Protocol of the Session on June 19, 2003

(Beifall)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich jetzt dem Wirtschaftsminister, Herrn Dr. Rohwer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst Hermann Benker herzlich für seine Bemühungen danken, die zwei Themen zu sortieren. Hermann, wir haben bei beiden Gesetzen Probleme - ich werde es gleich erläutern -, bei einem haben wir massive Probleme und beim anderen haben wir Probleme, von denen wir glauben, sie lösen zu können. Ich möchte das gleich kommentieren.

Vorweg: Ich bin deutlich für eine Reform der Handwerksordnung, aber ich bin strikt dagegen, sie so auszugestalten, dass wir das Kind mit dem Bade ausschütten.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Sinnvoll ist eine Reform, um die Meistervoraussetzungen dort zu lockern, wo sie unter dem Gesichtspunkt der Technik, der Qualitätsanforderung oder der Ausbildungsleistungen nicht mehr erforderlich sind, und solche Bereiche gibt es. Sie ist auch sinnvoll, um Betriebsübernahmen und Existenzgründungen zu erleichtern. Frau Schmitz-Hübsch, nebenbei, die IchAGs sind kein Flop. Wenn Sie Herrn Seutemann in Schleswig-Holstein bei der letzten Arbeitsmarktkonferenz gehört haben: Die Ich-AGs entwickeln sich

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

wider Erwarten gut. Nicht alles, was es an Reformen gibt, ist gut, aber die Ich-AGs entwickeln sich relativ positiv.

Die Reform ist schließlich erforderlich, um Inländer gegenüber Ausländern nicht mehr zu diskriminieren, was jetzt in diesem Bereich der Fall ist. Auch das ist ein wichtiges Argument.

Insofern begrüße ich im Grundsatz die Reforminitiative und bin der Meinung, dass wir nicht generell sagen dürfen, solche Reformen dürften nicht sein, nur weil sich jemand dagegenstellt. Dann könnten wir überhaupt nicht weitermachen. Da sind wir uns - glaube ich - einig.

(Vereinzelter Beifall)

Jeder möchte ja in seinem Bereich keine Reform, sondern möglichst bei anderen. So kommen wir sicherlich nicht weiter.

Aber auch ich bin der Meinung, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Handwerksordnung, in der es insbesondere um die Anlage A, die Anlage B geht, in welchen Bereichen Meisterpflicht vorgesehen ist, nachgebessert werden muss.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Ich bin der Meinung, dass der nachgeschobene Gesetzentwurf der Bundestagsmehrheitsfraktion im Kontext des ersten Entwurfs kontraproduktiv ist, weil er den Gesetzentwurf insgesamt nicht mehr systematisch macht.

(Beifall)

Deswegen bin ich übrigens auch dafür, dass man beide Gesetzentwürfe eigentlich gemeinsam beraten und integrieren müsste. Das wäre ein sinnvolles Vorgehen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Lassen Sie mich kurz sagen - es ist ja vorhin schon aus unseren Stellungnahmen zitiert worden -: Wir sind der Meinung, beim Gesetzentwurf der Bundesregierung muss nachgebessert werden, was Anlage A angeht. Wir sind der Meinung, dass zurzeit zu viele Berufe aus Anlage A herausgenommen werden, und zwar unter dem Gesichtspunkt des Bestehens von Gefahren. Das ist sicherlich eine Abgrenzungsfrage, das wird immer schwierig sein. Aber es scheint mir doch auf der Hand zu liegen, dass bestimmte Berufe - wir haben das einmal am Beispiel der Maler, Lackierer und Informationstechniker festgemacht - in diese

Kategorie hineingehören könnten. Aber mehr noch sind Maler, Lackierer, Informationstechniker und Friseure beispielsweise Ausbildungsbereiche, die über ihren eigenen Bedarf hinaus ausbilden. Das Ausbildungskriterium muss meines Erachtens stärker als Kriterium verankert werden.

(Beifall)

Lassen Sie mich an dieser Stelle eine Anmerkung machen: Die Ausbildungsleistung des Handwerks gerade in Schleswig-Holstein ist nicht selbstverständlich. Sie ist weit überdurchschnittlich und sie liegt bei etwa 10 % im Vergleich zu 3 % in den anderen Bereichen. Wenn wir das aufs Spiel setzen, brauchen wir in diesem Jahr in Schleswig-Holstein kein Bündnis für Ausbildung mehr.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, wir müssen alles tun, um die Betriebe zu ermuntern und Ihnen die Chance zu geben auszubilden. Deshalb bin ich im Übrigen - das ist hier gestern dankenswerterweise deutlich auch von der SPDLandtagsfraktion gesagt worden - strikt gegen eine Ausbildungsabgabe.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

In Schleswig-Holstein wäre sie sowieso der größte Blödsinn. Wir brauchen sie hier nicht.

Im Ergebnis sind wir der Meinung, dass sich die Zahl der in der Anlage A zu verbleibenden Berufe auf 43 belaufen könnte. Jetzt sind es 29. Sie sehen also, wir sind der Meinung, hier müssten zusätzliche Berufe aufgenommen werden. Das kann in der Diskussion des Bundesrates vertieft werden. Das muss heute gar nicht hier entschieden werden.

Ich wäre Ihnen aber sehr dankbar, wenn wir es heute hinbekämen, ein Signal zu setzen bezüglich des Zusatzgesetzes, des Gesetzes, bei dem es um Kleinunternehmen und insbesondere um die Bestimmung der Tätigkeiten geht, die in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können. Hier sind der Definition, der Abgrenzung Tür und Tor geöffnet. Wenn man so will, ist hier alles erfasst.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Karl-Martin Hentschel, man kann der Meinung sein, dass es nicht sehr konstruktiv ist, das generell abzulehnen. Ich bin für die Ablehnung dieses Teils und werde mich im Bundesrat und auch im Vorfeld dafür einsetzen.

(Lothar Hay [SPD]: Sehr gut!)

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Man könnte sich allerdings überlegen, wie man daraus eine konstruktive Regelung macht. Wenn man dieses Thema überhaupt regelt, könnte man eine Positivliste machen. Das heißt, man könnte einen Katalog von solchen Tätigkeiten aufstellen. Sonst haben wir Rechtsunsicherheit hoch und runter

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

und es gibt Prozesse und so weiter. Wir können im Ausschuss darüber reden, ob wir sozusagen in einer Empfehlung an die Landesregierung - ich jedenfalls werde mich dort so einlassen, weil es unrealistisch ist, dass das ganz gekippt wird - geben, dass in der Umsetzung eine solche Positivliste erstellt wird. Ich habe Gesprächen mit dem Handwerk entnommen, dass man dort bereit ist, darüber zu reden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Abschließend will ich deutlich sagen: Wir brauchen eine Reform, aber sie sollte so überlegt sein, dass am Schluss nicht weniger Ausbildung, nicht weniger Arbeitsplätze herauskommen, sondern mehr. Das muss unser Ziel sein.

(Beifall im ganzen Haus)

Jetzt hat Herr Kollege Matthiessen zu einem Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung das Wort.

(Zurufe)

In aller Kürze: Ich fasse diese Initiative aus Berlin nicht so auf, dass für alles das, was nicht mehr im Meisterbereich stattfindet, keine Ausbildung mehr stattfindet. Wie der Kollege Hentschel sagte, kann man dies auch als Chance begreifen. Wir haben in dem Segment derer, die nicht in der Lage sind, eine Komplettausbildung zu machen, ein ausgesprochenes Problem. Diese könnten in ein modulares System unterschwelliger Qualifikation eintreten. Die Module könnte man addieren.

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Es gibt auch das Phänomen der Spätstarter. Wir sollten diese Chance nutzen, in diesem Bereich neue Regelungen zu schaffen, sodass die Leute in Modulen qualifiziert werden können.

Bei meiner Ausbildung als Tierarzt - Chirurgie, Innere, Medizin und so weiter - war kaum ein Ausbildungsblock länger als drei Monate.

(Zurufe)

Am Ende war ich Tierarzt. Insofern glaube ich, dass sich das Argument der Atomisierung weit über Handwerker hinaus ausdehnen ließe.

Gerade vor dem Hintergrund des Ausbildens und des Qualifizierens junger Menschen sollte man das in der Diskussion als Chance begreifen.

(Frauke Tengler [CDU]: Was wollten Sie uns sagen? - Weitere Zurufe)

Jetzt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann schließe ich die Beratung

(Beifall bei CDU und FDP)

und greife die fraktionsübergreifende Initiative auf. Es ist beantragt worden, gemäß § 57 Abs. 2 die Beratung zu unterbrechen, um morgen nicht wieder in die Beratung einzusteigen, aber Beschluss zu fassen. Das betrifft die Beschlussfassung über die Drucksachen 15/2729 und 15/2754 beziehungsweise sich daraus ableitende, neue Beschlussvorlagen. Wer zu Tagesordnungspunkt 24 so verfahren möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig vom Haus so beschlossen. Wir werden morgen auf Tagesordnungspunkt 24 wieder zurückkommen.