Dabei müssen wir uns natürlich auch die Frage nach einer eigenen Steuerautonomie stellen. Warum sollten wir als Land nicht zumindest für die Steuern, deren Einnahmen allein dem Land und unseren Kommunen zustehen, nicht auch die Gesetzgebungskompetenz wahrnehmen?
Dies gehört zur Stabilisierung der föderalen Struktur genauso wie die Überarbeitung des Länderfinanzausgleichs, das Thema Mischfinanzierung und natürlich auch die konkurrierende Gesetzgebung. Diese Fragen werden uns in der Föderalismusdebatte beschäftigen. Da die Ministerpräsidenten bereits auf ihrer Sitzung Anfang Dezember 1998 beschlossen hatten, eine Kommission einzusetzen, um „die bundesstaatlichen Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmeverteilung einschließlich der bestehenden Regelung der Finanzverfassung und des Finanzausgleichs einer kritischen Überprüfung mit dem Ziel der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung zu unterziehen“, ist jetzt, anderthalb Jahre nach diesem Beschluss, der geeignete Zeitpunkt, einen entsprechenden Sachstandsbericht einzufordern und zu diskutieren.
Dabei interessieren uns natürlich besonders die Positionen und die Positionierung Ihrer Regierung, Frau Simonis, weil eine Reform des Föderalismus auch - ich hatte das erläutert - die zukünftige Arbeit der Parlamente betrifft, auch die des schleswig
holsteinischen, und wir als Parlament wollen deshalb frühzeitig in diese Debatte eingebunden werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kayenburg, zum jetzigen Zeitpunkt kann man sagen: Es gab selten so viel Einigkeit - bis auf ein paar kleine Punkte - in diesem hohen Haus. Aber ein wenig amüsiert es mich schon, wenn die CDU-Fraktion erst heute die Wichtigkeit einer Reform des föderalen Systems erkennt,
insbesondere dann - ja, ja! -, wenn man sich einmal vor Augen führt, dass die SPD - und hier in erster Linie die damalige schleswig-holsteinische Finanzministerin Heide Simonis und der damalige Innenminister Professor Bull - 1990 gefordert haben, die Grundgesetzänderungen einhergehen zu lassen mit einer Neuordnung der Finanzverfassung und einer Modernisierung des föderalen Systems.
Nun hat das Bundesverfassungsgericht im November 1999 entschieden, dass der Finanzausgleich neu geregelt werden muss, und die Karlsruher Richter räumten dem Gesetzgeber für die Umsetzung nur eine äußerst knapp bemessene Zeit ein.
Im Gegensatz zu Ihrer Presseerklärung, Herr Kayenburg, haben Sie jetzt sehr deutlich gemacht, dass Föderalismus mehr ist als der immer wieder in den Vordergrund gestellte Länderfinanzausgleich. Gleichwohl erkenne ich an, dass er, einhergehend mit der Stärkung und Aufgabenstellung der Handlungs- und Gestaltungsspielräume, einen wesentlichen Bestandteil des Föderalismus darstellt, also Stärkung der Länder im Gesetzgebungsbereich - Sie sprachen es an -, Überführung von Gesetzgebungsmaterien in die Rahmenkompetenz - man könnte sich etwa Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder Schutz des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in das Ausland vorstellen, um nur einige wenige zu nennen -, Landeskompetenzen bei der Umsetzung von EG-Richtlinien oder Einwirkungsrechte der Landtages, Klagerechte der Länder - insbesondere der
Landtage vor dem EuGH -, Mitwirkung am Entscheidungsprozess der Gemeinschaften und so weiter. Das könnte man x-beliebig fortführen.
Ich habe den Eindruck, dass wir uns in einem Punkt auf jeden Fall einig sein können. Schleswig-Holstein darf keiner Regelung zustimmen, die den Interessen des Landes oder - sagen wir besser - der norddeutschen Region widerspricht. Ich kann auch nur jeden warnen, dem solidarischen Föderalismus entgegenzuwirken.
Niemand - das sage ich auch einmal in Richtung Bund - sollte ein klammheimliches Interesse daran haben, dass sich die Länder nicht einigen. Dieses Interesse würde zu einer Diskussion führen, von der ich bis heute den Eindruck habe, dass sie niemand will, nämlich die Länderneugliederungsdebatte.
Was die Reform des Länderfinanzausgleichs angeht, so steckt - wie in vielen anderen Dingen, Herr Kollege Kayenburg - natürlich auch hier der Teufel im Detail.
Während der Mehrbedarf an öffentlichen Gütern und Dienstleistungen bei den Stadtstaaten durch einen erhöhten Gewichtungsfaktor bei den Einwohnern berücksichtigt wird, gilt eine solche Regelung bei dünn besiedelten Flächenstaaten nicht, obwohl diese genau so - wenn nicht sogar stärker - durch die Kosten öffentlicher Leistungserstellung belastet sind.
Gleichwohl erkennen wir die bisherige Grundphilosophie in diesem Punkt an. Es tut sich aber noch eine ganze Menge anderer Fragen auf, die ähnlich auch für die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen gelten. Ich nenne folgende:
Welche praktischen und ökonomisch rationalen Indikatoren können für die Finanzkraft eines Landes gefunden und vereinbart werden?
In welcher Höhe sollte das bisherige Ausgleichsniveau von 95 % der durchschnittlichen Finanzkraft in Zukunft liegen?
Ist es ökonomisch sinnvoll, bei der Reform des Länderfinanzausgleichs den Willen der einzelnen Bundesländer zu stärken, ihre Steuerquellen im Wettbewerb zu pflegen und zu mehren?
Ist es richtig, mit möglichst geringen Eingriffen in die Haushaltsautonomie von Bund und Ländern Anreize für einen strikten Konsolidierungskurs von Bund und Ländern zu schaffen?
Werden sich die Bundesländer einig sein, die jetzigen Gemeinschaftsaufgaben „Hochschule“, „regionale Wirtschaftsstruktur“, „Agrarstruktur und Küstenschutz“ als künftige Aufgabe selbst zu übernehmen, und dafür einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer einfordern?
Die SPD-Landtagsfraktion erklärt sich mit den im April dieses Jahres verabredeten Eckpunkten zur Ausgestaltung des Maßstäbegesetzes im Grundsatz einverstanden, die da lauten: gezielte Stärkung der Steuerausstattung durch so genannte Ergänzungsanteile, differenzierende Einbeziehung der Gemeindefinanzkraft und des Gemeindebedarfs - ein ganz wichtiger Punkt -, Einwohnerwertung für die Stadtstaaten, Sicherung des solidarischen Länderausgleichs auf aufgabengerechtem Niveau, solidarische Beteiligung des Bundes durch Bundesergänzungszuweisungen, Fortsetzung der notwendigen Aufbauhilfe für die ostdeutschen Länder.
Dass dem Ansinnen der Klägerländer Bayern, BadenWürttemberg und Hessen durch das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt wurde, kann man eigentlich nur positiv bewerten. Wenn die Reform des Föderalismus dann noch unter dem Thema „so wenig Staat wie nötig“ erfolgt, und zwar unter Beteiligung der Landesparlamente,
dann ist die heutige Debatte eine gute Ausgangsposition für die künftige Gestaltung des Föderalismus, und wir sollten uns, Herr Kayenburg, jeweils einen Sachstandsbericht im Finanzausschuss durch die Landesregierung geben lassen und das auch inhaltlich begleiten.
Bevor ich dem Vorsitzenden der F.D.P.-Fraktion, Herrn Kubicki, das Wort erteile, möchte ich auf der Besuchertribüne Besucherinnen und Besucher aus der Berufsschule Heide und der Realschule Schönkirchen begrüßen. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn dieser Antrag heute so beschlossen wird - ich bin sicher, er wird heute so beschlossen -, dann hat die Frau Ministerpräsidentin eine harte Zeit bis zur nächsten Tagung. Statt an ihren legendären Decken zu sticheln - ich habe mich sachkundig gemacht, dass es wirklich „sticheln“ heißt; ich hatte immer gedacht, das sei etwas anderes -, muss sie einen langen Besinnungsaufsatz mit dem schönen Titel „Ich und mein Verhältnis zum Föderalismus im Allgemeinen und im Besonderen“ schreiben.
Ich befürchte zwar, Kollege Kayenburg, dass es im Konzert der deutschen Bundesländer auf den local player Schleswig-Holstein nicht in dem Maße ankommen wird, wie dies die CDU offenbar annimmt, aber es kann nicht schaden, wenn der Landtag frühzeitig über die Pläne unterrichtet wird, mit welcher Marschroute die Ministerpräsidentin in die Verhandlungen über das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Maßstäbegesetz zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs geht.
Gleiches gilt für die Überlegungen zur Neuordnung der bundesstaatlichen Aufgabenverteilung. Ich sage ganz deutlich, Frau Kollegin Kähler: Als Liberaler hege ich große Sympathien für einen Umbau weg von der Konkordanz hin zum Wettbewerbsföderalismus.
Da wir es aber mit 16 gleichberechtigten Partnern mit sehr unterschiedlichen Interessenlagen zu tun haben, sind Einzelmeinungen nicht von so großer Bedeutung. Die F.D.P. jedenfalls ist gespannt, welche weitreichenden Vorschläge uns die Ministerpräsidentin vorstellen wird.
Wir werden diesem Antrag zustimmen, Herr Kollege Kayenburg, und ich bin dankbar, dass Sie in der Begründung dieses Antrages weit über die Fragestellung hinausgegangen sind, wie der künftige Länderfinanzausgleich aussehen soll. Aber ich mache auch keinen Hehl daraus, dass ich von uns als Parlamentarier eine Diskussion und Vorschläge darüber erwarte, wie wir unsere Rechte in einem multilateraleren System erhalten beziehungsweise zurück erobern, indem wir nicht nur aufgefordert werden, etwas zuzustimmen, was andere ausgehandelt haben. Das gilt übrigens auf allen Ebenen.