Protocol of the Session on February 20, 2003

Seit längerem kursieren Gerüchte, der Standort des Marinefliegergeschwaders 2 in Tarp/Eggebek werde geschlossen. Ministerpräsidentin Heide Simonis hat sich deshalb bereits am 3. September 2002 an den Verteidigungsminister gewandt und Anfang Januar 2003 eine Antwort erhalten. Der Verteidigungsminister weist darauf hin, dass die Bundeswehrreform im konzeptionellen Rahmen neuer verteidigungspolitischer Richtlinien weiterentwickelt werden solle. Vertreter des Kreises Schleswig-Flensburg und der Ämter Oeversee und Eggebek haben mir am 29. Januar 2003 eine Resolution zur Erhaltung des Standortes Tarp/Eggebek überreicht und die Landesregierung gebeten, sich entsprechend in Berlin zu verwenden. Das tun wir mit aller Kraft.

(Minister Klaus Buß)

Das Land Schleswig-Holstein ist während des Kalten Krieges im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl und im Vergleich zu den anderen Bundesländern absolut überproportional mit Bundeswehrstandorten besetzt worden. Daraus haben sich für das Land bestimmte Entwicklungen ergeben und sind mit Sicherheit andere Entwicklungen verhindert worden. Gerade der strukturschwache Landesteil Schleswig ist in besonderem Maße auf die verbliebenen Standorte der Bundeswehr angewiesen.

(Beifall im ganzen Haus)

Allein am Standort Tarp/Eggebek hängen 2.000 Arbeitsplätze. Es ist daher eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Landesregierung vehement für den Erhalt des Standortes einsetzt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Klaus Schlie [CDU] und Christel Aschmoneit- Lücke [FDP])

Anfang Februar erschien in den Zeitungen eine Meldung, der Bundestagsabgeordnete Börnsen habe vom Inspekteur der Marine, Admiral Lüssow, Informationen erhalten, denen zufolge der Marinehafen Olpenitz geschlossen werden solle. Ich habe sofort beiden geschrieben und um nähere Informationen gebeten. Für mich nicht nachvollziehbar, habe ich nicht einmal vom Bundestagsabgeordneten Börnsen bis heute eine Antwort erhalten. Ich möchte das nicht weiter kommentieren. Ich habe mich dann um einen schnellen Besprechungstermin beim Bundesverteidigungsminister, Peter Struck, bemüht. Dankenswerterweise konnte ich ihn am Freitag, dem 14. Februar 2003 in Berlin treffen. Ich habe ihm eindringlich die Lage Schleswig-Holsteins, insbesondere des Landesteils Schleswig, geschildert. Natürlich hat er mir keine Einzelheiten seiner Überlegungen oder der seiner Fachleute sagen können. Ich denke, das versteht in diesem Hause jeder. Immerhin hat der Bundesverteidigungsminister mich ermächtigt, in Beantwortung des zur Debatte stehenden Berichtsantrages folgende Erklärung abzugeben, die im Einzelnen mit ihm persönlich abgestimmt worden ist. Ich darf die Erklärung verlesen. Sie lautet wie folgt: „Der Bundesminister der Verteidigung wird in Kürze“

- wahrscheinlich morgen -

„eine Weisung an die Bundeswehr herausgeben, von der für die Zeit nach dem 31.12.2005“

- ich betone noch einmal, nach dem 31.12.2005! -

„auch das Marinefliegergeschwader 2 betroffen sein kann. Inwieweit sich daraus Auswirkungen auf den Standort Eggebek/Tarp ergeben können, werden gegebenenfalls ab 1.1.2006 anzustellende Überlegungen zeigen. Die vorerwähnte Weisung des BMV wird nicht die Minenräumungseinheiten in Olpenitz betreffen. Inwieweit sich insoweit andere Überlegungen und Planungen ergeben können, werden die nächsten Jahre zeigen.“

Soweit die abgestimmte Erklärung.

Wir werden und sollten die kommende Zeit mit den örtlichen Kommunalpolitikerinnen und -politikern und - wie ich hoffe - mit allen Fraktionen parteiübergreifend nutzen, möglichst viel für den Erhalt der Standorte in der weiteren Zukunft zu tun.

Gestatten Sie mir kurz, einen Punkt anzusprechen, der nicht direkt zur Beantwortung des Berichtsantrages gehört, aber vielleicht doch den einen oder anderen - insbesondere wahrscheinlich den Abgeordneten Maurus - interessiert. Ich habe bei dem Treffen mit Verteidigungsminister Struck die Chance genutzt, ihn auf die Problematik der 630 Bundeswehrwohnungen auf Sylt aufmerksam zu machen. Ich unterstelle, dass Sie alle das Problem kennen. Ich habe ihm einen von meinem Haus gefertigten Vermerk überreicht. Er hat mir zugesagt, da die Wohnungen seit geraumer Zeit in das allgemeine Vermögen des Bundes übergegangen sind und damit der Bundesfinanzminister zuständig ist, sich für eine Lösung im Sinne der Menschen und der Kommunen auf Sylt zu verwenden. Möge ihm dabei Erfolg beschieden sein.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Ich eröffne die Aussprache. Ehe ich Frau Abgeordneter Tengler das Wort erteile, möchte ich fragen, ob der Ursprungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 15/2691, zurückgezogen wird?

(Heinz Maurus [CDU]: Ja! - Christel Aschmoneit-Lücke [FDP]: Ja!)

- Gut.

Frau Abgeordneter Tengler, dann haben Sie das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere nicht nur, dass die Ministerpräsidentin

(Frauke Tengler)

jetzt nicht mehr da ist, ich bedauere auch, dass der Plenarsaal so schlecht besetzt ist.

Mitte Dezember 2002 tauchten in der „FAZ“ und in der „Süddeutschen Zeitung“ Gerüchte über die mögliche Schließung der Standorte Eggebek/Tarp und des Marinestützpunktes Olpenitz/Kappeln auf. Diese Gerüchte sind bis zum heutigen Tag vom Verteidigungsminister nicht dementiert worden. Aufgeschreckt und besorgt schrieben Bundestagsabgeordnete, dankenswerterweise der Innenminister, die Ministerpräsidentin und der Fraktionsvorsitzende der SPD an den Verteidigungsminister. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob und mit welchem Wortlauf diese Briefe beantwortet worden sind. Der Brief, in dem die besorgten Amtsvorsteher der Ämter Eggebek und Oeversee um ein Gespräch beim Verteidigungsminister nachsuchten, wurde wie folgt beantwortet. Ich zitiere aus dem Brief vom 30. Januar 2003:

„Ich bedauere Ihnen mitteilen zu müssen, dass derzeit keine substanzielle Grundlage für das von Ihnen erbetene Gespräch mit Herrn Bundesminister Dr. Struck besteht.“

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin - ich bitte, ihr dies auszurichten -, die Fraktionen des Hauses fordern Sie jetzt auf, persönlich in Berlin vorstellig zu werden und für den Erhalt der Standorte in Eggebek/Tarp und Olpenitz/Kappeln zu kämpfen und zu argumentieren!

(Beifall bei CDU und FDP)

Schleswig-Holstein wies - der Innenminister hat es schon erwähnt - vor der Wiedervereinigung eine hohe Standortdichte auf. Deshalb hat das Land Schleswig-Holstein, besonders aber der Kreis SchleswigFlensburg mit der Stadt Flensburg, bereits einen hohen Anteil an der bisherigen Truppenreduzierung geleistet. Frau Ministerpräsidentin - auch wenn Sie nicht da sind -, es geht nicht nur um 3.900 Arbeitsplätze, es geht um 3.900 Familien in unserem strukturarmen Land. Es geht um Familien, die sich oft in besonderer Weise in das gemeindliche Leben einbringen und die zu uns gehören.

Aber die Bundeswehr ist auch, insbesondere in strukturschwächeren Gegenden, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wir hören in letzter Zeit viel zu häufig Hiobsbotschaften, zum Beispiel von der HDW oder von Bayer in Brunsbüttel, auch Motorola in Flensburg verhandelt mit China wegen günstiger Herstellungsbedingungen. Standortschließungen dürfen sich in diesen Reigen nicht auch noch einreihen müssen.

Frau Ministerpräsidentin, Sie tragen die Verantwortung für Schleswig-Holstein - werden Sie tätig! Lassen Sie es nicht zu, dass bei Einsparnotwendigkeiten

bei den Tornadogeschwadern nur auf SchleswigHolstein geguckt wird

(Beifall bei CDU und FDP)

und schon gar nicht auf ein Geschwader, das im internationalen Vergleich an der Spitze liegt, dessen Maschinen die höchsten Restnutzungszeiten haben und in seiner Mehrfunktionsrolle erwiesenermaßen effizient arbeitet. Das alles ist übrigens heute ausführlich im Pressespiegel nachzulesen. Weiter stünde der Abbau der Marinestandorte im krassen Widerspruch zum Bericht der Weizsäcker-Kommission vom 25. Mai 2000. Ich zitiere:

„Der Beitrag der deutschen Marine für das Bündnis ist im geplanten Umfang noch angemessen. Es sollte also nicht weiter verringert werden.“

Unter Umgehung des Parlamentes in Berlin wird der Verteidigungsminister militärpolitische Richtlinien vorlegen. Dennoch ist noch gar nicht klar, wie ein eventueller Einsatz der Bundeswehr im Inneren aussehen kann und wie er geregelt wird.

Frau Ministerpräsidentin, fordern Sie: Keine Standortschließungen vor Vorlage eines Gesamtkonzeptes zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren! Fordern Sie eine Beteiligung aller Teilstreitkräfte bei der Erstellung sowohl des Gesamtkonzeptes als auch der so genannten militärpolitischen Richtlinien. Bitte fordern Sie noch heute. Nach Information des „Pressespiegels“ ist nicht nur Eile, sondern sofortiges Handeln geboten.

Es ist uns gelungen - dafür bin ich dankbar -, einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen einzubringen. Dieses Signal gilt es, nun sofort nach Berlin zu tragen. In dem Antrag wird zwar auch etwas zu möglichen Konversionsmaßnahmen, mit denen wir in der Vergangenheit nicht zufrieden sein konnten, gesagt. Im Vordergrund muss aber auf jeden Fall der Kampf für den Erhalt der Standorte stehen.

Ich glaube, mit allen in diesem Haus in einem Ziel einig zu sein: Schleswig-Holstein soll ein Land bleiben, in dem man leben und arbeiten kann. SchleswigHolstein darf weder zum Altersheim noch zur Ausgleichsfläche Deutschlands werden. Die Standorte Eggebeck/Tarp und Olpenitz/Kappeln sind die großen Arbeitgeber im Kreis Schleswig-Flensburg und die Soldaten und Familien gehören zu uns. Frau Ministerpräsidentin, setzen Sie sich persönlich mit Nachdruck in Berlin dafür ein, dass es so bleibt. Die Unter

(Frauke Tengler)

stützung des Kreises Schleswig-Flensburg und aller Fraktionen dieses Hauses ist Ihnen sicher.

(Beifall bei CDU und FDP sowie der Abge- ordneten Anna Schlosser-Keichel [SPD] und Silke Hinrichsen [SSW])

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Astrup das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Tengler, ich fange einmal mit dem von Ihnen zuletzt Gesagten an, weil mir das in der Tat am wichtigsten zu sein scheint.

Der gesamte Landtag des Landes SchleswigHolsteins ist sich einig, dass wir die vorhandenen Bundeswehrteile, die wir in Schleswig-Holstein noch haben, weitestgehend werden erhalten müssen, und zwar deshalb, weil wir als das Land mit der höchsten Bundeswehrdichte überhaupt in den letzten Jahren zwangsläufig gewaltig haben Federn lassen müssen und ich Ihre Einschätzung, Frau Kollegin Tengler, teile, dass das, was jetzt noch vorhanden ist, dringend erforderlich ist. Gleichwohl - das mag uns vielleicht schon wieder unterscheiden - sollten wir nicht so tun, als sei Schleswig-Holstein zukünftig die Insel der Glückseligkeit. Unter allen Bundesregierungen - schwarz, rot, gelb; grün ist inzwischen auch dabei - haben wir Umstrukturierungsmaßnahmen hinnehmen müssen. Wir wissen: Die Bundeswehr ist in erheblicher Umstrukturierung begriffen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestern haben wir in einem anderen Zusammenhang gehört, dass die Bundeswehr in Zukunft nicht die Aufgaben haben soll, die Sie gern hätten. Insofern war Ihr Redeteil, der sich mit dem Bundeswehreinsatz im Innern beschäftigte, im doppelten Sinne des Wortes von gestern, Frau Kollegin. Ich bitte dringend darum, dass wir uns bei all dem nicht verheben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sagen, das Marinefliegergeschwader 2 in Eggebeck/Tarp und der Marinestützpunkt Olpenitz sollten erhalten bleiben, sind wir bei Ihnen. Deswegen sind wir genauso froh wie Sie, dass wir es geschafft haben, eine einvernehmliche Formulierung zu erarbeiten, die das nach außen und nach innen signalisiert. Wir wissen natürlich, dass das verbliebene Marinefliegergeschwader 2 das einzige Tornadoeinsatzgeschwader ist, das Mehrfachfähigkeiten besitzt, und zwar anders als die der Luftwaffe, was sogar die Luftwaffe zugibt, obwohl ihr das bestimmt

nicht leicht fällt. Diese Mehrfacheinsatzmöglichkeiten hat das MFG 2 in vielen Jahren bewiesen, bei zahllosen Auslandsverlegungen genauso wie durch die Überprüfung durch die NATO, die meinem Kenntnisstand zufolge das MFG 2 bislang als einziger Jetverband überhaupt bestanden hat. Ich denke, das spricht für die Leistung der Soldatinnen und Soldaten vor Ort und sollte nicht wegdiskutiert werden.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Es geht also letztlich nicht darum - davor wollte ich mit dieser Bemerkung warnen -, eine reine Reduzierungsdiskussion zu führen. Wir sind an einer Stelle angelangt, die deshalb militärisch interessant ist, weil das MFG 2 über Fähigkeiten verfügt, die man als Bundeswehr, als Bundesmarine konkret, schlicht über Bord werfen würde, wenn man sie nicht erhielte. Über die Frage, dass 50 Tornados eingespart werden sollen, mag man ja streiten. Was ich nicht einzusehen vermag, ist, dass man einen so hervorragenden Verband wie den in Eggebeck/Tarp, weil er zufälligerweise, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, 53 Flugzeuge umfasst, streicht und damit eine erhebliche Fähigkeit der Bundeswehr ebenfalls streicht, anstatt bei vorhandenen anderen Verbänden jeweils fünf Maschinen abzuziehen. Das wären nämlich auch 50.

Wenn wir uns in eine militärische Debatte verwickeln lassen, haben wir gute Chancen. Wenn wir das, wie von Frau Kollegin Tengler erwähnt, mit der regionalpolitischen Debatte verbinden, glaube ich, dass die gemeinsame Betrachtung dieser Reduzierungsdiskussion für uns spricht.