Protocol of the Session on June 20, 2002

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Mit Ihrem System in dieser Form werden wir das nicht schaffen. Deswegen können wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Frau Abgeordnete Heinold das Wort.

(Martin Kayenburg [CDU]: Vielleicht kann sie etwas zum „eigenen Haushalt“ sagen!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Haushaltspolitikerin hätte ich mich an dieser Stelle ja gern zurückgehalten, aber, Herr Kayenburg, so viel an Falschdarstellungen, wie Sie innerhalb von drei Minuten geliefert haben,

(Thorsten Geißler [CDU]: Was?)

und so viel an Unverständnis für Schule kann und will ich hier so nicht stehen lassen. Beantworten Sie die Frage, wenn Sie Bayern so loben, ob Sie denn die sehr geringe Quote von Abiturienten, die es in Bayern gibt, auf Deutschland insgesamt übertragen wollen.

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Wobei wir im internationalen Vergleich hier schon schlecht dastehen! Wollen Sie das? Ist das Ihr Ziel?

Beantworten Sie die Frage, wenn Sie sagen, Autonomie der Schule, Geld an Schule, führt dazu, dass das Parlament keine Kontrolle mehr hat: Wollen Sie die Eigenständigkeit von Schule nicht? Wollen Sie keine Eigenverantwortung, kein ehrenamtliches Engagement von Eltern in der Schule und mit in der Verantwortung für Schule? Das heißt doch Autonomie, dass auch über Finanzen verfügt werden kann.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn Sie darüber reden, dass sich die Leistungsfähigkeit der Schulen sozusagen an der Frage festmacht, ob es das Sitzenbleiben gibt oder nicht, dann schauen Sie doch einmal nach Finnland. In Finnland ist es so, dass die Schulen günstiger sind - das sage ich dann auch als Haushaltspolitikerin -; das ist eine sehr günstige Lösung und sie sind leistungsfähiger.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist doch Un- sinn! Die Schüler-Lehrer-Quote ist dort 60 % besser! Das ist der Punkt!)

Finnland hat festgestellt, dass es sich ein dreigliedriges Schulsystem nicht leisten kann, und ist deshalb auf das Gesamtschulsystem umgestiegen.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: Eben wurde doch dargestellt, dass das Gesamtschulsystem gescheitert ist!)

(Monika Heinold)

Deshalb hat sich in Finnland -

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Einen Moment bitte! - Frau Abgeordnete Heinold hat das Wort. Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Ich nehme den pauschalen Vergleich zurück, dass ich gesagt habe, Finnland sei günstiger. Das stimmt so nicht. Finnland hat sich dafür entschieden, von dem dreigliedrigen Schulsystem auf Gesamtschulen umzusteigen, weil das für Finnland günstiger ist.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Sie haben nach 15 Jahren Praxis festgestellt - lesen Sie das doch einmal, informieren Sie sich doch einmal, Herr Kayenburg! -, dass es nicht nur günstiger ist, sondern dass es auch besser und leistungsfähiger ist und dass dort in diesem Flächenland alle Schüler dadurch eine große Chance haben.

Deshalb bitte ich herzlich um Differenzierung, gerade wenn es um den Leistungsgedanken geht.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das gilt auch für Bayern!)

Eine letzte Frage habe ich dann noch an die CDU und an die FDP. Ich weiß aus vielen Diskussionen über Privatschulen, über die Waldorfschulen, dass CDU und FDP diese erstens vehement unterstützen und zweitens, dass viele ihre Kinder dort haben. Wissen Sie, dass das Gesamtschulen sind?

(Martin Kayenburg [CDU]: Sicher!)

Das sind klassische Gesamtschulen, in denen alle Schülerinnen und Schüler praxisbezogen gemeinsam in altersgleichen Gruppen zusammen bleiben; dort gibt es gerade keine Differenzierung und gerade dies spricht für den Erfolg dieser Schulart.

(Zurufe der Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU] und Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Dann erklären Sie mir doch einmal, warum Sie das auf der einen Seite richtig finden, das aber auf der anderen Seite für unser staatliches Schulsystem als Teufelswerk bezeichnen.

Wenn Sie sich diesen Fragen stellen, dann können wir weiter gemeinsam über Schulpolitik diskutieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe der Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU] und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Mir liegt jetzt noch eine Wortmeldung nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor, und zwar von Herrn Abgeordneten Weber. - Frau Abgeordnete Eisenberg, Ihnen steht kein Wortbeitrag mehr zu, weil Sie schon nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung geredet haben.

Herr Abgeordneter Weber, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Versuch unternehmen, am Ende dieser Debatte, die in den letzten Minuten nicht so sehr viel zum eigentlichen Gegenstand der Antragsberatung beigetragen hat,

(Widerspruch bei der CDU)

aber nichtsdestotrotz erhellend war hinsichtlich des geistigen Zustandes der politischen Diskussion in dieser Frage,

(Lachen bei CDU und FDP)

einen Hinweis in aller Sachlichkeit zu geben - vielleicht kann man dem ja noch einmal mit einer gewissen Rationalität zuhören -: Ich fände es hilfreich, wenn wir die Bildungspolitik nicht nur auf der Folie von Pilgerreisen diskutieren würden - seien sie nach Finnland oder nach Bayern geführt!

Zweite Bemerkung: Vielleicht sollten wir uns doch noch einmal vor Augen führen, dass das deutsche Bildungssystem aus sehr unterschiedlichen Bestandteilen besteht.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Stimmt!)

Prof. Klemm hat erst vor kurzem in seiner Studie festgestellt, dass man auf Grund dieser Unterschiedlichkeit von mindestens elf verschiedenen Systemen sprechen müsse. Vielleicht ist es deshalb sinnvoll, sich einmal zu fragen wo die Stärken und Schwächen der verschiedenen Systeme liegen. Das ist besser, als sich immer nur gegenseitig seine Vorurteile an den Kopf zu werfen. Das schiene mir ein hilfreicheres Verfahren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Und nun ein letzter Hinweis. Natürlich kann man sich endlos Zahlen und Vergleiche um die Ohren hauen. Ich könnte darauf hinweisen, dass beispielsweise Berlin die Rekordzahl von fast 14 % Schulgänger ohne Ab

(Jürgen Weber)

schluss aufweist, dass es im Saarland die ältesten Lehrerkollegien in dieser Republik gibt und Bayern einen westeuropäischen Minusrekord bei den Abiturientenzahlen hat.

(Zurufe von der CDU)

In Sachsen gibt es den Niedrigstbeitrag pro Schüler und Kopf und in Nordrhein-Westfalen haben wir die niedrigste Pflichtstundenzahl für die Schüler.

(Anhaltende Zurufe der Abgeordneten Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Diese absurde Auflistung könnte ich noch weiter fortsetzen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)