Protocol of the Session on March 21, 2002

(Zurufe)

Aus der Tabelle geht schon hervor, dass auch die Finanzmittel für die Naturschutzgebiete abgenommen haben. Die Zahlen für 2001 und 2002 fehlen erstaunlicherweise. Sehr schade!

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss!

Insgesamt vermisse ich nach wie vor auch in dieser Anfrage eine umfängliche Auseinandersetzung mit den ökologischen Zielsetzungen und deren Umsetzung, die Frage nach zerschnittenen, unzerschnittenen Räumen, ob sie notwendig sind oder nicht. Wie wollen wir

unsere Artenschutzprogramme in Zukunft gestalten? Wie wollen wir den Biotopschutz gestalten und das alles in einem vernetzten Zusammenhang?

(Glocke der Präsidentin)

Bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz, Frau Abgeordnete!

Hier ist die Suppe einfach viel zu dünn. Darüber täuscht nicht hinweg, dass wir in den Bereichen Umweltbildung, in den Schwerpunkten, die Sie bei der Finanzierung gesetzt haben, durchaus auch Übereinstimmung haben. Aber insgesamt kann ich diese Schönfärberei in Ihrer Darstellung nicht akzeptieren. Herr Minister, diese mag Ihnen für einen Medienauftritt und für Ihren Weg nach Bonn oder Berlin hilfreich sein, dem Naturschutz hilft sie nicht.

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Auf der Tribüne begrüße ich jetzt die Besuchergruppe der Rektor-Siemonsen-Schule Husum.

(Beifall)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Happach-Kasan.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist als erstes eine Antwort. Sie ist die Antwort der Grünen auf die Initiative der FDP, die Biodiversität durch einen Berichtsantrag zum Thema im Landtag zu machen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Immerhin hat die FDP mit ihrem Berichtsantrag erreicht, dass sich inzwischen auch die Grünen mit dem Naturschutz beschäftigen. Das ist immerhin ein bescheidener Erfolg der FDP.

(Widerspruch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Anfrage wurde anders als der Berichtsantrag der FDP-Fraktion zur Biodiversität ordentlich beantwortet. Dafür sei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gedankt.

Herr Minister, in Ihrer Antwort auf die Große Anfrage haben Sie deutlich nach links geblinkt. Sie haben einem staatszentrierten Naturschutz das Wort geredet, in

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Ihrer Rede jedoch Bereitschaft gezeigt, Verantwortung zu delegieren und Entscheidungsbefugnisse an regionale Vertreter abzugeben. Wir begrüßen dies, aber wir werden abwarten, ob diesen Worten auch Taten folgen.

Kollege Nabel, bei Ihrem Lob des Landesnaturschutzgesetzes haben Sie meines Erachtens die entscheidende Kritik vergessen: Wir müssen feststellen, dass das Landesnaturschutzgesetz in den einzelnen Kreisen völlig unterschiedlich umgesetzt wird, dass wir keine Ähnlichkeit der Lebensverhältnisse in den Kreisen haben. Das ist ein großes Problem dieses Gesetzes.

(Der Abgeordnete Konrad Nabel [SPD] schüttelt den Kopf)

- Nein, das ist kein Quatsch, sondern Realität und Sie wissen dies, wenn Sie jemals vorort mit den Menschen gesprochen haben.

Zur Frage der FFH-Richtlinien: Diese ist von allen Bundesregierungen immer getreu umgesetzt worden. Sie vergessen allerdings, dass die Ausweisung von FFH-Gebieten eine Aufgabe des Landes ist. Bestimmte Bundesländer, SPD-geführt, haben blockiert und FFH-Gebiete nicht ausgewiesen. Ich will ausdrücklich sagen, dass Schleswig-Holstein nicht dazu gehört, sondern dass wir eines der ersten Länder sind, die dies gemacht haben, auch schon zu Zeiten der alten Bundesregierung.

Tabelle 2 gibt die Zahl der Schutzgebiete, Landschaftsbestandteile und Naturdenkmale an, ihre Fläche und ihren Anteil an der Landesfläche: Ein Nationalpark, 178 Naturschutzgebiete, 287 Landschaftsschutzgebiete, 121 geschützte Landschaftsbestandteile und 1.162 Naturdenkmale sind der geschützte Naturbestand des Landes.

Für eine vollständige Flächenbilanz fehlt leider eine Angabe über die Anzahl und die Fläche der FFHGebiete, die nicht gleichzeitig unter eine der oben genannten Schutzgebietskategorien fallen. Es wäre wünschenswert, wenn das bei Gelegenheit vielleicht nachgereicht werden könnte.

Auf 8,5 % der Landesfläche sollen prioritäre natürliche Lebensräume vorkommen, wie sie in Anhang I der FFH-Richtlinie genannt werden. Tabelle 5 auf Seite 22 nennt solche Lebensraumtypen: Hochmoore, Erlen- und Eichenwälder, Dünen und andere. 7,5 % bis 8 % der Landesfläche können als Vorranggebiete des Naturschutzes angesehen werden.

Unbekannt ist leider und aus der immerhin 75 Seiten starken Drucksache auch nicht zu entnehmen, ob denn die Vorranggebiete für den Naturschutz, die in den Landschaftsplänen festgelegt wurden, gleichzeitig die

Flächen umfassen, auf denen die prioritären natürlichen Lebensräume der FFH-Richtlinie gefunden wurden. Immerhin entsprechen die Lebensraumtypen weitgehend den gesetzlich geschützten Biotopen.

Das Beispiel macht gleichwohl deutlich, dass die Angabe von Flächen oder Anteilen an der Landesfläche, dass diese Mengenbilanzen ganz ungeeignet sind, qualitative Aussagen darüber zu machen, ob denn das Ziel des Naturschutzes erreicht wurde, die aus der Sicht des Naturschutzes schützenswerten Flächen auch tatsächlich unter Schutz zu stellen und in ihrem Bestand dauerhaft zu sichern. Solche Mengenbilanzen sind nichts weiter als Fleißkarten für den behördlichen Vollzug der Gesetze, mehr aber nicht und Fleiß - das will ich Ihnen bescheinigen - haben die Behördenvertreter bewiesen. Mengenbilanzen gestatten jedoch keinerlei inhaltliche Aussagen.

Aus diesem Grund hat die FDP kritisiert, dass beim Umweltranking das Sachthema biologische Vielfalt anhand des Anteils an Flächen beurteilt wurde, die in den einzelnen Kreisen als Landschafts- oder Naturschutzgebiete ausgewiesen waren. Das heißt, der Fleiß der Behörden wurde beurteilt, nicht die biologische Vielfalt.

(Beifall bei der FDP)

Naturnahe Biotope sind jedoch nicht nur in Schutzgebieten - welcher Kategorie auch immer - zu finden. Die Biodiversität der Natur einer Region wird nicht nur durch die Natur in den geschützten Gebieten bestimmt. Arten der Roten Listen kommen auch außerhalb von Schutzgebieten vor.

(Konrad Nabel [SPD]: Im Landtag die FDP!)

Der ökologische Zustand der naturnahen Flächen wird nach der letzten Biotopkartierung vor zehn Jahren zu einem Drittel als schlecht bis sehr schlecht beurteilt. Das ist eine erschreckende Bilanz.

Das an dieser Stelle angeführte Monitoringkonzept, das bis 2006 Ergebnisse zum ökologischen Zustand der für den Naturschutz wichtigen Flächen des Landes verspricht, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Landesregierung im vergangenen Jahrzehnt keine oder keine wesentlichen Erfolgskontrollen für den Naturschutz durchgeführt hat. Das ist ein eklatantes Versäumnis. Ein effizienter Mitteleinsatz ist nur dann möglich, wenn wir wissen, welche Naturschutzmaßnahme welches Ergebnis hat. Dies nicht überprüfen zu wollen, ist Vogel-Strauß-Politik.

Ich darf daran erinnern: Auch vor der Erfindung des Wortes Monitoring gab es in Schleswig-Holstein bereits wissenschaftliche Untersuchungen über Schutzgebiete, die ein genaues Bild des Artbestandes und des

(Dr. Christel Happach-Kasan)

ökologischen Zustands zeichneten. Dabei ist unerheblich, ob diese früheren Untersuchungen Monitoring genannt wurden oder nicht. Der Minister ist jedoch offensichtlich der Meinung, dass alles, was seine Vorgänger oder die Vorgängerin im Amt veranlasst haben, Asche sei. Er sollte bedenken, dass seine Nachfolger von seiner Arbeit eventuell dasselbe sagen könnten.

Gerade der Abschnitt Naturschutzziele macht deutlich, dass auch im Naturschutz die Betrachtung dessen, was vor 20, vor 50 oder vor 100 Jahren auf einer Fläche passierte, von Bedeutung ist.

Auf Seite 41 werden Kormorane, Gänse, Seeadler, Kraniche, Uhus und Seehunde als Leittierarten genannt. Diese Arten sollen belegen, dass bei einzelnen Arten eine Trendwende eingesetzt hat. Es ist unumstritten, dass die genannten Arten stabile Bestände bilden. Teilweise sind sie erfolgreicher, als dies erwünscht ist. Leider wird nicht gesagt, für welchen Lebensraumtyp diese Arten Leittierarten sind. Damit entsteht die Frage, ob auch alle Arten wirklich Leittierarten sind. Genau in dieser fachlichen Frage fehlt in der Antwort auf diese Anfrage - ebenso wie in dem Berichtsantrag zur Biodiversität - eine Auseinandersetzung.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Der Seehundbestand hat sich inzwischen von der Staupeinfektion erholt. Niemand weiß, ob eine ähnliche Infektion den Bestand nicht wieder in ähnlicher Weise dezimieren würde. Der Uhu wurde wieder angesiedelt, der Seeadler wird in der Brutzeit rund um die Uhr bewacht. Das sind unbestreitbare Erfolge ehrenamtlicher Artenschutzprogramme. Sind beide aber deswegen Leitarten? Ich glaube nicht.

Das Kapitel zur landwirtschaftlichen Nutzung ist weitgehend unbefriedigend. Die Landesregierung unterstützt die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ hin zu einem umfassenden Förderinstrument für eine umweltverträgliche Landwirtschaft und die nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume. Damit sind wir einverstanden. In den vergangenen Jahren hat die Landesregierung sich jedoch insbesondere um eine Abwicklung der Gemeinschaftsaufgabe bemüht. Es ist lange her, dass die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel von der Landesregierung auch tatsächlich ausgeschöpft wurden. Insbesondere im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe wurde gespart. Es wurde kaputtgespart, wodurch dem Land Kofinanzierungsmittel verloren gingen. In diesem Zusammenhang ist es unehrlich, von einer Weiterentwicklung zu sprechen. Die Landesregierung praktiziert die Abwicklung.

Der Dualismus zwischen Vertragsnaturschutz und Flächenankauf wurde angesprochen. Es ist richtig, dass - insgesamt gesehen - auf Flächenankauf nicht verzichtet werden kann. Das ist aber das letzte - und nicht das erste - Mittel der Wahl.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU] und Lars Harms [SSW])

Ich füge hinzu: Ich finde es gut, dass es inzwischen auch im schleswig-holsteinischen Wald einen Vertragsnaturschutz gibt. Das ist eine gute Initiative.

Auch der Landesregierung ist nicht verborgen geblieben, dass Akzeptanz für Naturschutzmaßnahmen nur erzielt wird, wenn die Menschen in den Regionen eingebunden werden. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von erfolgreichen Kooperationen mit der Stiftung „Naturschutz“. Positiv ist auch zu vermerken, dass der Minister inzwischen die Initiative seines Hauses gestoppt hat, am Waldrand Kassenhäuschen aufzustellen. Glückwunsch, Herr Minister, dass Sie meiner Presseerklärung so umgehend gefolgt sind!

(Beifall bei FDP und CDU - Holger Astrup [SPD]: Ich glaube, da verwechseln Sie Ursa- che und Wirkung!)

- Nein, die Ursache ist meine Presseerklärung. Die Wirkung ist, dass er gehandelt hat. Eindeutig! Kollege Astrup, das ist die zeitliche Abfolge und genauso ist es passiert. Vielen Dank für den Zwischenruf!