Protocol of the Session on June 20, 2002

(Karl-Martin Hentschel)

interessant ist. Das ist etwas, was es früher gab, was aber heute nicht mehr gelernt wird. Wenn wir an diesem Punkt anknüpfen wollen, heißt das auch, dass wir in der Lehrerbildung und in der Frage, wie wir Schule gestalten, noch sehr viel dazu zu lernen haben. Ich sage nicht, dass dies das ideale System ist, welches wir alle übernehmen müssen. Ich sage aber eines: Wenn heute schon der Tenor in den Ausführungen aller Kultusminister - insbesondere aus der schwarzen Richtung, teilweise aber auch aus der anderen Richtung ist, wir dürften nichts am Schulsystem ändern, sondern wir müssten nur mehr Geld oder sonst etwas zur Verfügung stellen, dann sage ich: Das ist nicht die Konsequenz, die man aus der PISA-Studie ziehen kann.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. - Wenn man die Studie liest, muss das dazu führen, dass wir die Debatten vorurteilsfrei führen. - Wir müssen auch bereit sein, uns für neue Ideen zu öffnen. Wenn wir dazu nicht bereit sind, repetieren wir nur unsere Parteiprogramme von vor fünf Jahren, werden aber nicht die Probleme im Bildungsbereich in Deutschland lösen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort - ebenfalls nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung - hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, eine Feststellung muss getroffen werden: Das Paradies gibt es nur im Himmel, weder in Finnland noch anderswo.

(Zuruf der CDU: Auch nicht in Dänemark?)

- Dänemark fällt unter „anderswo“. - Ich bin der Ministerin dankbar dafür, dass sie über ihren Besuch in Finnland berichtet hat. Ich habe das Schulwesen in Finnland noch nicht kennen gelernt. Ich kenne aber das schwedische und auch das dänische Schulwesen ganz gut. Es ist richtig: Wenn man sich mit dem finnischen Schulsystem beschäftigt, wird man natürlich auch dort sehen, dass man nicht ohne weiteres nur Erfolge hat, dass man auch dort mit Problemen fertig werden muss. Ich kann hinzufügen, dass in der Zeit

schrift der dänischen Lehrergewerkschaft genau das hervorgehoben wurde, was auch die Ministerin anführte, nämlich dass das finnische Schulsystem sehr viel mit Vergleichstests, mit festen Lehrbuchsystemen und auch mit einer ganz festen Struktur arbeitet.

(Zuruf der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Das ist aber kein Widerspruch, Frau Kollegin Eisenberg. Das ist überhaupt kein Widerspruch. Ich sage nur, dass natürlich auch Finnland - wie alle Länder darauf achten muss, wie es mit seinen - oft auch begrenzten - Ressourcen klar kommt. Dass man dort gute Ergebnisse erzielt hat, belegt, wie ich denke, die PISA-Studie.

Damit bin ich bei dem, was mehrfach angeklungen ist, nämlich dass man woanders viel mehr Geld für den Bildungsbereich hat als bei uns. Ich kann anführen, dass man in Dänemark sehr viel Geld in Bildung investiert. Dort läuft im Moment eine Diskussion, ob dieses Geld optimal eingesetzt wird. Man diskutiert also darüber, wie man den Einsatz der Ressourcen optimieren kann. Geld alleine macht es aber auch nicht. Wenn wir vom SSW immer wieder hervorheben, dass das, was wir das Modell der ungeteilten Schule nennen, ein zukunftsträchtiges, zukunftsweisendes Modell ist liebe Kollegin Eisenberg, ich sagte es vorhin schon, aber Sie haben es anscheinend nicht ganz begriffen -, so tun wir dies, weil die Ressourcen, die zur Verfügung stehen, nicht für die Schulart, sondern für die Kinder und für den Unterricht von Schülerinnen und Schülern ausgegeben werden. Natürlich gibt es auch eine Binnendifferenzierung. Es ist ja eine Pointe, dass man das kann, schnell, unbürokratisch und wenn Defizite auftauchen, die beseitigt werden müssen.

Im Gegensatz zu dem, wie wir hier verfahren, wird also darauf geschaut: Was können wir konkret für einzelne Schüler tun? Weil man nur einen Schultyp hat, hat man von vornherein auch mehr Ressourcen zur Verfügung. Das ist wirklich Logik für Perlhühner.

(Heiterkeit und Beifall beim SSW)

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zur sechsjährigen Grundschule. Lieber Kollege Klug, das Geplänkel können wir nach der Landtagssitzung weiterführen. Mir ist die erwähnte Aussage des Max-PlanckInstituts nicht bekannt. Ich könnte natürlich flapsig hinzufügen: Ich glaube überhaupt nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe. - Natürlich muss man sich mit den Aussagen dieses Instituts auseinander setzen. Ich will aber auch hinzufügen: Leistung ist sehr viel mehr als nur gute Noten und nicht sitzen bleiben.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

(Anke Spoorendonk)

Lernpsychologisch betrachtet gehe ich jede Wette ein, dass ich noch mehr Gutachten und Stellungnahmen herbeischaffen kann, die belegen, dass eine Trennung nach der vierten Klasse wenig Sinn ergibt. Deshalb noch einmal unsere Aufforderung, dass dort, wo Eltern, Schule und Schulträger sich einig sind, doch wenigstens die Möglichkeit bestehen muss, dass man eine sechsjährige Grundschule bekommt. Es ist ja eine Tatsache, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Kinder in ihren Leistungen heute sehr viel weiter auseinander liegen als vor einigen Jahren. In einem Jahrgang gibt es heute sehr viel stärkere und auch sehr viel schwächere Kinder. Auch das muss berücksichtigt werden.

Zu den Erfahrungen der dänischen Schulen im Landesteil Schleswig will ich jetzt nichts mehr sagen. Man kann sich die Schulen anschauen. Die etwas unter der Gürtellinie angesiedelte Bemerkung über Schülerkostensätze und darüber, dass man sowohl von der öffentlichen Hand in Deutschland als auch aus Dänemark alles reichlich bekommt -

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme jetzt zum Schluss. - Ich will deutlich machen, lieber Kollege Klug, dass es im Bereich der dänischen Schulen in Südschleswig sehr viele kleine Schulen gibt.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das weiß ich ja!)

- Das wissen Sie ja. Deshalb war das eine etwas unlautere Bemerkung.

(Glocke der Präsidentin)

Bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz, Frau Abgeordnete.

Ich werde meinen letzten Satz formulieren. Dieser Vergleich mit einem Minderheitenschulwesen hinkt auf jeden Fall. Ich habe einen anderen Punkt angeführt; ich habe die Rückläuferproblematik angeführt und die ist auf jeden Fall vergleichbar.

(Beifall beim SSW)

Zu einem weiteren Wortbeitrag nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung hat sich der Herr Oppositionsführer gemeldet. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann ja verstehen, dass Frau Erdsiek-Rave ungern die PISA-E-Studie abwartet, aber eines kann man doch heute schon feststellen: Wenn die CDU/CSU-geführten Länder gesondert bewertet worden wären, lägen wir in dem Ranking der OECD viel besser, als wir dies bei der Gesamtbewertung tun.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Dies kann doch nur bedeuten, dass die Bildungspolitik in den SPD-geführten Ländern deutlich schlechter ist.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Übrigen, Frau Erdsiek-Rave, ist es mir lieber, wenn es keine verfasste Studentenschaft gibt, dafür aber eine anständige Hochschulpolitik. Auf einen vernünftigen Hochschulrahmenplan warten wir doch bis heute noch.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Und dann kann ich nur sagen: Herzlich willkommen im Boot! Wir haben doch gefordert, dass die Hauptschule mit einer entsprechenden Leistungsprüfung abgeschlossen werden soll,

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

wir haben Leistungskontrollen und Leistungswillen gefordert.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nichts begriffen! Hö- ren Sie doch wenigstens einmal zu!)

Nur, eines sollten Sie bitte auch zur Kenntnis nehmen: Wenn man keine Versetzungen macht, dann fordert man die Schüler auch nicht richtig, dann setzt man sie nicht der Leistungskontrolle aus, die sie selber wollen. Auch Kinder und Schüler wollen wissen, wo sie im Vergleich stehen.

Ein zweiter Punkt, der für mich wichtig ist! Wenn wir die Hauptschulen nicht in dieser Form führen, dann setzen wir die Schüler auch nicht den Forderungen aus, die später in ihrem beruflichen Leben, in ihrer Ausbildung an sie gestellt werden. Ich denke, dies ist ein ganz entscheidender Punkt, dass wir nämlich auch

(Martin Kayenburg)

aus diesem Grund Leistungskontrollen, die dann schließlich auch Versetzungen beinhalten, innerhalb der Schulsysteme, insbesondere innerhalb der Hauptschule, nach wie vor durchführen.

Frau Erdsiek-Rave: Herstellen von Sprachkompetenz! Natürlich wollen wir das. Aber dann schauen Sie doch nach Hessen, dann schauen Sie doch nach Bayern! Genau dort wird inzwischen Deutschunterricht als Pflichtstunde angeboten. Wir sind noch lange nicht so weit. Wir fordern das, statt verpflichtende Deutschkurse durchzuführen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Schließlich glaube ich, dass es hier im Hause nach wie vor am Konsens darin fehlt, dass wir klare Lernziele, dass wir anspruchsvolle Lernziele und realistische Lernziele brauchen und nicht die Kuschelpädagogik, die hier von Frau Birk wieder einmal aufs Tapet gebracht worden ist. Berufsmütter helfen uns da überhaupt nicht weiter. Wir müssen anständige Schulsysteme haben. Dann kommen wir auch ein Stück weiter.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nichts begriffen! - Zuruf des Abgeord- neten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Letztlich frage ich Sie: Was soll denn eigentlich der Antrag „Erweiterung der Eigenverantwortung der Schule“ mit dem Hinweis auf einen eigenen Haushalt? Das müssen Sie mir bitte noch einmal erklären. Wollen Sie dieses System der Kontrolle des Parlaments entziehen oder was steckt hinter dieser Forderung, dass Sie die bereitgestellten Landesmittel in einen eigenen Haushalt übertragen wollen? Dies genau würde nämlich zu Ihnen passen, dass Sie erneut eine Spielwiese schaffen, die überhaupt keine positiven Effekte auf die Schulbildung hat. Deswegen kann für uns nur die Konsequenz sein, dass wir das Bildungssystem in der Form verändern, dass es den Ansprüchen der Kinder, den Ansprüchen der Eltern, aber insbesondere den Ansprüchen, die später in der Berufsausbildung an die Kinder gestellt werden, gerecht wird.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])