- Ich höre Ihnen gern zu. Aber im Moment muss ich meine Redezeit ausschöpfen und ich bekomme das nicht hin, wenn ich dabei in Konkurrenz zu anderen treten muss.
Vielleicht dringt dieser Gedanke auch zu Ihrem Landesvorsitzenden vor. Er hatte ja Gedanken bezüglich der Tiroler Apfelbauern geäußert, die ein Recht auf die Giftspritze hätten, was man ja nun keinesfalls als nachhaltig bezeichnen kann.
Ich will mich jetzt abweichend von meinem vorbereiteten Redetext durchaus mit dem CDU-Antrag auseinander setzen, weil ich finde, dass er es Wert ist, dass man das tut. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass in dem Schlussprotokoll der Rio-Konferenz die Strategien in einer bestimmten Reihenfolge genannt worden sind, und beschreiben das ja auch richtig. Ich entnehme dem erst einmal, dass Sie eine Hierarchie aufstellen wollen, wie das ja auch die Rio-Konferenz sehr deutlich getan hat. Sie stand damit am Anfang einer Entwicklung; das muss man ja auch sagen. Es hat sich die Nachhaltigkeitsdebatte im Laufe der Zeit auch verändert. Aber im Folgenden schreiben Sie kritisch - das finde ich wiederum schwierig, und da kann ich Ihnen auch nicht folgen; das ist einer der Gründe, warum ich Ihrem Antrag nicht zustimmen kann -, dass dieses in Schleswig-Holstein verankert wurde und dass das fast ausschließlich - das ist als Kritik gemeint - mit ökologischen Zielsetzungen umgesetzt wurde.
Dazu sage ich: Erstens stimmt das nicht, und zweitens musste man in einer Welt, die bis zu dem Zeitpunkt Ökologie nur als Gegensatz zur Ökonomie verstanden hat, zunächst einmal auf die Ökologie setzen. Das spricht aus meiner Sicht auch gegen die Gentechnik. Aber das ist ein weites Feld; das will ich jetzt nicht weiter beleuchten.
Ich will auf die Argumente meiner Vorrednerinnen eingehen. Wenn also, Frau Todsen-Reese, alle drei Ziele gleichrangig zu verfolgen sind: Was ist denn so schlimm daran, wenn man in einem ersten Schritt dem ökologischen Prinzip zunächst einmal sein Recht einräumen würde? Das kann ich nicht sehen, und da, finde ich, ist Ihr Antrag falsch. Sie sprechen von einer Gleichrangigkeit. Ich glaube es aber nicht ganz, dass Sie das wirklich meinen.
Sie schreiben dann im Weiteren, dass das eine Querschnittsaufgabe von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist. Genau diesem Ziel diente der Prozess, der bisher in der Landesregierung mit - zum Glück - deutlicher Förderung durch die Ministerpräsidentin stattgefunden hat. Dass dieser Prozess kein Selbstläufer ist, das dürfen Sie glauben. Dass in den bisherigen Kategorien von Wirtschaft, Verkehr, Technologie, Gesundheit, Sozialpolitik, Bildung - ich weiß nicht, was ich sonst noch aufzählen soll - es vielleicht ungewöhnlich war, sich unter ein gemeinsames Dach, unter eine gemeinsame Vorstellung von dem zu stellen, was man für zukunftsfähig hält, dass das ein neuer Gedanke ist und dass das in einem Kabinett ein Prozess ist, das, finde ich, ist kein Wunder. Dass das noch nicht alles gleich zur Abiturreife geführt werden konnte, sondern vielleicht eine Mittlere Reife ver
dient, kann auch nicht Wunder nehmen. Wenn man die Querschnittsaufgabe von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wirklich will, dann muss man sich auch daranmachen, das in diesen Bereichen durchzudeklinieren.
Wenn Sie, Frau Todsen-Reese, aber die Atomkraft als in dem Konzept der Nachhaltigkeit für unbedingt erforderlich beschreiben, dann haben Sie etwas sehr Wichtiges aus der Nachhaltigkeit nicht verstanden.
Sie stellen nämlich die Erreichung des CO2-Sparziels in ein Konkurrenzverhältnis zu einer wie auch immer Gewinn erwirtschaftenden Energieversorgung. Sie blenden aber aus, dass natürlich auch in der Zeit CO2 entsteht, in der ein Atomkraftwerk gebaut wird, dass bei den Transporten von Atommüll in Endlager und sonst wohin CO2 entsteht. Sie blenden also aus, dass ein Atomkraftwerk, sowohl im Bau als auch im laufenden Betrieb, permanent einen CO2-Ausstoß verursacht. Das ist das Erste, das Sie verschweigen. Zweitens verschweigen Sie etwas viel Wichtigeres; Sie verschweigen nämlich, dass wir bei der Atomtechnologie quasi in einem Flugzeug sitzen, das zwar gestartet ist, dessen Landevorrichtungen wir während des Fluges aber erst bauen müssen. Wir wissen nicht, wie die Endlagerung von diesen hoch gefährlichen und Jahrtausende lang strahlenden Abfällen, die wahrhaftig nicht nachhaltig sind, aussehen wird. Diese Lagerung muss sich andauernd und über Generationen hin erstrecken. Das wird den Generationen ihr Lebensrecht absprechen. Ich beschäftige mich zurzeit intensiv mit der Endlagerfrage und werde in 14 Tagen an dem Workshop, den die Bundesregierung dazu veranstaltet, dem Arbeitskreis Endlager, teilnehmen. Ich glaube, es ist Wahnsinn, anzunehmen, dass wir über 1 Million Jahre hinweg sinnvoll und wirksam hoch gefährlichen Müll, der den Generationen nach uns ihr Lebensrecht abspricht und sie gefährdet, lagern könnten. Ich glaube nicht, dass wir darum herumkommen werden, zum Beispiel in die Verfassung unseres Landes die Bestimmung aufzunehmen, dass an allererster Stelle, ehe noch irgendeine Haushaltsfrage geklärt ist, alle Kosten und alle Lasten für die sichere Endlagerung dieses hoch giftigen Mülls aufgebracht werden müssen. Ich glaube, dass das ein oberstes Verfassungsziel werden muss, damit künftige Generationen vor dieser Wahnsinnshinterlassenschaft geschützt sind.
Wenn Sie das also als Nachhaltigkeit bezeichnen, habe ich kein Verständnis mehr für Ihren Antrag. Deshalb bitte ich zu verstehen, dass wir diesen Antrag rundheraus ablehnen werden.
Sie schreiben in Ihrem Antrag weiter - ich muss mich ein bisschen beeilen -, dass es marktwirtschaftliche Anreizsysteme geben muss. Ja, bitte schön, dann folgen Sie doch Ihrer von mir sehr wertgeschätzten Angela Merkel und gehen Sie mit uns endlich den Weg, zu einer Ökosteuer zu kommen. Die Preise nämlich müssen die Wahrheit sagen. Wenn die Preise die Wahrheit nicht sagen, stellen Sie Ökonomie und Ökologie wieder in einen Gegensatz. Das ist aber keine zukunftsfähige Wirtschaftsform. Das wird sowohl die Ökonomie wie auch die Ökologie und nicht zuletzt die soziale Gerechtigkeit verletzen.
Ich möchte noch den Gedanken der Gerechtigkeit einbringen. Nachhaltigkeit ist aus meiner Sicht ein Begriff, der ohne den Gedanken der weltweiten und sozialen, der Geschlechter- und der Generationengerechtigkeit nicht gedacht werden kann. Darum, lieber Kollege Nabel: Wir können den Chinesen und den Afghanen und allen möglichen Ländern auf der Welt das Recht, sich in Bezug auf die Atmosphäre genauso fehlzuverhalten wie wir, nicht absprechen.
Wir müssen bei uns anfangen und sagen: Wenn wir erkannt haben, dass da eine riesige Problemwelle auf uns zurollt, müssen wir die Konsequenzen ziehen. Dann muss bei uns endlich die Einsicht stark werden, dass der Verkehr eines unserer größten Probleme ist. Wenn wir den nicht gebacken kriegen, wird uns das über den Kopf kommen. Den anderen Staaten, die sich jetzt in der Aufholjagd zu uns befinden, können wir nicht absprechen, dieselben Fehler wie wir zu machen. Wir können versuchen, über den Weg der Gerechtigkeit unseren Anspruch zurückzufahren und zu sagen: Okay, wir tun bei euch, was wir können, damit wir diese Welt gemeinsam weiter bewohnen können.
Zum Schluss möchte ich einen Gedanken vortragen, den ich ganz wichtig finde. Er stammt von Reinhold Messner, Bergsteiger und hier sicherlich bekannt, außerdem grüner Europaparlamentarier: „Nur sechs Milliarden umweltbewusste Menschen können die Welt retten.“
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde diese Debatte ausgesprochen interessant, weil sie wieder einmal das bestätigt, was Bertram Russel, der englische Philosoph, viel besser und anders formuliert hat. Sinngemäß hat er gesagt, dass Missverständnisse ganz wichtig für die Kommunikation seien. Ich denke, dass wir zu den beiden vorliegenden Anträgen sehr viel Unterschiedliches und nicht zu Vereinbarendes gehört haben. Gleichzeitig wurde mir beim Lesen der beiden Anträge wieder ins Bewusstsein gerufen, dass in der Agenda 21-Diskussion der letzten Jahre häufig eine Sprache verwendet wurde, mit der viele Menschen nichts anfangen können, und dass Begriffe wie „Nachhaltigkeit“ keine Aussage in sich tragen und daher häufig dazu geeignet sind, mehr zur Verwirrung als zur Klärung beizutragen.
Stellt man aber - wie im CDU-Antrag - in bester Schulmeisterart fest - ich zitiere -: „Im Schlussprotokoll der Rio-Konferenz sind in folgender Reihenfolge die Strategien genannt: 1. ökonomisches Wachstum, 2. ökologisches Gleichgewicht und 3. sozialer Fortschritt. Dieses auch in Schleswig-Holstein zu verankern und weiterzuentwickeln, muss nach einer langen Phase, in der die ‚Agenda 21’ fast ausschließlich mit ökologischen Zielsetzungen umgesetzt wurde, Vorrang haben“denke ich, liest man das Buch der Agenda 21 doch wohl eher wie der Teufel die Bibel.
Denn was folgt, sind Forderungen, mit denen sich der Schleswig-Holsteinische Landtag schon mehr als einmal beschäftigt hat. Sie sind nur ein bisschen anders zusammengestellt worden. Das ist richtig. Was bleibt, ist dennoch - das kann ich Ihnen nicht ersparen - der Geschmack von altem Wein in neuen Schläuchen. Unter Punkt 1 geht es um die Schaffung von „innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen“ für die Wirtschaft, unter Punkt 6 um die „Forschung und Entwicklung der Bio- und Gentechnologien“ und unter Punkt 10 - das ist aus der Sicht des SSW wirklich der Hammer - wird gefordert - ich zitiere -, „auch im Interesse nachfolgender Generationen grundsätzlich alle Optionen für die Nutzung sämtlicher verfügbarer Energieträger einschließlich der Kernenergie offen zu halten“.
Nun kann man demgegenüber natürlich einwenden, dass der Antrag vor dem Hintergrund des Johannesburger Gipfels, der Flutkatastrophe und der Bundestagswahl sowieso eher als ein historisches Dokument
zu betrachten ist. Mit anderen Worten: Wer die in Rio formulierte Tagesordnung für das 21. Jahrhundert ernst nimmt, muss zu dem Schluss kommen, dass das dort festgelegte Ziel, eine nachhaltige und umweltverträgliche Entwicklung in Gang zu setzen, um die Lebensgrundlagen der künftigen Generationen zu sichern, nur bei einer Gesamtbetrachtung ökonomischer, ökologischer, sozialer und globaler Aspekte zu erreichen ist. Wichtig ist hier das Wort „Gesamtbetrachtung“.
Die Agenda 21 wurde - das ist schon gesagt worden - 1992 von insgesamt 170 Staaten unterzeichnet. Nachdem mittlerweile zehn Jahre vergangen sind, folgte - das ist auch schon gesagt worden - der Rio+10-Gipfel im September in Johannesburg.
Ich teile die Auffassung des Kollegen Nabel, dass dieser Gipfel ein Gipfel der nachhaltigen Enttäuschung war. Deshalb muss man noch einmal sagen, worum es ging. Es ging um den Schutz der natürlichen Ressourcen, um die Verzahnung von Umweltschutz und Armutsbekämpfung, größere Nachhaltigkeitsbemühungen bei der Globalisierung und Stärkung von verantwortlichem Regieren und Bürgerbeteiligung. Darüber hinaus sollten die unterzeichnenden Länder ihre nationalen Nachhaltigkeitsstrategien präsentieren. Mehr als alles andere ging aber als Ergebnis des Gipfels hervor, dass der Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit und Agenda 21-Bewusstsein sehr, sehr steinig ist.
Die drei Eckpfeiler soziale Gerechtigkeit, Umweltverträglichkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit hat sich die Landesregierung als Leitbild für eine zukunftsfähige Entwicklung gesetzt und in einem interministeriellen Arbeitskreis Ziele und Zukunftsfelder definiert. Sie hat erkannt, dass Agenda 21 und Nachhaltigkeit in allen Bereichen und auf allen Ebenen definiert werden muss. Der Zwischenbericht der Landesregierung macht deutlich, dass zahlreiche Kommunen, Verbände und Organisationen in SchleswigHolstein seit Jahren die Ziele der Agenda 21 berücksichtigen.
Unter aktiver Beteiligung des Agenda-21-Büros der Umweltakademie des Landes werden die kommunalen Aktivitäten gebündelt und auch beraten. Für die hervorragende Arbeit, die dort geleistet wird, gebührt dem Agenda-21-Büro unser Dank.
von vornherein klar gewesen sein. Doch auch mit der Umsetzung auf lokaler Ebene hapert es. Die Ursache hierfür ist häufig in einem falsch verstandenen Ansatz zu sehen. So haben Nachhaltigkeitsstrategien im Sinne der Agenda 21 nichts mit Ökologie-Ismus zu tun. Sie sind aber auch etwas anderes als das, was der CDU-Antrag hineininterpretiert.
Eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie im Sinne der Agenda 21 beruht auf drei gleichberechtigten Säulen, wobei die eine nicht ohne die anderen betrachtet werden und schon gar keine Reihenfolge oder Rangfolge der einzelnen Ziele stattfinden darf.
Dem Zwischenbericht der Landesregierung ist auch zu entnehmen, dass es neben Erfolgen auch Fehlschläge gegeben hat und gibt. Es wird ausgeführt, dass es hinsichtlich der Breitenwirkung und der Verbindlichkeit der Nachhaltigkeitspolitik auch Defizite gibt. Darüber hinaus haben sich noch nicht alle wichtigen gesellschaftlichen Ebenen ausreichend der Umsetzung des Leitbildes der Nachhaltigkeit gewidmet.
Eine Übersicht über die schleswig-holsteinischen Kreise und Kommunen macht deutlich, dass hier noch einiges geleistet werden muss. Bisher haben neun von elf Kreisen, 21 von 57 kreisangehörigen Städten und etwa 22 von gut 1.100 Gemeinden einen Beschluss zur lokalen Agenda gefasst. Nebenbei bemerkt - das darf ich hervorheben -, dies gilt für Flensburg, Koldenbüttel und Harrislee.
Um aber die Akzeptanz auf kommunaler Ebene für die Agenda 21 zu erhöhen, muss noch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden. Da gibt es wirklich nichts schönzureden.
Mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt die Landesregierung unter anderem das Ziel, neue Impulse in allen gesellschaftlichen Bereichen zu geben. Im Dialog mit den Akteuren der Kommunen, der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Kirchen und der Verbände soll für eine aktive Mitarbeit am Projekt „Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein“ geworben werden. Jedoch hat sich in ersten Gesprächen herausgestellt, dass soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeitsstrategien nur schwer zu vermitteln und zu präzisieren sind. Aus diesem Grund wurden von der Landesregierung, wie gesagt, Leitbilder und Ziele für die drei Schwerpunkte „Zusammenleben“„Das Land nutzen“ und „Arbeit und Produzieren“ entwickelt. Aus der Sicht des SSW ist dabei begrüßenswert, dass es weniger um abstrakte Modelle als um praktische Ansätze gehen soll. Nur so wird es letztlich möglich sein, die Dis
Dass dies bereits erfolgreich geschieht, zeigen uns die vielen LSE-Projekte im Land, denn sie stehen auch für den Dreiklang der Agenda 21.
Der Wille, etwas zu bewegen, ist also nicht erloschen. Es müssen nur neue Konzepte erarbeitet und Wege gefunden werden, wie diese Ziele konkret umgesetzt werden können. Andersherum heißt dies aber auch, dass wir uns keine weiteren Einschnitte bei den LSEProjekten leisten können. Planungssicherheit ist in diesem Fall eine wesentliche vertrauensbildende Maßnahme. „Meinungen sind wie Grundstücke. Erstens sind sie zu teuer und zweitens kann man nicht immer darauf bauen“ sagt der Kabarettist Dieter Hildebrand. - Das kann es dann ja auch wohl nicht gewesen sein.
Mit dem Zwischenbericht hat die Landesregierung eine gute Grundlage für eine Nachhaltigkeitsstrategie auf Landesebene geschaffen. Dazu steht der SSW. Wir stehen auch dazu, dass dieser Bericht kontinuierlich fortgeführt und weiter entwickelt werden muss.
Nur so wird die Rechnung aufgehen und die Initiative „Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein“ die gewünschte Initialzündung für mehr Agenda-21-Bewusstsein auf allen Ebenen sein können. Wir unterstützen also - das will ich auch sagen - den sehr artigen Antrag der Regierungsfraktionen, der ebendieses fordert. Nicht zuletzt möchten wir uns für den Redebeitrag des Kollegen Nabel bedanken, weil er die erforderliche „Butter bei die Fische“ getan hat.