Protocol of the Session on November 12, 2003

Nunmehr erteile ich der Berichterstatterin des Finanzausschusses, der Frau Abgeordneten Kähler, das Wort zu Buchstabe a).

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat den Gesetzentwurf der Landesregierung am 25. September in erster Lesung behandelt und ihn zur weiteren Beratung an den Finanzausschuss federführend und den Innen- und Rechtsausschuss mitberatend überwiesen. Die beiden Ausschüsse haben sich in mehreren Sitzungen mit dem Gesetzentwurf befasst und zu dem Gesetzentwurf sowohl schriftliche Stellungnahmen von 31 Organisationen und Verbänden eingeholt als auch am 5. November 2003 auf Wunsch des Innen- und Rechtsausschusses eine mündliche Anhörung durchgeführt.

Im Einvernehmen mit dem Innen- und Rechtsausschuss empfiehlt der Finanzausschuss dem Landtag mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU und FDP, den Gesetzentwurf Drucksache 15/2901 unverändert anzunehmen.

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Einzelberatung. Ich erteile zunächst Herrn Abgeordneten Rother das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach einer Diskussion, die wir nun seit mittlerweile über einem Jahr führen, kommen wir heute endlich zu

einem Schluss der Debatte über die Sonderzahlungen für Beamtinnen und Beamte. Angesichts der Heftigkeit der Auseinandersetzung möchte ich zu zehn kleinen Missverständnissen, die in diesem Jahr aufgetreten sind, Stellung beziehen.

Erstes Missverständnis: Sonderopfer öffentlicher Dienst.

Es stimmt, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in der Vergangenheit für sie ungünstige Veränderungen, zum Beispiel in Sachen Arbeitszeit, hinnehmen mussten. Damit gewöhnt sich der öffentliche Dienst angesichts der wirtschaftlichen Lage an Situationen, die in der Privatwirtschaft alle Tage passieren, die aber dort bei weitem nicht so negative Konsequenzen haben. Die grundsätzliche Notwendigkeit, dass die Beamten einen Teil ihrer Besoldungserhöhung bei Weihnachts- und Urlaubsgeld wieder zurückgeben, ist vor dem Hintergrund der Haushaltssituation - darüber haben wir gerade gesprochen - genauso folgerichtig wie die Nullrunden für Regierungsmitglieder und Abgeordnete. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Landesdienst rauswerfen will bislang ja auch nur die CDU. Das wollen wir auf keinen Fall.

Zweites Missverständnis: Die Regelung sei im Vergleich zu anderen Ländern unsozial. - Ganz falsch!

Schleswig-Holstein hat durch die Staffelung und durch die relativ hohen Prozentsätze sowie durch den Sonderbetrag für Kinder die sozialste aller Regelungen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist eine Lü- ge!)

Die Regelung in Nordrhein-Westfalen, Herr Kubicki, die höhere Prozentsätze bis zur Besoldungsstufe A 8 vorsehen soll - das alles ist ja noch nicht beschlossen -, würde auf Kosten der Versorgungsempfänger und durch geringere Urlaubsgeldzahlungen kompensiert. Bundesländer, die erst im nächsten Jahr in die Kürzung der Sonderzahlungen einsteigen - wie beispielsweise Bayern -, kompensieren dies durch Arbeitszeitverlängerungen - das ist schon angekündigt - oder durch Einschnitte bei der Beihilfe wie das Saarland. Der Grundsatz, dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache, bleibt beim Gesetzentwurf der Landesregierung gewahrt.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittes Missverständnis: Die Sonderzahlungsregelung führe in die Sozialhilfe. - Wieder falsch!

(Thomas Rother)

Der Regelsatz für die Sozialhilfe für den Haushaltsvorstand beträgt in Schleswig-Holstein zurzeit 296 €. Hinzu kommen Kosten für Unterkunft und Heizung sowie gelegentliche Sonderbedarfe. Jemand, der beispielsweise in der Besoldungsstufe A 4 - also noch im einfachen Dienst - ist, allein stehend, 35 Jahre, erhält brutto etwas über 1.800 €. Selbst wenn man Steuern und Sozialversicherung abzieht, erreicht das nicht den Sozialhilfesatz von 600 €, den er wahrscheinlich beziehen würde. Wenn dieser A 4er verheiratet ist, zwei Kinder hat, eine Ehefrau hat, die zu Hause ist, käme er mit Wohngeld, Kindergeld und so weiter auf rund 2.600 €, während die Sozialhilfe bei vielleicht 1.500 € liegen würde. Selbst wenn man die dann geringen Steuern und die Sozialversicherung abzieht, wäre immer noch eine Differenz von gut 500 € vorhanden. Ein Sozialhilfesatz kann nur in Ausnahmefällen, wenn beispielsweise jemand mehrere Unterhaltszahlungen zu leisten hat, in Betracht kommen. Das Missverständnis weist eher auf andere Vorstellungen bei CDU und FDP hin, nämlich dass Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger in Saus und Braus lebten und wahrscheinlich viel zu viel Geld bekämen. Aber das ist eine ganz andere Debatte.

Viertes Missverständnis: Ein Verzicht auf das Weihnachtsgeld für Minister und Staatssekretäre könnte die alten Sätze für den einfachen und mittleren Dienst finanzieren.

Das ist schon rein rechnerisch nicht möglich, da man mit 70.000 € nicht 314.000 € von A 2 bis A 6 oder 5,3 Millionen € von A 7 bis A 9 finanzieren kann. Außerdem ist das tatsächlich eine Neiddiskussion. Es ist ganz putzig, dass sie gerade von der rechten Seite im hohen Haus angezettelt wird.

Fünftes Missverständnis: Der Finanzminister nimmt die Beschlussfassung des Parlamentes vorweg.

Nicht nur der Finanzminister, sondern auch die Kommunen werden sich auf die neuen Weihnachtsgeldsätze rasch einzurichten haben. Es ist klar, dass unser Beschluss dazu die Grundlage bildet. Es ist aber auch klar, dass Überzahlungen durch technische Bedingungen zu vermeiden sind. Die Folge wären Rückforderungen im Januar. Daran mag die Opposition vielleicht Spaß haben, die davon Betroffenen hätten daran bestimmt keine Freude.

Sechstes Missverständnis: Das neue Gesetz ist nicht befristet.

Das Gesetz hat in § 12 eine Überprüfungsklausel. Bis dahin ist auch klar, ob eine Festbetragsregelung, wie es sie bisher nur in Berlin gibt, eine Alternative ist.

Siebtes Missverständnis: Die Lebensarbeitszeit soll verlängert werden.

Den Antrag der CDU lehnen wir ab, weil wir das nicht wollen. Wir verkünden hier in aller Form, dass wir uns an die bestehenden Gesetze halten.

Achtes Missverständnis - die Gewerkschaften sind hier auch vertreten -: Die Gewerkschaften sind im Verfahren ausgebootet worden. - Im Gegenteil.

Seit einem Jahr laufen die Gespräche mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes. Im Ergebnis haben wir die vergleichsweise sozialste und höchste Variante bei den Sonderzahlungen und eine Überprüfungsklausel noch obendrauf. Die Gewerkschaften waren also ziemlich erfolgreich. Für das von Wolfgang Kubicki herbeigeführte Anhörungskuddelmuddel übernehmen wir keine Verantwortung. Das lassen wir uns auch nicht in die Schuhe schieben.

(Beifall bei der SPD)

Neuntes Missverständnis: CDU und FDP haben ihre Liebe zur Gewerkschaftsbewegung entdeckt. - Ganz falsch!

Nur in der Opposition entdecken beide Parteien - das erkennt man auch an dem Verhalten in anderen Bundesländern - ihre Liebe zur Arbeiter- und Beamtenbewegung. Die Vorschläge ihrer Parteien zum Beispiel zu Tarifvertrags- oder Kündigungsschutzrecht sprechen eine ganz andere Sprache.

(Glocke des Präsidenten)

Kommen Sie zum Schluss, Herr Rother.

Ich komme zum Schluss. - Zehntes Missverständnis: Das Sonderzahlungsgesetz führe zu Korruption.

Dazu hat der Finanzminister schon etwas gesagt.

Die Fragen, die sich vor gut einem Jahr gestellt haben, haben wir mit diesem Gesetzentwurf mittlerweile sehr gut beantwortet. Wir wollen ihn umsetzen. Daher lehnen wir alle dazu vorliegenden Änderungsanträge ab.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Schwalm das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rot-Grün ist fest entschlossen, heute das Sonderzahlungsgesetz zu beschließen, das für jeden Beamten real bedeutet, weniger Euro und Cent im Portemonnaie zu haben. Und das nach einem skandalösen Beratungsverfahren, hoppla hopp, so unter Zeitdruck wie bei keinem anderen so bedeutenden Gesetz! Schriftliche Anhörungen der Gewerkschaften und Verbände in solch knappen Zeiträumen - unüblich sonst. Wenn man berücksichtigt, dass auch noch Herbstferien waren, dann umso mehr.

Von Anfang an war die Vorgabe des Finanzministers an seine Mehrheitsfraktion: zweite Lesung im November, egal um welchen Preis, um die Kürzungen beim Weihnachtsgeld noch in diesem Jahr umzusetzen! Die rot-grünen Fraktionen nahmen Haltung an und stimmten ein „Selbstverständlich, Herr Minister!“ an.

Der Finanzminister scheute offenbar auch nicht davor zurück, ohne gesetzliche Grundlage dem Landesbesoldungsamt bereit jetzt klare Vorgaben zu machen. Ein einmaliger Vorgang!

Im federführenden Finanzausschuss konnte man sich nicht einmal zu einer mündlichen Anhörung durchringen, wie in zahlreichen schriftlichen Stellungnahmen gefordert.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Konzentration auf das Geschehen hier.

Der Hinweis der Frau Kollegin Kähler, man habe 31 schriftliche Stellungnahmen, ist da wenig hilfreich. Die Front der Ablehnung aller Beteiligten, die massive Kritik am Inhalt des Gesetzes und am Verfahren waren so deutlich wie schon lange nicht mehr bei einer Gesetzesvorlage. Dass bei einer mündlichen Anhörung die Kritik an Landesregierung und Mehrheitsfraktionen vernichtend sein würde, war vorauszusehen. Die rot-grüne Mehrheit im Finanzausschuss wollte sich das nicht antun - also auch noch feige.

Daher ist es umso beachtenswerter, dass es im mitberatenden Innen- und Rechtsausschuss gelang, einvernehmlich eine mündliche Anhörung zu beschließen. Jetzt konnte sich keiner mehr seiner Verantwortung entziehen. Die gemeinsame Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses und des Finanzausschusses fand vor einer Woche statt. Und es kam, wie es kommen

musste, wie es erwartet oder befürchtet wurde: Deutscher Beamtenbund, Deutsche Steuergewerkschaft, Gewerkschaft der Polizei und ver.di redeten Klartext.

Das Maß der Zumutungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist voll: Abbau von Stellen, ohne Aufgaben zu reduzieren, Arbeitsverdichtungen und Leistungssteigerungen, Beförderungsverzögerungen ohne Ende, ständige Verzögerung der Besoldungsanpassung bei gleich bleibenden Aufgaben beziehungsweise gestiegenen Anforderungen, das sind nur einige Stichworte. Auch die ständigen so genannten Reformen, mit denen die Landesverwaltung überzogen wird, war Thema. Was die Landesregierung nach außen als einen modernen Touch zu vermitteln versucht, wird nach innen als unsinnige Beschäftigungstherapie empfunden - für meine Fraktion nichts Neues, sondern nur Bestätigung dessen, was wir hören, wenn wir im Land unterwegs sind.

Die Schere zwischen Angestellten und Beamten öffnet sich weiter. Auch wenn der Tarifvertrag für Angestellte gekündigt wurde, wirkt er weiter und garantiert den Angestellten weiterhin die im Tarifvertrag vereinbarten Sonderzahlungen. Die gravierende Ungleichbehandlung zwischen Beamten und Arbeitnehmern nimmt zu.

Nein, meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf trägt nicht zur Konsolidierung der maroden Finanzen unseres Landes bei. Er führt zu einer Demotivation der Beamtinnen und Beamten, egal in welcher Besoldungsgruppe. Die so genannte soziale Komponente ist zutiefst unsozial. Aus Zeitgründen kann ich hier nicht auf einzelne Berechnungsbeispiele eingehen, aber auch an Ihnen können doch die sachlichen informativen Stellungnahmen und Beispielrechnungen der Anhörung nicht spurlos vorüber gegangen sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im einfachen und mittleren Dienst sind zwar mit absolut geringeren Beträgen betroffen als Staatssekretäre und Minister, aber sie können diese Kürzungen viel weniger verkraften. Gerade in den unteren Einkommensgruppen gehören die Sonderzahlungen zum festen Bestandteil des Familieneinkommens. Den Begriff Sonderzahlungen müssen diese Bediensteten als besonders zynisch empfinden, ebenso wie die Erklärung der Regierung, dass die Kürzungen keine wirtschaftlichen Auswirkungen haben.

Diese Aussage geht an der Lebenswirklichkeit total vorbei, an der einer Ministerin, eines Ministers offenbar nicht. Der Einzelhandel beklagt die flaue Nachfrage in dieser Zeit, die Menschen reagieren zurückhaltend, der Kanzler will die vorgezogene Steuerreform und hofft so schon jetzt auf eine Belebung des Weihnachtsgeschäfts. Dazu kann ich nur sagen:

(Monika Schwalm)

Träumer. Sie kürzen den Beamtinnen und Beamten die realen Einkommen. Dieser Gesetzentwurf enthält keinerlei Perspektive für die Betroffenen. Er ist weder zeitlich begrenzt noch sieht er eine Dynamisierung der verbleibenden Beträge vor, im Gegenteil, die Festschreibung der Berechnungsgrundlage auf die Beträge von 2002 bedeutet faktisch weitere Kürzungen in den kommenden Jahren. Ihr Hinweis, dass auch Bundesländer mit CDU-Mehrheiten diesen Weg gehen, macht Ihr Verhalten nicht besser. Hier gibt es unterschiedliche Regelungen in unterschiedlichster Ausprägung. Die Anhörung am letzten Mittwoch hat doch deutlich gemacht, dass es auch in unserem Land Bereitschaft gab, in Gesprächen Lösungen zu finden, die, wenn auch nicht mit Begeisterung, letztlich akzeptiert worden wären. Diese Chance haben Sie verspielt. Der Gesetzentwurf der CDU, der leider im Finanzausschuss keine Mehrheit gefunden hat, hätte finanzielle Sicherheit für die Bediensteten gebracht.