Protocol of the Session on June 19, 2002

Durch den Zusammenschluss der bisherigen Fachkliniken Neustadt und Heiligenhafen entsteht die psychiatrium GRUPPE. Durch diese Zusammenlegung entsteht die Möglichkeit, die Krankenhausversorgung und die Pflege- und Behindertenangebote aus einer Hand optimal auszugestalten.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Ich möchte behaupten: Wir sind in Schleswig-Holstein mit der Diskussion der psychiatrischen Gesamtversorgung in die postideologische Phase eingetreten, wenn es um die Art der psychiatrischen Versorgung der Menschen geht. Es geht nicht mehr um den Gegensatz: große Fachklinik oder kleine, dezentrale Einrichtung. Alle Beteiligten befinden sich auf dem Weg zu der Erkenntnis, dass zukunftsweisend eine Kooperation verschiedener Einrichtungen und Träger ist, um das gemeinsame Ziel, die optimale Versorgung des psychisch kranken Menschen, zu verwirklichen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Fusion der Fachkliniken Neustadt und Heiligenhafen zur psychiatrium GRUPPE ist die Diskussion um den Erhalt der beiden Standorte beendet; die Sorge der Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze gerade in diesem strukturschwachen Landesteil hat auch ein Ende gefunden. Betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben; soziale Besitzstände bleiben gewahrt. Das finden wir gut so.

(Beifall bei der SPD)

Gemeinsam können die Fachkliniken bei der künftigen Entwicklung im Gesundheitswesen ihre Positionen einbringen, gemeinsam mit anderen ein neues soziales Netzwerk knüpfen. Dieses neue Netzwerk muss eine neue, eine bessere Qualität der Versorgung entwikkeln, Synergieeffekte nutzen und Kommunikation

(Siegrid Tenor-Alschausky)

untereinander verbessern - und dies alles nicht zum Selbstzweck, nicht nur zu dem Zweck der Einsparung von Kosten, sondern mit dem Ziel, die Versorgung psychisch Kranker zu verbessern. Denn gerade im Umgang mit den Hilfsbedürftigen, mit ihren Möglichkeiten der Teilhabe zeigt sich die Qualität einer sozial gerechten Gesellschaft.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir beantragen die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Kollegin Tenor-Alschausky, die zentrale Frage ist ja zunächst einmal, wo das „L“ in der Abkürzung eigentlich hin soll. Darüber haben wir jedenfalls geredet.

Zum vorgelegten Gesetzentwurf selbst. Dieser Gesetzentwurf zur Neuordnung der Fachkliniken soll die Fusion der seit Januar 1996 selbstständigen früheren Landeskrankenhäuser Neustadt und Heiligenhafen zum 1. Januar 2003 festschreiben. Aus der Fusion der beiden Fachkliniken soll dann die so genannte psychiatrium Gruppe entstehen. Mit der Fusion erhofft sich die Landesregierung - das hat die Ministerin dargestellt -, dass es insbesondere in der Region Ostholstein zu einer Bündelung der vorhandenen Kapazitäten kommt, ohne dass die vorhandenen Standorte davon berührt werden. Durch eine gemeinsame Verwaltung sollen Kräfte gebündelt werden; die dadurch erwarteten Synergieeffekte sollen längerfristig zu einer Kostensenkung und dem Aufbau von wirtschaftlicheren Betriebsstrukturen führen. Dabei wird davon ausgegangen, dass mit der Fusion sowohl die Krankenhausversorgung als auch die Pflege- und Behindertenangebote aus einer Hand ermöglicht werden können. So weit, so gut. Diesen Prozess würden wir sicherlich mittragen und unterstützen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Allerdings ist eine erste Lesung ja auch dazu da, einige kritische Anmerkungen anzubringen. Die will ich gern hier vortragen.

Der vorgelegte Gesetzentwurf regelt nämlich zunächst einmal nur die reine Abwicklung der Fusion, den Zusammenschluss, den Übergang von Organen, Gremien und Arbeitsverträgen. Weiter gehende Regelungen

sind nicht erfolgt. Welche weiteren Ziele durch diese Fusion der Kliniken erreicht werden sollen, sind dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht zu entnehmen. Dabei sollte man hier durchaus einmal die Frage stellen, welchen konkreten Nutzen die psychiatrium GRUPPE von dieser Fusion hat, wenn in der Begründung des Gesetzentwurfes bereits die direkten und indirekten Fusionskosten angesprochen werden.

Mit dem rechtlichen Zusammenschluss der beiden Fachkliniken werden zunächst einmal rund 250.000 € Grunderwerbsteuer fällig. Gleichzeitig steigt der für die Fusion notwendige Verwaltungsaufwand an beiden Standorten, ohne dass es zunächst zu Einsparungseffekten kommt. Zwar ist mittelfristig gerade im Verwaltungsbereich mit einer Abnahme des Aufwandes zu rechnen. Dennoch können viele Verwaltungsstrukturen nicht an einem Standort gebündelt werden; eine Kostenersparnis ist deshalb bisher auch nicht bezifferbar. Da frage ich mich schon, wo die hier vermuteten Synergieeffekte eigentlich entstehen sollen. Darüber hinaus muss die zu zahlende Grunderwerbsteuer von der psychiatrium GRUPPE erwirtschaftet werden, obwohl sich ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfes an der Aufgabenstellung durch die faktische Fusion letztlich gar nichts ändert.

Ich frage ganz vorsichtig, ob die Annahme nicht zu optimistisch ist, dass durch die Schaffung einer neuen Rechtsform wirtschaftlich vorteilhafte Effekte erzielt werden können - und das alles ohne - das zu erwähnen gehört auch zu einer ehrlichen Debatte - wirklich in die Substanz beider Standorte einzugreifen.

Wenn bis zum Jahr 2005 in Schleswig-Holstein 20 % der vollstationären psychiatrischen Basisleistungen durch teilstationäre Tageskliniken ersetzt werden sollen und gleichzeitig eine Dezentralisierung der Angebote notwendig ist, muss man hier die Frage stellen dürfen, welche Auswirkungen dies auf das künftige Angebot der psychatrium GRUPPE tatsächlich hat.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP] und Werner Kalinka [CDU])

Inwieweit hier eine Weiterentwicklung der psychatrium GRUPPE insbesondere zur Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit ermöglicht werden soll, ist aus dem Gesetzentwurf so nämlich nicht recht ersichtlich. Dies sollte dann aber vor dem Hintergrund, dass beispielsweise eine gemeinsame Trägergesellschaft der psychatrium GRUPPE mit den Universitätskliniken und den freien Trägern in den Städten Kiel und Lübeck nicht zustande zu kommen scheint, geklärt werden, und zwar vorher.

(Dr. Heiner Garg)

Inwieweit konkretere Fristenregelungen für die Organe der psychatrium GRUPPE in der Übergangszeit im Gesetzentwurf festgehalten werden sollten und weshalb nur die standortübergreifenden Geschäftsbereiche Behandeln, Pflegen und Eingliedern das Direktorium bilden, sollte neben den bereits angesprochenen Fragen ebenfalls im Ausschuss erörtert werden.

Frau Ministerin, ich will Ihnen aber auch zusagen, dass wir uns an den Ausschussberatungen konstruktiv beteiligen und das Gesetz, wenn diese Fragen beantwortet sind, im Endeffekt möglicherweise mit entsprechenden Änderungen mittragen werden.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Birk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Psychisch kranke Menschen wollen Hilfe vor Ort. Die Dezentralisierung der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung muss deshalb weitergehen. Unter diesem Kriterium prüfen wir auch den hier vorliegenden Gesetzentwurf.

Der Fachklinikzusammenschluss der Einrichtungen in Neustadt und Heiligenhafen ist nach langen Verhandlungen endlich Konsens. Ziel ist es, einerseits Verwaltungsressourcen zu sparen. Ich bin Herrn Garg sehr dankbar für die Ausführungen hierzu, denn sie umfassten auch Fragestellungen, die wir verfolgen. Wir wollen ja nicht nur auf dem Papier eine neue Einheit, sondern wir wollen wissen, wie viel Ressourcen im Land zukünftig für tagesklinische Angebote tatsächlich zur Verfügung stehen - hier müssen wir ja mehr tun - und was das dann an Synergieeffekten für die stationären Einrichtungen bedeutet. Denn wichtig ist für die Hilfe Suchenden, dass sie ein dezentrales, flexibles und differenziertes Angebot möglichst wohnortnah erhalten.

Beruhigend für die Beschäftigten der nunmehr vergrößerten Klinik unter dem Namen „psychatrium“ ist natürlich erst einmal: An ihren Rechten soll sich nichts verändern, jedenfalls nichts, was Einschränkungen bedeutet. Aber es ist klar: Die Patientinnen und Patienten stehen für uns an erster Stelle. Wir können hier natürlich nicht, nur um für Beschäftigte Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten, falsche Entscheidungen treffen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der vorgelegte Entwurf - das darf ich in aller Offenheit sagen, Frau Moser - ist auf jeden Fall besser als

die zwischenzeitlich anvisierte Lösung einer GroßGmbH, bei der auch die „Brücke“ und die neu zu schaffende Uniklinik Schleswig-Holstein in einer gemeinsamen Trägerschaft mit Neustadt und Heiligenhafen gestanden hätten. Von einer solchen Monopoleinrichtung hätten wir doch die Gefahr der Nivellierung unterschiedlicher Trägerkonzepte zulasten der „Brücke“ gesehen. Deshalb sind wir froh darüber, dass dieses Konzept nicht mehr aktuell ist. Das heißt nicht, dass wir uns grundsätzlich einer GmbH-Lösung verschließen, sondern nur die vorher anvisierte Lösung hat uns skeptisch gemacht.

Nun möchten wir aber doch zu der lange diskutierten Veränderung und Dezentralisierung an dieser Stelle Ausführungen machen. Einmal erwarte ich - und das nicht nur als Lübecker Abgeordnete -, dass endlich von Neustadt nach Lübeck 60 Betten verlagert werden, wie dies die Fachleute vor Ort schon lange - vom Gesundheitsamt, von den Kliniken in Lübeck - fordern. Es ist einfach nicht einzusehen, dass ein so großes Defizit in der zweitgrößten und Hansestadt vorhanden ist.

Wir freuen uns darüber, dass in Oldenburg die Tagesklinik auch unter der Federführung der psychatrium GRUPPE in Bau ist, und wir warten mit Ungeduld, dass endlich auch in Kiel ein angemessenes Angebot erfolgt. Hier ist von etwa 100 Betten die Rede, die fehlen. Die Struktur, in Neustadt und Heiligenhafen Betten für Patientinnen und Patienten aus dem Lübekker und Kieler Raum vorzuhalten, ist einfach nicht mehr up to date.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jürgen Weber [SPD])

Wir erwarten, dass die Stadt Kiel endlich ihrem Auftrag nachkommt, als Kommune ortsnah Hilfe anzubieten. Das heißt, dass der offensichtlich immer noch schwelende Streit zwischen Uniklinik und städtischen Krankenanstalten der psychatrium GRUPPE so oder so entschieden werden muss.

Wir erwarten, dass die neuen Strukturen genutzt werden, um auch konzeptionell neue Wege zu gehen. Wir sind - das hat die Vorrednerin der SPD hier deutlich ausgeführt -, gerade was die Mitsprache der Patientinnen und Patienten angeht, im Gesetz sehr weit. Frau Tenor-Alschausky hat darauf hingewiesen, was das konkret bedeutet. Wir möchten aber auch gern wissen, wie sich das in den neuen Konzepten niederschlägt.

Wir haben von der Initiative der PsychiatrieErfahrenen und vom Deutschen Paritätischen Wohlverfahrtsverband mit der Initiative für eine Beschwerdestelle konkrete Vorschläge, die in einem solchen

(Angelika Birk)

Gesetzentwurf zwar nichts zu suchen haben, aber wenn es darum geht zu überlegen, wie Mitsprachemöglichkeiten konkret verbessert werden können und wie die Leitungsstruktur einer so großen Klinik aussehen muss, um auch diesem Anliegen Rechnung zu tragen, sind wir gut beraten, uns im Ausschuss nach dem aktuellen Sachstand zu erkundigen.

Wir begrüßen also den nächsten Schritt, der hier vorgeschlagen wird. Wir haben inhaltliche Fragen. Zum Teil sind sie von der FDP vorgetragen worden, zum Teil habe ich sie ergänzt. Wir hoffen, dass wir zu einer sachgerechten Anhörung kommen. Ich glaube, es ist bei einem solchen Schritt sinnvoll, auch wenn wir uns im Grundsatz einig sind, Betroffene noch einmal zu hören. Wir sehen einer Fusion, der wir im Grundsatz positiv gegenüberstehen, in Kürze entgegen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Hinrichsen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nichts repräsentiert die Entwicklung der modernen Psychiatrie mehr als die Abwendung von den großen psychiatrischen Krankenhäusern. Von einer Irrenanstalt, die nicht ganz zu Unrecht mit Gummizellen, Zwangsjakken und Beruhigungsspritzen verbunden wurde, hat sich die Psychiatrie langsam, aber sicher zu einer gemeindenahen, individuellen therapeutischen und sozialen Psychiatrie gewandelt. Eine logische Folge der Dezentralisierung der Psychiatrie ist aber, dass die zentralen Kliniken mit ihren großen Bereichen geschrumpft sind und wohl auch weiter schrumpfen werden. Diese Entwicklung ist in diesem Zusammenhang in Ordnung.

Sie hat natürlich Folgen für die Kliniken und ihre Angestellten, die auch berücksichtigt werden müssen. Zudem ist es nicht sinnvoll, alle Patientinnen und Patienten dezentral zu behandeln. Deshalb geht es für uns auch darum, den früheren Landeskrankenhäusern ordentliche Rahmenbedingungen für ihre weitere Existenz zu sichern. Dazu gehört, dass die Fachkliniken strukturell so eingerichtet werden, dass sie wirtschaftlich und effektiv arbeiten können. Dies war schon der Sinn des Fachklinikgesetzes und eben dies nach unserer Ansicht auch Sinn des vorliegenden Gesetzentwurfs.

Die Kliniken in Neustadt und Heiligenhafen werden in der psychatrium GRUPPE zusammengelegt, um besser

für neue Herausforderungen gerüstet zu sein, und das unterstützen wir.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] - Unruhe)