den über Schulden finanziert. Rechnerisch fehlen also 1,1 Millionen €. Ein Bürgschaftsfall kostet 9,7 Millionen €. Weitere 6 Millionen € werden ausgegeben, weil schleswig-holsteinische Schüler in Hamburg zur Schule gehen. Ein Vergleich mit der Betreiberin des Kernkraftwerkes Krümmel kostet das Land 1,7 Millionen €. Diese 1,7 Millionen € wollten uns Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktionen im Finanzausschuss ernsthaft als großen Erfolg darstellen. Vielleicht sollten sie erst einmal in die finanzpolitische Realität zurückkehren.
Das Defizit steigt wegen dieser unabweisbaren Mehrausgaben auf 18,5 Millionen €. Beim Übertrag dieser 18,5 Millionen € beginnt der Versuch der Landesregierung, eigenständige Politik zu betreiben. Nach dem verspäteten und verpatzten Jahresauftakt der Landesregierung - ich nenne das Stichwort Staatssekretärin im einstweiligen Ruhestand - und dem desaströsen SPD-Ergebnis bei der Kommunalwahl will man verständlicherweise irgendwo noch politische Duftnoten setzen: 8 Millionen € zusätzlich für die Lehrer, 4 Millionen € mehr für die Finanzbeamten, 1,9 Millionen € für einen Unterrichtsergänzungsfonds, 2,5 Millionen € mehr für unsere Universitäten. Damit steigt das Defizit auf 34,9 Millionen €.
Hier hat die Landesregierung ein bisschen aus den Änderungsanträgen der FDP zu den letzten zehn Haushaltsjahren abgeschrieben. Die Beträge wurden allerdings verkleinert. Ich frage mich: Warum haben Sie das nicht schon viel früher gemacht, wenn Sie das alles jetzt so toll finden?
Ersteres ist in Ordnung. Letzteres ist - jedenfalls für uns - ein viel zu kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Lieber Kollege Hentschel, mich wundert Folgendes. Seit dem 18. Dezember 2001 hat sich beim Lehrermangel, beim Personaldefizit der Steuerverwaltung und beim Finanzdefizit der Universitäten faktisch nichts geändert. Es war alles genauso schlimm, wie es heute immer noch ist. Warum erkennt die Landesregierung die Mängel erst jetzt an? Warum hat sie nicht schon im Dezember unsere Änderungsanträge - wenn auch von mir aus in abgeschwächter Form - übernommen? Damals war das alles noch übelste Oppositionspolitik.
Es ist ganz einfach. Die Antwort will ich Ihnen sagen: Wie üblich läuft die Landesregierung der Wirklichkeit hinterher. Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, das ist ein Armutszeugnis für die von Ihnen geführte Landesregierung.
(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Da war Stegner auch noch nicht Fi- nanzminister!)
- Lieber Wolfgang, Stegner ist jetzt Finanzminister. Herr Finanzminister Dr. Stegner hat die noch ärmlicheren Finanzierungsvorschläge für diesen Nachtragshaushalt zu verantworten. Diese lauten nämlich globale Minderausgaben. Die Landesregierung will an einigen Stellen mehr ausgeben. Zusätzliches Geld hat sie nicht, also muss sie woanders weniger Geld ausgeben. Da werden Sie mir Recht geben, Herr Finanzminister. Die Landesregierung traut sich aber nicht, den Menschen in Schleswig-Holstein offen zu sagen, wem sie das Geld wegnehmen will. Deshalb will die Landesregierung die unabweisbaren Kürzungen im Dschungel des Haushaltsvollzuges verstecken. Das ist nicht nur für die Landesregierung ein Armutszeugnis, sondern auch für die Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen, die für diesen Entzug des parlamentarischen Königsrechts nachher auch noch willfährig die Hand heben werden.
Eine Ausnahme von diesem Versteckspiel gibt es allerdings, nämlich die Beamtenbesoldung. Im Anschreiben zum ersten Entwurf des Nachtrages stellt der Finanzminister fest, dass die Kürzungen des Weihnachtsgeldes und des Urlaubsgeldes beschlossene Sache seien. Das Weihnachtsgeld wird in diesem Jahr gekürzt. Der Finanzminister sagte im Finanzausschuss, dass im nächsten Jahr zusätzlich das Urlaubsgeld gestrichen wird. Herr Minister, die Beamten des Landes werden Ihnen diese Offenheit herzlich danken.
In fünf Tagen beginnt die offizielle Steuerschätzung. Die Zeichen zeigen nach wie vor ein Wegbrechen der Einnahmen. Die Landesregierung will diesen Nachtrag noch schnell vorher verabschieden. Man könnte auch sagen, sie will ihn durchpeitschen. Der neue Finanzminister behauptet, die Mai-Steuerschätzung beschreibe die Finanzlage im Jahr 2003 sowieso nicht trefflich. Dies sei erst im November nötig und möglich. Sehr geehrter Herr Finanzminister, das ist eine vorgeschobene Begründung. Eigentlich wollen Sie für die Landesregierung und für die regierungstragenden Fraktionen nämlich Folgendes sagen. Wir, also Sie, die Landesregierung, wollen zusätzliche Mindereinnahmen nicht schon jetzt verbuchen, denn dann müssten Sie ja tatsächlich Ausgaben streichen und den Menschen sagen, wo Sie eigentlich weniger Geld ausgeben wollen. Herr Finanzminister, das ist Ihnen politisch viel zu unangenehm. Davor drücken Sie sich. Sie warten lieber bis zur Steuerschätzung im
November, denn dann können Sie kaum noch Ausgaben streichen. Dann müssen Sie leider wieder neue Schulden machen. Das nennen Sie dann verantwortungsvolle Finanzpolitik. Ich sage Ihnen, das ist ein Armutszeugnis Ihrer Finanzpolitik. Wir lehnen diesen Nachtrag deshalb ab.
Wir fordern Sie auf, in der nächsten Tagung einen neuen Nachtrag vorzulegen, in dem Sie erstens die Ergebnisse der Steuerschätzung berücksichtigen und zweitens konkret vorschlagen, wie Sie höhere Ausgaben bei einzelnen Titeln durch ganz konkrete Kürzungen bei anderen Titeln finanzieren wollen. Das wäre verantwortungsvolle Finanzpolitik.
Abschließend habe ich sozusagen als Neuling des Finanzausschusses, der das wirklich nicht versteht, an die beiden großen Fraktionen in diesem Landtag noch eine kurze finanzpolitische Frage: Um die nunmehr abgeblasene Diätenerhöhung zu finanzieren, haben Sie zunächst Ausgabenkürzungen beim Landtag und neue Schulden vorgeschlagen. Ich möchte das gar nicht weiter kommentieren, das haben wir heute Morgen in ausreichender Form getan. Anschließend, in der Reaktion auf Schlagzeilen der „Bild“-Zeitung, aber auch in Reaktion auf Einwendungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW, haben Sie angekündigt, auch die Schuldenerhöhung durch geringere Ausgaben zu verhindern. Ganz offensichtlich waren Sie der Meinung, dass dieses Geld dann überflüssig im Haushalt steht. Denn sonst hätten Sie ja nicht über Nacht 690.000 € mal eben zusammenkratzen können. Unabhängig von der Diätenfrage wäre dieses Geld dann aber heute ebenso überflüssig. Und deswegen frage ich Sie, Herr Kayenburg, und frage - wen eigentlich von der SPD? - also irgendwen von der SPD, den Kollegen Neugebauer: Bleiben Sie bei Ihren Kürzungsvorschlägen, bleiben Sie dabei, dass etwa 20.000 € aus den Fraktionsmitteln der SPD überflüssig sind? Bleiben Sie dabei oder was machen Sie eigentlich in Zukunft damit?
Ich möchte kurz auf eine Verfahrensfrage hinweisen, vor der wir jetzt stehen. Die festgelegte Redezeit pro Fraktion sind 20 Minuten. Das würde bedeuten, dass wir jetzt, sofern Sie das wollen, noch einen Redebeitrag hören, hinterher die Unterbrechung hätten und danach mit den Beiträgen des SSW und der Regierung zu diesem Tagesordnungspunkt fortfahren würden. - Sie sind damit einverstanden, dann machen wir das so. Ich bedanke mich.
„Der Staatshaushalt ist ein Haushalt, in dem alle essen möchten, aber niemand das Geschirr spülen will.“
Man kann es auch so sagen: Der Forderungen sind viele, aber wenn es an die Finanzierung geht, dann sind der Vorschläge wenige.
Warum verabschieden wir heute einen Nachtragshaushalt? Es gibt dafür drei gute Gründe und einen nicht so guten Grund. Es ist bedauerlich, dass die guten Gründe und auch der nicht so gute Grund heute beinahe Gefahr laufen, angesichts der Präsenz im Plenum in den Hintergrund zu treten, weil wir heute Morgen eine andere Finanzdebatte geführt haben. Ich bin aber froh, dass wir jetzt diesen Nachtragshaushalt ohne zusätzliche politische Belastung verabschieden können, und möchte zu dem kommen, wofür das Parlament gewählt ist, nämlich Politik für den Bürger zu machen.
Zum Nachtrag: Ich beginne mit dem nicht so guten Grund. Die Steuereinnahmen des Landes und der gesamten Republik sind erneut hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Gründe sind bekannt: die dümpelnde Weltkonjunktur und die wachsende Arbeitslosigkeit in Deutschland. Entgegen der Vermutung des finanzpolitischen Sprechers der FDP hat die Regierung für diese rückläufigen Steuereinnahmen ein Risiko von 32 Millionen € in diesen Haushalt eingestellt. Das heißt, es ist das berücksichtigt, was an Mindereinnahmen zu erwarten ist. Das finde ich auch richtig und gut so.
Wenn Herr Kayenburg wieder mal der Ministerpräsidentin die Schuld an dieser Entwicklung gibt, so wird auch das durch Wiederholung nicht überzeugender. Die Steuerrückgänge in Schleswig-Holstein sind geringer als anderswo. Schleswig-Holstein ist sogar zum Geberland geworden - -
Herr Kayenburg, wir alle wissen, dass wir eine Wende in der Arbeits- und Wirtschaftspolitik brauchen. Die SPD ringt auf Bundesebene mit ihrem Kanzler um den richtigen Kurs, und das ist gut so. Die Grünen werden in einer Reihe von Parteitagen die Agenda 2010 diskutieren, bewerten und, wo nötig, Korrekturen vorschlagen.
Normalerweise müsste eine solche Situation die Stunde der Opposition sein, ist sie aber nicht. Die PDS überlässt die Diskussion um Gerechtigkeit den Regierungsparteien und beschäftigt sich mit sich selber. Die FDP ist vor Staunen über den Mut des Kanzlers gänzlich verschwunden, und die CDU/CSUSpitzen bekämpfen sich mehr untereinander, als dass sie dazu kommen, Opposition zu leisten. Ich kann auch nicht erkennen, dass die Vorschläge der Union besser sind. Im Gegenteil, sie drücken sich um wesentliche Fragen der Reform der Sozialversicherung herum und profilieren sich nur damit, den Arbeitslosen noch mehr wegzunehmen.
Meine Fraktion hat zu den Reformen eindeutig Stellung bezogen. Wir halten eine einschneidende Reform unserer Sozialsysteme für unumgänglich. Wir haben an der Agenda auch Kritik in zwei Richtungen:
Erstens. Wir glauben nicht, dass sie ausreichend ist. Nur eine drastische Senkung der Lohnnebenkosten durch eine Umstellung der Sozialsysteme auf Steuerfinanzierung wird zu den neuen Arbeitsplätzen führen, die wir brauchen.
Zweitens. Wir sehen allerdings in der Agenda 2010 eine Gerechtigkeitslücke. Nur wenn alle Bürger, auch die Bezieher von hohen Einkommen und Besitzer von großen Vermögen, in gleicher Weise belastet werden, kann ich Arbeitslosen erklären, warum die Arbeitslosenhilfe nach einer Übergangszeit gekürzt werden soll.
Ich freue mich, dass wir in diesem Punkt mit der Ministerpräsidentin und unserem Koalitionspartner in Schleswig-Holstein übereinstimmen und in den Beratungen auf Bundesebene gemeinsam kämpfen.
Ich komme zum zweiten Grund für den Nachtrag. Das ist die Fusion der Landesbanken von Schleswig-Holstein und Hamburg. Bei allem Jubel über diesen Erfolg stellen sich auch Fragen: Wie ist der Einfluss von Schleswig-Holstein gesichert? Wie werden die Kreditbedürfnisse der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Schleswig-Holstein in Zukunft geregelt? Wie wird sichergestellt, dass der Landesteil Schleswig genauso im Augenmerk dieser in
ternational operierenden Bank liegen wird wie das Hamburger Zentrum? Eine 100-prozentige Garantie, dass dies alles im Interesse Schleswig-Holsteins geregelt wird, gibt es nicht. Aber ich kann feststellen, dass als Ergebnis von mühevollen Verhandlungen alle diese Fragen sauber abgearbeitet worden sind. Das ist beruhigend und dafür spreche ich meinen Dank allen aus, die an diesem Prozess beteiligt waren, insbesondere dem Ex-Finanzminister Claus Möller.
Ich bedanke mich auch bei der Union, dass sie diesen Prozess so konstruktiv unterstützt. Das ist auch verständlich, da sie an diesem Prozess in Hamburg mit ihren Parteifreunden eng beteiligt ist. Allerdings wundere ich mich über die Position der FDP. Während Parteifreunde in Hamburg diesem Vertrag offensichtlich zustimmen, tut das die FDP in SchleswigHolstein nicht. Ich glaube, dass es lohnend wäre, auch für die FDP, die strukturpolitische Diskussion über die Bedeutung von Landesbanken zu führen. Aber dazu gibt es sicherlich auch an anderer Stelle Gelegenheit.
Der dritte Grund für den Nachtragshaushalt ist die Situation der Hochschulen. Die ErichsenKommission hat einen Bericht über die notwendige Entwicklung unserer Hochschulen vorgelegt. Wir sind dabei, diesen gründlich zu studieren und auszuwerten. Aber wir sind entschlossen - und ich bin gespannt, wie sich die Opposition dazu verhalten wird -, uns gemeinsam mit der Bildungsministerin und der SPD-Fraktion dafür einzusetzen, dass die Vorschläge von Erichsen so umgesetzt werden, dass die Hochschulen wieder Luft bekommen. Ohne durchgreifende Strukturentscheidungen werden wir nicht die nötigen Mittel haben, um eine qualitativ gute Forschung und Lehre sicherzustellen. Wenn sich die CDU wie eben gerade durch ihren Fraktionsvorsitzenden für Strukturreformen ausspricht, dann wird sie an dieser Stelle entsprechend gefragt werden.
Heute geht es zunächst darum, die Tariferhöhungen für die Hochschulbeschäftigten in 2003 auszufinanzieren. Im nächsten Jahr wollen wir dann, so wie Erichsen es vorgeschlagen hat, einen Vertrag mit den Hochschulen über fünf Jahre schließen, damit die Hochschulen endlich die notwendige langfristige Perspektive haben.
Ich komme zum vierten Grund dieses Nachtrages: Ich hoffe, die Ministerin Erdsiek-Rave verzeiht mir, wenn
ich diesen vierten Punkt auch als meinen oder unseren Erfolg mit betrachte. Das Kabinett hat auch auf unseren Wunsch ein Programm zur Bekämpfung von Unterrichtsausfall verabschiedet.