Förderung von Existenzgründungen Landtagsbeschluss vom 3. April 2003 Drucksachen 15/2565 und 15/2590
Ich darf zunächst zur Berichterstattung der Landesregierung dem Minister für Wirtschaft und Verkehr, Herrn Professor Dr. Bernd Rohwer, das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein neues Unternehmen in Schleswig-Holstein und in Deutschland zu gründen, ist in schwierigen Zeiten und unter schwierigen Rahmenbedingungen keine Selbstverständlichkeit. Man braucht nicht nur eine gute Geschäftsidee, man braucht auch einen hart kalkulierten Businessplan und auch ein Stück Optimismus. Man braucht günstige ökonomische Rahmenbedingungen, gute Beratungsangebote und vor allem genügend Kapital.
Der Ihnen vorliegende Bericht zur Förderung von Existenzgründungen zeigt, dass in SchleswigHolstein überdurchschnittlich viele Menschen diese Bedingungen erfüllt sehen. Im Jahre 2002 gab es in Schleswig-Holstein 6.558 Betriebsgründungen. Das waren auch unter Berücksichtigung der Abgänge im Saldo pro Kopf mehr Betriebsgründungen als in jedem anderen westdeutschen Flächenland. Auch im ersten Halbjahr 2003 liegt Schleswig-Holstein bei den Flächenländern beim Saldo von Neugründungen und Löschungen im Handelsregister wiederum an der Spitze. Das zeigt, dass das Gründungsklima, dass die Gründungsbedingungen in Schleswig-Holstein im bundesweiten Vergleich gut sind, wenn auch - das sage ich dazu - nicht gut genug. Denn wir haben in Deutschland, auch wenn wir das mit den angloamerikanischen Ländern vergleichen, einen Nachholbedarf, sodass wir nicht nachlassen dürfen, die Bedingungen für Existenzgründerinnen und Existenzgründer auch in diesem Land weiter zu verbessern.
Wir haben übrigens auch die bundesweit höchste Selbstständigenquote. Auch wenn wir sie um unsere bekannten Faktoren - Landwirtschaft - strukturell bereinigen, liegen wir bei der Selbstständigenquote im Bundesvergleich noch sehr gut. Dies ist ebenfalls ein Indiz dafür, dass dieser Weg für unser Land Schleswig-Holstein richtig ist.
Die Zahlen bestätigen unsere Auffassung, dass wir die Politik für kleine und mittlere Unternehmen konsequent fortsetzen und optimieren müssen. Das heißt für mich auf Bundesebene, dass die entscheidenden Punkte - Bürokratieabbau, Reform der Steuer- und Sozialsysteme, Senkung der Lohnnebenkosten, Verbesserung der Kapitalausstattung - forciert weitergeführt werden müssen. Diesbezüglich haben wir längst noch nicht das erreicht, was wir erreichen müssen. Wir haben dazu Vorschläge gemacht und sind in Gesprächen mit der Bundesregierung darüber, was zusätzlich geschehen muss, insbesondere was die
Lassen Sie mich kurz auf die Landesebene hinweisen. Denn dort können wir unmittelbar Einfluss nehmen. Wir werden unseren Landeshaushalt nicht mit Gründerprämien und Zinszuschüssen belasten. Ich sage das auch vor dem Hintergrund der Haushaltsprobleme. Das können wir uns nicht leisten. Das ist auch nicht immer das intelligenteste Instrument. Denn damit würden wir große Mitnahmeeffekte auslösen. Wir machen aber etwas anderes und das zeigen die Angebote unserer Förderinstitute. Wir versuchen, die teilweise wegbrechende, jedenfalls deutlich eingeschränkte Kreditvergabe der Kreditinstitute teilweise dadurch aufzufangen, dass wir für Unternehmen Eigenkapitalsurrogate anbieten, auf deren Grundlage sie dann höhere Kredite, insbesondere von den Hausbanken, bekommen können. Dies sind Eigenkapital ersetzende Darlehen, aber auch Beteiligungen et cetera.
Das hat Grenzen, denn wir werden und können keine staatliche Bankenfunktion übernehmen. Diese Aufgabe müssen die privaten Kreditinstitute lösen. Wir können es aber Unternehmen insofern erleichtern, als wir sagen: Es gibt eine Prüfung durch die Investitionsbank oder durch die Bürgschaftsbank. Ergibt diese Prüfung, dass ein Erfolg versprechendes Konzept vorliegt, kann man zur Hausbank gehen und die Hausbank wird auf dieser Grundlage eher einen entsprechenden Kredit geben.
Das ist sinnvolle Förderung von Existenzgründungen. Wir haben ein entsprechendes Programm, das Programm „Starthilfe“, aufgelegt, mit dem wir speziell Unterstützung für Existenzgründer gewähren. Hinzu kommt unser Technologie- und Innovationsfonds, mit dem wir zielgerichtet auch Gründer unterstützen, und hinzu kommen die Erfahrungen, die die Bürgschaftsbank mit ihrem Bürgschaftsprogramm in diesem Bereich gesammelt hat, dessen Zwischenergebnis positiv ist.
Alle drei schleswig-holsteinischen Förderinstitute - die Investitionsbank, die Bürgschaftsbank und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft - haben jedenfalls - das ist eine gute Bilanz - auch im ersten Halbjahr 2003 wieder deutlich mehr Existenzgründungen positiv begleitet. Auch das ist ein Beispiel dafür, wie eine sinnvolle Wirtschaftspolitik das Gründerklima, die Gründungen in Schleswig-Holstein unterstützt.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es kommt dann noch etwas Zweites hinzu: Auch beim Thema Überbrückungsgeld für Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit greifen ja mit der Ich-AG und mit dem Überbrückungsgeld zwei Instrumente, mit denen wir auch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nämlich die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und den Arbeitslosen über eine Existenzgründung wieder Motivation zu geben. Sie wissen sicherlich, dass dieses Instrument im Vergleich der unterschiedlichen Arbeitsmarktinstrumente eines der erfolgreichsten ist, die wir haben. Obwohl dort ein Teil natürlich wieder anschließend zurückgeht und Probleme hat, ist dieses Instrument zurzeit das erfolgreichste, das wir haben. Ich halte diesen Weg deswegen auch für ganz wichtig und richtig.
Lassen Sie mich abschließend darauf hinweisen, dass wir damit aber nicht alle unsere Möglichkeiten bereits optimiert haben. Ich sehe Optimierungsmöglichkeiten in der Bündelung der Wirtschaftsförderinstrumente in Schleswig-Holstein. Das betrifft das Haus der Wirtschaft, die räumliche Zusammenführung, es betrifft aber auch die sachliche Zusammenführung. Das heißt, wir werden die Programme noch enger verzahnen, wir werden auch die Institute - dafür werden wir demnächst einen Vorschlag machen - organisatorisch noch enger zusammenführen, sodass wirklich gewährleistet ist, dass ein Gründer oder jemand, der sich hier ansiedeln will, einen Ansprechpartner hat. Er hat schon jetzt in der Regel einen Ansprechpartner, aber das ist noch optimierungsfähig. Dieses Instrument wollen wir weiter ausbauen und dafür werden wir demnächst Vorschläge machen.
Ich glaube, dass wir uns im Ländervergleich mit dieser sehr pragmatischen mittelstandsorientierten Politik nicht verstecken müssen, sondern dass wir gut dastehen. Ich räume aber ein, dass wir noch viel tun müssen, um die Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen deutlich zu verbessern. Daran sollten wir gemeinsam weiter arbeiten.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die antragstellende FDP-Fraktion erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums und auch Ihnen, Herr Wirtschaftsminister, für diesen Bericht. Das, was berichtet
wird - auch in dem schriftlichen Bericht -, ist gut und verständlich aufbereitet. Ich muss allerdings sagen, dass einige wesentliche von uns geforderte Informationen fehlen.
Es fehlen die Angaben - das war der Ansatz der Nachfrage - über die Erfolgskriterien der Förderprogramme und folglich auch alle Angaben darüber, ob die Förderprogramme des Landes den eigenen Ansprüchen der Landesregierung genügen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Maßstab Erfolge zu messen, entbindet vielleicht von der unangenehmen Pflicht, den eigenen Misserfolg auch einmal festzustellen, aber bei staatlichen Förderprogrammen ist dies verwerflich, besonders angesichts ständiger Erfolgspropaganda. Es handelt sich ja schließlich bei diesen Förderprogrammen um Steuergelder.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die alten ASH-Programme. Wir haben über Jahre konsequent und bis zur Ermüdung der Ministerin gefordert, die Programme zu evaluieren, und zwar anhand von vorher aufgestellten Kriterien. Das ist uns schließlich gelungen. Gerade für die Förderprogramme des Wirtschaftsministeriums müsste eine solche Kontrolle anhand von selbst gesetzten Maßstäben selbstverständlich sein.
Vielleicht würden wir auf diesem Weg zu erstaunlichen Erkenntnissen kommen, die gleichzeitig auch die Möglichkeiten aufzeigen, viel Geld einzusparen.
Ich wünsche mir jedenfalls, dass bei künftigen Berichten vor der Veröffentlichung geprüft wird, ob die Aufträge des Landtages auch vollständig abgearbeitet worden sind.
Ich fordere den Herrn Minister auf, die Erfolgskriterien der Existenzgründungsprogramme und die Bewertung der Programme anhand dieser Kriterien bis zu den Ausschussberatungen schriftlich nachzureichen.
Meine Damen und Herren, trotzdem ist der Bericht sehr aufschlussreich. Das Gründungsklima in Schleswig-Holstein ist gut; überdurchschnittlich viele Menschen wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. Leider schlägt sich das nicht in überdurchschnittlich guten gesamtwirtschaftlichen Daten nieder, was beweist, dass Existenzgründungen eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Wachstum
und Beschäftigung sind. Wir müssen erreichen, dass die seit Jahren überdurchschnittlich hohe Bereitschaft vieler Menschen in Schleswig-Holstein, ihr Leben selbst zu gestalten, endlich auch Wohlstand und Beschäftigung stärker steigert. Wir müssen die Mittelstandspolitik des Landes neu ausrichten.
Herr Minister, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, dass Sie gerade zum Ende Ihres mündlichen Berichtes gesagt haben, dass Sie dies auch so sehen und daran arbeiten wollen.
Aus den Daten zu den Gewerbeanmeldungen sind nur schwierig die Zahlen der tatsächlichen Existenzgründungen zu ermitteln. Nach den hilfreichen Angaben der Verfasser des Berichtes lässt sich aus der Tabelle auf Seite 8 allerdings herleiten, dass in SchleswigHolstein von 1996 bis 2002 über 123.300 Existenzen gegründet wurden. Die Tabelle auf Seite 10 gibt Aufschluss darüber, wie viele Existenzgründungen durch das Land begleitet wurden; das sind 1.760. Das ist die Summe der realisierten Existenzgründungen, die von der Investitionsbank, der Bürgschaftsbank und der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft begleitet wurden: 1.760 von 123.300. Das sind 1,43 %.
Angesichts dieser Zahlen ist die übliche Lobesorgie auf den Beitrag der Förderprogramme des Landes zu den Existenzgründungen eine geplatzte Spekulationsblase. Dabei möchte ich nicht unterschlagen, dass insgesamt fast 24 % der Existenzgründungen aus öffentlichen Programmen begleitet wurden, aber der Löwenanteil davon eben nicht aus den Förderprogrammen des Landes. Die Landesregierung sollte sich diese Ergebnisse nicht länger zurechnen.
Meine Damen und Herren, wenn man die Angaben des Landesarbeitsamtes zu Einstellungen in Schleswig-Holstein von 1996 bis 2002 mit den Aussagen dieses Berichtes vergleicht, stellt man fest, dass die Schaffung neuer Arbeitsplätze nur in äußerst geringem Umfang auf die Existenzgründungsförderung des Landes zurückzuführen ist. Wenn ich andererseits die in derselben Zeit verloren gegangenen Arbeitsplätze und Insolvenzen betrachte, kann ich nur zu folgendem Schluss kommen: Die Landesregierung muss in der Tat ihre Wirtschaftspolitik umsteuern. Der Schwerpunkt darf nicht länger auf Förderprogrammen liegen, die nur einen sehr kleinen Anteil der Existenzgründer und einen kaum messbaren Anteil der vorhandenen Unternehmen in Schleswig-Holstein erreichen. Es muss der Schwerpunkt auf Wirtschaftspolitik gesetzt werden, die Rahmenbedingungen für alle Unternehmen so zu verändern, dass unsere sehr
guten Gründer- und Selbstständigenquoten sich endlich auch in sehr guten gesamtwirtschaftlichen Daten niederschlagen.
Nochmals, Herr Minister: Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie dies eben auch so ausgeführt und gesehen haben.
Das Wort erteile ich jetzt einem Kollegen, der heute Morgen als Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam für die Erringung wissenschaftlicher Grade vom Hause beglückwünscht worden ist: In diesem Sinne, Herr Professor h.c. Klaus-Dieter Müller - -