Protocol of the Session on July 12, 2000

- Herr Kollege Neugebauer, Sie haben vor einem Jahr gesagt, Sie würden Ihre Position korrigieren müssen. Das ist am 1. Juli letzten Jahres geschehen. Wir sagen wieder voraus, Sie werden Ihre Position korrigieren müssen. Je schneller, desto besser! Je länger Sie

(Wolfgang Kubicki)

warten, desto schlimmer wird es, desto größer wird der Gesichtsverlust.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

In Ihrer Fraktion, Kollege Neugebauer, und im Kabinett, so entnehmen wir der gewöhnlich gut unterrichteten Zeitung „Hamburger Abendblatt“, sind die Diskussionen ja viel weiter. Es heißt im „Hamburger Abendblatt“ vom 7. Juni 2000:

„Heide ist da beratungsresistent. Die Kritik reicht jetzt bis ins rot-grüne Kabinett. Eine Kurskorrektur sei aus finanziellen Gründen überfällig, meint ein Minister.“

Geben Sie sich doch einmal den Ruck und reden Sie möglicherweise im Separée - mit der Ministerpräsidentin. Es ist kein Gesichtsverlust, wenn man einen Fehler korrigiert, den man auf Bundesebene nicht durchhalten kann und dem Land damit dient. Geben Sie sich diesen Stoß! Dann haben Sie viel für das Land getan.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig! - Beifall bei F.D.P. und CDU)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Herr Oppositionsführer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Heinold, zunächst einmal Respekt vor allen Ihren neun Punkten! Darin sind wirklich interessante Denkansätze enthalten. Das gilt nicht nur für Punkt 9, sondern auch zum Beispiel - aus meiner Sicht - für Punkt 2. Ich finde es nur bedauerlich, dass Sie nicht so konsequent sind und sagen, hier ist ein Punkt erreicht, an dem wir nicht mehr mitmachen können. Aber gut, das ist Ihre Entscheidung.

Herr Fuß, die Denkfehler, die Sie gemacht haben, hat Ihnen Herr Kollege Klug so prima erklärt und Herr Kubicki hat das noch einmal unterstrichen, dass ich da nicht noch einmal nachzuarbeiten brauche.

Ich habe den Eindruck, Sie haben die alten Debatten quergelesen, irgendwelche Versatzstücke behalten, zusammengefügt, gemischt, eine Biermimik daraus gemacht und das hier verkauft. Das ist eine Nummer zu wenig. Da Sie ja offenbar von betrieblicher Altersversorgung etwas verstehen, sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass hier ein völlig anderer Ansatz vorliegt. Dann müssten Sie nämlich wissen, dass diese Rückstellungen Fremdkapital mit Eigenkapitalcharakter sind.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

Dann habe ich eine Chance, das auch für Investitionen und andere Dinge zu nutzen. Hier sind solche Versuche gemacht worden und schiefgegangen. Deshalb zieht Ihr Beispiel an dieser Stelle überhaupt nicht. Das zieht einem wirklich die ökonomischen Schuhe aus. Das muss ich Ihnen sagen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Herr Hentschel, wenn Sie die Macht des Faktischen akzeptierten, hätten Sie hier nicht so mutig auf andere Länder hingewiesen. Ich bin bereit, mit Ihnen eine Wette einzugehen. Das, was in Nordrhein-Westfalen in der Koalitionsvereinbarung steht, wird unter einem Ministerpräsidenten Clement nie und nimmer realisiert werden.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Lieber Herr Hay, Sie haben völlig Recht mit dem Zitat aus der Zeitung. Nur haben Sie nicht vollständig zitiert. Natürlich ist eine Verdoppelung zu erwarten aber genau deswegen, weil wir diesen Berg an Pensionierungen bekommen, den der Kollege Klug erwähnt hat. In eben dieser Zeitung steht auch, dass nach 2020 - Richtung 2030 - eine ganz andere Situation entstehen wird. Daher ist der Ansatz natürlich ein falscher.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wie wollen Sie den eigenen Anspruch, den die Referendare erwerben - das will ich Sie, Herr Hentschel, einmal fragen -, nachher aufsplitten? Die Pensionen werden nach dem letzten Einkommen gezahlt. Dann haben Sie einen eigenen Anspruch. Wie oft wollen Sie den teilweise gegenrechnen? Wollen Sie ihn ganz gegenrechnen? Wo ist eigentlich die gesetzliche Grundlage? Sie haben nämlich zu 50 % selbst in die Sozialversicherung eingezahlt. Ich frage Sie: Wo ist der Anspruch dafür, dass das Land hier gegenrechnet? Im Klartext heißt das: Hier gibt es eine Begünstigung der künftigen Pensionäre und das Land hat doppelt bezahlt. Das ist der Fehler, den Sie bei dieser Denkweise machen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Da die drei Minuten herum sind, nur noch stichwortartig - ich bitte insoweit um Entschuldigung - eine letzte Bemerkung! Eines muss uns doch allen und vor allem der Öffentlichkeit zu denken geben. In den Debatten ist doch eines deutlich geworden: Diese Ministerpräsidentin hat jedenfalls inhaltlich, was die

(Martin Kayenburg)

Entbeamtungspolitik anbelangt, die parlamentarische Mehrheit hier in diesem Hause verloren!

(Klaus Schlie [CDU]: Genauso ist es! - Bei- fall bei CDU und F.D.P.)

Das ist der Punkt, Frau Ministerpräsidentin, über den Sie wirklich nachdenken müssten. Sie haben inhaltlich keine Mehrheit mehr. Wenn Ihnen das nicht zu denken gibt, Frau Ministerpräsidentin, haben Sie meiner Meinung nach den Urlaub, den Sie antreten wollen, wirklich verdient.

(Anhaltender Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Wort hat Frau Ministerpräsidentin Simonis.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbst eine Diskussion, die man schon mehrfach geführt hat, bringt einem ja neue Erkenntnisse. Herr Dr. Klug vertraut auf den lieben Gott, der das alles richten wird, und seine Sterbetafeln - so habe ich es jedenfalls gerade verstanden -

(Widerspruch bei der F.D.P.)

- Doch, so hat er es gesagt: Die sterben ja rechtzeitig weg, deswegen brauchen wir uns gar nicht aufzuregen.

(Klaus Schlie [CDU]: Das Niveau muss man sich einmal vor Augen führen!)

Das stimmt übrigens nicht, Herr Dr. Klug, denn Sie stellen ja gleichzeitig mehr Lehrer ein. Die Leute müssten also schon sehr schnell sterben, damit Ihre Rechnung aufgeht.

(Klaus Schlie [CDU]: Was ist das für eine Argumentation!)

- Nein, das hat er hier doch vorgetragen.

Die zweite Bemerkung, die ich dazu machen möchte: Ich finde es nicht sehr gut, Frau Heinold; das tut mir Leid. Vielleicht gehört sich auch das nicht, was ich sage. Dann haben Sie den Mut zu sagen, dass Sie nicht mehr dazu stehen. Aber sich in Nordrhein-Westfalen und in Berlin für die mutige Entbeamtungspolitik feiern lassen - ich fange auch schon an, genauso falsch zu reden, wie die meisten von Ihnen, wenn ich von „Entbeamtungspolitik“ rede. Das hat mit einer Entbeamtungspolitik überhaupt nichts zu tun, sondern mit einer nicht stattfindenden Versorgungs- und Verbeamtungspolitik. Wenn Sie der Meinung sind, dass das falsch ist, dann sagen Sie: Nein, wir machen das nicht mit! Dann muss man sehen, wie man weiterkommt. Aber nach der feurigen Rede, die Sie einmal gehalten

haben - die Bundesrepublik Deutschland sei in einem Zustand, in dem die Altparteien keinen Verstand hätten -, kann ich Ihnen nur sagen: Welcome to the Club! Sie gehören ebenfalls zu den Altparteien. Das war nach meiner Meinung nicht in Ordnung, weil es nämlich auch ein ganz klein wenig die Leute daran zweifeln lässt, warum Sie denn mitgehen, wenn Sie das für falsch halten. Das möchte ich gern einmal wissen.

An dieser Stelle fängt natürlich die Fragerei an: Warum gehe ich mit jemandem mit, wenn ich es für absolut falsch halte, was der macht? Das habe ich nicht gern.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Klaus Schlie [CDU]: Eine ehrliche Frage! Genau, das ist die Frage!)

Das habe ich nicht gern.

(Anhaltende Zurufe von CDU und F.D.P.)

Das habe ich schon deswegen nicht gern, weil ich nämlich nicht der Meinung bin, dass das, was ich mache, falsch ist. Das ist der zweite Punkt.

(Klaus Schlie [CDU]: Langsam sehen Sie es aber ein!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als die SPD in Bonn in der Opposition war, hat sie den „Jäger 90“ als die einzige Spardose gefunden. Bei Ihnen ist die Verbeamtung der „Jäger 90“. Das ist eine Kreditkartenmentalität, wie man sie sich wirklich schlimmer nicht denken kann. Was Sie heute mit dem Geld alles in den paar Minuten, die Sie geredet haben, machen wollten, was wir alles davon noch kaufen sollten, ist schon bemerkenswert.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Was wir ma- chen könnten!)

- Nein, was Sie wollten, was Sie machen werden, wenn die Verbeamtungspolitik wieder aufgenommen wird! Das bedeutet, dass Sie jetzt das Geld zwar sparen, aber keinerlei Vorsorge für das treffen, was Sie später einmal an Pensionen bezahlen müssen, und obendrein neue Sachen anfangen wollen, statt zu sparen. Das ist kein Sparen, das ist geradezu Leichtsinn, was Sie da fordern.

(Beifall bei SPD)

Schließlich wäre ich sehr dankbar, wenn der Herr Oppositionsführer seine Rede, die er damals bei der Landesbank gehalten hat - als die sich entschieden haben, dass es billiger ist, weil letztlich der Staat zahlt -, wenigstens mit dem Ausdruck der Entschuldigung zurücknähme. Wie Sie mich damals durch den

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Kakao gezogen haben - das darf überhaupt nicht wahr sein angesichts der jetzigen opportunistischen Versuche, sich bei den Beamten einzuschmeicheln.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist ja un- glaublich! - Klaus Schlie [CDU]: Was hat das mit den Anträgen zu tun?)