Protocol of the Session on March 20, 2002

(Klaus-Peter Puls)

ratungen müssen wir den Mut haben, Prioritäten zu setzen.

Für die SPD-Landtagsfraktion ist neben Arbeit und Bildung die innere Sicherheit, die durch Polizei und Justiz gewährleistet wird, ein vorrangig zu bearbeitender Bereich.

(Klaus Schlie [CDU]: Na, na!)

Das werden wir auch in den kommenden Haushaltsberatungen unter Beweis stellen. Alles Weitere, insbesondere das uns dankenswerterweise zur Verfügung gestellte Zahlen- und statistische Material, sollten wir im Fachausschuss abarbeiten. Wir haben ja schon ein Modell der Abarbeitung im Fachausschuss hinsichtlich der Großen Anfrage zur Polizei durchgeführt. So sollten wir es auch hier halten.

Ich beantrage für meine Fraktion Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Geißler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Mal - teils auf Initiative meiner Fraktion, teils und auch dieses Mal wieder auf Initiative der FDP - befasst sich der Landtag mit der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage zur Lage der Justiz in unserem Land. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums und der anderen Dienststellen der Justizverwaltung, die an der Erarbeitung der Antwort beteiligt waren, gilt der Dank der CDU-Landtagsfraktion.

(Beifall bei der CDU)

In den Debatten der vergangenen Jahre sind die Probleme, mit denen die Justiz in unserem Lande zu kämpfen hat, immer wieder in aller Klarheit angesprochen worden. Ich hatte gehofft, dass die Landesregierung dies zum Anlass nehmen würde, die Lösung dieser vielfältigen Probleme nachdrücklich voranzutreiben. Leider ist dies nur in Teilbereichen geschehen, zahlreiche Probleme sind nach wie vor ungelöst.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, ich hatte Ihnen das Wort erteilt und nicht den anderen. Ich bitte, das ein bisschen zu berücksichtigen.

(Heiterkeit)

Vielen Dank, Herr Präsident.

Die Lage der Justiz in unserem Land ist gekennzeichnet durch stark belastete, teilweise überlastete Gerichte, daraus resultierende lange, teilweise für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger völlig inakzeptable Verfahrensdauern, überlastete Strafkammern bei den großen Landgerichten, überlange Wartezeiten für das Referendariat und überbelegte, leider immer noch veraltete Justizvollzugsanstalten.

Im Einzelnen: Die Zugänge in Zivilsachen bei den Amtsgerichten sind im Berichtszeitraum nur leicht rückläufig, bei Familien-, Bußgeld- und Strafsachen sind sie ansteigend. Die Zivil- und Strafsachen erster Instanz bei den Landgerichten sind ansteigend, beim Oberlandesgericht steigen die Berufungen in Zivilsachen - um nur einige Beispiele zu nennen.

Hochbelastet sind auch die Staatsanwaltschaften unseres Landes, die infolge der hohen Kriminalität in unserem Bundesland im Jahr 2000 über 140.000 neue Ermittlungsverfahren gegen bekannte Täter zu bearbeiten hatten.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer in Zivilsachen hat sich trotz von der Landesregierung werbewirksam vermarkteter Modernisierung, trotz zusätzlicher EDV nur leicht verringert und liegt unverändert fast überall über dem Bundesdurchschnitt. Wenn gegen ein amtsrichterliches Urteil Berufung eingelegt wird, müssen die Parteien in unserem Bundesland im Durchschnitt immer noch nahezu ein Jahr auf ihr Recht warten. Nicht zuletzt für viele mittelständische Unternehmer stellt dies eine unzumutbare Belastung dar.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Berufungen in Zivilsachen bei unserem Oberlandesgericht dauern im Schnitt 13,5 Monate, damit 5 Monate länger als im Schnitt aller Bundesländer. Bei den Fachgerichtsbarkeiten - Kollege Hildebrand hat es angesprochen - hat sich die Verfahrensdauer teilweise erheblich verlängert.

Besonders dramatisch ist die Situation in der Verwaltungsgerichtsbarkeit: 18,9 Monate dauert im Schnitt ein Hauptverfahren vor dem Verwaltungsgericht, 7,4 Monate länger als im Jahr 1995. Eine anschließende Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht dauert im Schnitt noch einmal 12,6 Monate gegenüber 5,9 Monaten im Jahr 1995.

(Thorsten Geißler)

Es ist für die Bürgerinnen und Bürger völlig unzumutbar, mehr als eineinhalb Jahre, für den Fall einer Berufung sogar länger als 31 Monate auf ihr Recht warten zu müssen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich hätte mir daher gewünscht, dass die Antwort der Landesregierung nicht nur schlicht diese alarmierenden Zahlen genannt hätte, sondern uns auch mitgeteilt hätte, worin die Ursachen für diese Entwicklung liegen und welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um diese Situation zu entschärfen und ihrer Herr zu werden;

(Beifall der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

denn die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben einen Anspruch darauf, staatliche Entscheidungen, die sie betreffen und die teilweise für ihre wirtschaftliche Existenz von zentraler Bedeutung sind, in einem angemessenen Zeitraum gerichtlich überprüfen zu lassen. Davon kann in Schleswig-Holstein zurzeit leider überhaupt keine Rede sein.

Bei der Antwort auf die Frage nach einer Personalbedarfsberechnung verfährt die Landesregierung mit der gleichen bestechenden Logik wie bei der Polizei. Man behauptet, über exakte und zuverlässige Kriterien zu verfügen, wie man das vorhandene Personal gerecht und objektiv auf die einzelnen Gerichte beziehungsweise Dienststellen zu verteilen hat, sieht sich aber nahezu gänzlich außerstande, den absoluten Personalbedarf der Gerichte und Staatsanwaltschaften zu ermitteln. Ein Blick über die Ländergrenzen könnte helfen, um Ihnen nur eine Möglichkeit zur Lösung des Problems aufzuzeigen.

(Holger Astrup [SPD]: Dänemark!)

- Herr Kollege, der Blick nach Dänemark dürfte nicht schaden. Es ist ein etwas anderes System. Ich kann Ihnen das in einem Privatissimum gern einmal erläutern. Wenn Sie den Blick über die Landesgrenzen richten, wird Ihnen das sicherlich nicht schaden und einen positiven Begleiteffekt haben.

Wiederholt hat meine Fraktion kritisiert, dass vom Parlament bewilligte Stellen im höheren Dienst der Gerichte und Staatsanwaltschaften unbesetzt blieben, und zwar durchschnittlich 15 Richterund zwei Staatsanwaltschaftsstellen. Die Berufung auf entsprechende Vereinbarungen mit dem Hauptrichter- beziehungsweise Hauptstaatsanwaltschaftsrat überzeugen nicht. Wenn die Landesregierung trotz der angespannten Lage weniger Stellen für erforderlich hält, soll sie beim Parlament weniger Stellen beantragen. Werden aber Stellen beantragt und bewilligt, so sind

diese zu besetzen, damit der Landeshaushalt die tatsächliche Lage widerspiegelt. Das ist ein Gebot von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit.

(Beifall bei CDU und FDP)

Immerhin sind für 2002 in dem im Anschluss an den 11. September des vergangenen Jahres beschlossenen Sicherheitspaket Verstärkungen des strafrichterlichen Bereiches und der Staatsanwaltschaft vorgesehen. So sehr dies zu begrüßen ist, so ist es doch ein Etikettenschwindel; denn es geht gar nicht darum, in SchleswigHolstein gegen Terroristen zu ermitteln oder sie abzuurteilen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Genau!)

Vielmehr räumen Sie jahrelange Versäumnisse ein. Immer wieder haben wir auf die Überlastung der Strafkammern bei den Landgerichten Kiel und Lübeck hingewiesen, immer wieder auf die Gefahr vorzeitiger Haftentlassungen. Trotzdem haben Sie unsere Haushaltsanträge immer wieder abgelehnt, haben die Gerichte immer wieder dazu gezwungen, Hilfsstrafkammern einzurichten mit der Folge längerer Verfahrensdauern in Zivilkammern. Ich hoffe nur, dass die angekündigten Verstärkungen tatsächlich erfolgen und nicht einem weiteren Spardiktat des Finanzministers zum Opfer fallen. Sie sind dringend erforderlich.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Immerhin möchte ich ausdrücklich anerkennen, dass die Antwort der Landesregierung unumwunden einräumt, dass die Beförderungssituation im gehobenen, mittleren und einfachen Justizdienst völlig unbefriedigend ist, weil die Anzahl der Beförderungsstellen zu gering ist. So beträgt die durchschnittliche Wartezeit für die Beförderung zum Ersten Justizhauptwachtmeister 21 Jahre, zum Justizamtsinspektor 24 Jahre, zum Justizamtsrat 22 Jahre, zum Oberamtsrat 30 Jahre und zum Oberamtsrat mit Zulage 33 Jahre. Diese Zeiten sind für die Leistungsträger in den genannten Laufbahngruppen alles andere als motivationsfördernd. Sie müssen daher mittelfristig deutlich gesenkt werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Einige Anmerkungen zu den Maßnahmen zur Geschäftsentlastung! Der Täter-Opfer-Ausgleich stellt bei den geeigneten Delikten, also im Bereich kleinerer und mittlerer Kriminalität, und dort, wo eine erneute Konfrontation des Opfers mit dem Täter nicht zu einer Viktimisierung führen würde, unzweifelhaft eine wirksame Alternative zur klassischen Freiheits- oder Bewährungsstrafe dar. Es ist daher zu begrüßen, dass die Zahl der TOA-Fälle in Schleswig-Holstein von nahezu 700 im Berichtszeitraum von 1995 auf 1.145 im Jahr 2000 angestiegen ist. Diese Zahl dürfte aller

(Thorsten Geißler)

dings, gemessen an der Zahl der Fälle, die dafür geeignet sind, durchaus noch steigerungsfähig sein.

(Klaus Schlie [CDU]: Richtig!)

Nicht verkennen möchte ich, dass die EDVAusstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften in den letzten Jahren verbessert wurde. Dadurch lassen sich in der Tat Entlastungseffekte erzielen, auch wenn man sagen muss: Trotz dieser Modernisierung ist es nicht gelungen, die Verfahrensdauern signifikant zu verkürzen. Im Gegenteil, wir haben in einigen Bereichen - wie bereits aufgezeigt wurde - leider die gegenteilige Tendenz.

Anzumerken ist auch, dass wir in einigen Bereichen hinterher hinken. Das gilt für die Automatisation des Handelsregisters.

Auch wird bisher in Schleswig-Holstein das Mahnverfahren - das ist in einigen Bundesländern anders bisher noch konventionell betrieben.

(Holger Astrup [SPD]: Aber künftig!)

- Ganz ruhig, Herr Kollege Astrup! - Mit einer Vollautomatisierung ist nach dem von der Landesregierung in Aussicht genommenen Zeitraum nicht vor 2006 zu rechnen. Wenn Sie das befriedigt,

(Holger Astrup [SPD]: Quatsch!)

muss ich sagen, dass Sie sehr bescheiden sind. Aber das gilt insgesamt für Ihre Persönlichkeit. Insofern sind Sie da nur konsequent.