Protocol of the Session on June 20, 2002

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit meine ich nicht, dass wir uns so zu sagen in Sack und Asche kleiden sollen. Ich meine vielmehr, dass wir in der Pflicht stehen, besonders sorgfältig zu argumentieren, wenn es um unsere eigenen Bezüge geht.

Wie schwierig es ist, so eine Debatte öffentlich zu führen, ist uns in den letzten Wochen zur Genüge vor Augen geführt worden. Einerseits ist es so, dass die anstehende Strukturänderung des Abgeordnetengesetzes insgesamt zu einem überproportionalen Anstieg der Entschädigungen führen wird, und andererseits wissen wir alle, dass wir nicht in einem luftleeren Raum leben. Es war schon fast symbolhaft, dass der Finanzminister am gleichen Tag die Haushaltssperre verkündete, an dem der Landtagspräsident in einer Pressekonferenz den Diätenbericht vorstellte.

Dreh- und Angelpunkt aller Diätenanpassungen und damit auch jeder Strukturreform ist die Frage nach der Angemessenheit der Diäten. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könnte man sagen, dass Abgeordnete durch ihre Bezüge in eine Lage zu versetzen sind, die ihnen erlaubt, ihre Entscheidungen unabhängig und frei zu treffen und damit der Bedeutung demokratischer Willensbildung gerecht zu werden.

Daneben gebietet es das mittlerweile anerkannte „Berufsbild“ des Parlamentariers - das gibt es ja -, dass die Entschädigung die Lebensgrundlage der Politikerinnen und Politiker und ihrer Familien sichert und zwar in der Weise - das sagt das Bundesverfassungsgericht -, dass sie ohne Rücksicht auf etwaiges anderes Einkommen eine Lebensführung gestattet, die der Bedeutung des Abgeordnetenamtes entspricht. Gleichzeitig sollte die Entschädigung so gestaltet sein, dass es sich im wahrsten Sinne des Wortes - ich sage es wie der Herr Oppositionsführer - jeder „leisten“ kann, das Mandat wahrzunehmen. Es ist schon wünschenswert, dass sich in der Zusammensetzung des Parlaments auch die Zusammensetzung der Gesellschaft widerspiegelt.

Die Diätenkommission hat sich in ihren Empfehlungen darauf verständigt, die Richterbesoldungsgröße R 2 als Bezugsgröße für die „Angemessenheit“ der Zuwendungen zu wählen. Es ist richtig, dass die Anpassung der Grundentschädigung an die Richterbesoldung zu einer Erhöhung um über 40 % führen würde. Aber in der öffentlichen Debatte wird vielfach unterschlagen,

(Anke Spoorendonk)

dass zum einen sehr viele Abgeordnete ihre bisherigen Zulagen verlieren und mit der Erhöhung im Grunde netto dasselbe übrig haben werden wie bisher. Zum anderen ist der entscheidende Punkt, dass die Abgeordneten mit dieser Grunddiät in Zukunft auch die Altersversorgung selbst finanzieren sollen.

Die Diätenkommission hat dann auch darauf hingewiesen, dass ihr Vorschlag langfristig zu keiner höheren Belastung des Landeshaushaltes führen wird.

Mit der Einsetzung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe „Diätenreform“ im Frühjahr diesen Jahres fing die Arbeit des Parlaments in Sachen Novellierung des Abgeordnetengesetzes an. Diese Arbeit ist mit den vorliegenden Anträgen zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vorerst beendet. Nun greift das normale parlamentarische Verfahren und das ist auch gut so.

Der SSW steht zu dem von SPD, CDU, FDP und SSW eingebrachten Antrag. Die weiteren Verhandlungen im parlamentarischen Raum sollten auf der Grundlage diese Antrages geführt werden. Wir haben in den vorhergehenden Beratungen akzeptiert, dass in erster Linie von den beiden großen Fraktionen an dem Grundsatz festgehalten worden ist, dass kein Abgeordneter nach der Diätenreform schlechter dasteht als vorher. Gleichwohl sind wir auch offen dafür, die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Vorschlägen zur Regelung der Funktionszulagen mit zu diskutieren. Ich denke, das ist auch der redliche, der richtige Weg.

Dabei ist es für den SSW unabdingbar, dass der Landtag in dieser Legislaturperiode die Verkleinerung des Parlaments beschließt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Forderung ist aber nicht Teil unseres Diätenkonzeptes.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW] und vereinzelt bei der FDP)

Unsere Motivation ist hier nicht die Frage: Wie lässt sich Geld sparen? Vielmehr muss es aus Sicht des SSW auch dabei in erster Linie darum gehen, was für ein Land wie Schleswig-Holstein angemessen ist. Von daher ist es unserer Meinung nach auch nicht ganz redlich, wenn der Diätenvorschlag der Grünen eben wegen der Verknüpfung von Entschädigungsregelung und Verkleinerung des Landtages als besonders günstig dargestellt wird.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Aber eine schnelle!

Eine ganz schnelle Frage: Würden Sie bestätigen, Frau Spoorendonk, dass ein Gesetzentwurf der FDP zur Verkleinerung des Landtages auf 75 Abgeordnete seit zwei Jahren im Parlament liegt und dass sich die Grünen bisher aus Koalitionsreason dagegen ausgesprochen haben?

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wir haben uns nicht dage- gen ausgesprochen!)

- Ich bestätige, dass sich solch ein Gesetzentwurf in der parlamentarischen Beratung befindet.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben uns nicht dagegen ausgesprochen! Wir haben uns immer dafür ausgesprochen! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ihr habt doch die Mehrheit! Dann könnt ihr das doch beschließen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, würde man den Vorschlag des Landtagspräsidenten auf 75 Abgeordnete herunterrechnen, gäbe es keinen großen Unterschied zwischen den beiden vorliegenden Anträgen. Auch das darf man vielleicht noch einmal sagen.

Der SSW teilt die Auffassung der anderen Fraktionen, dass an der steuerfreien Pauschale festgehalten werden sollte. Zum einen hat dies mit dem Grundsatz zu tun, dass Abgeordnete gleich behandelt werden sollten; dies wäre nicht gewährleistet, wenn mandatsbedingte Aufwendungen steuerlich als Werbungskosten geltend gemacht werden sollten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU sowie Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Konrad Nabel [SPD])

Zum anderen haben auch wir Probleme damit, dass gegebenenfalls das Finanzamt entscheiden soll, was als mandatsbedingte Aufwendungen akzeptiert werden könnte und was nicht. Ein weiterer wichtiger Punkt aus unserer Sicht ist, dass das neue Abgeordnetengesetz eine Weiterzahlung der monatlichen Pauschalen für die Fahrten vom Wohnsitz zum Landtag trotz Krankheit künftig unterbindet. Da hätten wir uns et

(Anke Spoorendonk)

was anderes vorgestellt. Wir können aber mit diesem Kompromiss leben.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Für den SSW stand von vornherein fest, dass die geplante Diätenreform als Gesamtpaket betrachtet werden muss. Das heißt: Die Erhöhung der Diäten bei gleichzeitiger Abschaffung der meisten Zulagen muss im Zusammenhang mit der Neuregelung der Altersversorgung gesehen werden.

Da die Neuregelung der Altersversorgung nur über eine Änderung von Bundesgesetzen möglich ist, kann die Diätenreform erst in Kraft treten, wenn diese geändert sind.

(Konrad Nabel [SPD]: 2030!)

Die Menschen im Lande würden einen anderen Beschluss des Landtages nicht verstehen und akzeptieren.

(Widerspruch bei der SPD)

Für uns heißt das im Umkehrschluss, dass eine Umsetzung der Diätenreform erst mit der neuen Legislaturperiode erfolgen kann.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. - Damit meine ich natürlich auch, dass wir davon ausgehen, dass der Landtagspräsident in gewohnter Weise - bis zur Umsetzung dieser Diätenreform - seinen Bericht über die Anpassung der Entschädigungen vorträgt und dass das auch beschlossen wird.

Ich plädiere dafür, dass die Änderung des Abgeordnetengesetzes wirklich als Strukturänderung und nicht als Fortschreibung des bestehenden Systems betrachtet wird.

Mag sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir dann am Ende sagen: Gut, wir können nicht das erreichen, was wir wollen. Dann müssen wir aber ein ganz neues Paket schnüren.

(Glocke des Präsidenten)

Wir wollen eine echte Diätenreform und die lässt sich nicht übers Knie brechen.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Herr Abgeordnete Steenblock.

(Frauke Tengler [CDU]: Das kann er nicht wieder gut machen! - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meinungs- freiheit gilt doch auch in dieser Debatte! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Oh, Frau Heinold! Das Opfer!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube nicht, dass wir an dieser Stelle besonders aufgeregt diskutieren müssen. Gestatten Sie mir aber doch noch drei Richtigstellungen und eine Ergänzung.

Lieber Kollege Kubicki, ich will hier noch einmal deutlich zurückweisen, dass Sie versuchen, mich und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu diffamieren und in eine Ecke zu stellen, als würden wir populistisch agieren und sagen,

(Martin Kayenburg [CDU]: Natürlich!)

dass das Gehalt der Abgeordneten, wie es von der Diätenkommission und von der AG vorgeschlagen wird, zu hoch wäre. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Mit diesen Vorschlägen stimmen wir völlig überein.