Protocol of the Session on August 29, 2003

Das ist sehr wohl im Sinn der Bahnfahrer. Es kann letztlich nicht sein, dass beispielsweise die Strecke von Pinneberg nach Westerland mit der BahnCard 50 billiger ist, also erst einmal mit dem Zug bis Itzehoe und dann mit dem IC nach Westerland, als wenn man mit dem ÖPNV oder Regionalverkehr von Pinneberg nach Westerland fährt. Das darf meines Erachtens nicht sein. Hier müssen wir letztlich alle bemüht sein.

(Beifall bei der FDP - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch! Das sind alte Populisten!)

- Es stimmt so. Das sind auch keine alten Populisten. Das ist eine vernünftige Aufsummierung der einzelnen Tarife. Dann kommt man letztlich zu diesem Ergebnis.

Der öffentliche Sturm der Entrüstung führte beim Wirtschaftsminister zu einer verwunderlichen Reaktion. Auch das ist entsprechend zu lesen. Er beschwerte sich, dass ein öffentliches Unternehmen in privater Rechtsform, das im Wettbewerb mit echten privaten Unternehmen steht, eigenmächtig entschied, ohne ihn zu fragen. Die Bahn hatte mit dem neuen, sehr komplizierten Tarifsystem erhebliche Probleme und war sicherlich gefordert, sehr kurzfristig nach neuen Möglichkeiten zu suchen, die Attraktivität des Bahnfahrens zu steigern. Dass es in diesem Zusammenhang möglicherweise zu Kommunikationsproblemen gekommen ist, will ich gerne konstatieren. Nichtsdestotrotz sollten nachher alle am Bahnverkehr Interessier

(Günther Hildebrand)

ten bemüht sein, aus dieser Situation heraus das Bestmögliche zu machen.

Herr Minister, ich würde mich freuen, wenn Sie mithülfen, eine mögliche Verstimmung zwischen der LVS, der Landesregierung und der Deutschen Bahn zu beseitigen, damit auch die Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen in Schleswig-Holstein im Regionalverkehr die BahnCard 50 entsprechend nutzen können.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Poppendiecker.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zwei Anmerkungen vorweg machen. Erstens. Wir hätten uns diesen Punkt heute schenken können, weil im Wirtschaftsausschuss mit Ausnahme der FDP gesagt worden ist, der Minister solle weiter verhandeln, und dann werden wir dieses Ergebnis hier beraten. Insofern hätten wir uns diese 30 Minuten sparen können. Von daher, Kollege Hildebrand, ist dies ein rein populistischer Antrag.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Zu- stimmung der gesamten CDU!)

Zweitens. Die Empörung im Lande haben wir eigentlich nicht so gemerkt, weil von diesen Nachteilen, die zum Teil auch tatsächlich vorhanden sind, nur 5 % der Bahnfahrenden betroffen sind. Das ist natürlich bedauerlich. Deswegen will der Minister ja auch diese Verhandlungen führen.

Blicken wir einmal kurz zurück. Die Deutsche Bahn, die beste Bahn Europas, wollte das beste Tarifsystem der Welt konstruieren. Das hat sie auch gemacht. Nach einem halben Jahr hat sie festgestellt, dass alle schlechteren Bahnen in Europa besser sind. Also hat sie ihr Tarifsystem geändert. Und hier ist genau der Punkt. Hier hätte man sich mit all denen, die auch betroffen sind - das sind in Deutschland eine ganze Menge; das sind nicht nur die privat fahrenden Bahnen in Schleswig-Holstein - an einen Tisch setzen müssen, um zu verhandeln. Wenn Herr Latsch sagt, das sei nicht sein Problem, dann weise ich das weit zurück, denn die Bahn hat dies verursacht. Es kann nicht angehen, dass die Deutsche Bahn ihr System ändert, weil sie zu blöd war, ein vernünftiges Fahrpreissystem zu erstellen, und nun zahlt das Land

2 oder 3 Millionen €. Wir haben ja Geld genug. Das kann es nicht sein. Ich denke - Herr Präsident, hiermit spare ich schon zwei Minuten ein -, wir gehen den vorgezeichneten Weg. Wir bitten den Minister - das ist bei ihm in bewährten Händen -, weiterhin zu verhandeln, die Bahn davon zu überzeugen, dass sie die Probleme, an denen sie selber Schuld hat, mit löst.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Maurus?

Kollege Poppendiecker, ist es richtig, dass Schleswig-Holstein das einzige Bundesland ist, in dem dieses Problem auftritt?

- Nein! Das Problem tritt überall auf. Das ist der entscheidende Punkt. Wir haben uns mit unserem SHTarif mustergültig verhalten. Den lassen wir uns nicht durch die falsche Fahrpreispolitik der Deutschen Bahn AG kaputt machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünsche mir auch, dass wir eine Lösung finden. Hier muss man hart verhandeln. Das ist einfach so. Hiervon gehen wir nicht ab.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann brauchen wir einen anderen! Das kann Rohwer nicht!)

Lassen Sie mich ein Zitat vom Fahrgastverband Pro Bahn nennen. Das sind Leute, die am Ohr derer sind, die Eisenbahn fahren.

„Ob die unternehmenseigene DB-BahnCard in Schleswig-Holstein anerkannt wird, muss die Deutsche Bahn AG ganz allein entscheiden, indem sie als Kooperationspartner für Einnahmeausfälle zahlt oder nicht. Das Land, die Wettbewerber und auch die Fahrgäste als Steuerzahler sind für die Finanzierung der Preispolitik der Deutschen Bahn nicht zuständig.“

Ich finde dies genau richtig. Deswegen werden wir weiter verhandeln, um zu Ergebnissen zu kommen, mit denen alle leben können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Eichelberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst dem anschließen, was Herr Poppendiecker gesagt hat, dass dieses Thema zu diesem Zeitpunkt nicht in das Parlament gehört, zumal die Grünen das vorher schon beantragt hatten und wir entsprechend im Wirtschaftsausschuss darüber beraten haben. Leider haben Sie nicht darauf verzichten können, das heute zu diskutieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Natürlich bringt die BahnCard-Problematik der DB erhebliche Verunsicherung bei den Bahnkunden. Allein die Diskussion ist schon schlecht. Das müssen wir aufklären, und wir müssen schnell Problemlösungen finden. Daran wird gearbeitet. Das war im Wirtschaftsausschuss erkennbar, wie heute vom Wirtschaftsminister vorgetragen worden ist.

Meine Damen und Herren, ich möchte Folgendes in Erinnerung rufen: Als wir über all die letzten Jahre an der Aufstellung für den Schleswig-Holstein-Tarif gearbeitet haben, waren wir einer Meinung, dass das der richtige Weg ist. Dem Wirrwarr von verschiedenen Tarifen zwischen Bus und Bahn müssen wir einen Riegel vorschieben. Es muss für den Bürger möglich sein, dass er mit einem Ticket von Wenningstedt nach Niebüll mit dem Bus und dann mit dem Zug nach Hamburg fährt und in Hamburg einkaufen kann. Das war unsere Zielsetzung. Das wollen wir auch weiterhin fortsetzen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es kann nicht sein, dass durch plötzliches Umschwenken im Marketing der DB unser gesamter Tarif aus dem Ruder gerät. Wir müssen Lösungen finden. Es kann nicht sein, dass ein Pendler aus Eutin, der nach Hamburg will, demnächst das Doppelte bezahlen muss.

Aber, meine Damen und Herren, die Ausweitung des Hamburger Verkehrstarifs bis nach Lübeck bringt erhebliche Vorteile für die Bürger unseres Landes.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Die fahren zum Beispiel von Bad Oldesloe nach Bahntarif nicht für 15 € beziehungsweise, wenn sie 50 % zurück bekommen, für 7,50 €, sondern nur für 5 €. Das ist billiger. Vielen anderen geht es genauso. Gerade die Masse der Pendler profitiert von dem System, das wir hier eingeführt haben. (Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der FDP, Sie müssen uns einmal sagen, wie wir das eigentlich schaffen sollen. Wir haben darüber diskutiert, was wir im Land mit dem Geld, das uns dafür zur Verfügung steht, im Detail verbessern können. Können wir die Bahnhöfe verbessern, damit die Attraktivität steigt? Können wir zusätzliche Züge einsetzen, von denen sich die DB einfach zurückgezogen hat? All diese Themen haben wir mühsam diskutiert und eingeführt. Wir wissen, wie schwierig unser Weg gewesen ist. Die Gemeinsamkeit hat uns jedoch dazu geführt, dass wir in Schleswig-Holstein ein vernünftiges System auf die Beine gestellt haben. Man kann nicht an einem Tisch an allen Ecken und Enden ziehen. Irgendwo muss man auch einmal einen Schwachpunkt vertreten können. Auch als Politiker muss man schon mal sagen, dass etwas nicht geht, wenn das gesamte System funktionieren soll.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich möchte nun den Pro-Bahn-Vertreter Herrn Sievers zitieren, der uns die letzten Jahre sehr kritisch begleitet und uns den Weg nicht leicht gemacht hat. Er schreibt - er spricht ja für die Bahnkunden -:

„Notfalls ist es besser, ein attraktives Angebot mit weniger Rabatt zu haben, anstatt einen vollen 50-Prozent-Rabatt, durch den die privaten Wettbewerber kaputt gehen.“

Denn dann gibt es kein Angebot mehr, wenn das zu deren vollen Risiko geht. Wer will denn dann noch später den Wettbewerb mitgestalten? Daher fordern wir von der CDU: Herr Minister, verhandeln Sie weiter, versuchen Sie den besten Weg zu gehen. Einen Kompromiss haben Sie ja schon angeboten. Alles geht nicht. Wenn es in der Summe für die Bürger besser wird, mehr Züge, bessere Bahnhöfe und ein vernünftiges Angebot, in dem alle Orte verbunden sind, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Die Bahnpolitik soll uns alle weiter zusammenhalten.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir doch gewünscht, dass von der Seite der FDP die verkehrspolitische Sprecherin gespro

(Karl-Martin Hentschel)

chen hätte und nicht jemand, der an den ganzen Beratungen nicht beteiligt war.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Und ich hätte mir auch gewünscht, dass Sie sich einmal erkundigen, wie viel eine Fahrkarte von Hamburg nach Westerland tatsächlich kostet. Sie kostet nämlich im Schleswig-Holstein-Tarif 30 % weniger als im normalen Bahntarif. Und selbst wenn Sie dann die 50 % vom normalen Bahntarif runterrechnen, ist das immer noch mehr, als wenn wir die 25 % Rabatt auf den Schleswig-Holstein-Tarif geben. De facto sind Ihre Zahlen schlicht und einfach falsch. Wir sollten sie, wenn wir schon eine Debatte führen, wenigstens mit den richtigen Zahlen führen.

Ich komme jetzt zu unserem Problem. Das Problem besteht darin, dass die DB AG ein Wettbewerber ist, sich aber tatsächlich aufgrund ihrer großen Anzahl von Zügen, die sie fahren lässt, wie ein Monopolist verhalten und diese Monopolstellung ausnutzen kann. Kein anderer Wettbewerber könnte anfangen, ein BahnCard 50 einzuführen, die nur für ihn selber gilt, und dadurch die anderen Mitbewerber derart unter Druck setzen. Die DB AG kann das aber, weil es sich für den Kunden aus der Tradition heraus so darstellt: Die DB AG führt eine BahnCard 50 ein und der Kunde muss denken, dass sie für sämtliche Strecken gilt. Dass sie in Wirklichkeit zunächst einmal nur für den Fernverkehr bei der DB AG gilt und für die Regionalverkehre, die nicht im Wettbewerb vergeben sind, ist etwas, was dem Kunden natürlich nicht begreifbar zu machen ist. Das ist das Problem.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und das ist das gleiche Problem, das wir mit den Investitionen haben. Der Staat gibt der DB AG Geld für die Investitionen. Die müsste er den Ländern geben, damit sie investieren können. Die DB AG benutzt sie für ihr privates Konkurrenzverhalten gegenüber den anderen Bahngesellschaften - also ein konkurrenzwidriges Prinzip. Und davon müssen wir runterkommen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist eine grundsätzliche Strukturfrage und deshalb unterstütze ich den Wirtschaftsminister voll, wenn er sagt, dass man dieses Thema endlich einmal in der Verkehrsministerkonferenz auf Bundesebene behandeln muss. So kann es nicht weitergehen.