Protocol of the Session on October 10, 2002

Insgesamt ist hierüber also konstruktiv zu reden, aber ich bitte Sie zugleich, auch immer zu sehen, wo die wirklich wichtigen Probleme in der Mittelstandspolitik sind, und die liegen zurzeit auf der Bundesebene. Diesbezüglich bitte ich Sie alle um Unterstützung für die notwendigen Reformmaßnahmen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen

Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/2149

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unzuverlässige Unternehmen sind bereits nach geltendem Bundesrecht bei schweren Verfehlungen - etwa bei Bestechung, Vorteilsgewährung, Betrug, Untreue, illegale Beschäftigung oder auch Schwarzarbeit - von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen. Das geplante Register soll aber gewährleisten, dass in Schleswig-Holstein kein Auftrag mehr an Unternehmen in Unkenntnis von deren illegalen Praktiken vergeben wird. Darum sollen alle öffentlichen Auftraggeber dem Register betroffene Unternehmen melden und sich vor Auftragsvergabe von der Zuverläs

(Klaus-Dieter Müller)

sigkeit des jeweiligen Unternehmens durch Nachfrage beim Register versichern.

Insofern setzen wir mit der Einrichtung dieses Antikorruptionsregisters ein Zeichen gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität. Der Gesetzentwurf wird - wie das Tariftreuegesetz, mit dem es ja korreliert - zwischen der ersten und der zweiten Lesung in die Anhörung gehen und auch Änderungen erfahren. So müssen selbstverständlich die Betroffenen darüber unterrichtet werden, dass sie und inwieweit sie ins Register aufgenommen worden sind. Das gebieten datenschutzrechtliche Bestimmungen.

Die CDU hat das Bundesgesetz zu einem Antikorruptionsregister zu Fall gebracht. Das wir ihr in Schleswig-Holstein nicht gelingen.

Ich möchte Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, einmal vorhalten, was die überregionale Presse davon gehalten hat und davon hält. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat am 28. September 2002 getitelt „Korruption lohnt sich“ und stellt fest:

„Wenn ein Lagerarbeiter am Flughafen vor 20 Jahren Plakate für einen marxistischen Verein geklebt hat, gilt er noch heute, im Jahre 2002, als unzuverlässig. Er erhält keine Sicherheitsbescheinigung mehr und wird entlassen. Das ist die Folge des Sicherheitsüberprüfungsgesetz, das nach dem 11. September 2001 erlassen worden ist. Wenn dagegen die Firma, bei der so ein Mann beschäftigt ist, im Jahre 2001 wegen Geldwäsche oder Subventionsbetrug erwischt worden ist, dann erhält sie auch weiterhin von der öffentlichen Hand womöglich neue Millionenaufträge.“

(Zuruf von der SPD: Unerhört!)

„Das ist zwar pervers“

so die „Süddeutsche Zeitung“ -

„aber die Folge des Verhaltens der CDU/CSU im Bundesrat.“

(Christel Aschmoneit-Lücke [FDP]: So ein Quatsch!)

Man fragt sich nur, warum es ein solches Register nicht schon längst gibt, zumal es ansonsten an polizeilichen Registern nicht mangelt und dort selbst banale Auffälligkeiten festgehalten sind.

Die Union hingegen fragt sich etwas ganz anderes - das werden wir hier sicherlich nachher auch hören -; sie fragte im Bundesrat allen Ernstes, wo denn bei Delikten wie Geldwäsche, Subventionsbetrug oder

Veruntreuung der unmittelbare sachliche Zusammenhang mit der Vergabe von Aufträgen liegen solle.

(Lachen bei der SPD)

„Da fragt man sich“

so die „Süddeutsche Zeitung“ -

„ob der Fragende noch ganz bei Trost ist.“

(Heiterkeit und Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dieser deutlichen Einschätzung durch eine der zwei, drei großen deutschen seriösen Tageszeitungen ist im Prinzip nicht mehr viel hinzuzufügen.

Ich möchte aber auch in diesem Zusammenhang den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion vorhalten, dass es offenbar keine einheitliche Einschätzung in ihrer Partei in Schleswig-Holstein zu diesem Fragenkomplex Tariftreuegesetz und Register gibt. Der „Ostholsteinischen Zeitung“ von gestern entnehme ich, dass der Kreistag mit den Stimmen der CDU beschlossen hat, Kreisaufträge nur nach an tariftreue Unternehmen zu vergeben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Auch unser ehemaliger Kollege, der Landrat Reinhard Sager, nannte die Initiative erstrebenswert. Man braucht offenbar nicht lange, wenn man aus der CDU-Fraktion dieses Hauses ausgeschieden ist, um wieder auf den Pfad der politischen Tugend zurückzugelangen.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren von der CDU, lassen Sie Moral und Mittelstand nicht wieder im Stich! Unterstützen Sie diese Initiative!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Strauß das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den Unternehmen in Deutschland geht es schlecht. Der Mittelstand steht mit dem Rücken an der Wand und ertrinkt in Bürokratie. Immer mehr Arbeitnehmer fürchten um ihre Arbeitsplätze. Die Gesetzesflut, die sich in den letzten vier Jahren ungebremst über den Mittelstand ergossen hat, sollte gravierende Fehlentwicklungen korrigieren. Das Gegenteil wurde er

(Roswitha Strauß)

reicht. Immer mehr Staat hat die Fehlentwicklungen verschärft.

Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Das ist auch nicht neu. Korruption verhindert und umgeht fairen Wettbewerb und macht aus Marktgesetzen Machtgesetze. Zu Recht trifft jemanden, der besticht oder sich bestechen lässt, die volle Härte des Gesetzes.

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Einführung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen verlässt Rot-Grün allerdings diese rechtsstaatliche Ebene.

(Christel Aschmoneit-Lücke [FDP]: So ist es!)

Denn der vorgelegte Deliktkatalog konzentriert sich nicht nur auf Korruption, sondern sanktioniert unangemessen auch andere unternehmerische Verfehlungen

(Lars Harms [SSW]: Geldwäsche!)

und geht dabei über das Strafrecht hinaus, ja sogar am Strafrecht vorbei.

(Christel Aschmoneit-Lücke [FDP]: Ja!)

Das Gebot der Unschuldsvermutung wird auf den Kopf gestellt.

(Christel Aschmoneit-Lücke [FDP]: So ist es!)

Damit wird eine Rechtsauffassung offenbart, die die Gewaltenteilung unterläuft. Der Gesetzgeber spielt sich zum Richter auf. Nichts anderes besagt § 3 Abs. 2 des Gesetzentwurfs.

(Christel Aschmoneit-Lücke [FDP]: Ja!)

Zudem fehlen konkrete Regelungen zur Löschung aus dem Register. Auch der Rechtsschutz für die Betroffenen ist nicht definiert.

Der Einfluss der Bürokratie auf die Wirtschaft wird in einem unverantwortlichen Maß gesteigert, wenn die Unzuverlässigkeit von Unternehmen nicht mehr an rechtskräftige Verurteilungen gebunden ist,