Es ist richtig und notwendig, die Diskussion um die Notwendigkeit einer größeren Kinder- und Familiengerechtigkeit nicht nur an materiellen Ausgleichsleistungen entlang zu führen - dies gerade in einer Zeit, in der Sprachlosigkeit im Miteinander zu konstatieren ist, in der Kinder und Jugendliche Gewalt als alltägliche Konfliktlösung erleben und akzeptieren. Das partnerschaftliche Zusammenleben in Familie, Beruf und Gesellschaft ist konstituierend für eine zukunftsfähige Gesellschaft und muss Vorbild für Kinder und Jugendliche sein.
Die Kultur des Aufwachsens muss die notwendigen Instrumente und Fähigkeiten vermitteln, die für den Fortbestand der demokratischen Zivilgesellschaft unabdingbar sind. Wertevermittlung, eine altertümlich anmutende Wortwahl, aber keine überholte Notwendigkeit!
In den Familien, in den Schulen, in den Jugendhilfeeinrichtungen, überall in der Gesellschaft ist die Kultur des Aufwachsens zu gestalten, sind notwendige Konsequenzen zu vermitteln. Aber der eigentliche Ort, an dem Verantwortung ganz ursprünglich, ganz unmittelbar gelehrt und gelernt wird, ist die Familie.
Insofern hoffe ich auf eine Debatte im Ausschuss, mit der vielleicht - gestatten Sie mir diese Aussage - ernsthaft die Diskussion mit Ihnen geführt werden kann. Ich glaube, dass die Debatte um Familie als der Ort der Verantwortlichkeit füreinander nicht in Wahlkampfreden stecken bleiben darf.
- Ich meine damit niemanden konkret, sehr geehrte Frau Abgeordnete. Das steht mir gar nicht zu. Ich meine das als ein persönliches Angebot auch an Sie. Denn wir in der Landesregierung sind bereit zu einer solchen ernsthaften, sich an konkreten Maßnahmen, vielleicht aber auch an theoretischen Modellen orientierende Debatte. Eine solche Debatte - ich wiederhole das - darf eben nicht in Wahlkampfauseinandersetzungen münden, die ich sehr begrüße, die ich hier persönlich nicht führen kann und die ich nicht als überflüssig betrachte. Aber gerade die Debatte um die Familienpolitik sollte im Ausschuss geführt werden und anknüpfen an die ernsthafte Debatte, die beispielsweise im letzten Sommer auch mit Vertretern der CDU geführt werden konnte, nämlich um einen ganz modernen
familienpolitischen Ansatz zum Ehegattensplitting. Jetzt habe ich manchmal den Eindruck, dass der konservative Ansatz mit einem schleichenden „Frauen zurück an den Herd“ verbunden wird, getarnt als Familiengeld. Damit werden wir das Problem nicht lösen.
Es könnte sich durchaus - erlauben Sie mir das als abschließenden Satz - als Falle für die Frauen herausstellen. Hier sollten wir sehr aufpassen. Gesellschaftliche Teilhabe und die Möglichkeit, für sich selbst zu sorgen - beides muss möglich sein -, werden von den Frauen eingefordert und sie lassen sich diesen Anspruch auf ein selbstständiges Leben nicht durch solche Geldangebote abkaufen. Aber das können wir im Ausschuss weiter diskutieren.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, die Anträge dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann gebe ich zur Beantwortung der Großen Anfrage dem Innenminister das Wort. Herr Minister Buß, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl das Innenministerium im Rahmen der Verwaltungsvereinfachung keine statistischen Angaben zu Bürgerbegehren und Bürgerbescheide erfasst und auch die Gemeinden und kommunalen Aufsichtsbehörden dazu nicht verpflichtet sind, lege ich Ihnen heute umfangreiches und mit viel Akribie zusammengetragenes Zahlenmaterial vor.
Deshalb - das erlaube ich mir ganz einfach - geht mein ganz besonderer Dank an alle die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kommunalabteilung in meinem Haus und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Städten, Gemeinden, Ämtern und Kreisen unseres Landes, die sich aufgrund der Großen Anfrage der
Grünen sehr viel Mühe gegeben haben, um trotz dieser Datenlage möglichst viele politisch bewertbare Daten und viel bewertbares Material zusammenzutragen.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Klaus Schlie [CDU])
Es liegt nun an Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordnete, aus dem vorliegenden Material Ihre politischen Schlussfolgerungen zu ziehen. Für diese Beratung wünsche ich Ihnen viel Erfolg.
Ich eröffne die Aussprache. Ich gebe der Vertreterin der antragstellenden Fraktion, der Frau Abgeordneten Fröhlich, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So ganz einfach war es nicht, diese Antwort auf die Große Anfrage auf den Weg zu bringen. Wir hätten uns gewünscht, wir hätten sie schon ein bisschen früher bekommen können, um sie noch in die Diskussion über die Kommunalverfassung mit einbeziehen zu können. Aber ich denke auch, dass durch diese Beantwortung erst einmal ein Einstieg gefunden worden ist und dass man sich wirklich - das sollte dann eigentlich auch eine meiner ersten Schlussfolgerungen sein - etwas intensiver mit dem Instrument Bürgerbegehren und Bürgerentscheid beschäftigen sollte, wenn wir denn diese Instrumente der direkten Demokratie ernst nehmen wollen und wenn wir sie vor allen Dingen auch weiterentwickeln wollen. Unser eigenes Volksabstimmungsgesetz auf Landesebene lässt uns ja auch über manches immer wieder neu nachdenken und wir werden auch manches noch verändern müssen; wir sind ja mitten dabei.
Trotzdem gebe ich zu, dass mich die Lektüre dieser Antwort auch etwas ratlos gemacht hat, weil natürlich eine solche Zusammenstellung von Zahlen und Fakten in einem so unterschiedlichen und manchmal auch nicht leicht zu gewichtenden Maß einen eher ratlos lässt und man nicht so richtig weiß, was man daraus folgern soll.
Aber ich will einmal versuchen, Ihnen darzustellen, welche Erkenntnisse wir daraus gewonnen haben. Nach der Lektüre dieser Antwort lässt sich jedenfalls eine positive und eine negative Schlussfolgerung ziehen. Positiv ist, dass wir mit diesem Bericht überhaupt erst einmal Zahlenmaterial über Erfahrungen mit der
direkten Demokratie auf kommunaler Ebene vorliegen haben. Übrigens entscheiden sich andere Bundesländer auch unter dem Stichwort Verwaltungsvereinfachung durchaus anders. Aus Nordrhein-Westfalen gab es zum Beispiel einen umfangreichen Bericht über Bürgerentscheide und Bürgerbegehren. Das fand ich sehr hilfreich.
Nicht so gut ist allerdings - das ist dann das Negative -, dass sich die Beantwortung der Großen Anfrage schwierig gestaltete - der Minister hat es dargestellt -, weil eben nicht regelmäßig Buch über das geführt wird, was sich in Schleswig-Holstein in diesem Bereich tut.
Das gilt allerdings zum Teil auch für andere Bundesländer. Es wäre auch durchaus interessant, deren Erfahrungen mit auszuwerten; denn obwohl sich insgesamt eine positive Bilanz nach zwölf Jahren Bürgerbegehren und Bürgerentscheid ziehen lässt, gilt auch hier - wie so oft im Leben -: Nichts ist so gut, als dass es nicht noch verbessert werden könnte.
Ganz besonders trifft das auf die Regelung für das erforderliche Unterstützungsquorum zu. Leider hat die Antwort die schon oft vorgetragene Klage untermauert, dass es in größeren Städten übermäßig schwer ist, das Quorum für ein Bürgerbegehren zu erreichen, weil einfach die absolute Zahl an erforderlichen Unterschriften sehr hoch ist. Wir haben daher wie die CDUFraktion auch ein abgestuftes Quorum für das Bürgerbegehren angestrebt, konnten uns damit aber leider das kann man ja auch ruhig offen sagen - nicht durchsetzen. Das ist bedauerlich, aber manchmal schafft man es halt nicht.
Die direkte Demokratie ist in Deutschland noch relativ jung. Auf Kommunal- und Landesebene können wir schon Erfahrungen auswerten. Wir tun das auch. Auf Bundesebene wird aktuell noch relativ heftig über das Für und Wider debattiert. Auch die schon einigermaßen etablierte direkte Demokratie auf kommunaler Ebene sollte aus unserer Sicht ständig weiterentwickelt werden. Insofern habe ich mit großem Interesse gelesen, welche Themen die Bürberbegehren zum Inhalt hatten. Es fällt auf, dass es in erster Linie die Gestaltung des öffentlichen Raums und die gemeindlichen Einrichtungen sind, die Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein können - also klassische kommunale Selbstverwaltungsaufgaben. Daher wäre es unserer Ansicht nach an der Zeit, auch Bürgerbegehren über Bauleitplanung, die klassischste der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben, zuzulassen. Das wäre ein Zeichen dafür, dass wir es ernst meinen mit der Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger. Leider stehen wir auch mit dieser Auffassung relativ allein auf weiter Flur.
Dabei zeigt ja die Praxis in anderen Bundesländern, dass es nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein muss.
Bayern als Spitzenreiter der direkten Demokratie überhaupt lässt das zu. Doch, sehr wohl, Herr Eichstädt, unter bestimmten Bedingungen. Das weiß ich sehr wohl.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns doch regelmäßig anschauen, was sich in diesem Bereich in den Gemeinden tut. Ich rege eine regelmäßige Erfassung und Berichterstattung über die Bürgerbegehren und Bürgerentscheide an und werde dieses Anliegen konkretisiert auch noch einmal an geeigneter Stelle vorbringen.
Im Gegensatz zu den vielen Statistiken, die wir nun wirklich nicht brauchen - ich will sie hier gar nicht im Einzelnen nennen; darüber könnte man sich lange unterhalten -, wäre hier eine regelmäßige Erfassung sinnvoll, damit wir als Gesetzgeber auch beobachten können, wo Veränderungsbedarf besteht.
Kurzum: Ich denke, diese Große Anfrage war überfällig. Übrigens, meine sehr geehrten Damen und Herren, finde ich auch, dass es uns als Volksvertreterinnen und Volksvertreter in diesem unseren schönen Land ganz gut zu Gesicht steht, uns mit den Themen von Bürgerentscheiden und Bürgerbegehren auch landesweit zu beschäftigen - nicht nur als jeweilige Abgeordnete oder jeweiliger Abgeordneter eines bestimmten Kreises oder eines bestimmten Ortes, wo man das natürlich mitkriegt. Ich könnte viel über die Krankenhausentscheidung in Nordfriesland reden, ich könnte auch viel über das reden, was dort zurzeit in Sachen MVA tobt, wo man sich fragt, ob man dort nicht vielleicht auch ein Bürgerbegehren machen kann. Darüber kann ich ja viel reden. Aber darum geht es mir nicht. Es geht mir darum, dass wir auch ein Bild davon kriegen, was Bürgerinnen und Bürger in ihrem häuslichen Bereich wirklich beschäftigt. Dazu wäre eine solche Berichterstattung durchaus sinnvoll. Das muss ja nicht jeden Tag und jedes Jahr passieren, aber einmal in der Legislaturperiode - so glaube ich - wäre das nicht zu viel verlangt.
Zum Schluss möchte ich noch eine Bemerkung zu einer Aussage in der Antwort machen, die ich sehr interessant fand. Die Bürgerentscheide gegen Beschlüsse der Gemeindevertretung wirken sich tenden
Den Gemeindevertretungen werden offenbar häufig kostenintensive Beschlüsse wieder weggestimmt. Jedenfalls kann von Unmäßigkeit der Bürgerinnen und Bürger keine Rede sein.
Vielleicht sollten wir diese Erkenntnis mitnehmen, wenn wir das nächste Mal über Direktdemokratie auf Landesebene sprechen.