Die Jubelmeldung, „unsere Wirtschaft ist im vergangenen Jahr so stark gewachsen wie in keinem Bundesland“, ist ein typisches Beispiel. Keiner von uns wird vergessen haben, dass Schleswig-Holstein 1998 an vorletzter Stelle stand und auch das Wirtschaftswachstum 1999 nur den so ungeliebten Kernkraftwerken zu verdanken ist.
Das Aufzählen von Vorhaben und deren Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung unseres Landes ist wichtig und gut. Viele Ansätze sind wirklich pragmatisch definiert. Es decken sich zwar mittlerweile die meisten Projekte mit den Projekten, die CDU und F.D.P. in den letzten Jahren vorgetragen haben,
es stellt sich aber die Frage nach der Umsetzbarkeit. Wir haben Zweifel, ob wir das wirklich umsetzen können. Zum einen macht Ihr grüner Partner die Sache etwas beschwerlich, wenn man liest, was er in letzter Zeit in den Medien hervorgebracht hat. Wir haben Zweifel daran, ob die Infrastrukturmaßnahmen, die für unser Land so wichtig sind, entsprechend zeitgemäß vorangetrieben werden können.
Zweitens wird immer wieder behauptet, bezüglich der wichtigen Infrastrukturmaßnahmen sei alles geregelt und finanziert. Meine Damen und Herren, rechtsverbindliche, einklagbare Zusagen habe ich bisher nicht gesehen - es sei denn, einige Bewilligungsbescheide sind an uns vorbei gegangen.
- Herr Kubicki, Sie haben völlig Recht. Ich erinnere mich noch daran, dass wir vor einem halben Jahr bei dem Hinweis auf wichtige Verkehrsprojekte ausgelacht wurden mit dem Bemerken, dass der Bundesverkehrswegeplan total unterfinanziert sei. Jetzt erhalten wir mittlerweile Listen, die noch weiter als früher gehen, obwohl wir weniger Geld zur Verfügung haben.
- Das ist Verzögerungstaktik als eine Zielsetzung der Grünen. Vor der nächsten Bundestagswahl werden wir keinen verabschiedeten Bundesverkehrswegeplan haben. Davon gehen wir mittlerweile wohl alle aus. Auch das Anti-Stau-Programm, das wir als festen Punkt sehen, wird erst nach der nächsten Bundestagswahl zur Verfügung stehen. Wir haben also praktisch nichts in der Hand, aber gute Ziele definiert. Das muss man sagen.
Lassen Sie mich hierzu einige Punkte ansprechen. Der Finanzierungsvorbehalt und die Priorität der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ werden in Zukunft bleiben. Ich sehe, dass gar nicht mehr so viel Geld übrig bleibt. Wir müssen dann zusehen, die Prioritäten so zu setzen, dass wenigstens ein Projekt oder zwei Projekte für Schleswig-Holstein dabei herauskommen.
Ich bewundere den Mut von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hinsichtlich ihrer Terminzusagen zum Baubeginn, denn denen stehen Presseberichte der Grünen heftig entgegen. Allein beim Bau der A 20 habe ich echte Probleme, wenn ich die Aussagen des neuen Ministers Müller höre, der sich auf „kryptische Formulierungen“ im Koalitionsvertrag beruft. Ich habe Zweifel an der Realisierbarkeit.
Herr Hentschel, dass Sie mehr Priorität auf den zweigleisigen Ausbau der Strecke Neumünster - Bad Segeberg setzen, heißt für mich, dass Sie lieber an den richtigen Knackpunkten Elmshorn - Pinneberg vorbei reden wollen und weitere zehn Jahre ins Land gehen müssen.
Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen, die Häfen. Reden Sie doch wirklich einmal mit den Abgeordneten in den Ländern! Sie besuchen ja so häufig Dänemark und Schweden. Die haben nicht mehr den rechten Glauben an das Vorangehen in der Verkehrspolitik in Deutschland und in Schleswig-Holstein. Sie legen mehr Kraft in den Ausbau von Esbjerg und sagen, „wir verladen lieber unsere Container in Esbjerg und bringen sie zu den ARA-Ports.“ Da wischt sich Hamburg auch noch die Nase.
Reden Sie doch mit ihnen. Finnische und schwedische Firmen konzentrieren sich mittlerweile, um künftig ihre mitteleuropäischen Märkte zu erreichen, auf preiswerte Fährdienste nach Rostock und Mukran dort gibt es genügend Autobahnanschlüsse - sowie auf die Kooperation mit dem Hafen Stettin, der zurzeit mit gewaltigen EU-Mitteln ausgebaut wird. Es werden die Verkehrsströme verlegt, nämlich an SchleswigHolstein vorbei. Da fragt man sich wirklich, wie sich die Fehmarnbelt-Querung, auf die wir so angewiesen sind, in Zukunft noch rechnen soll.
Beim Flugverkehr erwarten wir so viel von Kiel und Blankensee, insbesondere wenn die A 20 gebaut sein wird. Aber auch dort hat sich der neue Umweltminister sehr deutlich geäußert, als er sagte, für ein neues Abfertigungshäuschen in Kiel möge es noch genügen, aber für etwas anderes könne er sich nicht erwärmen. Also weiß man auch dort, was zu erwarten ist.
Wenn Probleme mit der Fehmarnbelt-Querung auftauchen, gibt es natürlich erst recht Probleme mit der Elektrifizierung der für uns so wichtigen Eisenbahnstrecke Hamburg - Lübeck. Das ist ganz klar, denn Minister Klimmt hat das aneinander gekoppelt. Ohne Fehmarnbelt-Querung kann es mit der Elektrifizierung auch nichts werden. Die Kopplung war ja eindeutig. Ihr ist nicht widersprochen worden, auch nicht von Herrn Klimmt.
Interessant war für uns allerdings zu lesen, dass sich der Minister getraut hat auszudrücken, was wir schon seit Jahren fordern, nämlich dass die A 7 sechsspurig ausgebaut werden solle, wenn auch erst im unteren Stück, genauso die A 23. Das ist eine realistische Einschätzung. Da freuen wir uns, dass er das eingesehen hat.
Ich möchte jetzt auf den Export eingehen. Eine Exportquote von 30 % ist an und für sich nicht schlecht. Es ist richtig, dass das die Leistung von SPD und Grünen ist.
Wenn man allerdings die Euro-Dollar-Parität so übel dastehen lässt, dass man die Waren um ein Drittel billiger auf den Märkten verkaufen kann, muss ich
dazu sagen: Das hat gut hingehauen. Aber die mittelständische Wirtschaft in Schleswig-Holstein hat davon überhaupt nichts gehabt, abgesehen von einigen Großfirmen.
Ich möchte nunmehr die Wirtschaftsförderungspolitik ansprechen. Es wird immer behauptet, dass der große Strukturwandel von der verarbeitenden Industrie hin zum Dienstleistungssektor vollzogen worden sei. Dabei werden die starken Steigerungen in den Bereichen der modernen Informations-, Bio- und Medizintechnologien hervorgehoben. Wenn man die Zahlen seit 1985 und insbesondere seit den letzten zehn Jahren analysiert, stellt man fest, dass ein Wandel von der verarbeitenden Industrie zum Dienstleistungsbereich stattgefunden hat, nur nicht gerade auf den Gebieten, die wir uns zum Ziel gesetzt haben, sondern in den Bereichen Gesundheit und Erziehung. Wir haben also mehr Lehrer und Krankenschwestern. Aber das kann ja nicht die Dienstleistung sein, die wir alle im Auge haben.
(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Können Sie das näher erklären? - Zu- ruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD] - Widerspruch bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir können dort eine Menge mehr tun. Herr Hay, man kann dazulernen. Es gibt auch strukturelle Arbeitsmarktprobleme. Wir haben gerade in den letzten Tagen den analytischen Arbeitsmarktbericht 1999 auf den Tisch bekommen. Wer diese dicke Studie durchgearbeitet hat, wird feststellen, dass der Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein erstarrt ist und dass man „seit den achtziger Jahren noch nie eine so starke Verschärfung der Lage festgestellt“ hat. Das ist eine eindeutige Aussage, an der wir uns bei unserer künftigen Arbeit orientieren müssen.
Ich möchte auf die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Schleswig-Holstein eingehen. Bisher habe ich immer geglaubt, dass aufgrund der hohen Investitionen beispielsweise im Landesteil Schleswig eine Steigerung bei den Arbeitsplätzen festzustellen sei. Das ist nicht der Fall. Das Wachstum von Arbeitsplätzen erfolgte nahezu ausschließlich im Planungsraum 1, das heißt in den Landkreisen Pinneberg, Segeberg, Lauenburg und Stormarn. Dort sind allein 26 % Wachstum seit 1985 festzustellen, während das Wachstum im ganzen Land nur 13 % betrug. Betrachtet man die Zahlen seit 1990, hat sich der Trend noch verschlimmert. Daraus ist zu schließen, dass sich die Förderpolitik in unserem Land nicht an den spezifischen Besonderheiten der Regionen, zum Beispiel in Schleswig, orientierte.
- Wenn Sie zum Beispiel kleine Gewerbegebiete neben den Dörfern in einem so großen Umfang fördern, dass sich Aldi oder Lidl dort niederlassen können, damit auch der letzte Krämer eingeht, und dass der kleine Spediteur dort hingekommen ist! Ja, meine Damen und Herren, fahren Sie doch einmal durch Ihr Land. So ist es doch! Sie haben Dörfergemeinschaftshäuser gefördert, damit Ferien auf dem Lande verstärkt werden. Daraufhin hat auch der letzte Dorfkrug geschlossen. Das sind doch keine dauerhaften Arbeitsplätze!
(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie sprechen sich gegen die Förderung von Gewerbebetrieben aus!)
Wir sind der Auffassung, wenn man wie in anderen Bundesländern oder europäischen Ländern mehr Kraft zum Beispiel in den Tourismus hineingesteckt hätte, hätte man dort mehr dauerhafte Arbeitsplätze schaffen können als durch die Anlage dieser künstlichen Gewerbegebiete.
Nur sind das Einzelfälle. Wir müssen gezielt an das herangehen, was Schleswig-Holstein zu bieten hat. Es ist Zeit zum Umdenken - auch in der Förderpolitik zugunsten des wunderschönen Landesteils Schleswig und anderer Küstenorte, wie es in der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin definiert wurde, dass nämlich der Gesundheitsbereich in den Tourismus mit eingeschlossen werden soll; dann hätten wir wieder eine Perle in der wirtschaftlichen Entwicklung. Ich glaube allerdings, dass der Tourismus wieder in das Wirtschaftsministerium gehört, denn er bekommt dann anderen Akzent.
Wir haben noch nicht den Anschluss an die alten Länder der Bundesrepublik gewonnen. Das reale Wachstum lag in den Jahren seit 1985 bei uns in SchleswigHolstein bei 31 % gegenüber 35 % in den alten Bundesländern. Wir müssen also hart rangehen, damit wir den Anschluss wiederfinden. Ich glaube aber, da die Visionen und Ziele definiert und Maßnahmen vorgeschlagen sind, dass wir gemeinsam mit Nüchternheit an dem Ziel arbeiten können. Der Mini
Ich hoffe, dass die Grünen auch mitziehen. Herr Hentschel, ich hoffe nur, dass die Grünen hier in Schleswig-Holstein so mitziehen wie in NordrheinWestfalen, dann kriegen wir das auch hin.