Protocol of the Session on December 18, 2002

Auch das ifo-Institut - wir hörten das heute Morgen bereits - hat nicht gerade rosige Zahlen genannt. Es sind also schnelle, energische Antworten zu finden, die auch schmerzhafte Einschnitte umfassen und die wir ohne Furcht vortragen müssen.

Wenn wir wollen, dass die Menschen ihre Ansprüche zurückstellen, dann müssen wir ihnen sagen, warum sie das machen sollen, wer das machen soll, wer mehr oder wer weniger machen soll und warum wir das machen, wohin die Reise also geht. Wir müssen jetzt eine Orientierung für die Zukunft liefern und dürfen nicht die Schlachten von gestern wiederholen. Die Wahl ist vorbei. Das können wir uns jetzt sparen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir müssen erkennen lassen, dass Gerechtigkeit bei unseren Entscheidungen herrschen soll, und zwar zwischen den Schwachen und den Starken, zwischen der jungen und der alten Generation. Wir brauchen Unternehmen und Gewerkschaften, die sich ihrer Verantwortung für das Ganze bewusst sind. Wir gestehen ihnen Verbandsinteressen zu. Allerdings muss

die Politik den Ausgleich dieser Interessen suchen und das Gemeinwohl im Auge haben.

Was wir dagegen jetzt überhaupt nicht brauchen können, sind Leute, die Ängste vor Veränderungen schüren und die Schreckensszenarien über den Zustand Deutschlands malen oder die die Unzufriedenheit hochpuschen, um politisches Kapital daraus zu schlagen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Porsche-Chef Wiedeking, nun keineswegs ein Anhänger der SPD, aber immerhin jetzt Ordensträger „Wider den tierischen Ernst“ hat in der „FAZ“ das Richtige dazu gesagt, als er das Gejammer von Verbandsfunktionären anklagte und von erfolglosen Managern und ideologischen Hasardeuren sprach, die nur ein Ziel haben: eine demokratisch gewählte Regierung unter permanentes Feuer zu setzen. - Recht hat der Mann.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neuge- bauer [SPD])

Wenn ich einem Zeitungsartikel glauben darf, der heute im Pressespiegel war, so hat Professor Rürup darauf hingewiesen, dass wir uns nicht in einer dramatischen Wirtschaftskrise befinden, sondern am Ende einer milden Rezession. Das kann man so oder so sehen. Milde ist nicht alles, was wir an Folgen daraus zu ziehen haben. Aber es besteht kein Grund zur Panikmache. Er gibt eine schlichte Erklärung dafür ab, dass wir unsere Probleme nicht lösen können: Die Deutschen neigen zum pathologischen Lernen, nämlich wie ein kleines Kind, das erst die Hand auf die heiße Herdplatte gelegt haben muss, ehe es wirklich glaubt, dass es weh tut. Das scheint bei uns offensichtlich tief verankert zu sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es besteht kein Zweifel: Der Haushalt von Schleswig-Holstein ist ebenso wie der des Bundes und der anderer Länder in schweres Fahrwasser geraten. Wenn man sich überlegt, dass auch Hessen, das sehr lange Geberland war, von dem wir Geld bekommen haben, wofür wir auch immer dankbar waren, jetzt das wirtschaftliche Ungleichgewicht hat ausrufen müssen, dann ist die einfache Erklärung, die Sie, Herr Oppositionsführer, abgegeben haben, nämlich dass es nur Frau Simonis war, zwar eine schöne, aber eine falsche Erklärung. Deswegen weise ich sie auch zurück.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es ist nicht zu leugnen, dass sich viele Menschen Sorgen um ihre Zukunft machen, Sorgen um ihren

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Arbeitsplatz haben oder sich bange fragen, wie sie ihre Krankenkassenbeiträge bezahlen können oder ob ihre Rente später zum Leben ausreichen wird. Es ist die Aufgabe der Politik und aller, die in der Gesellschaft Verantwortung tragen, insoweit Orientierung zu geben. Wir können Ängste nur abbauen, wenn wir sie ernst nehmen und ehrliche Antworten geben. Wir dürfen auch vor schwierigen Lösungen nicht zurückschrecken, wie zum Beispiel davor, wie unsere Gesundheits- und Rentensysteme, die auf Wachstum angelegt sind, in einer Situation, in der die Ausgaben wachsen, aber die Einnahmen keineswegs mit den Ausgaben Schritt halten, wieder in die Balance kommen.

Wenn wir für eine gute Zukunft in SchleswigHolstein arbeiten wollen, sollten wir unsere positiven Faktoren aufzählen: Die Menschen leben und arbeiten gern in Schleswig-Holstein. Kein anderes Land hat mehr Lebensqualität zu bieten, auch nicht nach dem Urteil der Menschen, die hier sind. Natur und Umwelt sind weitgehend intakt. Der soziale Friede ist beispielhaft. Die Bindung der Arbeitnehmer an ihre Betriebe ist bemerkenswert. Der Strukturwandel ist in den letzten 15 Jahren gut vorangekommen. Unsere wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte rund um das mare balticum haben dem Land gut getan. Unsere guten Kontakten zu unseren anderen Partnerregionen - China zum Beispiel - tun dem Land auch nicht schlecht.

Die Voraussetzung für wirtschaftliches Gedeihen, für eine hohe Lebensqualität und für soziale Gerechtigkeit ist vor allem eine hohe Bildung unserer Bevölkerung. Natürlich sind unsere Schüler, unsere Studenten und unsere Arbeitnehmer gut ausgebildet. Aber PISA und die UNICEF-Studie zeigen, dass wir an Boden verlieren, dass andere aufgeholt, ja, uns weit überholt haben. Wir werden also unser Land stark machen müssen für junge Menschen und Familien, damit diese jungen Menschen eine Chance haben, später für ihr eigenes Leben sorgen zu können, und dabei auch noch die Aufgabe übernehmen können, uns zu versorgen und unseren Lebensabend etwas sicherer zu gestalten.

Ich möchte, dass wir in einigen Jahren bei einem erneuten internationalen Vergleich wie PISA nicht mehr unter „ferner liefen“ rangieren. Diese Anstrengungen sind wir der nachfolgenden Generation schuldig.

Darüber hinaus ist Deutschland - das ist, finde ich, bitter - in einer internationalen Vergleichsstudie als kinderunfreundliches Land bezeichnet worden. Das ist niederschmetternd und sollte für uns Ansporn sein, etwas zu ändern, uns darüber zu unterhalten. Offenbar

gelingt es uns nicht, aus dem Zirkel herauszukommen, in dem wir uns nur über uns und unsere Sorgen unterhalten und nicht daran denken, wie das eigentlich bei jungen Menschen ankommt, welche Gefühle Kinder und junge Menschen haben und welche Gefühle sie in ihren Familien vermittelt bekommen, wenn es immer nur um diejenigen geht, die sowieso schon immer in dem Zirkel dringewesen sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Unser Land muss zukunftsfähig für Arbeit und Wirtschaft sein. Gute Ausbildung und gute Bildung sind die Voraussetzungen für jeden Einzelnen, um auf dem Arbeitsmarkt seine Chancen wahrnehmen zu können. Nur mit gesicherten Arbeitsplätzen halten unsere sozialen Sicherungssysteme.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dafür tun Sie ja nichts!)

- Doch wir tun etwas dafür. Wir hatten im letzten Jahr den höchsten Zuwachs bei den Betriebsgründungen und den höchsten Zuwachs beim Wirtschaftswachstum.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nur keine Arbeits- plätze!)

Leider Gottes hat uns Hessen das, was wir selber erarbeitet haben, im Rahmen des Länderfinanzausgleichs zum Teil wieder ein bisschen kaputt gemacht. Ich sage das ohne Vorwurf. Sie haben uns lange genug geholfen. Wenn es ihnen jetzt nicht gut geht, dann können Sie uns jetzt auch nicht helfen. Das ist einfach so. Das muss man akzeptieren.

Mehr Arbeit ist auch ein Beitrag für eine gerechte Lastenverteilung zwischen Jung und Alt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was für eine Er- kenntnis!)

Ich möchte deshalb, dass wir mehr Bewegung auf dem Arbeitsmarkt haben. Ich freue mich, dass die erste Umsetzung des Hartz-Konzeptes gut auf den Weg gebracht wurde. Ich bin außerordentlich dankbar dafür, dass die vor der Wahl von der Opposition vorgetragenen Argumente nach der Wahl offensichtlich im Vermittlungsausschuss kassiert worden sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Wollen Sie, dass Ihre Kollegen in Berlin nicht zu

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

stimmen? Dann werde ich ihnen das am Freitag gern sagen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben unsere Forderungen übernommen!)

Vor der Wahl hat die Opposition an Hartz wenig Gutes gefunden und nach der Wahl hat sie jetzt ihre Ideen mit eingebracht. Das ist ja auch in Ordnung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Die Landesregierung ist für jede Anstrengung dankbar, die auf diesem Gebiet unternommen wird, weil wir sehr häufig auch die Ersten waren, die gegen den Widerstand von anderen Modelle ausprobiert haben, indem wir gesagt haben: Lasst uns nicht darüber reden, sondern lasst es uns einfach einmal machen. Wenn es falsch ist und nicht geht, muss man es abbrechen und es zugeben; wenn es gut geht, umso besser. Bei Hartz entdecke ich vieles vom Elmshorner Modell; darin steckt wiederum Dänemark. Wir geben ja zu, woher es kommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Zurufe von der FDP)

Natürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist mit der Konzentration auf diese beiden Punkte Wirtschaft und Bildung nicht gesagt, dass wir bei innerer Sicherheit, bei der Gesundheitspolitik, der Pflege von Natur und Umwelt, bei der Minderheitenpolitik und beim Ausbau unserer Infrastruktur nun etwa nachlassen dürften. Nur, wir können es nicht mehr in dem Maße machen, wie wir uns das wünschen und wie wir das in der Vergangenheit machen mussten.

Vor uns liegen Herausforderungen, die wir bewältigen müssen, um das Land zukunftsfähig zu machen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau das wol- len wir!)

Wir müssen den Haushalt so gestalten, dass wir endlich wieder neue Spielräume gewinnen und neue Ziele anfangen können. Das heißt, wir kommen nicht umhin, jetzt eisern zu sparen und dabei alle gesellschaftlichen Gruppen mit einzubeziehen.

Sie, Herr Oppositionsführer, haben hier heute Morgen eine imponierende Liste von Verbänden und Vereinen vorgelesen, die sich gegen Einsparungen gewehrt haben. Wie darf ich das interpretieren? - Teilen Sie die Meinung dieser Menschen? Sollen wir da auch nicht sparen zu allem, wo Sie sonst nicht sparen? Oder gilt Ihre Aussage, dass Sie sagen, wir müssen

jetzt eisern sparen und uns durchsetzen? - Dann hätten Sie die Briefe nicht mitbringen dürfen; denn es wird überall wehtun, überall, wo man spart, wenn man eisern sparen will. Es gilt also entweder der eine Satz oder es gilt das Ausnehmen. Aber man kann nun einmal nicht beides haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei CDU und FDP)

Unsere Konsolidierungspolitik wird sozial abgesichert. Das gilt nach zwei Seiten hin: Soziale Gerechtigkeit muss alle entsprechend ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit zu den Kosten des Gemeinwohls mit heranziehen. Wenn auf der einen Seite die Steuereinbrüche nicht mehr einfach wegzusparen sind - und sie sind es nicht mehr -, auf der anderen Seite aber mehr Geld für Bildung und Kinderbetreuung gebraucht wird - dabei hatte ich das Gefühl, dass wir in dem Haus hohe Übereinstimmung haben, dass wir das brauchen -, dann haben wir höhere Einnahmen bitter nötig. Mit der Vermögensteuer wollte die Landesregierung erreichen, dass große Vermögen stärker als bisher zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben beitragen. Das ist keine Neiddiskussion, Herr Oppositionsführer;

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Erzählen Sie das einmal einem Werftarbeiter, der jeden Monat den Abzug auf seinem Lohnstreifen sieht

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

und sich ausmalen kann, dass andere nichts dazu beitragen, damit der Karren wieder ins Laufen gerät, damit die Wirtschaft wieder ins Flutschen kommt!

Wenn nun das Ziel, dass wir unsere Ausgaben bezahlen können, die wichtigen notwendigen staatlichen Ausgaben bezahlen können, mit einer anderen Steuer unbürokratischer - zum Beispiel mit der Abgeltungssteuer - erreicht werden kann, spricht aus unserer Sicht nichts dagegen.