Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr Kollege Eichstädt, ich bin fast versucht zu fragen, wen Sie eigentlich gemeint haben mit der permanenten Handynutzung.
Sie sahen immer nur in die eine Richtung. Ich sah dann die beiden jungen Damen in der letzten Reihe an und eine davon hat mir versichert, sie war damit nicht gemeint. - Spaß beiseite.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ernst des Themas ist in der Tat gegeben, wenn man sich vorstellt, dass man aufgrund einer Dummheit, die man im jugendlichen Alter begeht, sich sein komplettes restliches Leben verpfuscht. Das ist in der Tat Anlass genug, sich mit diesem Thema ernsthaft auseinander zu setzen, so wie das die Vorredner auch alle bislang gemacht haben. Ich möchte nur vor einem warnen: Wir können natürlich hier neue Werbemethoden oder die bunte Welt der Werbung oder das Handyzeitalter grundsätzlich sehr kritisch angehen, das wird aber im Zweifel nicht weiterhelfen. Was wir wirklich brauchen, ist eine Kompetenzvermittlung derjenigen, die in diesem Zeitalter aufwachsen, die in diesem Zeitalter leben.
Kompetenzvermittlung heißt für mich auch, nicht weil alles möglich ist, muss man auch alles machen, sondern dass man ganz gezielt vermittelt, dass Aussuchen genauso dazugehört, das eine oder andere Angebot anzunehmen, das andere dann eben nicht. Um diese Kompetenzvermittlung muss es im Kern gehen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist hier zum Handy gesagt worden, was es für eine Kostenfalle darstellen könne. Dem will ich nichts weiter hinzufü
gen. Eine Sache, die mir ganz besonders am Herzen liegt und die mich auch ganz besonders aufgeschreckt hat, möchte ich noch einmal erwähnen, nämlich das Problem der so genannten 0190-Nummern, der Dialer im Internet, an die man beim ganz normalen Surfen geraten kann. Da müssen Sie nur einmal auf die Seite - jetzt gucken Sie nicht so - www.bußgeld.de gehen. Da haben Sie einen Bußgeldkatalog bei Verkehrsverstößen. Auf dieser Seite zum Beispiel können Sie sich einen solchen Dialer herunterladen, ohne dass man es merkt, und dann zahlen Sie statt drei Cent pro Minute eben drei Euro pro Minute. Das ist mit Sicherheit eine Kostenfalle, und aus diesem Grunde, Frau Heinold, begrüße ich ausdrücklich, dass die Bundesverbraucherministerin mit ihrer Telekommunikationskundenschutzverordnung am 20. August 2002 einen ersten Vorstoß unternommen hat, dieser Abzockerei via Internet-Dialer, die man gar nicht mitbekommt, entgegenzuwirken.
Wir werden sehr genau sehen müssen, ob damit wirklich schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist oder ob da weitere Maßnahmen notwendig sind. Das kann es nämlich in der Tat nicht sein. Das hat auch mit den Möglichkeiten der medialen Welt, der medialen Vielfalt überhaupt nichts zu tun.
Zweitens möchte ich das Augenmerk auf Folgendes lenken, wie wir das im Ausschuss schon getan haben: Wenn wir über Konzepte, über Prävention, über Kompetenzvermittlung reden, dann müssen wir auch sehr genau sehen, dass wir tatsächlich einen geschlechtsspezifischen Ansatz verfolgen. Es ist nämlich auch eine Tatsache, dass Jungs beziehungsweise junge Männer sich weitaus häufiger und weitaus höher verschulden als beispielsweise Mädchen oder junge Frauen. Da ist ein geschlechtsspezifischer Ansatz sowohl bei der Prävention als auch bei der Schuldnerberatung, jedenfalls aus unserer Sicht, sehr wohl notwendig und ein solcher Ansatz muss weiter verfolgt werden.
Die zentrale Frage, die ich eingangs so als Kompetenzvermittlung in den Raum gestellt habe, das ist für mich nach wie vor die: Kann man und wie kann man den Umgang mit Geld lernen und wer lehrt diesen Umgang mit Geld? Eigentlich liegt die Antwort zunächst einmal auf der Hand und die finde ich auch richtig: Zunächst einmal sind natürlich die Eltern gefragt, den Umgang mit Geld zu lehren und den verantwortungsvollen Umgang an die Kinder weiterzugeben.
Nur gibt es natürlich das Problem, dass es immer mehr Familien gibt, die ich dann nicht unbedingt als Vorbild für Kinder und Jugendliche sehen möchte, die den Kindern etwas anderes vorleben. Dann kann man von den Kindern und Jugendlichen nicht erwarten, dass sie sich daran ein gutes Beispiel nehmen. Deswegen, bevor der Herr Präsident mich abklingelt, möchte ich meinen letzten Satz so formulieren: Der Ansatz, den wir im Ausschuss besprochen haben, ist richtig, dass Präventionsmaßnahmen außer im Elternhaus natürlich auch in der verstärkten Zusammenarbeit zwischen Schuldnerberatungsstellen, Schulen, Verbraucherzentralen und den Eltern greifen müssen. Den Ansatz weiter zu verfolgen halte ich für richtig. Im nächsten Jahr sehen wir uns an, was daraus geworden ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war jetzt etwas irritiert, als nach dem Beitrag der SPD die rechte Seite nicht klatschte, aber aus den Beiträgen ist schon deutlich geworden, dass wir in der Sache keinen Dissens haben, und es ist wichtig, das an dieser Stelle festzustellen. Ich werde deshalb nicht wiederholen, weil es in den Pressemitteilungen nachzulesen ist, was ich dem Bericht und aus anderen Erfahrungsberichten entnommen habe. Es ist sehr deutlich geworden, was die Gründe sind. Wichtig ist auch, dass Sie, Herr Garg, die geschlechtsspezifische Komponente angesprochen haben. Das Handy als Hauptursache, als Hauptgefahrenquelle ist benannt. Die Regierung zeigt Handlungsfelder in dem Bericht auf, den wir heute zur Kenntnis nehmen wollen. Herr Garg hat sehr deutlich das Wort Kompetenzvermittlung genannt. Genau das ist es. Die Gesellschaft steht natürlich in der Pflicht, den Jugendlichen Kompetenzen zu vermitteln, damit sie in dieser sehr schwierigen Situation zurechtkommen. Dass die Situation schwierig ist, wird niemand von uns abstreiten. Es ist das, was die Gesellschaft vorlebt, es sind aber auch Elternhäuser, die leider zunehmend mit ihren Ausgaben nicht zurechtkommen und den Jugendlichen eine Welt vorleben, die diese Jugendlichen nur durch Verschuldung überhaupt nachleben können. Da ist dann die öffentliche Hand, da sind die Schulen gefordert.
Ich finde es gut, dass das Gutachten abgewartet wird und dass wir die Landesregierung auffordern, Ende 2003 noch einmal zu berichten. Ich kenne diese Debatten. Dann stehen wir wieder einmal hier und
sagen, die Welt ist schlecht, und dann gehen wir wieder nach Hause. Insofern ist es richtig, dass wir sagen, in einem Jahr wird nachgehakt und noch einmal gesehen, ob das, was wir uns miteinander vorgenommen haben, auch umgesetzt wird. Dank auch an die CDUFraktion - das dürfen wir nicht vergessen -, die diese Debatte losgetreten hat, und noch einmal der Dank, dass wie die Debatte führen. Es ist ein bisschen unfair mit diesem Antrag umgegangen worden. Das will ich hier auch einmal sagen. Er ist sehr belächelt worden. Jetzt sind wir aber auf dem Weg, wo wir einen Bericht haben und ein Gutachten abwarten und dann sozusagen noch einmal eine Erfolgsbilanz bekommen. Dann sollten wir miteinander noch einmal diskutieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man muss keine Wissenschaftlerin und keine Bankfachfrau sein, um festzustellen, dass sich das Verhältnis der Kinder zu Geld im letzten Jahrzehnt deutlich geändert hat.
Heute besitzen 6-Jährige ein Handy - natürlich auch ältere Kinder -, 12-Jährige haben ein Girokonto mit dazugehöriger Geldkarte und werden von den Banken als Kunden umworben. Es gibt inzwischen sogar Investmentfonds, die sich als Themenfonds auf die Lieblingsmarken der Kids konzentrieren.
Kinder und Teenager gelten als eine der attraktivsten Zielgruppen der Werbung. Nach Berechnungen des Münchener Instituts für Jugendforschung verfügt die Gruppe der 6- bis 17-Jährigen über rund 15 Milliarden Mark aus Taschengeld, Geschenken und Sparguthaben.
Es gehört deshalb auch nicht viel mehr als etwas Vernunft und Menschenkenntnis dazu, um zu wissen, dass die Kleinen damit völlig überfordert sein können. Sie müssen sich als mündige Konsumentinnen und Konsumenten in der schönen neuen Welt des Konsums bewähren. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die Zahl von Kindern und Jugendlichen wächst, die noch vor der Volljährigkeit in die Schuldenfalle getappt sind.
Dabei machen die Zahlen in dem schon vorliegenden Bericht deutlich, dass es aber auch keinen Grund zur Überdramatisierung der Situation der Kinder und Jugendlichen gibt. Die ersten Schulden wie Handyschulden und Überziehungskredite bleiben innerhalb der Familie; sie führen vermutlich nicht zwangsläufig zu den weiteren sozialen Folgeproblemen, die wir am meisten fürchten.
Die spannende Frage ist nämlich, ob die jungen Menschen es schaffen, auf eigenen Beinen zu stehen, wenn sie vom eigenen Einkommen leben müssen. Vieles deutet darauf hin, dass ein Teil von ihnen Probleme damit hat und deshalb auch mehr Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen für diese Fragen gefragt ist.
Man muss keine Wissenschaftlerin sein, um die Probleme zu beobachten. Aber dies reicht für eine Politik gegen die Verschuldung von jungen Menschen nicht aus. Um die richtigen politischen Rezepte zu finden, brauchen wir eine solide Datengrundlage, die uns das Problem detailliert beschreibt.
Ein entsprechendes Gutachten des Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik der Uni Kiel ist schon unterwegs. Deshalb haben wir uns im Ausschuss auch darauf verständigt, dass wir an dem Thema weiter arbeiten werden, wenn diese Studie als Grundlage vorhanden und ausgewertet ist.
Eines möchte ich allerdings jetzt schon anmerken: Es wird auf jeden Fall nicht reichen, nur auf Hilfe und Prävention durch Schuldnerberatungsstellen und Verbraucherberatung zu setzen. Das sind ohne Zweifel sehr wichtige Ansätze, aber es wäre eine Kapitulation der Politik, wenn man sozusagen nur auf die Verhaltensprävention setzte. Es ist unübersehbar, dass eine der Ursachen der Verschuldung in der aggressiven Vermarktung von Produkten liegt, die erst die Konsumbedürfnisse schafft.
Die Kreditwirtschaft, die Unternehmen und die Werbebranche tragen auch hier eine soziale Verantwortung, der sie nicht immer gerecht werden. Dass auch dieser Weg etwas bringen kann, zeigt die Diskussion aus der Mitte der 90er-Jahre um Kinder und Banken.
Auch wenn die Banken bestimmt nicht von den jungen Kunden abgelassen haben, so haben sie sich doch in diesem Wettbewerb sichtbar gemäßigt. Mir ist dabei klar, dass das nicht ohne Druck der Kreditaufsicht gelaufen ist. Aber wir müssen auch die Wirtschaft - neben allen anderen - daran erinnern, dass wir sie nicht aus der Verantwortung entlassen werden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch etwas zu den Mobilfunkschulden sagen. Die Mobilfunkanbieter gehören zu den wenigen, die uns als gesammelte Gruppe wesentlich schneller sagen können, wer von ihren Kunden wie alt ist. Darum haben sie sich ja auch sehr stark bemüht und deshalb stehen häufig diese Handyschulden im Vordergrund. Nur, aus dieser Diskussion haben auch viele Eltern gelernt und geben ihren Kindern zum Beispiel keine „freien Verträge“ mehr.
Probleme bereiten ganz andere Schulden, die sie zum Teil machen können, indem sie zum Beispiel manchmal etwas bestellen können.
Ich wollte darauf nur hinweisen, weil man gern das Gefühl hat, es seien immer nur die Handys. Das ist nicht allein die Ursache. Hier sind in unserer Konsumgesellschaft ganz erhebliche andere Probleme gegeben. Die Kinder und Jugendlichen müssen lernen - genauso wie ich und andere das sicherlich auch mussten -, auch einmal Nein zu sagen, auch wenn alle anderen angeblich alles haben. Ich erinnere mich nur daran, dass ich jedenfalls dazu gehörte, dass ich meinen Eltern immer erzählt habe, alle anderen dürften und alle anderen hätten, nur ich durfte das nicht haben.
(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])
Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Einen Kredit aufzunehmen, gehört wie auch das Sparen in unserer Gesellschaft zu den üblichen wirtschaftlichen Verhaltensweisen der Menschen. Darauf darf man in diesem Zusammenhang vielleicht auch einmal hinweisen.
Ziel ist normalerweise eine Steigerung der Lebensqualität. Das hat dann natürlich auch etwas mit dem Wachstum unserer Volkswirtschaft zu tun. Aber das
Risiko dieses Verhaltens hängt natürlich von der Einsichtsfähigkeit und dem Augenmaß der handelnden Personen ab.
Dieses Augenmaß ist in der Regel bei den Kindern und Jugendlichen ein anderes; ich will nicht sagen ein geringeres, aber ein anderes als bei den Erwachsenen. Deshalb haben ihre Schulden ein höheres Risiko als die Schulden vieler Erwachsener.
Meine Damen und Herren, rund 80 % der Menschen, die bei Schuldnerberatungen auflaufen, haben ihre Schuldenkarriere bereits im Kinder- und Jugendalter begonnen, weil sie sich daran gewöhnt haben, Schulden regelhaft zu machen und damit zu leben und kein Risikobewusstsein zu entwickeln.