Protocol of the Session on March 22, 2002

(Manfred Ritzek)

Basierend auf einem Zeitungsartikel in der „Züricher Zeitung“ vom September 2000 stellte ich im Oktober eine Kleine Anfrage an die Landesregierung bezüglich des Gefährdungspotenzials in der Ostsee. Die Landesregierung antwortete am 13. Oktober 2000, und zwar aufgrund eines Gutachtens der Helsinki-Kommission von 1992 und eines Gutachtens des Deutschen Instituts für Seeschifffahrt und Hydrographie, mit dem Ergebnis, das Gefährdungspotenzial durch die Freisetzung der Kampfstoffe sei gering einzuschätzen. Diese Beurteilung basiert auf einer versenkten Menge in der Ostsee von 42.000 bis 65.000 t.

Zu einer wirklich konträren Einschätzung kommt ein Bericht im „Hamburger Abendblatt“ vom 3. August 2001 mit der Überschrift: „Das Gift kommt hoch“.

Ebenso kommt der Bericht einer Forschungsgruppe von Russen im Jahr 2000 zu einer völlig konträren Einschätzung; der Bericht liegt der Duma vor.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Und was hat das mit dem Thema zu tun?)

Vor einigen Tagen wurde mir von den Herren aus Sankt Petersburg bestätigt, dass die Russen das Gefährdungspotenzial in der Ostsee enorm hoch einschätzen. Professor Spiridonow kommt zu folgenden Ergebnissen: Allein von den Russen wurden 35.000 bis 40.000 t Giftgasgranaten und sonstige Munition in der Ostsee versenkt. Statt der 42.000 bis 65.000 t, die von der Landesregierung in der Antwort auf meine Kleine Anfrage angegeben wurden, schätzen die Russen, dass mindestens 300.000 t Giftgas in der Ostsee entsorgt wurden.

Im Gegensatz zu international üblichen Vorgängen, die Dokumente nach 50 Jahren zu öffnen - was nur die Russen getan haben -, haben die Engländer und Amerikaner die Geheimhaltungspflicht für ihre Abwürfe um 20 Jahre verlängert, bis zum Jahr 2017.

Die Hüllen der versenkten Granaten mit Lost und Senfgas sind fünf Zentimeter stark und korrodieren innerhalb eines Jahres um einen Millimeter, sind also heute kaputt. Auf dem Boden lagern die zerstörten Giftstoffe.

(Glocke des Präsidenten)

Nach Einschätzung der russischen Experten können die Giftstoffe durch die dort ruhenden Sedimentschichten weiterhin lagern. Die große Gefahr, die die Russen sehen, ist: Wenn jetzt Aufspülungen für die großen Plattformen der Windkraftanlagen erfolgen, entstehen ungeahnte Gefahren für die gesamte Ostsee.

Auf diesen Tatbestand möchte ich aufmerksam machen und ich bitte, diesen Tatbestand im Ausschuss zu beachten und darauf zu drängen, dass das Institut für

Seeschifffahrt und Hydrographie zusammen mit den russischen Experten noch einmal eine Bewertung des Gefährdungspotenzials anstellt.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Umweltminister Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Wir haben es hier mit einem Antrag zu tun, der Verfahrensfragen im Zusammenhang mit der Genehmigung von Offshore-Windparks in der ausschließlichen Wirtschaftszone anspricht. Ohne die Lösung dieser Fragen befürchtet die antragstellende CDU-Fraktion offensichtlich Beeinträchtigungen der Natur- und Umweltbelange - und seit neuestem auch von Giftgas - in den angrenzenden Küstengewässern und auch darüber hinaus. Über eine solche Unterstützung der vom Umweltministerium und den nachgeordneten Behörden Tag für Tag zu erbringenden Leistungen freut man sich natürlich, zumal Sie auf dieser Seite des hohen Hauses in Sachen Umwelt ansonsten sehr zurückhaltend sind. Dies ist aber nur eine vordergründige Einschätzung. In Wirklichkeit geht es der antragstellenden CDU-Fraktion um etwas ganz anderes, nämlich darum, den weiteren Ausbau der Windenergienutzung zu torpedieren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Offshore-Windenergieparks eröffnen eine reale und zeitnahe Perspektive für die weltweit als notwendig erachtete Energiewende. Diese Wende heißt für uns zum einen Energieeinsparung und zum anderen weg von der Verbrennung fossiler Rohstoffe aus Gründen des Klimaschutzes und weg von den Atomkraftwerken aus Gründen der Sicherheit, des menschlichen Lebens und der Verantwortung vor der Schöpfung.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wir wissen, dass die Vorreiterrolle auch wirtschaftliche Vorteile zum Beispiel für die Hersteller von Windenergieanlagen, aber auch für ein breites Spektrum der maritimen Wirtschaft beinhaltet. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich trauten, diese Kommentare auch vor den Abgeordneten aus Nordfriesland und Dithmarschen zu referieren. Herrn Maurus hätten eigentlich die Tränen in den Augen stehen müssen.

(Zurufe)

(Minister Klaus Müller)

Die durch die Windenergie ermöglichte Stromerzeugung würde etwa 15 % des Stromverbrauchs in Deutschland bezogen auf das Jahr 1998 ausmachen, der CO2-Ausstoß in die Luft würde rund 50 Millionen t jährlich geringer ausfallen. Auch das ist ein Baustein zur Einlösung des Klimaversprechens von Helmut Kohl 1992 auf dem Rio-Gipfel.

Diese Zahlen sind beeindruckend. Dennoch dürfen wir neben den globalen Vorteilen, was das Klima betrifft, nicht die überregionalen - Stichwort Vogelzug -, regionalen und örtlichen Auswirkungen aus den Augen verlieren. Hier gibt es keinerlei Rabatt. Aber doch bitte nicht so, wie die CDU-Fraktion dies möchte, nämlich mit konfrontativen Mitteln der verwaltungsgerichtlichen Klage eines Hoheitsträgers gegen einen anderen oder der Verweigerung von Überwegungsrechten mit unzulässigen Mitteln!

(Unruhe)

Ganz im Gegenteil ist gerade bei der OffshoreWindenergienutzung ein vom Konsens geprägtes Vorgehen gefordert, nicht nur zwischen Bund und Land, sondern gleichermaßen mit den Energieversorgungsunternehmen, den Naturschutzverbänden, der heimischen Wirtschaft - Nordfriesland und Dithmarschen und insbesondere der Tourismuswirtschaft, um nur einige zu nennen.

Zwischen den drei betroffenen Ministerien - MFE, MLR und Umweltministerium - ist eine enge Zusammenarbeit auf Staatssekretärs- und Arbeitsebene durch die Einrichtung von Arbeitsgruppen organisiert. Wie ein solcher Prozess einer kooperativen und koordinierten Vorgehensweise gestaltet werden kann, hat die Landesregierung mit inzwischen drei Workshops zu den Fragen der grundsätzlichen, technischen und umweltpolitische Orientierung in den vergangenen Jahren aufgezeigt.

(Anhaltende Unruhe)

Auch der Bundesgesetzgeber ist in diesem Sinne tätig geworden, indem er mit dem neuen Bundesnaturschutzgesetz und der Seeanlagenverordnung Regelungen aufgenommen hat, die eine alle Belange berücksichtigende Entwicklung der Offshore-Windtechnologie ermöglichen.

Die betroffenen Küstenländer sind in die gesetzlich vorgesehenen Verfahren zur Ausweisung von Schutzgebieten und auch von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung in der ausschließlichen Wirtschaftszone eingebunden.

Der Bund bietet also Mitwirkung an seinen Entscheidungen an. Das gilt gleichermaßen für das Land. Verfahrenstransparenz halten wir nicht nur für wichtig,

wir praktizieren sie auch. So sind zum Beispiel die Nationalparkkuratorien frühzeitig und umfassend unterrichtet worden. Dieses Angebot sollte genutzt werden.

Im Übrigen lassen Sie mich im Vorfeld der Beratungen in den Ausschüssen, die wohl unausweichlich sind, zu beiden Antragspunkten nur so viel sagen: Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat ein Standortuntersuchungskonzept für die Untersuchung und Überwachung der Auswirkungen von Offshore-Windenergieanlagen auf die Meeresumwelt herausgegeben und schreibt zweijährige Untersuchungen vor Baubeginn vor. In fachlicher Hinsicht werden an das Genehmigungsverfahren also hohe Anforderungen gestellt.

Das Verlangen der CDU-Fraktion, das Genehmigungsverfahren für die Landanbindung eines OffshoreWindparks zu nutzen, um faktisch auf die Zulässigkeit von Windparks selbst unmittelbar Einfluss zu nehmen, stellt praktisch nur eine Variante der ersten Forderung des Antrages dar und ist wie diese abzulehnen.

Unverkennbar besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen Windpark und Landanbindung. Es wäre sicherlich auch wenig zweckdienlich, diesen Zusammenhang zu leugnen und Genehmigungen hiervon losgelöst zu beantragen. Über die unmittelbare Landanbindung hinaus sind aber auch Fragen der Stromverteilung im Netz der Energieversorgungsunternehmen einzubeziehen.

Seien Sie also unbesorgt. Diese Zusammenhänge werden von den Beteiligten gesehen, und alles geschieht in verantwortungsbewusster Weise. Ein abschließendes Ergebnis liegt allerdings aufgrund der zu beantwortenden komplexen Sachfragen noch nicht vor. Insoweit ist auch nicht zu besorgen, dass weitere Entscheidungen getroffen werden, bevor die vom BMU beim Bundesumweltamt in Auftrag gegebenen gutachterlichen Äußerungen vorliegen. Die Untersuchungen sollen nach den mir vorliegenden Erkenntnissen im Sommer 2002 abgeschlossen werden.

Werte Damen und Herren, sachgerecht wäre es, wenn der Antragsteller den Antrag zurückzöge. Nachvollziehbar wäre, wenn der Antrag abgelehnt würde. Wir sind aber gern bereit, im Umweltausschuss zu allen hier aufgeworfenen Fragen Rede und Antwort zu stehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir treten in die Beschlussfassung ein.

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Beantragt ist, den Antrag Drucksache 15/1704 - Genehmigungsverfahren für Offshore-Windenergieparks - in die Ausschüsse zu überweisen. Ich darf fragen, welcher Ausschuss federführend sein soll.

(Zurufe von der FDP: Wirtschaft! - Holger Astrup [SPD]: Umwelt natürlich! - Weitere Zurufe von der SPD: Umwelt!)

- Beides zusammen können wir nicht beschließen. Entweder Wirtschaft oder Umwelt federführend und entweder Wirtschaft oder Umwelt mitberatend.

(Friedrich-Carl Wodarz [SPD]: Ländliche Räume!)

Ich schlage vor: Wir überweisen zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss und zur Mitberatung an den Umweltausschuss. Wird das anderes gesehen? - Der Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Holger Astrup, hat das Wort zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, ich empfehle, einen Bericht, den der Umweltminister gegeben hat, auch zur federführenden Beratung in den Umweltausschuss zu überweisen. Mitberatend sollen bitte der Wirtschaftsausschuss und auch der Ausschuss für ländliche Räume sein, weil Landesplanung betroffen ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die Fraktion der SPD hat also vorgeschlagen: Federführend Umweltausschuss, mitberatend Wirtschaftsausschuss und - im Hinblick auf die Betroffenheit der Landesplanung - Agrarausschuss. Wer dem seine Zustimmung gegen will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Das ist vom Hause einstimmig so beschlossen.

Ich darf für Ihre Disposition bis zur Mittagspause darauf hinweisen, dass die Tagesordnungspunkte 33 und 39 von der Tagesordnung abgesetzt und in der Landtagstagung im Mai behandelt werden.

Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 31 auf:

Bericht über die finanzielle Lage der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL)

Landtagsbeschluss vom 13. Dezember 2001 Drucksache 15/1393