Diese Reformen sind zwingend erforderlich, wenn wir die Binnennachfrage unter anderem durch höhere Haushaltseinkommen auch der unteren Einkommensbezieher stärken wollen. Unsere Absicht ist es, Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor nach Deutschland zurückzuholen. Wir rechnen bei unserer Lösung mit mehr Dynamik auf dem Arbeitsmarkt und als Folge dieser Dynamik auch mit dem entsprechenden Wirtschaftswachstum.
Mit unserem Antrag auf aktivierende Sozialhilfe beabsichtigen wir eine Zusammenlegung der beiden steuerfinanzierten Sicherungssysteme, nämlich Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, und zwar auf dem Niveau der Sozialhilfe und insgesamt in kommunaler Trägerschaft.
Die Betreuung soll gewissermaßen aus einer Hand erfolgen und bei den kommunalen Gebietskörperschaften angesiedelt sein. Denn diese können nach unserer Auffassung ortsnäher, praxisorienter und effektiver Arbeiten. Damit werden auch die Verwerfungen innerhalb des Systems endlich beendet.
Nach unserer Auffassung sind die kommunalen Gebietskörperschaften zur Wahrnehmung der Vermittlungs- und Leitungsaufgaben besser geeignet als die Bundesanstalt für Arbeit, weil die örtliche Nähe, die Kenntnis der Klientel, die Erfahrung mit den regionalen Bedürfnissen schon heute bei den Sozialhilfeträgern gegeben ist.
Mit Langzeitarbeitslosigkeit sind oft auch andere Probleme wie zum Beispiel Wohnungsmangel, Verschuldung, Sucht oder auch psychosoziale Fragen verbunden. All dies erfordert Beratung und Betreuung, die die Kommunen auch bisher selbstständig wahrgenommen haben. In dieses Aufgabenfeld fügt sich die Vermittlung von gemeinnütziger Arbeit wie Hinführung zum Arbeitsmarkt und die Auszahlungen von Hilfe zum Lebensunterhalt sachgerecht und ohne Systembruch ein. Mit dieser Lösung werden auch die erheblichen Kosten für den Einsatz von zusätzlichem Personal bei der Bundesanstalt für Arbeit vermieden, denn es dürfte nach meiner Auffassung erhebliche Effizienzreserven in den kommunalen Verwaltungen geben. Die Bearbeitung des neuen Arbeitslosengeldes II durch die Bundesanstalt für Arbeit ist schlichtweg bürokratischer Irrsinn.
Eine Mammutbehörde würde damit endgültig zur Bürokratieanstalt für Arbeit. Es ist einfach unvertretbar, dass die Nürnberger Behörde für diese Vermittlungsarbeit 11.800 zusätzliche Jobvermittler für erforderlich hält, die damit qualifizierte Arbeitsplätze schafft, die zusätzlich bezahlt werden müssen.
Wie sieht es eigentlich mit der versprochenen Entbürokratisierung der Bundesanstalt aus? Weder Hartz noch Herr Gerster werden ihren voreiligen Versprechen gerecht. Die Aufblähung des Beamtenapparates widerspricht eklatant der gewünschten Verschlankung der öffentlichen Hand. Im Gegenteil, noch mehr Bürokratie für noch mehr Arbeitslose, das wäre die Folge.
Hartz IV bringt also nicht die angekündigten Reformen und vor allen Dingen nicht die Effizienzsteigerung der Behörde. Was wir brauchen, sind nicht noch mehr Bürokraten, sondern weniger staatliche Gängelung und weniger Regulierung.
Ich bin froh darüber, dass offenbar auch die Regierung und die SPD dieses Problem zumindest erkannt haben, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende in die Trägerschaft der Kreise und kreisfreien Städte vorschlagen, unserem Antrag also gefolgt sind. Die Landesregierung teilt auch die Forderung, dass den Kommunen vom Bund beziehungsweise von der Bundesanstalt für Arbeit alle entstehenden finanziellen Aufwendungen voll ausgeglichen werden sollten. Damit entwickeln wir ein neues Hilfesystem, das den modernen Ansprüchen der Gesellschaft gerecht wird und auch den Grundsatz berücksichtigt: Keine Leistung ohne Gegenleistung!
Dass es nach wie vor schwierig sein wird, jedem arbeitsfähigen Menschen eine Vollzeitbeschäftigung zu vermitteln, und nach unserer Auffassung kommunale Gesellschaften dazu wenig geeignet erscheinen, ist es wichtig, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so zu verändern, dass es eine neue Arbeitsplatzoffensive aus den Unternehmen heraus gibt. Nun wird aber eine solche Veränderung - auch das wissen wir, da sind wir nicht blauäugig - nicht sofort zu neuen Arbeitsplätzen führen. Deswegen ist die Zwischenlösung erforderlich, dass Bund und Bundesanstalt für Arbeit nicht mehr nur die Verantwortung, sondern auch die finanziellen Mittel an die Kommunen und
die Länder und die Trägergesellschaften auskehren, damit im lokalen Bereich Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden.
Nur so werden wir den unabdingbaren Grundsatz realisieren können, dass derjenige, der Sozialhilfeleistungen empfängt und erwerbsfähig ist, seine Pflicht zur Gegenleistung auch erfüllt.
Dies ist der einzige Weg, die Arbeitsfähigen, das heißt diejenigen, die in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen, auch dorthin zurückzubringen. Diesen Grundsatz werden wir nur durchhalten, wenn die Arbeit auch in kommunaler Verantwortung angeboten wird. Um aber denjenigen - auch das will ich hier sagen -, die Arbeit oder gemeinnützige Arbeit annehmen - dabei denken wir an Bereiche wie Umweltschutz oder Unterstützung älterer Menschen oder von Familien -, einen zusätzlichen Anreiz zu geben, sehen wir Hinzuverdienstregelungen vor, deren Bedingungen im Einzelnen noch zu diskutieren sein werden. Wir sollten also ohne Vorbehalte den alten und überholten Grundsatz über Bord werfen, der da lautet: Wer arbeitet, bekommt wenig soziale Unterstützung, wer soziale Unterstützung bekommt, darf nicht arbeiten. Das ist falsch. Der Paradigmenwechsel bedeutet, dass Sozialhilfe als Ergänzung zu einer niedrig bezahlten Beschäftigung möglich sein soll.
Im Hinblick auf die Zeit will ich abkürzen und sagen: Unabhängig von diesen Anreizsystemen gilt nach wie vor, dass derjenige Empfänger von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, der eine zumutbare Arbeit nicht annimmt, mit spürbaren Leistungskürzungen rechnen muss, und zwar bis zur vollständigen Streichung des Sozialhilferegelsatzes, und dies ohne eine soziale Komponente. Die Verzahnung der Reformen im Bereich der Arbeitslosen- und Sozialhilfe mit dem Niedriglohnsektor beziehungsweise mit einem Anreiz zur Wahrnehmung gemeinnütziger Tätigkeit bei Sozialhilfebezug wird den Arbeitsmarkt nach unserer festen Überzeugung entlasten.
Lassen Sie mich abschließend noch ein kurzes Wort zu dem Ursprungsantrag des SSW sagen. Dieser erscheint uns grundsätzlich sinnvoll. Wir sind auch der Auffassung, es kann nicht sein, dass eine Vorsorge gestrichen wird, die einmal angelegt war, um im Alter gesichert zu sein. Wir machen allerdings eine kleine Einschränkung - deswegen sind wir für die Überweisung aller Anträge in den Ausschuss -: Es darf auch nicht sein, dass es bei Kapitallebensversicherungen ein Kapitalwahlrecht gibt. Vielmehr muss definitiv
nur eine Rentenbezugsmöglichkeit gegeben sein. Das führt dazu, dass andere Systeme gegenüber der Riesterrente nicht diskriminiert werden, dass aber vor allem diejenigen, die für ihr Alter vorgesorgt haben, nicht durch eine unsinnige Verrechnung nach Erreichen der Altersgrenze erneut den Sozialkassen und der Sozialhilfe, das heißt dem Steuerzahler, zur Last fallen. Wir werden diesen Antrag positiv begleiten.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW haben zu diesem Tagesordnungspunkt einen gemeinsamen Antrag vorgelegt. Wir wollen uns mit diesem Antrag in die Diskussion um die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe einbringen. Wir wollen, dass bei der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe die Maßnahmen der Gewährung von Arbeitslosengeld II auf eine kommunale Trägerschaft gegründet werden. Wir glauben zum einen, dass der Ansatz, Hilfen aus einer Hand zu gewähren, nach wie vor das Beste ist, um Menschen gezielt zu unterstützen. Zum anderen soll damit für die Zukunft auch verhindert werden, dass Menschen immer noch durch den berühmten Rost fallen, weil sich das eine Hilfesystem vom anderen Hilfesystem abgrenzt.
Für diese kommunale Trägerschaft bedarf es natürlich auch einer finanziellen Ausstattung durch den Bund. Diese fordern wir in diesem Zusammenhang mit ein. Wir wollen, dass das Know-how, das sich in vielen Jahren über Beschäftigungsgesellschaften, über Arbeitsmarktpolitik, über Arbeitsmaßnahmen von ABM bis zur Hilfe zur Arbeit auf kommunaler Ebene entwickelt hat, auch in Zukunft weiter genutzt werden kann und nicht verloren geht.
Die Unterstützung von Menschen in Arbeitslosigkeit und die Organisation von Hilfsmaßnahmen muss möglichst wirkungsvoll sein. Aber der beste Weg ist natürlich, durch eine präventive Arbeitsmarktpolitik Arbeitslosigkeit gar nicht erst entstehen zu lassen.
Wir wollen sinnvolle Wege aus der Arbeitslosigkeit und eine effektive Unterstützung und Beratung der Betroffenen organisieren. Deswegen sagen wir in dem Antrag, dass besonders überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffene Gruppen wie Jugendliche, arbeitslose Frauen und ältere Arbeitnehmer eine gezielte Unterstützung brauchen. Wir sagen, dass Arbeitslose beziehungsweise gering qualifizierte arbeitslose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer langfristig ein Potenzial bilden, das nach wie vor einen Anspruch auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt hat. Des Weiteren glauben wir - dies stellen wir in unserem Antrag, der Ihnen vorliegt, auch fest -, dass der Grundsatz des Förderns und Forderns mit einer effektiven und effizienten Arbeitsmarktpolitik gekoppelt werden muss. Wir können nicht nur Forderungen an den Einzelnen stellen und ihn, wie die CDU es will, mit den Entzug jeglicher staatlicher Unterstützung bedrohen. Dies ist ein Vorhaben, das in seiner pauschalen Form völlig abwegig ist.
Dies ist übrigens auch ein absolut unsozialer Gedanke. Denn wer muss am meisten leiden, wenn zum Beispiel der Familienvater aus der Sozialhilfe „ausgesteuert“ wird? Es sind die Familienangehörigen und die Kinder. Wer muss am meisten leiden, wenn die allein erziehende Mutter die Angebote für die Kinderbetreuung und die Möglichkeiten der Arbeitsförderung nicht wahrnimmt, weil sie mit anderen Problemen belastet und nicht in der Lage ist, die individuellen Anforderungen zu bewältigen? Es sind die Kinder, die dann unter der Bestrafung der Erwachsenen leiden müssen.
Das Sozialhilferecht kennt schon heute die Reduzierung von Geldleistungen und die Nichtbewilligung oder Streichung von weiteren Unterstützungsleistungen. Dies ist also kein neuer Gedanke, aber in seiner Pauschalität wird hier eine Drohgebärde aufgebaut. Wir sagen: Es bleibt dabei, dass jeder Einzelfall betrachtet werden muss, und dass in jedem Einzelfall auch die Familienverhältnisse und die Lebensumstände zu berücksichtigt sind.
Bei der Feststellung der Erwerbsunfähigkeit im Rahmen der Gewährung des zukünftigen Arbeitslosengeldes II fordern wir die Möglichkeit einer unabhängigen Überprüfung. Diese Überprüfung, die bisher bereits bei Erwerbsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger erfolgte, muss eine Möglichkeit bilden, damit man eben nicht zum Beispiel in die
Im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe weisen wir in Ziffer 6 des Antrages auch darauf hin - das macht die CDU in ihrem Antrag ebenfalls -, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht dazu führen dürfen, dass das eine Hilfesystem von dem anderen Hilfesystem völlig abgekoppelt ist. Vielmehr muss es den Behörden, den Ämtern möglich sein, durch einen Datenabgleich nicht nur die Gewährung und Hilfe aus einem Guss und einer Hand möglichst effektiv zu organisieren, sondern auch eine gezielte Unterstützung zu gewährleisten und Missbrauchsmöglichkeiten künftig weiter zu verringern.
Als Letztes haben wir den Gedanken in unseren Antrag aufgenommen, den der SSW bereits in einem eigenen Antrag formuliert hatte: Die Vermögensfreigrenzen sollen nicht auf dem untersten Niveau der Sozialhilfe bleiben, sondern müssen deutlich erhöht werden.
Es kann nicht sein, dass zum Beispiel eine Altersvorsorge, die mühsam zusammengespart worden ist, aufgezehrt werden muss und man später als Pensionär oder Rentner gezwungen ist, seinen Lebensunterhalt über die Grundsicherung zu gestalten, weil die eigene Altersvorsorge nicht ausreichend ist und die zusätzliche Altersvorsorge - wie man so schön sagt - verfrühstückt werden muss, sodass man dann wieder Anspruch auf staatliche Unterstützungsleistungen hat.
Dies sind die Grundzüge unseres Antrages, eines Antrages der deutlich macht: Wir wollen Arbeitsmarktpolitik gestalten. Wir wollen, dass Arbeitsmarktpolitik so früh wie möglich einsetzt, und wir wollen, dass in Schleswig-Holstein bewährte Modelle wie „Arbeit statt Sozialhilfe“ weiterentwickelt werden.
Dafür steht die bewährte Handschrift der Sozialministerin Heide Moser. Unser erfolgreiches Programm ASH 2000 ist dafür die richtige Grundlage. Arbeitsminister Bernd Rohwer hat dies mit der Vorlage seines Konzeptes „Neue Ziele und Eckpunkte der schleswig-holsteinischen Arbeitsmarktpolitik nach Hartz“ ebenfalls aufgegriffen. Bis zum Jahr 2006 stehen für die Arbeitsmarktpolitik in Schleswig-Hol
stein unter Einschluss der europäischen ESF-Mittel rund 80 Millionen € zur Verfügung. Dieses Geld muss effizient und passgenau eingesetzt werden, damit eine künftige Arbeitsmarktpolitik präventiv wirken kann, damit Arbeitslosigkeit gar nicht erst entsteht, damit überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen gezielt unterstützt werden können, damit insbesondere kleine und mittlere Unternehmen von der Arbeitsförderung profitieren können. Damit das Hilfesystem möglichst effizient und transparent gestaltet werden kann, ist es notwendig, die Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzuführen und möglichst effektiv zu gestalten.
Diese Kriterien hat der Arbeits- und Wirtschaftsminister Bernd Rohwer vorgegeben. Ich denke, diese Neuausrichtung kann sich sehen lassen und wird eine positive Wirkung erzielen können.