Protocol of the Session on November 15, 2002

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, verehrter Kollege Puls: Ich lehne disziplinarrechtliche Drohgebärden gegen Gewerkschafter aus dem Parlament heraus ab. Wenn Sie sich mit Leuten auseinander zu setzen haben, dann tun Sie dies, aber nutzen Sie nicht das Parlament dazu, ihnen disziplinarrechtlich zu drohen. Das halte ich für unanständig!

(Beifall bei CDU und FDP - Glocke des Prä- sidenten)

Herr Schlie, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu.

Ein Schlüssel zur Konsolidierung der Staatsfinanzen liegt im Personalbereich; das ist doch unbestritten. Wer hat denn jemals etwas anderes gesagt?

(Holger Astrup [SPD]: Die CDU!)

- Das ist Unsinn, Herr Kollege.

Wenn die Ministerpräsidentin in ihrem legendären Interview in den „Lübecker Nachrichten“ vom 31. Oktober mit der Überschrift zitiert wird „Wir können uns vieles nicht mehr leisten“, dann hat sie mit dieser Feststellung Recht. Die Frage ist nur: Weshalb können wir uns vieles nicht mehr leisten und was können wir uns nicht mehr leisten?

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Seit Jahren redet die Ministerpräsidentin von Verwaltungsmodernisierung und Bürokratieabbau. Was aber ist stattdessen unter ihrer Verantwortung geschehen? - Ständig neue Gesetze, ständig neue Verordnungen,

neue Bürokratie, kein Mut zu einer wirklichen Strukturreform, kein struktureller Verwaltungsabbau, Personalabbau, sondern Personalvermehrung im administrativen Bereich!

(Beifall bei CDU und FDP)

Man kann sich doch nicht hier hinstellen und diejenigen ausbeuten wollen, die man vorher eingestellt hat, um rot-grüne Ideologieprojekte verwalten zu lassen. Das ist doch Schizophrenie.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Kollege Neugebauer, wenn Sie uns fragen, welche Vorschläge wir gemacht haben, um Behörden abzubauen: Wir haben Vorschläge gemacht, nur jedes Mal haben Sie aufgejault, wir wollten die staatlichen Umweltämter abschaffen. Aber ihr jault jedes Mal, wenn hier ein Antrag von uns auf dem Tisch liegt.

(Holger Astrup [SPD]: Hier wird geplaudert, draußen wird abgelehnt!)

- Je lauter Sie schreien, Herr Kollege Astrup, desto heiserer werden Sie und ich auch.

(Beifall bei CDU und FDP)

Was wir brauchen, ist nicht nur das Bewusstsein, sondern auch die politische Handlungsfähigkeit zum Strukturwandel. Reformen braucht das Land, Aufgaben müssen überprüft werden, Aufgaben müssen wegfallen, Bürokratie muss abgebaut werden. Diese Politik würde Freiräume für die dringend notwendige politische Gestaltungsfreiheit schaffen. Die ständig sich wiederholenden polemischen Schlachtrufe der Ministerpräsidentin gegen den öffentlichen Dienst und speziell gegen das Beamtentum sind nicht nur politisch unklug und demotivieren die Mitarbeiter, sondern treffen auch nicht den Kern der Effizienz- und Kostenproblematik.

(Beifall bei der CDU)

Die notwendige Verwaltungsstrukturreform richtet sich eben nicht gegen eine Personengruppe, sondern muss sich gegen Strukturen richten, die das Verwaltungspersonal zwingen, sich bürokratisch und inflexibel zu verhalten. Da Rot-Grün ständig neue Aufgaben definiert und keine Bürokratie abbaut, dürfen doch nicht die Bediensteten des Landes darunter leiden. Das geht doch nicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die völlig konzeptionslosen, sozial unangemessenen und rechtlich zweifelhaften Forderungen der Ministerpräsidentin zum öffentlichen Dienst haben zurecht einen Proteststurm ausgelöst. Sie hat doch erst das Reizklima geschaffen, das gestern auf der Straße zu

(Klaus Schlie)

erleben war. Tun Sie doch nicht so, als wenn die Menschen dieses Klima herbeigeführt hätten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich will hinzufügen, weil das redlich ist und weil das auch zur Glaubwürdigkeit gehört: Wir lehnen als CDU die einseitigen und völlig unausgewogenen Vorschläge der Ministerpräsidentin ab. Das Geringste, was man ihr vorwerfen kann, ist die Tatsache, dass alles mal wieder so dahingeplappert wurde. Welchen Schaden Frau Simonis damit allerdings angerichtet hat, scheint ihr nicht bewusst zu sein. Wir begrüßen deshalb aber durchaus den Versuch der SPDLandtagsfraktion, sich von den unakzeptablen Vorschlägen der Ministerpräsidentin zu distanzieren und den Gesetzentwurf des Berliner regierenden Bürgermeisters Wowereit abzulehnen. Und das ist gut so.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die CDU-Landtagsfraktion hat Verständnis dafür, dass sich aufgrund der finanziellen Situation alle Länder und der Bund Gedanken über Einsparpotenziale machen. Völlig unabhängig vom Sparzwang der Länder treten wir als CDU für eine weitere strukturelle Flexibilisierung des Dienst- und Versorgungsrechts ein. Aber das ist doch nicht der erste Schritt. Der erste Schritt müssen doch die Hausaufgaben im eigenen Lande sein.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke schon, Flexibilisierung ist notwendig, weil sich dies in einer ständig wandelnden Gesellschaft einfach auch dann als notwendig erweist. Wir bekennen uns zur weiteren Reform des öffentlichen Dienst- und Versorgungsrechts, allerdings im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Eine solche Reformaufgabe kann nur gelingen, wenn man sie mit Augenmaß und Energie zugleich betreibt. Sie kann nicht gelingen, wenn sie auf dem Rücken der Bediensteten des öffentlichen Dienstes und speziell der Beamten ausgetragen wird. Wir sprechen uns gegen weitere Sonderopfer zulasten der Beamten aus. Es gibt keine sachliche Begründung, den Gleichklang zwischen dem Tarifbereich und dem Beamtenbereich zu verlassen. Wir stimmen deshalb dem FDP-Antrag zu, wollen die Ablehnung der Schnellschüsse der Ministerpräsidentin, allerdings mit dem klaren Bekenntnis zu weiteren Reformen im öffentlichen Dienst- und Versorgungsrecht. Ansonsten verweise ich Sie, weil das wirklich unerträglich ist, dass Sie immer sagen, wir hätten keine Vorschläge,

(Holger Astrup [SPD]: Stimmt!)

auf unsere Haushaltsanträge. Mittelfristige Maßnahme: Einsparung jeder fünften Stelle in der Landes

verwaltung, Einsparungen auf Führungsebene, Effizienzsteigerung in den Tabubereichen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo? - Weitere Zurufe)

- Hören Sie doch zu, bevor Sie schreien. Sie sind nicht einmal bereit, sich die Dinge anzuhören, aber Sie sagen immer, wir hätten keine Vorschläge!

(Beifall bei CDU und FDP)

Reduzierung der Beauftragten, der Kommissionen. Gehen Sie doch da einmal heran und sagen Sie nicht jedes Mal, wenn wir einen Vorschlag machen, dass die Welt zusammenbrechen würde! Lesen Sie unsere Haushaltsanträge durch, dann wissen Sie, wie man dieses Land saniert, und dann werden wir auch einen Schritt weiterkommen!

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schlie, so wie Sie reden, kann wirklich nur jemand reden, der außerhalb des öffentlichen Dienstes noch nie irgendetwas gesehen hat. Ich sage Ihnen das mal. Ich habe als Betriebsrat über Kündigungen verhandelt, ich habe über Lohnabstufung verhandelt. Das waren alles ausgesprochen schwierige Dinge. Da haben wir uns für die Kollegen eingesetzt und gekämpft. So wie Sie reden und wie Sie das hier darstellen, kann ich nur sagen, das ist für Menschen außerhalb des öffentlichen Dienstes unbegreifbar, wie man sich so hinstellen kann.

(Klaus Schlie [CDU]: Sie begreifen es nicht, aber das ist doch Ihr persönliches Problem!)

- Sie sollten lieber die Schnauze halten an dieser Stelle!

(Martin Kayenburg [CDU]: Das sollten Sie mal lieber! - Zurufe von der CDU: Oh, oh! - Glocke des Präsidenten)

Okay, es tut mir leid, aber manchmal kommt einem die Galle hoch, ehrlich.

Die Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst tun eine wichtige Arbeit. Moderne Strukturen im öffentlichen Dienst sind notwendig. Es ist so, dass seit Jahren der öffentliche Dienst auch in Schleswig

(Karl-Martin Hentschel)

Holstein von einem Umstrukturierungs- und Modernisierungsprogramm zum nächsten überrollt wird

(Martin Kayenburg [CDU]: Weil Sie kein Konzept haben!)

und dass wir bereits Tausende von Stellen in den letzten Jahren eingespart haben. Wir haben allein in den zentralen Verwaltungen in Schleswig-Holstein in den letzten sechs Jahren über 2.000 Stellen eingespart.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt doch gar nicht! Aufgestockt haben Sie!)