Protocol of the Session on February 21, 2003

(Martin Kayenburg [CDU]: Das kommt auf den Redner an!)

An diesem Punkt werden wir mit den Vorbereitungen für unser Festival beginnen müssen und erst einmal tüchtig üben.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

Ich stelle mir das so vor: Herr Greve, Sie lesen in mehreren Doppelstunden aus Ihren ausgewählten

(Dr. Ulf von Hielmcrone)

Werken der SPD-Fraktion und den Grünen, aber auch der FDP vor.

(Beifall bei der FDP)

Ich hoffe, dass CDU und FDP mit mir vorlieb nehmen und mir Gelegenheit geben, Lesungen aus meinen diversen Husumführern bei Ihnen zu halten. Dies schon, um den ewigen Vorwurf zu entkräften, in Kiel kenne man die Westküste nicht und man wolle sie auch nicht kennen. Zwischenrufe sind übrigens nicht erlaubt und verlängern die Lesung um jeweils weitere zehn Minuten.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die zweite Stufe ist das Selbstschreiben. Unter uns schlummern so viele Talente, die der literarischen Entdeckung harren: Das Publikum wartet auf den großen Zyklus von Herrn Schlie „Erzählungen aus 1.001 Gemeinde“. Wir wären aber auch schon mit der Novelle „Die Ich-Gemeinde“ glücklich. Dann hätten wir nicht nur 1.000 Gemeinden, sondern 2,7 Millionen Gemeinden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebhaber historischer Belletristik würden sicherlich gern zu dem Buch „Friede den Eisenbahnbrücken, Krieg den Palästen“ von Günter Neugebauer greifen.

(Heiterkeit - Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie würden auch zu der dramatischen Geschichte „Der schleswig-holsteinische Adel und ich“die kein Loreroman ist, greifen. Alles, was die jeweils zuständigen Musen dazu animiert, diese bis jetzt verborgenen Talente endlich zu küssen, muss gefördert werden, damit wir endlich mehr als nur einen lebenden Nobelpreisträger im Lande haben. Die aber werden wir brauchen, damit Ihre Idee verwirklicht werden könnte, Herr Greve. Natürlich können wir mit Günter Grass die Säle füllen, aber eben auch nur mit Schriftstellern seines Kalibers und seines Bekanntheitsgrades. Das sind die meisten aber nicht und auch nur wenige Autoren sind auf einem mühsamen Weg dorthin.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann singen!)

Wenn Sie mit ihm die Säle füllen, dann auch nur deswegen, weil es den Zuhörern oder den Zuschauern in erster Linie um das Erlebnis seines Auftrittes, nicht jedoch seiner Literatur geht. Das Erlebnis der Literatur oder des Buches ist dabei doch ein ganz anderes. Es ist ein höchst persönliches und individuelles Erlebnis. Der Charme des Buches liegt darin, dass es

überall gelesen werden kann; in der Bahn und im Bett. Dieses individuelle Erlebnis entzieht sich der Vermassung. Das ist gut so.

(Beifall bei SPD und FDP)

Auch bei hohen Auflagen gilt: Lesen muss ich das Buch selbst und allein. Hier liegt übrigens der Unterschied zur Musik, die sowohl einzeln als auch mit vielen Menschen zusammen genossen werden kann. Er liegt auch darin, dass Musik unabhängig von der Sprache der Menschen aufgenommen werden kann. Naturgemäß kann man deswegen mit Musik viel mehr Menschen auf einmal ansprechen als mit Literatur. Das liegt im Charakter des Mediums. Lesungen benötigen übrigens - gerade bei unbekannter oder sich entwickelnder Literatur - auch den intimen Schutzraum der kleineren Veranstaltung, zum Beispiel in einer Buchhandlung, im Haus der Literatur oder wo auch immer. Sie ist nichts für große Säle. Sie sind kein Event für Tausende. Deshalb ist das Haus der Literatur so wichtig; deshalb sind Bücherfrühling und nordische Literaturtage oder die Nord-Ostpassagen so wichtig. Sie passen zum Medium Buch. Massenevents jedenfalls nicht. Schließlich gilt: Muss denn um Himmels Willen alles vermarktet und kommerzialisiert werden?

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Werner Kalinka [CDU]: Sind Sie dafür oder dage- gen?)

Trotzdem wünsche ich uns weiterhin viel Freude am Buch und am Lesen. Hören Sie auch einmal zu und lassen Sie uns auch im neuen Haus über Kunst, Kultur und Literatur diskutieren und streiten. Ein persönliches Wort: Es ist für mich eine Ehre, eine der letzten Reden in diesem Haus über ein kulturelles Thema gehalten zu haben.

(Jost de Jager [CDU]: Die war nicht so doll!)

Ideen hierzu brauchen wir immer wieder, auch wenn nicht alle verwirklicht werden können. Trotzdem danke ich Ihnen, Herr Greve. Ich wünsche allen einen guten Anfang für unser fiktives literarisches Festival und ein gutes Ende in diesem Hause. Im Übrigen sind wir mit einer Ausschussbehandlung einverstanden, bitten aber, diese ohne Anhörung vorzunehmen.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Von allen Geistern, die verneinen, ist mir der Schalk am wenigsten zur Last“so sagte es Goethe in Faust I, Prolog im Himmel, Vers 339. Damit, so denke ich, habe ich den passenden literarischen Einstieg zu einer Debatte gefunden, in der es um ein Literaturfestival geht. Die schleswig-holsteinische CDU-Fraktion im Allgemeinen und der geschätzte Kollege Uwe Greve im Besonderen haben hier, wie es scheint, ein großes Thema gefunden. Vielleicht ist es ein sehr großes Thema für ein recht kleines Land. Es stellt sich also die Frage, wie man - oder wie man besser nicht - damit umgehen soll. Auch dafür gibt es Beispiele aus der Literaturgeschichte. Berthold Brecht hat an Thomas Mann folgende Zeilen gerichtet:

„Es liegt in unserer Natur, dass Sie vornehm, ich unvornehm kämpfe. Sie werden mich doch nicht umbringen wollen! Aber ich Sie.“

Das, meine Damen und Herren, wollen wir aber doch wegen unserer Vorbildrolle in der Öffentlichkeit an diesem Ort lieber nicht zulassen. Also wählen wir besser das leichte Florett als den schweren Vorschlaghammer. So hat es auch der geschätzte große rote Ritter Ulf von Hielmcrone eben schon vor mir gehalten.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Schlagen wir also den großen Bogen von der Inspiration des Kollegen Uwe Greve zur harten Wirklichkeit der schleswig-holsteinischen Kulturpolitik. Ich blicke schon einmal nach rechts zur Regierungsbank. Auf der einen Seite schauen wir auf das folgende Bild: Zur schönen Maienzeit pilgern alljährlich Zehntausende, ja am Ende sogar hunderttausend literaturhungrige Zeitgenossen auf den auf Initiative der Christlich-Demokratischen-Union, Landesverband Schleswig-Holstein, bei uns versammelten LiteraturNobelpreisträgern und Friedenspreisträgern des deutschen Buchhandels zu Lesungen, Diskussionsrunden, Autogrammstunden und anderen Profil gebenden Veranstaltungen. Auf der anderen Seite zeigt sich aber die schnöde Realität. Frau Ministerin, ich kann es Ihnen nicht ersparen. Morgen Abend spricht Ute Erdsiek-Rave anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Literaturhauses im Kieler Schwanenweg 13, also ganz in der Nähe, zu Zuhörern. Frau Erdsiek-Rave, werden es 50, 60 oder sogar 100 Zuhörer sein? Wer weiß. Zum Vergleich der Vision des Kollegen Greve mit der schnöden Realität in diesem Lande kann man die berühmten Worte aus Shakespeares Hamlet an

führen: „Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode.“

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD])

Überhaupt Hamlet: Der SSW ist in dieser Frage besonders deshalb vergrätzt, weil Hamlet doch ein dänischer Prinz gewesen ist. Nun ist er als Hausgeist bei der CDU eingezogen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte noch einmal Hamlet zitieren, und zwar aus dem zweiten Akt die zweite Szene:

„Behandelt jeden Menschen nach seinem Verdienst, und wer ist vor Schlägen sicher?“

Oder: Dritter Akt, erste Szene:

„O welch ein edler Geist ist hier zerstört!“

Oder, lieber Kollege Kayenburg, besonders wichtig: Fünfter Akt, zweite Szene:

„In Bereitschaft sein ist alles.“

(Heiterkeit und Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dabei haben in Wirklichkeit - das muss man ein bisschen gerechter verteilen - alle Parteien ihre liebe Not mit der Literatur, jedenfalls mit einer bestimmten Art von Büchern. Kurt Tucholsky hat es, wie ich finde, sehr treffend formuliert. Ich zitiere:

„Wenn in Deutschland einer etwas versiebt hat, dann kneift er hinterher, schreibt aber seine Memoiren, womit er seine gänzliche Unschuld an dem Malheur dartut, die Gegner beschimpfen und 15 % des Ladenpreises einstecken kann.“

(Heiterkeit)

Heute sind es übrigens, wie ich glaube, nur noch 10 %. Uschi Kähler kann dies vielleicht bestätigen. Wenn schon die Autorenhonorare so stark sinken, müssen die Zeiten immer schlimmer werden.

Meine Damen und Herren, ich schlage vor, den Antrag zur Suche nach geeigneten Auswegen an den Bildungsausschuss zu überweisen.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Birk.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil ich nicht mit solch wunderbaren Zitaten aufwarten kann, erfülle ich nun das Vorurteil, dass die Grünen sowieso ungebildet sind und keine Zeit haben, Bücher zu lesen. Allerdings haben wir uns darüber Gedanken gemacht, wie wir mehr zum Lesen kommen. Wenn wir mehr für die Literatur tun wollen, schlage ich vor, bei uns selbst anzufangen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ein starker Trend zum Zweitbuch!)

Wie wäre es, wenn der Parlamentarische Abend nicht nur mit politischen Vorträgen, sondern auch mit Lesungen beginnen würde?