kurzfristigen Blick auf Wahlen. Es ist gut, dass die großen Parteien mittlerweile aus ihrer neoliberalen Phase herausgewachsen sind

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und die Erkenntnis gewonnen haben, dass antizyklische Impulse immer noch ein legitimes Instrument der Wirtschafts- und Finanzpolitik sind. Der SSW begrüßt vor allem, dass nun die berechtigte Frage nach den Grenzen des Wettbewerbs gestellt wird. In Verbindung mit dem Zukunftsinvestitionsgesetz sollen neue Schwellenwerte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten. Die Ausschreibung von Teillosen, die freihändige Vergabe bis zu 100.000 € und die begrenzte Ausschreibung bei

Bauleistungen bis zu 1 Million € tragen dazu bei, dass die Gelder wirklich in der Region ausgegeben und verdient werden können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung kann aber auch selbst und unabhängig vom Bundesprogramm mehr dafür tun. Sie kann und muss dafür sorgen, dass diejenigen Schleswig-Holsteiner, die sich diese Gelder mit ihrer Hände Arbeit verdienen, gerecht bezahlt werden. Wer unsere Schulen und Straßen renoviert, soll dafür einen ordentlichen Lohn erhalten.