Protocol of the Session on July 13, 2000

Wegen der noch vorhandenen Ungewissheiten werden im Bericht sämtliche versprochenen Maßnahmen zur Modernisierung Schleswig-Holsteins unter finanziellen Vorbehalt gestellt. Das betrifft vor allem die Zuwendungen der EU und ganz besonders die einzusetzenden Landesmittel. Immerhin belaufen sich die EU-Mittel bis zum Jahre 2006 auf über 1 Milliarde DM. Selbst wenn nur ein Teil davon ausfiele, würde das - einschließlich der Komplementärmittel - einen erheblichen Minderbetrag bedeuten. Das wäre bedauerlich. Auch der Minister sagte soeben, dass offenbar das letzte Wort über die Landesmittel noch nicht gesprochen worden sei. So warten wir gespannt auf die Ergebnisse, die am Sonntag in einer Pressekonferenz vorgestellt werden sollen.

Im Text wird insgesamt deutlich, dass die Landesregierung große Bedenken hat, ob diese Gelder wirklich fließen werden. Sie ist auffallend vorsichtig in ihren Formulierungen. Das Wort Vorbehalt kommt einem auf vielen Seiten entgegen. Deshalb möchte ich als neue Überschrift vorschlagen: Hoch lebe der Vorbehalt!

Ich komme zu meiner zweiten Frage: Was ist wirklich neu an „ziel“? Der Minister hat eben versucht, die

Besonderheiten herauszustellen. Es tut mir leid, ich habe darin nichts Neues entdecken können. Die Antwort ist wirklich niederschmetternd: Nichts ist neu an „ziel“. Im Wirtschaftsbereich bleibt alles wie gehabt: Vorrang hat die Förderung der Infrastruktur, die einzelbetriebliche Förderung wird nicht ausgeweitet, obwohl eingeräumt wird, dass andere alte Bundesländer in weit höherem Maße als Schleswig-Holstein GA-Mittel zur betrieblichen Förderung verwendet haben.

Ebenso bleibt die IMAG erhalten, deren Beschlüsse aber durch ein Veto - sowohl des Wirtschaftsministers als auch des Finanzministers - außer Kraft gesetzt werden können. Das ist unverhohlener Einsatz von Macht. Man sollte den Mitgliedern der Beiräte diesen Text einmal schicken. Sie werden ihre Freude an der Überschrift des Kapitels „Entscheidung in Partnerschaft“ haben. Es muss ihnen wie blanker Hohn vorkommen, wenn dahinter steht, dass alles mit einem Veto aus zwei Ministerien außer Kraft gesetzt werden kann.

(Holger Astrup [SPD]: Die wissen das seit über zehn Jahren!)

Im Bereich „ZAL“ sind in den drei Förderschwerpunkten Produktionsstruktur, ländliche Entwicklung und Agrar-, Umwelt- und Ausgleichsmaßnahmen sowie Forstwirtschaft 26 Maßnahmen förderfähig. Der Schwerpunkt soll bei der ländlichen Entwicklung liegen. Unter diesem Oberbegriff finden sich zum Beispiel Themen wie Tourismuswirtschaft, Flurbereinigung, Dorferneuerung, Küstenschutz oder auch die Initiative „Biomasse und Energie“ wieder, also alles Aufgaben, die auch bisher von der Landesregierung betreut wurden, wenn auch nicht immer auf vorbildliche Weise.

In der Landwirtschaft werden auch Mittel der Gemeinschaftsaufgabe als Komplementärmittel für Gelder der EU eingesetzt. Ursprünglich diente die Gemeinschaftsaufgabe „Landwirtschaft“ der Förderung von Investitionen in landwirtschaftlichen Betrieben und im ländlichen Raum. Jetzt werden der GAMittel entzogen und in „ZAL“ hineingebracht. „ZAL“ ist also ein alternatives Programm und kein additives.

(Beifall des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU])

Mit anderen Worten: Mit „ZAL“ wird keine grundlegende Modernisierung vorgenommen, sondern es folgt lediglich die Malersanierung. Im Rheinland

(Brita Schmitz-Hübsch)

würde man sagen: „Dünn dröwwer ond de Hoot drop!“

(Unruhe)

- Lassen Sie sich das von Frau Simonis oder von Frau Lütkes übersetzen.

Wie wird sichergestellt, dass die GA-Mittel gemäß den Richtlinien verwendet werden? Eine Neuerung könnte man auf den ersten Blick beim Programmteil ASH 2000 vermuten. Es hieß, dass man im Gegensatz zum alten Programm ASH III eine Schwerpunktverschiebung zum ersten Arbeitsmarkt hin anstreben wollte. Trotzdem wird im gleichen Atemzug eine „Beschäftigung in Projekten des zweiten Arbeitsmarktes, wo notwendig“ als Ziel aufgeführt. Was als notwendig anzusehen ist, wird nicht näher erläutert.

Unter dem Ziel einer „arbeitsmarktorientierten Beratung“ kann ich mir noch etwas vorstellen, wenn ich mich auch frage, wer die denn machen soll; aber dann wird es endgültig schwammig. Dort heißt es, man wolle eine Schwerpunktverschiebung in Richtung „zielgerichtete Effektivität und Effizienz“ anstreben. Frau Moser, was ist damit gemeint? Fazit bei ASH: Was hier neu sein soll, bleibt unklar und unbestimmt. Die Aneinanderreihung schöner Worte allein macht noch keine Innovation, das tut mir leid.

Wir hatten auch nach den Kosten für die Abwicklung der Programme gefragt, die unterschiedlich hoch sind. Bei ASH 2000 läuft die Abwicklung über die Beratungsstelle für Beschäftigung und das Sozialministerium, beim Regionalprogramm über regionale Geschäftsstellen, die Investitionsbank und Referate im Wirtschaftsministerium, dessen Aufwand jedoch nicht beziffert ist. Bei „ZAL“ gibt es eine Vielzahl von zuständigen Stellen, Zahlen stehen überhaupt nicht zur Verfügung. Wir werden in den beteiligten Ausschüssen noch einmal über diese Zahlen sprechen müssen, die im Übrigen - wenn sie überhaupt vorhanden sind als Jahresbeträge angegeben sind. Die Fördermittel sind dagegen über einen Zeitraum von sieben Jahren notiert. Wir brauchen also eine gleiche Zeitbasis, wenn wir die Beträge zueinander in Beziehung setzen wollen.

Im Übrigen wird bei allen drei Programmteilen ein Anstieg des Aufwands erwartet, der sich aus veränderten Anforderungen der EU ergibt. Die Einführung eines neuen Abrechnungsverfahrens führt dazu, dass durch Vorauslagen in Zukunft erhebliche Zinsaufwendungen anfallen. Auch bei der Abwicklung des Controllings werden neue Vorschläge erwartet. Bewilligung, Ausführung und Verbuchung sollen in Zukunft von getrennten Stellen vorgenommen werden. Das ist in Ordnung. Die Erfolgskontrolle soll zukünftig nicht

nur den Vollzug, sondern auch das Ziel und die Wirkungen von Maßnahmen berücksichtigen. Das ist auch in Ordnung. Offensichtlich ist das bei den bisherigen Förderprogrammen nicht der Fall gewesen. Man muss sehen, dass der Controllingaufwand erheblich steigt. Man wird insgesamt bewerten müssen, wie hoch die Kosten der Umsetzung dieser Förderprogramme für Schleswig-Holstein sind.

Ich fasse zusammen: Erstens. „ziel“ ist bis jetzt ein Kartenhaus, das in sich zusammenzustürzen droht, falls nicht bald die Unterlage darunter verstärkt wird und die Genehmigungen der EU eintreffen.

(Beifall bei der CDU)

Angesichts dieser Tatsache stimmt es bedenklich, dass der Wirtschaftsminister vor wenigen Tagen Förderentscheidungen über 46 Projekte bekannt gegeben hat, obwohl er deutlich auf den Genehmigungsvorbehalt durch die EU verweisen musste. Wer schützt eigentlich die Kommunen und die Projektträger, wenn sie im Vertrauen auf die Landesregierung mit dem Projekt begonnen haben, das Geld von der EU aber schließlich nicht kommt? Die Landesregierung spielt hier Risiko. Herr Minister, oder ist im Haushalt alles abgesichert? Das würde uns wirklich interessieren. Wenn alles abgesichert ist, warum geben Sie dann vorläufige Bescheide heraus? Irgendwie passt das nicht zusammen.

Zweitens. „ziel“ ist ein Programm der Beliebigkeit. Die Landesregierung kann wahllos ein paar Aufgaben, die sie sonst auch tun würde, herausgreifen und verkauft deren Erledigung als besondere Leistung. Nicht umsonst sind in der Landwirtschaft 26 Maßnahmen förderfähig. Bei ASH sind es sogar 30 Maßnahmen, nur in der Wirtschaftspolitik haben Sie sich ein bisschen beschränkt. Fast die gesamte Bandbreite der Tätigkeit der Landesregierung ist im Programm enthalten. Alles kann man unter „ziel“ verkaufen.

Drittens. „ziel“ ist Altbekanntes mit neuem Anstrich. Es ist erstaunlich, dass die Ministerpräsidentin dieses Programm als das größte Modernisierungsprojekt für Schleswig-Holstein bezeichnet.

Viertens. Wir werden uns den Weg von „ziel“ sehr genau ansehen und insbesondere das Schicksal der vorläufigen Bewilligungsbescheide. Bis jetzt ist „ziel“ nur heiße Luft, leider!

Meine Damen und Herren, ich bitte um Überweisung des Berichts zur abschließenden Beratung federfüh

(Brita Schmitz-Hübsch)

rend an den Wirtschaftsausschuss, mitberatend an den Agrar- und den Sozialausschuss.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Auf der Tribüne begrüße ich die Besuchergruppen der Beruflichen Schulen am Schützenpark Kiel und des Studienkollegs Schleswig-Holstein mit Stipendiaten in Kiel.

(Beifall)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schümann. Ich weise darauf hin, dass es heute ihre Jungfernrede ist.

(Beifall im ganzen Haus)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Kolleginnen! Die CDU will es nun wissen, was es mit dem größten Modernisierungsprojekt in der Geschichte unseres Landes auf sich hat - so Ihre einleitenden Worte, Frau Schmitz-Hübsch, bei der Einbringung Ihres Berichtsantrages im Mai.

(Zuruf von der CDU: Das ist auch verständ- lich!)

Es geht Ihnen dabei um Fragen nach der Herkunft und Verwendung der Mittel, den Entscheidungsgremien, der Höhe der Bearbeitungskosten und der Transparenz. Der Bericht liegt uns jetzt vor und gibt, wie Herr Minister Rohwer bereits ausgeführt hat, zwar keine abschließenden, aber dennoch sehr aufschlussreiche Antworten auf Ihre Fragen. Er bietet eine gute Übersicht über die Fördermodalitäten, die Komplexität des Antragsverfahrens, die Controlling-Instrumente sowie über das Auswahl- und Entscheidungsverfahren. Für die Aufbereitung dieses sehr umfassenden Berichts bedanke ich mich im Namen meiner Fraktion bei den beteiligten Ressorts ganz herzlich. Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, was es bedeutet, solche Berichte anzufertigen.

(Beifall im ganzen Haus)

Am 15. November letzten Jahres, also vor gut einem halben Jahr, wurde der Startschuss zu „ziel“ gegeben, das mit 2,1 Milliarden DM das höchste Investitionsvolumen des Landes umfasst. In ihm sind Fördermittel der Europäischen Union, des Bundes, des Landes und der Kommunen gebündelt. Seien Sie sicher, Frau Schmitz-Hübsch: Diese Mittel werden auch fließen.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Na prima, warum steht es dann nicht im Bericht?)

Das Programm wird bis 2006 laufen und setzt sich aus

den drei Förderinstrumenten zusammen, die Ihnen ja bekannt sind: dem Regionalprogramm 2000, dem Programm „Zukunft auf dem Lande“ - kurz „ZAL“ genannt - und dem Arbeitsmarktprogramm ASH 2000.

„ziel“ ist nicht nur ein Kürzel. „ziel“ steht für ein politisches Gesamtkonzept und das ist in der Tat das Neue, Frau Kollegin, das meine Fraktion nachdrücklich unterstützt. Schließlich bedeutet „Zukunft im eigenen Land“ Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, zum Beispiel in neuen Arbeitsfeldern und durch neue Formen der Arbeitsorganisation, berufliche Qualifizierung, Förderung zukunftsweisender Technologien, Stärkung der ländlichen Räume einschließlich der Modernisierung der Agrarstruktur, Energieeinsparung, Nutzung erneuerbarer Energien und Klimaschutz, ökologische Modernisierung, Nutzung der Vorteile der Informationsgesellschaft, Nutzung der Chancen der Ostsee- und Nordseekooperation.

(Lothar Hay [SPD]: Sehr gut!)

Wesentliches Merkmal aller „ziel“-Programme ist die Partizipation zwischen Land und Kommunen sowie in den Regionen mit den Wirtschaftsverbänden, den Kammern, Gewerkschaften und anderen Institutionen.

Beim Regionalprogramm 2000 - das haben wir heute auch schon gehört - sollen zum Beispiel in den Regionen die Vorhaben entwickelt, beschlossen und nach Durchführung eines für alle geltenden Qualitätswettbewerbs umgesetzt werden. Regionale Beiräte und Geschäftsstellen begleiten diesen Prozess und treffen eine Vorauswahl - hören Sie zu: eine Vorauswahl - der Projekte und noch keine endgültige Entscheidung.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das dürfen sie auch nicht!)

Regionale Kooperationen statt Konkurrenz auf lokaler Ebene ist in diesem Kontext die Devise. Inwieweit „ziel“ auf einem richtigen, erfolgreichen Weg ist, zeichnet sich bereits jetzt sowohl durch erste Förderentscheidungen im Regionalprogramm 2000 als auch bei einer ersten Zwischenbilanz des Programms ASH 2000 ab. Ebenso sind hinsichtlich des Programms „ZAL“ positive Aussagen zu machen.

Im Rahmen des Regionalprogramms 2000 sollen in einem ersten Segment 46 Projekte mit einem Gesamtfördervolumen von rund 140 Millionen DM finanziell unterstützt werden. Die Fördersumme beträgt über 82 Millionen DM. Die Freigabe der Mittel steht noch unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die EU. Das hat den Grund darin, dass die be

(Jutta Schümann)

antragten Projekte dort noch vorgestellt werden müssen. Dann erst werden die Mittel fließen.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Auch die Pläne sind noch nicht geliefert worden!)