Protocol of the Session on April 4, 2003

Zweitens. Der Kollege Klug meint, dass unser Antrag zu drastisch formuliert ist. Das ist in anderen Beiträgen auch schon gesagt worden. Manchmal haben wir das Gefühl, dass wir uns drastisch ausdrücken müssen, um gehört zu werden.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Damit komme ich zu dem dritten Punkt. Der Minister hat mich heute schon die ganze Zeit ganz böse angeguckt.

(Minister Dr. Bernd Rohwer: Gestern!)

- Gestern hat er mich auch schon böse angeguckt. Das ist wirklich sehr schlimm. Darum muss ich Folgendes noch einmal sagen. Das meine ich wirklich ernst.

(Zurufe)

- Das muss ich loswerden. In dem Beitrag des Ministers klingt das nämlich an - der Minister redet mit Frau Schmitz-Hübsch, aber es ist unser Antrag -: Unser Antrag wird ein bisschen anrüchig als Regionalpopulismus abgetan.

(Zuruf von der FDP)

Darum sage ich: Wir verschließen uns nie, aber auch wirklich nie, wenn landesübergreifend nach vorn gedacht werden soll. Sonst könnten wir hier im Landtag ganz anders argumentieren. Darum geht es also nicht.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das ist ganz neutral!)

Was man begreifen muss, wenn es um die Phänomenta und die Errichtung eines Science Centers geht, ist Folgendes. Ich bin dem Kollegen Hay wirklich dankbar dafür, dass er das Wort noch einmal ergriffen hat. Ich habe ihn nämlich auch in Flensburg gehört.

(Zurufe)

Es geht darum, dass die Phänomenta schon da ist. Es hat unserer Meinung nach keinen Sinn, etwas Neues zu errichten, ohne daran zu denken und zu berücksichtigen, dass es eine Einrichtung mit einer hervorragenden Besucherzahl gibt, eine Institution, die weiterentwickelt werden kann, die öffentlich gefördert worden ist. Jetzt kommt das Neue. Mittlerweile ist bekannt geworden - diese Entscheidung aus Sønderjylland steht -, dass Danfoss auf Alsen ein Science

(Anke Spoorendonk)

Center haben will. Das ist ein Steckenpferd von Jørgen Mads Clausen. Das Science Center kommt. Es ist durchfinanziert und wird kommen. Hier muss man wirklich die Frage stellen: Kann man vor diesem Hintergrund einfach weiter so planen, als gebe es diese Überlegung nicht?

Wenn es auch noch so ist, dass auch in Hamburg ein Science Center geplant wird und kommen soll, spricht natürlich sehr vieles dafür, dass das Science Center nicht in Kiel oder Lübeck, sondern ganz weit weg in Flensburg gebaut wird.

(Beifall beim SSW)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag dem Wirtschaftsausschuss federführend und mitberatend dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ehe ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, lassen Sie mich noch einmal zur Klarstellung sagen, was auch für diesen Raum gilt: Herr Minister, es ist zwar gestattet, von den Regierungsbänken aus böse zu gucken, aber nicht zu kommentieren.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Folterverbot bei polizeilichen Vernehmungen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 15/2570

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Puls.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion hat unter der Überschrift „Folterverbot bei polizeilichen Vernehmungen“ einen Antrag eingebracht, der wie folgt lautet:

„Der Landtag fordert die strikte Einhaltung des verfassungsrechtlichen Folterverbots durch alle staatlichen Stellen. Der Landtag lehnt die Zulassung von Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung insbesondere für polizeiliche Vernehmungen ab. Die Landesregierung wird gebeten, erforderlichenfalls auf

eine bundesgesetzliche Klarstellung des Folterverbots für Amtspersonen hinzuwirken.“

Im Vorfeld unserer heutigen Landtagsdebatte hat es Irritationen gegeben, die ich sogleich ausräumen möchte: Nein, meine Damen und Herren, Anlass für unseren Antrag ist nicht irgendein Vorfall bei der Landespolizei in Schleswig-Holstein. Anlass ist der Entführungsfall des 11-jährigen Jakob von Metzler in Frankfurt am Main.

In einem öffentlich geführten juristischen Streit im Februar/März dieses Jahres ging es konkret um die Frage, ob die ermittelnde Polizei dort zur Rettung des entführten Frankfurter Jungen dem festgenommenen Tatverdächtigen mit Gewalt drohen durfte. Der stellvertretende Frankfurter Polizeipräsident Wolfgang Daschner hatte in einem Aktenvermerk geschrieben, der mutmaßliche Mörder habe „durch Zufügung von Schmerzen vernommen werden“ sollen, damit er endlich sagen möge, wo sich Jakob befand. Ein Kampfsportexperte, der dem Beschuldigten Schmerzen zufügen sollte, um diesen zu einer Aussage über den Verbleib des 11-jährigen Jungen zu zwingen, saß bereits einsatzbereit im Flugzeug. Die Aktennotiz sah auch die Anwesenheit eines Arztes beim Verhör vor. Bei der Planung ist es dann geblieben.

Im Zuge der sich anschließenden öffentlichen Mediendiskussion hat dann zum Beispiel der stellvertretende Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter, Bernsee, den Gesetzgeber zur Konkretisierung des „rechtfertigenden Notstands“ aufgefordert. Es sei unter Juristen zwar umstritten, ob sich Amtspersonen auf einen übergesetzlichen Notstand berufen können, es könne aber nicht sein, dass Polizeibeamte hier ellenlangen juristischen Diskussionen ausgesetzt seien. Wenn es darum gehe, das Leben eines Kindes zu retten - so sinngemäß -, dann müsse der vernehmende Polizeibeamte auch „handeln“ können, um notfalls eine Aussage unter Androhung oder Anwendung von Gewalt zu erzwingen.

Unglücklicherweise ist die öffentliche Diskussion seinerzeit ausgerechnet durch den Präsidenten eines schleswig-holsteinischen Landgerichts ausgelöst worden, der allerdings nicht in dieser Eigenschaft, aber immerhin als Vorsitzender des Deutschen Richterbundes den Eindruck erweckte, für die vorgesehenen polizeilichen Vernehmungsmaßnahmen in Frankfurt Verständnis zu haben. Für ihn, sagte er dem „Berliner Tagesspiegel“seien Fälle vorstellbar, in denen auch Folter oder ihre Androhung erlaubt sein können.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und jetzt Schi- ly!)

(Klaus-Peter Puls)

Ich habe damals in einer ersten harschen Reaktion öffentlich erklärt, dass es nach meiner rechtsstaatlichen Überzeugung von der Folterdrohung zur Lynchjustiz nur ein kleiner Schritt ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD sowie Bei- fall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich möchte heute ausdrücklich meinen Respekt bekunden: Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, hat seine missverständlichen Äußerungen seinerzeit sofort klargestellt

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

mit folgenden Kernsätzen, die ich ebenfalls wörtlich zitieren möchte:

„Folter ist nach internationalen und nationalen Vorschriften zu Recht verboten. Wer sie anwendet, macht sich der Aussageerpressung schuldig, eines Verbrechens, das nach dem Strafgesetzbuch mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist. Durch Folter erzwungene Aussagen sind im Strafverfahren nicht verwertbar. Es bedarf auch angesichts dieses tragischen Falles des getöteten Jakob von Metzler keines Sonderrechts für die Polizei, das Ausnahmen von diesem Verbot zulässt.“

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

„Das wäre ein völlig falsches Signal. Die bestehenden Gesetze reichen aus, Umstände des Einzelfalls angemessen zu berücksichtigen.“

Davon können wir als SPD-Landtagsfraktion jeden Satz unterstreichen.

(Beifall im ganzen Haus)

Wir freuen uns, dass sich unser Innenminister Klaus Buß für die Landesregierung in der „Frankfurter Rundschau“ vom 28. Februar ebenso unmissverständlich und eindeutig geäußert hat. Erstens:

„Das absolute Folterverbot ist unverzichtbarer Teil unseres Rechtsstaates.“

„Die Rechtslage ist absolut klar. Die Anwendung von Folter ist nicht vorstellbar.“

Und drittens sinngemäß: Ich würde einen Polizisten, der einem Verdächtigen Schmerzen androht und dies öffentlich rechtfertigt, in aller Deutlichkeit auf den

rechtsstaatlichen Grundsatz des Folterverbots hinweisen. Bei aller Schwierigkeit und Gewissensnot, in die man geraten kann, muss ein solcher Grundsatz Vorrang haben. Sonst würden wir eine wichtige Grundfeste unseres Staates infrage stellen.

(Beifall)