Protocol of the Session on June 19, 2003

Die CDU gibt als Leitlinie vor: Wir halten am Meisterbrief fest. Der Meisterbrief ist gerade in der modernen Wissensgesellschaft Grundlage für solide Existenzen, für kompetente Ausbildung und für hohe Qualität.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Damit kein Missverständnis entsteht: Wir wollen auch keine Auflösung des Meisterprinzips durch die Hintertür. Deswegen will die CDU keinen Kahlschlag der Anlage A der Meisterordnung, sondern schlägt drei Kriterien vor, die als Grundlage für den Verbleib des Berufs in Anlage A dienen sollen. Das Erste ist die Ausbildungsleistung, das Zweite die Gefahrengeneigtheit und das Dritte der Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter.

Wenn eines dieser Kriterien vorhanden ist, soll der Beruf in der Anlage A bleiben. Dies ist unser Kernanliegen. Darüber hinaus haben wir noch weitere Vorschläge zur Novellierung der Handwerksordnung zu machen; zum Teil finden sich bereits Konkretisierungen im Antrag der FDP.

Ursprünglich hatten wir gehofft, dass wir heute in der Sache abstimmen könnten; dann hätten wir Ihnen vorgeschlagen, dass wir den FDP-Antrag als Ersatz für den ersten Teil unseres Antrages nehmen, aber den zweiten Teil, nämlich das Aufhalten des Gesetzes zur Förderung der Kleinunternehmen, mit zur Abstimmung zu stellen, damit es auch aufgehalten werden kann. Jetzt habe ich gehört, dass der Kollege Benker verdienterweise den Versuch unternimmt, gerade für diesen letzten Punkt einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen herbeizuführen. Offensicht

lich lässt sich das im Moment nicht direkt abstimmen. Er wird aber gleich technisch erklären, wie wir es machen könnten. Es könnte morgen eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses geben und wir könnten dann hoffentlich zu einer gemeinsamen Beschlussfassung kommen,

(Beifall bei CDU und FDP)

um gemeinsam von diesen Betrieben in unserem Land Schaden abzuwenden, denn sie stellen Arbeitsplätze zur Verfügung und bieten weit über den Durchschnitt der gesamten Industrie in Deutschland hinaus Ausbildungsplätze an.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion der SPD erhält Herr Abgeordneter Hermann Benker. – Bis er das Rednerpult erreicht hat, begrüße ich neue Gäste auf der Tribüne. Es sind Damen und Herren vom Juso-Kreisverband Rendsburg-Eckernförde und Damen und Herren des CDU-Ortsverbandes Schleswig. – Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

(Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht brauchen wir die Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses morgen nicht, wenn wir zu einer Einigung nach dieser Sitzung kommen sollten. Ich werde dazu noch einen Geschäftsordnungsantrag stellen. Aber darauf komme ich später zu sprechen.

Kein Bereich wird im Augenblick so gegensätzlich diskutiert wie die Änderung der Handwerksordnung. Insofern ist die Überschrift des CDU-Antrages „Handwerksordnung mit Bedacht weiterentwickeln“ wohl das Wichtigste an diesem Antrag.

Während die Wirtschaftsinstitute die Reform der Handwerksordnung für dringend geboten und richtig erachten, sind die Handwerkskammer geschlossen dagegen. Wie so oft bei Gesetzesänderungen, liegt auch hier der Teufel im Detail; denn aus den Gesprächen mit den Handwerkern wissen wir, dass sie sehr wohl an einer Änderung kooperativ mitarbeiten wollen, aber weil zwei Gesetzesinitiativen mit unterschiedlicher Zielrichtung vorliegen, ist im Augenblick nicht zu erkennen, in welche Richtung das überhaupt laufen soll.

Ich persönlich habe die Auffassung, dass die Initiative, die von der Bundestagsfraktion ausgegangen ist,

(Hermann Benker)

sehr viel gefährlicher ist als das, was wir als eine Änderung der Handwerksordnung ansehen.

Zwar hat es das Handwerk aus meiner Sicht versäumt, den Änderungsbedarf, der seit Jahren im Gespräch ist, konkret voranzubringen, aber zu den vorliegenden Änderungen in den Gesetzentwürfen zur Handwerksordnung – dabei beziehe ich mich jetzt auf den von der Bundesregierung vorgelegten Änderungsentwurf – kann man nur „Ja, aber“ sagen. Dies gilt auch für mich persönlich: Ja zum Meisterbrief in der geänderten Form, aber – so muss ich dann sagen – mit Anpassung an europäisches Recht, damit Inländer nicht länger diskriminiert werden und leichteren Zugang haben. Ja sagen wir zu mehr Ausbildungsmöglichkeiten, aber nicht so, dass das duale System in der beruflichen Ausbildung baden geht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ja sagen wir auch zu Erleichterungen von Existenzgründungen und Betriebsübernahmen, aber nicht zulasten von Verbraucherschutz, Qualität und Ausbildung.

(Beifall bei der SPD)

Bei dieser Veränderung wollen wir dem Handwerk helfen. Jedoch habe ich bei aller Veränderungsbereitschaft meine Zweifel daran, dass diese Gesamtveränderungen auch die Auftragslage des Handwerks verändern. Ohne die Senkung von Lehrlingskosten wird es nicht gehen. Auch ohne die Konkurrenzfähigkeit des Handwerks im Verhältnis zur Schwarzarbeit zu verbessern, wird es nicht gehen. Ohne die Konsumzurückhaltung bei der Auftragserteilung an das Handwerk aufzubrechen, wird eine Veränderung der Handwerksordnung ihr wirtschaftspolitisches Ziel verfehlen. Das müssen wir im Hintergrund haben. Insofern ist das nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Ich will ein paar Fakten zur Erhärtung dessen, was ich an Kritik vorzutragen habe, nennen. Die Zahl der Handwerksunternehmen ist zwar rückläufig, aber die Insolvenzquote ist bei den Handwerkern immer noch geringer als in allen anderen Wirtschaftsbereichen. Die Zahl der Beschäftigten geht auch im Handwerk zurück. Der Rückgang der Beschäftigtenzahlen der Industrie ist jedoch erheblich stärker. Wenn man das in einem Kurvenschaubild darstellt, dann gibt es bei der Industrie eine Steilfahrt und bei dem Handwerk ein flaches Absinken. Wenn die Zahl der Ausbildungsplätze im Handwerk zurückgeht, dann ist das eher ein Alarmsignal des Ausbildungs

marktes insgesamt, denn das Handwerk hat mit einer Ausbildungsquote von 9,8 % dreimal so viele Ausbildungsverhältnisse wie alle anderen Wirtschaftsbereiche. Gerade dieser Faktor zwingt uns zum Nachdenken darüber, welche Berufe in der Anlage A verbleiben müssen und welche Berufe in die Anlage B übernommen werden dürfen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir die Zahlen weiter ansehen, dann ist Folgendes interessant: Von 1975 bis heute war bei den Vollhandwerksbetrieben mit einer Schwankungsbreite von jeweils 1 % eine jährliche Fluktuationsrate von 10 % zu beobachten. Im Vergleich dazu hatten die handwerksähnlichen Gewerbebetriebe im gleichen Zeitraum eine Fluktuationsrate zwischen 33,9 % und 44,9 % jährlich. In diesem Bereich gibt es also ein Kommen und Gehen. Dies zeigt, dass die handwerksähnlichen Betriebe in der Regel sehr viel kurzlebiger sind und daher leider für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen kaum infrage kommen.

Ich will dies anhand von Zahlen für die Kreishandwerkerschaft Plön und Ostholstein belegen. Andere Zahlen waren mir nicht zugänglich. Wenn wir heute in den Berufen aus der Anlage A - das sind die Vollhandwerksbetriebe - zum heutigen Tag 2.011 Ausbildungsverhältnisse und in den Betrieben der Anlage B für die beiden Kreise nur 19 Ausbildungsverhältnisse haben, dann spricht das Bände. Der Glaube, dass wir ohne Ausbildungsverordnung für die Anlage B dort eine Ausbildungsverbesserung erreichen, ist ein Irrglaube. Deshalb müssen die ausbildungsstarken Berufe in der Anlage A verbleiben. Die Festlegung, nur gefahrengeneigte Berufe auf die Anlage A zu konzentrieren, ist ebenfalls brüchig. Ich möchte darauf hinweisen, dass das gesamte Lebensmittelhandwerk nun in die Anlage B wandert. Die Erfahrungen zeigen gerade in diesem Bereich, dass die größeren Katastrophen dort ausgelöst werden können.

Ich habe diese wenigen Fakten genannt, um aufzuzeigen, wie wichtig es ist, möglichst im Konsens mit dem Handwerk zu einer Regelung zu kommen. Deshalb ist es zwingend notwendig, nicht nur im Bundesrat, sondern auch im Gespräch mit den Bundestagsfraktionen und im Gespräch mit dem Handwerk Lösungen zu erarbeiten. Ich skizziere grob die drei Ziele: Erstens. Wir wollen die Existenzgründungen erleichtern. Zweitens. Wir wollen mehr Ausbildungsmöglichkeiten schaffen. Drittens. Wir wollen die Durchlässigkeit im Handwerk erhöhen. Dies wird auch die Aufgabe sein, die wir für die Ausschussberatungen vorgesehen haben.

(Hermann Benker)

Herr Präsident, ich komme nun zu einem Geschäftsordnungsantrag. Ich bitte, die Beschlussfassung zu den Anträgen heute mit folgendem Ziel zurückzustellen: Wir haben am 27. Juni die zweite und dritte Lesung des von der Bundestagsfraktion eingebrachten Gesetzes, das sich auf die Kleinunternehmen bezieht. Darüber hinaus haben wir in der Beratung bisher ausschließlich die Gesetzesänderung, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, behandelt. Mein Vorschlag zur Geschäftsordnung ist also, wie folgt zu verfahren: Wir überweisen den ersten Teil des CDUAntrags an den Ausschuss. Hierbei handelt es sich um ein ganz normales Anhörungsverfahren mit Stellungnahmen zu der Frage, was in die Anlage A und was in die Anlage B gehört, denn das ist durchaus umfangreich. Den zweiten Teil, in dem es um das Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung zur Förderung von Kleinunternehmen geht, wollen wir bitte mit einem gemeinsamen Beschluss belegen, der die Zielrichtung hat, dieses Gesetz zurückzuziehen. Vielleicht gibt es danach auch konkrete Punkte, die dann von dem einen oder anderen eingebracht werden.

Dort ist Eile geboten. Wenn das Gesetz im Bundestag erst verabschiedet ist, haben wir über den Bundesrat nur noch Einspruchsmöglichkeiten. Deshalb greift der CDU-Antrag eigentlich zu spät ein. Ich bin dafür, dass wir jetzt die Chance nutzen, bis zum nächsten Freitag eine Bewegung zu erreichen. Die Ebene der Bundestagsfraktion ist da meiner Meinung nach richtig.

Drittens würde ich mit kleinen Modifizierungen für die Annahme des FDP-Antrags sein. Das ist mein Vorschlag zum Verfahren. Frau Schmitz-Hübsch, Sie haben die Abstimmung in der Sache gefordert. Ich schlage vor, meinen Änderungsantrag heute zu beschließen und morgen die Beschlussfassung über die einzelnen Drucksachen erfolgen zu lassen.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Frau Abgeordneter Aschmoneit-Lücke das Wort. Vielleicht könnten die Rednerinnen und Redner für ihre Fraktion kurz etwas dazu sagen, ob Sie mit dem von Herrn Benker skizzierten Vorgehen einverstanden sind.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das von Kollege Benker vorgeschlagene Verfahren ist mit Frau Schmitz-Hübsch und mir abgesprochen. Wir sind damit einverstanden. Ich sage gleich zu Beginn: Ich finde es ganz toll, dass wir das heute noch so

hingekriegt haben. Herzlichen Dank an alle Kollegen, die sich dafür eingesetzt haben.

(Beifall)

Es ist nicht selbstverständlich, dass, nachdem zwei Anträge zu einem Thema vorliegen, sozusagen noch im letzten Moment in diesem Haus Einverständnis herbeigeführt wird, und zwar auch noch in einer Schnelligkeit, die möglicherweise und hoffentlich in Berlin noch zu einem Erfolg führen wird.

Dass wir das heute so hinkriegen, liegt natürlich daran, dass wir alle hier im Hause wissen, wie wichtig das Thema ist. Wir sind offensichtlich alle der Auffassung, dass das so genannte Vorschaltgesetz, über das in der nächsten Woche entschieden werden soll, auf alle Fälle in die falsche Richtung geht. Wir als FDP haben durch unseren Antrag deutlich gemacht, dass wir es ablehnen, das Handwerk strukturell zu schwächen. Wir sind der Auffassung, dass das Handwerk durch die vorliegenden Gesetzentwürfe der Bundesregierung in der Tat strukturell geschwächt würde. Deshalb stimmen wir dem CDU-Antrag auch im Grundsatz zu. Beide Gesetzentwürfe, die in Berlin vorliegen, würden das Handwerk schwächen, weil sie die Grundlagen seiner Leistungsfähigkeit in weiten Bereichen zerstören würden. Wir sehen allerdings eine löbliche Ausnahme, und zwar die Aufgabe des Inhaberprinzips und das damit verbundene Ende dieser Diskriminierung von Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften.

Die Landesregierung hält sich zugute, dass ihre Wirtschaftspolitik eigentlich Mittelstandspolitik heißen müsste. Das haben wir gestern gehört, das hören wir immer wieder. Das Handwerk ist eine Keimzelle des Mittelstands. Deshalb sollte die Landesregierung auch in diesem Falle ihrem eigenen Anspruch genügen. Frau Kollegin Schmitz-Hübsch hat eben aus einem Brief des Wirtschaftsministers zitiert. Der lässt wirklich hoffen, dass in diesem Falle dem Handwerk auch vonseiten der Landesregierung in letzter Sekunde noch geholfen wird.

Wir sind uns bewusst, dass die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft des deutschen Handwerks nicht nur von der Bundesregierung bedroht werden. Auch die europarechtlichen Rahmenbedingungen, die länderübergreifenden Wirkungen der Bedingungen in vielen Mitgliedstaaten und die Vergrößerung des Binnenmarktes durch die Osterweiterung mit den damit verbundenen Wettbewerbseffekten auf allen europäischen Faktormärkten werden das Handwerk mittelfristig zwingen, die eigenen Strukturen anzupassen. Das weiß das Handwerk im Übrigen selbst auch genau. Wir sollten uns das Beispiel des

(Christel Aschmoneit-Lücke)

ehemaligen Reinheitsgebotes des deutschen Bieres vor Augen führen. Es ist durch EU-Vorgaben rechtlich gekippt worden, aber heute immer noch ein herausragendes Qualitätsmerkmal, das Absatz und damit Unternehmen und Arbeitsplätze in Deutschland sichert.

Wir meinen, dass die politischen Kräfte dieses Landes deshalb mit dem Handwerk gemeinsam zukunftsfähige Lösungen finden müssen. Deshalb haben wir unsere Vorschläge ergänzend zum CDU-Antrag eingebracht. Sie kennen den Text. Daher gebe ich nur einige Erläuterungen:

Der Erwerb des Meisterbriefes sollte im Sinne der Leipziger Beschlüsse dahingehend erleichtert werden, dass erfahrene Altgesellen schneller als bisher die Erlaubnis für die selbstständige Ausübung ihres Handwerkes erlangen können.

Durch ein gemeinsam mit dem Handwerk entwickeltes Weiterbildungssystem, das über das Bisherige hinausgeht, sollten die Handwerkerinnen und Handwerker motiviert und in die Lage versetzt werden, auf den immer schnelleren Wandel in der Wirtschaft und die daraus erwachsenen Herausforderungen zu reagieren. Durch die Abschaffung des Inhaberprinzips werden die Möglichkeiten für mehr Existenzgründungen eröffnet. Die wechselseitige Anerkennung von vergleichbaren Qualifikationen, zum Beispiel Industriemeistern und Technikern einerseits und Handwerksmeistern andererseits, sollte erheblich erleichtert werden.

Das Wichtigste zum Schluss: Das Handwerk ist ein Garant für viele Ausbildungsplätze und für die weltweit anerkannte Leistungsfähigkeit unseres dualen Ausbildungssystems. Die Ausbildungsdichte im Handwerk ist dreimal höher als in der restlichen Wirtschaft. Zugegeben, dies hat nicht nur eine uneigennützige Ursache, Auszubildende sind auch preiswerte Arbeitskräfte für einfache Tätigkeiten, die im Handwerk häufig anfallen. Wo gehobelt wird, fallen eben auch Späne und um die muss sich auch jemand kümmern. Aber das Handwerk bietet sehr vielen jungen Menschen eine gute, eine solide, eine zukunftsfähige Berufsausbildung, auf die sie ein Leben lang aufbauen können. Diese Leistung des Handwerkes sollte niemand ohne Not aufs Spiel setzen,

(Vereinzelter Beifall im ganzen Haus)

wie es jetzt die Bundesregierung tut.

Meine Damen und Herren, ich fordere Sie also alle auf, dem Antrag, den wir morgen mit Sicherheit gemeinsam vorlegen werden, dann auch zuzustimmen. Ich glaube, es ist - zumindest inhaltlich gesehen - eine