Protocol of the Session on October 10, 2002

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 15/2069, und den dazugehörigen Änderungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/2183, dem zuständigen Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

(Wortmeldung des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Herr Kollege, wenn Sie sich während der Abstimmung melden wollen, dann geht das nur über einen Geschäftsordnungsantrag. Das gilt auch für Parlamentarische Geschäftsführer.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 15 auf:

Spieleinsatzsteuer verhindern, Arbeitsplätze retten Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/2071

Ich darf fragen: Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende der FDP, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Dr. Garg! Wir schreiben das Jahr 2002. Die Steuereintreiber sind wieder unterwegs, um neue Steuern zu finden und Arbeitsplätze zu vernichten. Diesmal geht es um einen kräftigen Schluck aus der Steuerpulle: 560 % Steuererhöhung. Eigentlich wollte Niedersachsen zum Angriff auf den Mittelstand blasen, aber die politische Realität verbietet das Herrn Gabriel wohl wegen anstehender Landtagswahlen. Ein neues Bundesland soll und wird gefunden werden, um diesen Unsinn am Leben zu erhalten, so jedenfalls die Hoffnung des Finanzministers des Landes Schleswig-Holstein.

Ziel dieser Initiative, der Spieleinsatzsteuer, ist das Automatengewerbe. Der Staat soll mehr am Glücksspiel verdienen. Anlass für diese irrsinnige Idee ist eine höchstrichterliche Rechtsprechung, die das Betreiben von Geldspielgeräten zum Glücksspiel erklärt. Bisher war es ein Gewerbe. Jetzt entfällt die Pflicht der Automatenaufsteller, Mehrwertsteuer zu zahlen. Deshalb wurde eine Ersatzsteuer gesucht und

(Wolfgang Kubicki)

erfunden, die Spieleinsatzsteuer. Weil es so schön ist, soll die neue Steuer die Mehrwertsteuer nicht aufkommensneutral ersetzen, sondern um 560 % steigern. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme Deutschlands, der Finanzierungsprobleme des Mittelstandes und der international vollkommen überhöhten Steuerbelastung der deutschen Unternehmen ist das aus unserer Sicht Irrsinn.

(Beifall bei der FDP)

Im Automatengewerbe gibt es bundesweit ungefähr 5.000 Unternehmen mit 60.000 Beschäftigten, eine fast lupenreine Mittelstandsbranche. Wenn die neue Steuer in der geplanten Höhe greifen sollte, werden die meisten dieser Betriebe Pleite gehen und deren Beschäftigte arbeitslos. Deshalb lehnen wir die Spieleinsatzsteuer in der bisherigen Form ab; 560 % Steuererhöhung ist Mittelstandsmord.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

Wie kommt es zu dieser ungeheuerlichen Zahl? - Automatenbetreiber sind gesetzlich verpflichtet, mindestens 60 % der Einsätze als Gewinne wieder auszuzahlen; der durchschnittliche Anteil liegt bei 65 %. Auf die verbleibenden 35 % der Einsätze, den Kasseninhalt, zahlen die Aufsteller bisher 16 % Mehrwertsteuer. Abzüglich der Vorsteuer ergibt sich eine faktische Steuerbelastung des Kasseninhalts von weniger als 8 %. Die Spieleinsatzsteuer soll 20 % des gesamten Spieleinsatzes betragen. Nach Vorsteuerabzug bleiben 16,67 % Nettosteuerlast auf den Spieleinsatz.

(Präsident Heinz-Werner Arens übernimmt den Vorsitz)

Vergleichen wir die Steuerlasten auf 100 € Spieleinsatz. Nach der geltenden Regelung werden durchschnittlich auf 35 € netto 7,2 % gezahlt; das sind 2,52 €. Bei der Spieleinsatzsteuer müssen auf die 100 € netto 16,7 % Steuern gezahlt werden; das sind 16,70 €. Die Steuererhöhung bei 100 € Einsatz beträgt also 14,18 € oder 562 %. Das Perfide an der neuen Steuer ist, dass hier ein Geldstrom besteuert werden soll, der die Unternehmen niemals erreicht und den sie deshalb auch nicht nutzen können. Aber Steuern sollen sie darauf zahlen. Das ist ökonomischer und finanzpolitischer Unsinn. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, diesen Irrsinn zu unterbinden und sich entsprechend ihrer eigenen Grundsatzerklärungen für den Mittelstand auch im Bundesrat einzusetzen.

Selbstverständlich sollen die Automatenaufsteller nicht steuerfrei ausgehen. Deshalb schlagen wir vor,

die bisherige Mehrwertsteuerpflicht aufkommensneutral durch eine Besteuerung des Kasseninhalts zu ersetzen, nicht des Spieleinsatzes. 8 % Steuer auf den Kasseninhalt entspricht in etwa der heutigen Mehrwertsteuerbelastung und ist für die Branche erträglich.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU] und Dr. Trutz Graf Kerssenbrock [CDU])

Alle würde gewinnen: Der Staat verlöre keine Einnahmen; die Unternehmen gingen nicht Pleite und die Beschäftigten würden nicht arbeitslos. Da müssten doch eigentlich alle zustimmen können. Die gedanklichen Ausflüge Niedersachsens in das Fantasieland unendlicher Steuerquellen vergessen wir einfach.

Wir alle haben hier die Möglichkeit zu zeigen, ob wir es mit den Erklärungen zur dringend notwendigen und verstärkten Unterstützung des Mittelstandes wirklich Ernst meinen. Zeigen Sie Ihre Ernsthaftigkeit und stimmen Sie zu, um mehrere Zehntausend Arbeitsplätze im deutschen Mittelstand zu retten. Da die Debatte noch einige Zeit anhalten wird, empfehlen wir die Überweisung unseres Antrages an den Finanzausschuss, der ihn weiter debattieren kann.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Holger Astrup [SPD]: Wie viele Frei- spiele kriegst du für diese Rede?)

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich noch Gäste begrüßen: Ich begrüße in der Loge Mitglieder des SPD-Ortsvereins Heide. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile jetzt das Wort der Frau Abgeordneten Kähler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgrund der höchstrichterlichen Entscheidung des EuGH ist zunächst festzustellen, Herr Kollege, dass Automatenaufsteller außerhalb von Spielbanken in absehbarer Zeit keine Umsatzsteuer für Umsätze an Spielgeräten entrichten müssen. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Lage der Länder- und Kommunalfinanzen ist dies eigentlich eine nicht hinnehmbare Situation. Ich erinnere nur an die vielen Bildungsdebatten, die wir geführt haben. Wer Bildung will, darf nicht in erster Linie an Steuersenkungen denken. Er muss vielmehr nach anderen Möglichkeiten suchen.

(Ursula Kähler)

Aufgrund der Situation der Finanzen in den Ländern und Kommunen ist es verständlich, dass Überlegungen angestellt worden sind, wie durch die Novellierung der entsprechenden Rechtsregelungen die nicht unerheblichen Steuerausfälle kompensiert werden können. Es ist sicherlich unumstritten, dass das Renn-, Wett- und Lotteriegesetz und die vom Reichsminister dazu im Jahre 1922 erlassenen Ausführungsbestimmungen zumindest in ihren steuerlichen Teilen in hohem Maße reformbedürftig sind. Um die erheblichen Gesetzes- und Besteuerungslücken zu schließen, wurde bereits seit mehreren Jahren an dem Entwurf einer Novelle gearbeitet. Gleichwohl hat der Bund bislang kein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, weil er bei Steuern, bei denen die Ertragshoheit bei den Ländern liegt, die Gesetzesinitiative den Ländern überlässt.

Nun hat das Land Niedersachsen im Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht. Der Finanzausschuss des Bundesrates hat am 27. Juni dieses Jahres beschlossen, die Beratung über diese Gesetzesinitiative bis nach der Bundestagswahl zu vertagen. Außerdem wird der Bundesfinanzhof in der ersten Jahreshälfte 2003 seine Entscheidung zu dem EuGH-Urteil treffen. Der Automatenverband Schleswig-Holstein hatte sich wegen der niedersächsischen Initiative auch an mich als Vorsitzende des Finanzausschusses mit der Bitte um Hilfestellung gewandt. Ich hatte die Kopien der Schreiben damals an die Fraktionen zur Bearbeitung weitergeleitet.

Ich erwähnte bereits, dass die genannten Steuerausfälle sowohl für das Land als auch für unsere Kommunen nicht hinnehmbar sind. Auch das ist ein Grund - neben dem Wissen um eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes im ersten Halbjahr 2003 -, weshalb wir heute diesen Antrag ablehnen werden, Herr Kollege. Wir befinden uns am Anfang der Diskussion über ein Gesetzgebungsverfahren, an dessen Ende - darin sind wir uns dann wieder einig - stehen muss, die bisherige Besteuerung zu ersetzen. Dann ist es eigentlich wenig hilfreich, dem FDP-Antrag schon in der jetzigen Form zu folgen. Wir befinden uns übrigens auch keineswegs in einem Stadium des Verfahrens, in dem wir über unangemessene Belastungswirkungen reden müssten. Ich gehe davon aus, dass gerade im Bereich der Steuergesetzgebung die Betroffenen gehört werden und diese ihrerseits Vorschläge unterbreiten werden. Das war bisher gängige Praxis und es wird offensichtlich auch so bleiben, zumal wir jetzt definitiv wissen, dass die gleiche Bundesregierung im Amt bleibt.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Schlimm genug!)

- Wir können ja einmal in einem Zweiergespräch darüber diskutieren, Kollege Arp. - Die verbleibende Zeit sollte genutzt werden, um eine gerechte Regelung zu erreichen. Der Automatenverband seinerseits wird - er hat ja bereits jetzt entsprechend reagiert - die Anhörung als Möglichkeit nutzen, um seine Lage darzustellen und aufzuzeigen, wie aus seiner Sicht Belastungen verhindert werden müssen. Sich hier und heute auf den Antrag der FDP zu kaprizieren, wäre zumindest aus finanzpolitischer Sicht töricht, weil es möglicherweise eine noch bessere Regelung gibt als die, die die FDP vorschlägt.

Ich bin überzeugt, dass die Landesregierung alle Vorschläge der vom Gesetzesvorhaben Betroffenen eingehend prüfen wird und ihrerseits eine gerechte Lösung anstrebt. Ich bitte nochmals darum, dass wir heute hier in der Sache abstimmen und uns möglicherweise in das Verfahren einklinken, wenn der Bundesfinanzhof seine Entscheidung zu dem EuGHUrteil getroffen hat.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Arp das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor der Bundestagswahl erklärte Bundeskanzler Schröder, dass Steuererhöhungen in der jetzigen konjunkturellen Situation ökonomisch unsinnig seien und deshalb von der Bundesregierung nicht in Betracht gezogen würden. Recht hatte er. Das war aber vor der Wahl. Kaum ist die Bundestagswahl vorüber, wird über nichts anderes als Steuererhöhungen gesprochen - und das vor allen Dingen auch von unserer Ministerpräsidentin. Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen in Berlin stehen die Tabaksteuer, die Erbschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Körperschaftsteuer, die Mehrwertsteuer, die nächste Stufe der Ökosteuer, das Ehegattensplitting und die Einkommensteuer auf der Tagesordnung. Steuererhöhungen ohne Ende! Heute wurde auch hier im Hause mehrfach bestätigt, dass die SPD in Schleswig-Holstein oder Rot-Grün genauso oder ähnlich denken.

(Claus Ehlers [CDU]: Das ist modernes Raubrittertum! - Heiterkeit bei CDU und FDP)

- Kollege Claus Ehlers, ich danke für diesen Hinweis.

(Hans-Jörn Arp)

Mit dem niedersächsischen Gesetzentwurf über eine Spieleinsatzsteuer haben wir ein weiteres Beispiel dafür, unter dem Deckmantel einer Reform, nämlich der Reform des Lotteriewesens, wie eine steuerliche Belastung heftig und möglichst unauffällig angehoben werden soll. Auch hier trifft es wieder einmal nur mittelständische Unternehmen. Zukünftig soll - Wolfgang Kubicki hat eben darauf hingewiesen - die Umsatzbesteuerung des Kasseninhalts der Spielgeräte wegfallen und durch eine Steuer in Höhe von 20 % auf die Spieleinsätze ersetzt werden. Sicherlich ist eine Reform des Lotterierechts aus dem Jahre 1922 sinnvoll. Darin sind wir uns einig. Es ist auch sinnvoll, die Spielautomaten mit einzubeziehen. Eine Besteuerung des Einsatzes des Spielers ist jedoch völlig verfehlt und hat weder im europäischen Ausland noch in Deutschland eine Parallele. Es kann nicht angehen, dass eine Steuer auf etwas erhoben wird, was der Automatenunternehmer letztlich gar nicht erhält. Der Spielgast hat nämlich einen gesetzlichen Anspruch auf Gewinnauszahlung. In der Praxis liegt das Ausschüttungsvolumen zwischen 63 und 67 %.

(Holger Astrup [SPD]: Das haben wir noch nie erlebt!)

- Dann weiß ich nicht, in welchen Lokalen du verkehrst.

(Heiterkeit)

Im Vergleich zu der bisherigen Rechtslage mit einer Umsatzsteuerpflicht steigt die Steuerlast um ein Vielfaches. Die Umsatzsteuerlast beläuft sich bei einer Gewinnausschüttung von zum Beispiel 60 % zurzeit auf 2,5 % vom Einsatz des Spielers. Die Spieleinsatzsteuer soll dagegen 20 % von diesem Einsatz betragen. Das bedeutet - auf dieses Beispiel bezogen - eine Steuererhöhung von 566 %, Herr Kubicki, nicht von 560 %. Das sind also noch einmal 6 % mehr. In der Größenordnung spielt das allerdings keine Rolle mehr.

Jedem Fachmann ist bewusst, dass eine Besteuerung der Einsätze sinnwidrig und letztlich nichts anderes als ein enteignungsgleicher Eingriff ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Genau aus diesem Grund haben alle Landesgesetzgeber davon abgesehen, die Abgaben auf Erlöse von Spielbanken - das Land ist in diesem Bereich auch Eigentümer - an die Einsätze zu koppeln. Dort macht man es merkwürdigerweise nicht. Damit macht man es richtig. Folglich richtet sich die Abgabe nach dem Umsatz und dem Kasseninhalt. Mit diesem Gesetzentwurf würde man die Existenz einer ganzen Bran

che gefährden. Zigtausend Arbeitsplätze sowohl bei den Herstellern als auch bei den Betreibern sind akut in Gefahr.