Protocol of the Session on June 18, 2003

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat beschlossen, bis zum Jahr 2007 die Steigerung der Nettoausgaben pro Jahr jeweils auf 1 % zu begrenzen.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Um dies zu erreichen, haben wir unter anderem Folgendes vor:

Die Ministerien werden die 49 Vorschläge der Strukturreformkommission in dieser Legislaturperiode abarbeiten. Die Staatskanzlei wird das nach wie vor steuern. Die gesamte Verwaltung kommt auf den

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Prüfstand, von den Amtsgerichten bis hin zu den Finanzämtern.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Jetzt werden Sie nervös? - Lachen bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Hier klammern wir auch unsere Landesämter nicht aus, weil sie genauso auf den Prüfstand gehören wie andere auch.

Außerdem werden wir mit den Kommunen einen „Zehn-Jahres-Pakt“ für eine Funktionalreform abschließen. Wir bieten den Kommunen alle Aufgaben an. Tabus gibt es nicht. Unsere Maßstäbe und die Kriterien, die die Kommunen zu erfüllen haben, sind Professionalität, Wirtschaftlichkeit und mehr Bürgernähe.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Veronika Kolb [FDP]: Natür- lich! Verantwortung abschieben!)

Mit den Kommunen sind wir uns einig, dass es sinnvoller ist, die Aufgaben neu zu verteilen, als eine Gebietsreform von oben zu verordnen. Bei der Gemeindefinanzreform stehen wir an der Seite der Kommunen und wir kämpfen in Berlin dafür, dass sie ihre eigenen gesicherten Einnahmen haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Wir überlassen den Kommunen künftig den gesamten Landesanteil an der Kita-Finanzierung.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Dazu wollen wir über den kommunalen Finanzausgleich für 2004 und 2005 je 60 Millionen € - zurzeit sind es etwas mehr als 56 Millionen € - zweckgebunden für eine Förderung von Kindern in Kindertagesstätten zur Verfügung stellen. Hierfür müssen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen anpassen und auch mit den Kommunen über ein Höchstmaß an Flexibilität bei der Anwendung dieser Regelungen sprechen. Wenn die Kommunen dies wollen und die Gespräche mit ihnen und den Trägerverbänden geführt sind, kann eine Vereinbarung bis zum Jahresende stehen, die den Kindertagesstätten Planungssicherheit gibt und die die Qualität der pädagogischen Arbeit und Betreuung sichert.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden die Landesmittel bei den Förderprogrammen in den nächsten beiden Jahren um zweimal 10 % der Fördersumme des Jahres 2003 reduzieren.

Wir werden die norddeutsche Zusammenarbeit weiter intensivieren. Die Vielzahl der beschlossenen konkreten Kooperationen ist bei weitem besser als die am vorigen Sonntag erhobenen zaghaften Vorstellungen der Union, wobei ich mich herzlich darüber freue, dass Sie mit großem Applaus bedacht haben, dass wir das als Kabinett beschlossen haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden den Doppelhaushalt 2004 und 2005 verfassungskonform verabschieden. Ich kann gegenwärtig aber nicht ausschließen, dass wir ein Haushaltsstrukturgesetz machen müssen, um in Leistungsgesetze eingreifen zu können.

Von unseren skandinavischen Freunden, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir lernen, dass es Sinn hat, die soziale Sicherung stärker über Steuern und nicht über den Faktor Arbeit zu finanzieren. Ich unterstütze daher alle Initiativen, und zwar mit der gesamten Landesregierung, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, um gleichzeitig und im Gegenzug die Lohnnebenkosten zu senken,

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

insbesondere für die nicht durch Beiträge gedeckten Ausgaben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wie wäre es mit ei- ner Strukturreform?)

Für diese Umfinanzierung gibt es aber eine klare Bedingung: Die Systeme müssen nach wie vor saniert werden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nein, sie müssen reformiert werden!)

Wir unterstützen und initiieren im Bundesrat Vorschläge zu einer höheren Besteuerung von Erbschaften. Dabei geht es nicht um „Omas kleines Häuschen“ oder um das Betriebsvermögen mittelständischer Unternehmen, sondern darum, dass große Erbschaften gemäß unserer grundgesetzlichen Verpflichtung zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden können und müssen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Die Union in Schleswig-Holstein will nach eigenen Aussagen außerhalb der Tabubereiche Polizei, Justiz, Schule, Finanz- und Hochschulbereich von rund 9.400 Stellen 4.400 Stellen streichen, also extra jede zweite. Dies wird durchaus zurecht von Ihren Spitzenkandidaten als Massenentlassungen bezeichnet. Wenn das alles ist, was Ihnen zur Rettung des Arbeitsmarktes einfällt, dann kann ich nur „Gute Nacht“ sagen. Wir werden jedenfalls bei einem solchen Programm nicht mitmachen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen keine Beschäftigten herausschmeißen. Wir erwarten aber von unseren Beschäftigten einen Beitrag und verschweigen ihnen das nicht. Dieser Beitrag wird nicht sein, dass einige herausfliegen und andere nicht, sondern dass alle ein sozial gestaffeltes, mit Kürzungen versehenes Urlaubs- und Weichnachtsgeld bekommen.

Um auch das zu sagen: Sollte die Bundesregierung beschließen, die Steuerreform des Jahres 2005 vorzuziehen, muss uns allen hier im Landtag klar sein, dass das für die Haushalte von Land und Kommunen noch einmal ein gewaltiges Minus brächte und von uns Anstrengungen abverlangte, von denen ich nicht weiß, ob wir sie alle gemeinsam oder getrennt nach Opposition und Regierung schaffen werden. Anstatt weniger Geld bräuchten Land und Kommunen eigentlich mehr, vor allem für Investitionen. Wenn überhaupt, dann müsste ein Konjunkturpaket von einem Spar- und Strukturreformpaket begleitet werden, angefangen von der „Agenda 2010“ über den Abbau von Subventionen - das sagen Sie zwar von der Opposition immer, aber wenn es ans Eingemachte geht, sind Sie die Ersten, die sich schützend davor werfen - bis hin zur Umfinanzierung der Lohnnebenkosten durch die Mehrwertsteuer.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin gespannt, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, ob Sie unseren Vorschlägen folgen werden, wenn es zum Beispiel beim Subventionsabbau konkret wird.

Dies sind nur einige der wichtigsten Vorhaben und Einschnitte, die wir durchsetzen wollen. Die Landesregierung wird sich angesichts dieser Haushaltslage auf ihre Kernaufgaben konzentrieren: Bildung, Arbeit, Wirtschaft, innere Sicherheit. Das heißt allerdings nicht, dass wir die anderen Bereiche der Landespolitik, zum Beispiel die Umwelt, vernachlässigen werden.

Die Qualität der schulischen Bildung ist eine Schlüsselfrage für die Zukunft unseres Landes. Deshalb

werden wir bei dieser Kernaufgabe der Landespolitik nicht sparen. Das Land gibt jährlich rund ein Drittel des Haushalts für den Bildungsbereich aus. In jedem Jahr haben wir mehr Lehrer eingestellt. Von 1996 bis 2005 werden es 1.362 neue Lehrerstellen sein. Das ist eine stolze und hart erarbeitete Leistung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im März hat die Landesregierung oben drauf einen mit 19,1 Millionen € bestückten „Feuerwehrtopf“ beschlossen, damit weniger Unterricht ausfällt. Mit diesem Programm wollen wir erreichen, dass sich Eltern und Kinder auf den Stundenplan der Schule verlassen können. Damit fangen wir zum neuen Schuljahr an den Grundschulen an.

Die Landesregierung hat weiter beschlossen, die Grundschule mit mehr Unterricht auszustatten. Wir beginnen damit im Hamburger Randgebiet. Davon profitieren rund 26.000 Schülerinnen und Schüler.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im bundesweiten Vergleich, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind unsere Schulen mit am besten finanziert. Wir haben die im Durchschnitt kleinsten Klassen in der Bundesrepublik. Hinzu kommt, dass der Schülerberg schon im Schuljahr 2004/2005 seinen Höhepunkt erreicht. Bis zum Schuljahr 2010/2011 kommt es dann zu einem Rückgang von rund 23.000 Schülerinnen und Schülern. Die in diesem demographischen Wandel steckenden stillen Reserven wollen wir effektiv nutzen; denn aus dieser pädagogischen Chance muss sich etwas machen lassen.

Neben dem schrittweisen Abbau des Unterrichtsausfalls wird sich die Landesregierung darauf konzentrieren, die Qualität der Bildung zu verbessern. PISA sollte uns eigentlich noch in den Knochen stecken. Im Rahmen des Bundesprogramms „Zukunft, Bildung und Betreuung“ werden in SchleswigHolstein über 140 Millionen € investiert. Damit werden wir erheblich mehr Ganztagsplätze schaffen können.

Die Bereiche Hochschule und Forschung in Schleswig-Holstein sind ebenfalls in Bewegung gekommen. Wir setzen die Empfehlungen der Erichsen-Kommission um. Wir geben den Hochschulen mehr Autonomie. Wir erwarten allerdings, dass die Hochschulen an den Strukturreformen aktiv mitarbeiten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Wir laden sie zu einem Dialog darüber ein. Als faire Partner wollen wir mit ihnen noch in diesem Jahr einen Hochschulvertrag abschließen, der Budgets und Ähnliches regelt. Die Vorschläge der ErichsenKommission, die jetzt vorliegen, haben Erstes bewirkt. Die Eckwerte der Finanzausstattung der Hochschulen werden für fünf Jahre festgelegt. Auf diese Art und Weise erhalten die Hochschulen einen deutlichen Zugewinn an Planungssicherheit. Die Landesregierung sagt den Hochschulen zu, dass die Besoldungs- und Tariferhöhungen für das Personal der Hochschulen vollständig aus dem Landeshaushalt getragen werden, und zwar auf der Grundlage der Istzahlen des Jahres 2002. Die Landesregierung richtet einen Innovationsfonds ein, der ab 2004 für fünf Jahre mit jährlich 5 Millionen € ausgestattet werden soll.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Hochschulen sollen die Möglichkeit erhalten, künftig ihre Personalplanung flexibler zu gestalten. Wir wollen die Verbindlichkeit der Stellenpläne aussetzen. Die Landesregierung strebt an, mit den Hochschulen Zielvereinbarungen abzuschließen, mit denen die Einzelvorschläge der Erichsen-Kommission umgesetzt werden sollen. Dies ist die erwartete Gegenleistung der Hochschulen für die besonderen finanziellen Anstrengungen des Landes. Damit erwarte ich, dass die Hochschulen einen kräftigen Schub nach vorn bekommen und sich im nationalen und internationalen Wettbewerb behaupten können.