Protocol of the Session on November 14, 2002

(Martin Kayenburg [CDU]: Bürgschaften reichen!)

Nach mehrfacher Verschiebung reden wir heute über einen Bericht der Landesregierung vom Mai, der das im Juni veröffentlichte Ergebnis des Markterkundungsverfahrens nicht berücksichtigt. Er kann es auch nicht berücksichtigen. Das „Fehmarnbelt Development Joint Venture“ wurde von den Regierungen Dänemarks und Deutschlands beauftragt, das Interesse privater Investoren zu untersuchen. Die Gesellschaft kommt zu folgendem Ergebnis:

„Das Markterkundungsverfahren hat deutlich gezeigt, dass der private Sektor am Entwurf, der Finanzierung, dem Bau und dem Betrieb einer festen Querung des Fehmarnbelts interessiert ist, vorausgesetzt, die Regierungen sind bereit, das Projekt finanziell zu unterstützen. …

Zusammenfassend betrachtet der private Sektor das Projekt als nicht finanzierbar ohne erhebliche Subventionen/Garantien. Trotzdem hat das Projekt ein beträchtliches langfristiges struktur- und verkehrspolitisches Potenzial, was besonders auf die Eisenbahn als Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes zutrifft.“

Meine Damen und Herren, dieses Ergebnis erscheint ernüchternd. Denn hiernach scheint eine ausschließlich private Finanzierung des Betriebes nicht möglich. Wenn dies so wäre - ich wiederhole: wenn dies so wäre -, dann und nur dann müssten allerdings auch wir überlegen, ob wir das Projekt weiterhin so uneingeschränkt unterstützen wollen.

(Gerhard Poppendiecker [SPD]: Bravo! - Beifall des Abgeordneten Gerhard Poppen- diecker [SPD])

Aber nochmals: Diese Entscheidung steht für uns erst dann an, wenn feststeht, dass der Betrieb der festen Querung nur mittels öffentlicher Finanzhilfen gewährleistet werden kann.

Der Bericht der Landesregierung geht noch von der Annahme aus, dass eine feste Querung den Fährverkehr ersetzt. Hiernach wird es während des Baus weiterhin Fährverkehr geben, im Wettbewerb mit der festen Querung wird der Fährverkehr jedoch verdrängt werden, so die Landesregierung.

Meine Damen und Herren, im Bericht zum Interessenbekundungsverfahren wird dem Wettbewerb zwischen Querung und Fähren ein extra Anhang gewidmet. In diesem Anhang 6.7 zur Langfassung des Berichtes, der nur in englischer Sprache verfügbar ist, wird Folgendes festgestellt:

„Die potenziellen Investoren sehen die Konkurrenz zwischen fester Querung und Fähren als schwerwiegendes Problem. Diese Konkurrenz ist einer der Gründe, warum die Investoren keine Möglichkeit sehen, die feste Querung ausschließlich privat finanziert zu betreiben. Deshalb wurde untersucht, welche rechtlichen Möglichkeiten es geben könnte, den Fährverkehr rechtlich zu verbieten. Diese Möglichkeit besteht selbstverständlich nicht.“

Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt haben wir also zwei Standpunkte, von denen wir ausgehen müssen. Die Landesregierung geht in ihrem Bericht davon aus, dass der Fährverkehr zwischen Puttgarden und Rødby durch die feste Querung vom Markt verdrängt wird. Die potenziellen Investoren scheinen hiervon noch nicht überzeugt zu sein. Wir müssen selbstverständlich berücksichtigen, dass die Investoren diese Einschätzung nicht unbedingt ganz uneigennützig vertreten. Schließlich geht es um Milliardenbeträge.

(Beifall der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Solche Beträge gibt man nicht in der ersten Verhandlungsrunde einfach so preis. Es bleibt abzuwarten, ob tatsächlich so heiß gegessen wird, wie gekocht worden ist. Im Übrigen habe ich zur Kenntnis genommen, dass im Entwurf des Landesverkehrsplans vom Okto

(Christel Aschmoneit-Lücke)

ber 2002, der jetzt vorliegt, darauf hingewiesen wird, dass die Landesregierung bei der Bewertung eine optimierte Fährverbindung in die Erwägungen einbeziehen wird. Das ist aus unserer Sicht selbstverständlich richtig.

Meine Damen und Herren, für uns heißt das abschließend dreierlei. Erstens unterstützen wir die feste Fehmarnbeltquerung weiterhin unter der Maßgabe, dass die öffentliche Hand nur den Bau mitfinanziert, nicht den Betrieb. Zweitens fordern wir die Landesregierung auf, im Wirtschaftsausschuss die unterschiedlichen Standpunkte bezüglich der Bedeutung des Fährverkehrs für die Finanzierung des Betriebes der festen Querung detailliert darzustellen und zu bewerten. Ich glaube, das ist im Interesse aller. Drittens stimmen wir selbstverständlich der hervorragenden Beschlussvorlage des Wirtschaftsausschusses zu.

(Beifall bei FDP, CDU und des Abgeordne- ten Bernd Schröder [SPD])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Karl-Martin Hentschel.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Jeder weiß, dass ich den Wirtschaftsminister sehr schätze und ihn in fast allen Punkten unterstütze. Es gibt einen Punkt, bei dem wir unterschiedlicher Meinung sind. Das betrifft die Querung des Fehmarnbelts.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich finde, es gehört zu einer guten Koalition dazu, dass es auch solche Dinge gibt.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das habt ihr in den letzten Tagen genug gehabt!)

Ich will wegen der Kürze der Zeit nur auf drei Punkte eingehen.

Erstens. Ich bedauere zunächst - der Bericht ist schon etwas älter; er stammt aus der Zeit vor dem Interessenbekundungsverfahren -, dass in dem Bericht die Frage der umweltpolitischen Auswirkungen des Projekts fast keine Rolle spielt. Ich weise darauf hin, dass wir im Koalitionsvertrag festgehalten haben, dass für den Fall, dass es zum Bau einer Querung kommt, die Tunnellösung Priorität hat, und zwar aus umweltpolitischen Gründen. Sie hat erhebliche Vor

teile. Es sollte nicht zu einer Brückenlösung kommen. Ich sage das deswegen, weil in den verschiedenen Gutachten als Symbol immer eine Brücke dargestellt ist. Man muss mit diesen Fragen rechtzeitig ehrlich umgehen. Aus umweltpolitischen Gesichtspunkten kommt nur ein Tunnel infrage, wenn man das Projekt bauen will.

Zweitens. In dem Bericht wird das Ergebnis der sozio-ökonomischen Regionalanalyse zitiert. Da wird gesagt, dass 700 bis 900 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Man muss aber ehrlicherweise sagen - das erfährt man, wenn man den Bericht vollständig liest -, dass diese Arbeitsplätze nicht in Schleswig-Holstein entstehen, sondern in Hamburg. In SchleswigHolstein entstehen nach dem Bericht keine zusätzlichen Arbeitsplätze, sondern es ist eher mit Arbeitsplatzverlusten gerade in der Region Ostholstein und Fehmarn zu rechnen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Die Analyse ist falsch!)

Das muss man ehrlicherweise sagen. Es ist auch ein Problem, wenn davon ausgegangen wird, dass mit massiven Fördermaßnahmen der Region Arbeitsplatzverluste ausgeglichen werden können. Dann stellt sich mir die Frage: Was würde bewirkt, wenn wir die gleichen Investitionen und zusätzliche Fördermaßnahmen in die Region geben und das Geld für die Querung sparen? Auch das ist eine Überlegung, die man zumindest anstellen sollte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Martin Kayenburg [CDU]: Gar nichts, weil die Infrastruktur nicht da ist!)

Drittens. Wir haben jetzt das Ergebnis des Markterkundungsverfahrens vorliegen. In diesem Erkundungsverfahren heißt es:

„Die Finanzierung soll nur mit privatem Kapital erfolgen. Die prognostizierten Einnahmen aus dem Verkehr werden von der Privatwirtschaft als zu gering erachtet, um die notwendigen finanziellen Kennzahlen zu erreichen und unterliegen dazu dem Wettbewerb - Fährbetrieb, Mautgebühren am Großen Belt und Øresund -, auf die der private Sektor keinen Einfluss hat.“

Weiter heißt es:

„Zusammenfassend betrachtet der private Sektor das Projekt als nicht finanzierbar ohne erhebliche Subventionen/Garantien.“

Unter den Voraussetzungen, die der Koalitionsvertrag enthält - Finanzierung nur mit privatem Kapital;

(Karl-Martin Hentschel)

private Investoren sollen angemessen am Risiko beteiligt werden und Anschlüsse auf deutscher Seite unterliegen der üblichen Bewertung des Verkehrswegeplanes - ist das Projekt - das sagt die Markterkundungsstudie eindeutig - nicht zu finanzieren, im Gegenteil. Es sind 1,7 Milliarden € zusätzliche Subventionen erforderlich. Herr Kayenburg, Sie können das einmal nachlesen.

Zum Bundesverkehrswegeplan. Die vorläufigen Ergebnisse der Bewertung des Bundesverkehrswegeplans liegen mittlerweile vor. Der Ausbau der A 7 hat immerhin den Faktor 5. Das ist eine ausgesprochen positive Bewertung. Auch die verschiedenen Varianten der A 20 haben immerhin einen Faktor zwischen 2 und 3. Das ist nicht besonders hoch, aber es ist immerhin ein positiver Faktor. Der Ausbau der A 1 bis Puttgarden hat den Faktor 0,8, also einen negativen Faktor bei der Bewertung des Bundesverkehrswegeplans.

(Martin Kayenburg [CDU]: Minus 0,8 oder 0,8?)

Er ist also nach den Kriterien des Bundesverkehrswegeplans unter keinen Umständen zu bauen.

Daraus ziehe ich folgende Schlüsse. Natürlich ist die Privatwirtschaft grundsätzlich an einem solchen Projekt interessiert. Die Banken wollen Kredite geben, die Baukonzerne wollen bauen, die Planungs- und Finanzierungsgesellschaften wollen planen und finanzieren. Aber alle schätzen das Projekt als so unwirtschaftlich ein, dass sie nicht bereit sind, eigenes Geld zu riskieren. Nur wenn der Staat erstens die Anschlüsse kostenlos zur Verfügung stellt, zweitens Garantien für die Planungsverfahren übernimmt, drittens das Risiko der Mauteinnahmen absichert, viertens den Bahnbetrieb in eigene Regie nimmt, fünftens eine Dividende von 17 % garantiert und sechstens 1,7 Milliarden € Subventionen für das Bauwerk selber dazuzahlt, ist die private Wirtschaft zur Investition bereit. Man kann es auch anders ausdrücken: Die private Wirtschaft ist nicht bereit, eine feste Fehmarnbeltquerung zu bauen. Sie ist aber bereit, sich eine Lizenz zum Gelddrucken schenken zu lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt dem Abgeordneten Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die feste Fehmarnbeltquerung ist eine der größten Herausforderungen, vor der wir in SchleswigHolstein stehen. Denn sowohl aus finanzieller und wirtschaftlicher wie auch aus ökologischer und infrastrukturpolitischer Sicht wird uns die Querung über den Fehmarnbelt in den nächsten Jahren begleiten. Erheblichen Klärungsbedarf sehe ich insbesondere bei der Lösung der finanziellen Fragen.

Im Juni dieses Jahres war einer gemeinsamen Pressemitteilung des Bundesverkehrsministers Bodewig und seines dänischen Amtskollegen Hansen zu entnehmen, dass im Dezember 2000 von den Verkehrsministerien aus Dänemark und Deutschland ein Interessenbekundungsverfahren zur festen Fehmarnbeltquerung bei der deutsch-dänischen Fehmarnbelt Development Joint Venture in Auftrag gegeben wurde. Aus der Mitteilung geht hervor, dass die gemeinsame Untersuchungsagentur mittels Fragenkatalog und Interviews den Dialog mit Banken, Bau- und Betreibergesellschaften, Ingenieurbüros sowie sonstigen Teilnehmern geführt hat. Von 55 ausgewählten Teilnehmern haben 31 auf den Fragenkatalog geantwortet. Mit weiteren 20 Teilnehmern sind nach Auswertung der Antworten Interviews geführt worden.

Der Endfassung dieses Interessenbekundungsverfahrens ist unter anderem zu entnehmen:

„Das größte finanzielle Risiko stellen die Einnahmen aus dem Verkehr dar. Die Teilnehmer sehen keine Möglichkeit, dieses Risiko ohne Beteiligung des öffentlichen Sektors zu beseitigen oder zu verringern.“

Zweitens heißt es:

„Weiterhin werden die in der Machbarkeitsstudie enthaltenen potenziellen Einnahmen aus dem Eisenbahnbetrieb - in Anbetracht der Größe der damit verbundenen Investitionen … - als nicht ausreichend angesehen. Sie entziehen sich außerdem der Beeinflussung des privaten Sektors.“