Protocol of the Session on September 24, 2003

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier sitzen heute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Motorola, die sicherlich wissen wollen, was wir im Großen und Ganzen über Wirtschaftspolitik denken. Aber ich glaube, sie wollen vor allem wissen, ob das, was in Sachen Motorola bisher passiert ist, richtig war und wie wir weiter vorgehen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da sage ich klipp und klar - da nützt der größte Optimismus, was andere Bereiche angeht, auch nichts -: Die in Schleswig-Holstein verfolgte Strategie, die zum Ziel hat, den richtigen Mix von Großen und Kleinen herzustellen, war auch in Bezug auf Motorola

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

richtig. Darüber sollten wir keine neue Diskussion führen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer der Ministerpräsidentin oder anderen vorwirft, sich nicht genügend für Motorola eingesetzt zu haben, der geht an der Debatte völlig vorbei.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Ach nee!)

Lieber Herr Kayenburg, ich erinnere gern ein bisschen an unsere Debatte über Mobilcom. Das klingt heute ein wenig durch. Wenn ich Ihre Worte noch richtig im Ohr habe, dann wäre es am besten gewesen, wir hätten damals für Mobilcom gar nichts gemacht. Heute sieht die Sache etwas anders aus. Heute zeigt sich nämlich, dass mit einem guten Management und einem guten Restrukturierungskonzept ein Konzern wie Mobilcom in Schleswig-Holstein Zukunftschancen hat. So etwas sollten wir uns nicht durch opportunistische Schwarzmalerei zerreden lassen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Entscheidend für Motorola ist, dass wir uns fragen, was wir tun können. Ich rede jetzt nicht über die Beschäftigungsgesellschaft. Ich glaube, da müssen die Verhandlungen zwischen Konzern und Betriebsräten zu einem vernünftigen Ergebnis führen. Das werden wir mit entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen begleiten. Vielmehr geht es mir jetzt darum, dass wir für die 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - es können auch mal wieder mehr werden - vernünftige Zukunftsperspektiven schaffen. Diese lasse ich mir nicht dadurch zerreden, dass hier eine Diskussion über Hightech oder Lowtech geführt wird. Die Strategie in Schleswig-Holstein steht seit Jahren und zwar mit Erfolg. Wir haben in Schleswig-Holstein nur dann eine Chance, wenn wir Rahmenbedingungen für Hightech und Lowtech schaffen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Herr Kayenburg, was ist denn der Schiffbau in Schleswig-Holstein? Ist das Hightech oder Lowtech? Das ist in einigen Bereichen natürlich auch Hightech. Deswegen fördern wir ihn doch auch mit den entsprechenden Ausstrahlungseffekten.

(Zuruf von der SPD)

Führen Sie diese Diskussion also bitte etwas sachlicher. Ich habe ja bisher Ihre wirtschaftspolitische Kompetenz immer sehr geschätzt, weil Sie dem Wirt

schaftsminister in den wichtigen Punkten zugestimmt haben.

(Lachen bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Ach nee!)

Wichtig ist, dass Sie die wirtschaftspolitische Kompetenz auch nutzen, um diese Debatte jetzt konstruktiv weiter zu führen.

Ich sage noch einmal in Richtung Motorola: Wir werden als Landesregierung erstens die zurückfließenden Fördermittel nicht im Haushalt verschwinden lassen, sondern wir werden sie erstens einsetzen, um UMTS nicht nur als Kompetenzschwerpunkt auszubauen, sondern auch, um so viel wie möglich in Sachen Produktion bei UMTS zu halten und zu schaffen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Genau das habe ich gesagt!)

Zweitens werden wir die Mittel einsetzen, um den Bereich Design zu stärken, und wir werden drittens die Mittel einsetzen, um möglichst auch im Bereich Logistik das zentrale Distributionscenter von Motorola für Europa in Flensburg zu halten. Das müssen unsere Gespräche sein, dafür müssen wir qualifizieren, dies müssen wir ausweiten. Ich bitte Sie dabei alle auch um Unterstützung.

Meine Damen und Herren, die Diskussion, die wir heute führen - richtig oder falsch, groß oder klein, Hightech oder Lowtech -, sollten wir eigentlich einmal beiseite schieben. Das ist für mich nämlich wieder Opportunismus, was hier stattfindet. Es geht darum - ich wiederhole mich -, die Rahmenbedingungen für beides, den richtigen Mix von Großen und Kleinen, den richtigen Mix von neuen Technologiekonzernen im Bereich Schwerpunkt Technologien zu finden, aber auch darum, den Mittelstand dabei mitzunehmen. Wo liegt denn unser Problem? - Unser Problem liegt darin, dass unsere Mittelständler eine niedrigere F- und E-Quote haben, eine niedrigere Patentquote haben. Wir brauchen beides: Wir brauchen diejenigen, die in den Mittelstand ausstrahlen, aber wir brauchen natürlich auch gute Rahmenbedingungen für den Mittelstand. Das lasse ich mir hier von niemandem zerreden!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Lieber Herr Kubicki, Sie haben schon einen wichtigen Punkt angesprochen: Wie sind die richtigen Rahmenbedingungen? Da sind wir jetzt auch in Sachen Bund gefordert, Farbe zu bekennen. Ich bitte jetzt einmal alle die, die auf Bundesebene Verantwortung zeigen müssen, diese auch wahrzunehmen. Die

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Vorschläge der SPD und der Grünen, der Koalition in Berlin, liegen vor. Nicht ohne Grund hat Herr Rogowski die CDU aufgefordert, dem endlich zuzustimmen. Das heißt, hier geht es darum, auf Bundesebene Farbe zu bekennen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Wenn Sie, lieber Herr Kayenburg, die Worte von Herrn Rogowski gehört haben, dann wissen Sie, dass das einen vernichtenden Schlag gegen die wirtschaftspolitische Kompetenz der CDU in Berlin bedeutet. Sie müssen das einmal nachlesen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Herr Kubicki, ich möchte auf einen Vorwurf von Ihnen an dieser Stelle kurz eingehen. Ich habe zu Motorola - so glaube ich - klar gesagt, wie ich mir das vorstelle, aber ich möchte auch etwas zu dem sagen, was Sie hier seit einigen Sitzungen wiederholen, wir würden strukturell zurückfallen. Nehmen Sie bitte nicht nur den Zeitraum, der auch von der Vereins- und Westbank genommen wird, von 1995 bis 2002.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Von 1990!)

- Nein, nein. Nehmen Sie bitte einmal den Zeitraum von Mitte der 80er-Jahre, nehmen Sie einmal den Zeitraum der letzten 15 bis 18 Jahre! Was werden Sie feststellen? - Wachstumstrend gleich, bei den Erwerbstätigenzahlen sind wir besser als der Bund gewesen, wir haben die Differenz der Arbeitslosigkeit reduziert und wir haben die Exportquotendifferenz reduziert.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, kommen Sie bitte zum Schluss.

Jawohl.

Schauen Sie sich einmal diese Zahlen an! Wenn Sie das tun, werden Sie feststellen, dass SchleswigHolstein sicherlich vom Boom der deutschen Einheit etwas profitiert hat und danach auch entsprechend etwas. Ich bitte, diese Diskussion, die Sie versucht haben sehr solide zu führen, auch dadurch zu bereichern, dass Sie sich einmal die Zahlen seit 1985 ansehen. Tun Sie das, werden wir - so glaube ich - gemeinsam sicherlich zu anderen Ergebnissen kommen.

Ich komme zum Fazit: Es gibt nur eines: Wir müssen Motorola jetzt mit allen Möglichkeiten helfen, wir müssen unsere wirtschaftspolitische Strategie, die wir hier seit Jahren fahren, in Richtung Technologiepolitik, in Richtung Mittelstandsförderung, in Richtung Strukturpolitik, Infrastrukturpolitik konsequent fortsetzen und dürfen das nicht mit opportunistischen Nebenkriegsschauplätzen wieder infrage stellen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Ich erteile der Frau Abgeordneten Dr. Kötschau das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir stellenweise ein anderes Niveau und konstruktivere Beiträge zu diesem Thema gewünscht.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Bernd Schröder [SPD] - Martin Kayen- burg [CDU]: Dann versuchen Sie das ein- mal!)

Unsere Sympathie und Unterstützung gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Firma Motorola und ihren Familien. Beides, neue und alte Technologien, Hightech und Lowtech, brauchen wir; wir können sie doch nicht gegeneinander ausspielen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Genau das habe ich gesagt!)

Ich wünsche mir die Verantwortung der Konzernspitze für ihre hoch motivierten und qualifizierten Arbeitskräfte bei Motorola in Flensburg. Ich nenne diese Hire- und Fire-Mentalität schlichtweg unanständig. Es gibt auch eine soziale Verantwortung und die erwarte ich auch von einer Konzernspitze.

Ich wünsche mir bei der erforderlichen Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch den Blick auf alternative Arbeitsplätze in der Region. Auch hier brauchen wir beides: Wir brauchen eine Qualifizierung und wir brauchen Arbeitsplätze in der Region und eine Sicherheit für die 1.200 verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ich wünsche mir weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in der Region - von der Wirtschaft über die Wissenschaft bis zu den politisch

(Dr. Gabriele Kötschau)

Verantwortlichen. Hier wünsche ich mir ein hohes Maß an Engagement,

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

an Kreativität und Flexibilität aller Verantwortlichen in der Region.

Es ist jetzt unsere gemeinsame Aufgabe - von Land und Region -, hier Hilfe zu geben, zu unterstützen und Maßnahmen zu fördern.