Protocol of the Session on March 20, 2002

Ich bedanke mich nochmals für die Unterstützung der anderen Fraktionen dieses hohen Hauses und hoffe, dass wir gemeinsam in der Sache Erfolg haben, und erwarte auch von der Frau Justizministerin, dass sie

(Thorsten Geißler)

den Willen dieses Parlaments respektiert, auch wenn sie in der Sache anderer Auffassung sein mag.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der FDP hat nun der Kollege Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Innen- und Rechtsausschuss erkennt durch seine Beschlussempfehlung ausdrücklich an, dass das geltende Bundesrichterwahlrecht einer Überarbeitung bedarf. Das begrüßen wir. Erst Anfang des Jahres hatte der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts in Schleswig, Herr Mett, angemahnt, dass eine Reform des Richterwahlmodus dringend geboten sei. Er erhielt unter der anwesenden Richterschaft dafür viel Beifall. Herr Mett hatte die Auswirkung des jetzigen Verfahrens bei der Bestellung von Landesrichtern am eigenen Leib zu spüren bekommen. Er musste den Antritt seines verdienten Ruhestandes um ein halbes Jahr verschieben, weil seine Nachfolgerin, Frau Görres-Ohde, noch nicht bestimmt worden war. Diese Hängepartie war erneut durch das monatelange Gerangel um die Nachfolge von Herrn Mett verschuldet worden. Angesichts der angespannten Arbeitssituation in den Gerichten sind solche Verzögerungen schon fast skandalös. Außerdem war dies schon die zweite peinliche Geschichte nach den Vorgängen im Februar letzten Jahres. Die Bewerbung eines Kandidaten zum Bundesrichteramt wurde seinerzeit von der Landesjustizministerin -

(Handyklingeln im Saal)

Wir haben eine gemeinsame Vereinbarung, dass wir Handys weder im Sitzungssaal an haben noch gebrauchen. Ich wäre dankbar, wenn Sie das Ihrem Gesprächspartner übermitteln könnten, Herr Staatssekretär.

(Heiterkeit)

Herr Kollege Hildebrand, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, die Uhr lief weiter, aber diese Zeit wollte ich dann doch nicht angerechnet bekommen. Ich fange den Satz noch einmal an:

Die Bewerbung eines Kandidaten zum Bundesrichteramt wurde seinerzeit von der Landesjustizministerin zurückgestellt, obwohl dieser eine Empfehlung als

persönlich und fachlich in jeder Hinsicht gut geeignet vom Präsidialrat bekommen hatte.

Wir können uns bei den Richtern des Oberverwaltungsgerichtes in Schleswig bedanken, die diese Verfahrensweise stoppten, weil sie gegen das oberste Prinzip, das bei der Besetzung von Richterstellen zu gelten hat, verstieß, nämlich die Bestenauslese. Die Richter setzten aber noch einen obendrauf. Sie urteilten, die gängige Praxis, kurz vor der Richterwahl im Bundesrichterwahlausschuss Kandidatenvorschläge zurückzustellen, sei verfassungswidrig. Es gibt im Unrecht eben kein Gewohnheitsrecht.

Die CDU hat daraufhin ihren Antrag zum Bundesrichterwahlverfahren auf den Weg gebracht, der inhaltlich der Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses entspricht. Wir hatten Ergänzungen beantragt, die ein fachlich verbindliches Anforderungsprofil der Bewerberinnen und Bewerber forderten und ein Anhörungsverfahren vor dem Präsidialamt einführen sollten, wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber vom Ausschuss gewählt wurde, die oder den der Präsidialrat als ungeeignet eingestuft hatte. Zu diesen Ergänzungen stehen wir auch heute noch. Wir bedauern, dass der Innen- und Rechtsausschuss sie nicht berücksichtigt hat. Die Lektüre der „Deutschen Richterzeitung“ hätte dabei den anderen Fraktionen zeigen können, dass wir mit diesen Forderungen voll auf der Linie der Praktiker liegen. Mit Freude habe ich die Flexibilität der Grünen in dieser Frage zur Kenntnis genommen. Liebe Frau Fröhlich, was haben Sie gegen den Antrag der CDU im September gepoltert. Ich darf zitieren:

„Sie wollen, dass die Richterschaft und die Anwaltschaft im Wahlausschuss beteiligt werden. Sehr geehrte Kollegen von der Opposition, damit wollen Sie weg von einem demokratisch legitimierten Wahlausschuss hin zu einer vermeintlich unpolitischen Richterherrschaft.“

Wenn Sie diesen Antrag und die Beteiligung der Richter- und Anwaltschaft im Richterwahlausschuss als Abwendung von der demokratischen Legitimation der Richterwahl ansehen, dann wundere ich mich, dass dieser Antrag im Innen- und Rechtsausschuss einstimmig angenommen wurde. Sie waren anwesend!

(Thorsten Geißler [CDU]: Sie ist klüger ge- worden!)

Wahrscheinlich haben Sie sich nach der letzten Landtagsdebatte einfach beraten lassen. Der große Rechtsphilosoph Gustav Radbruch - übrigens SPD-Mitglied hat einmal gesagt, dem Politiker sei es verwehrt, durch Irrtum zur Wahrheit zu finden. Ich stelle fest, dass dies

(Günther Hildebrand)

auf die Grünen ausdrücklich nicht zutrifft. Mir wäre es allerdings lieber, die Grünen würden sich vor der Wahrheitsfindung nicht so häufig so irren.

(Beifall bei der FDP)

Wir nehmen die Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses an. Wir hätten uns zwar weiter reichende Änderungen gewünscht, aber auch die Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses ist eine Verbesserung des jetzigen Richterwahlverfahrens. Wir werden zustimmen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Irene Fröhlich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, das war für mich eine schwierige Situation. Das macht man nicht alle Tage und nicht furchtbar gern, wenn man als Fraktion zusammen mit einer von mir sehr geschätzten und respektierten Ministerin einen gemeinsamen Weg geht. Hier einen eigenen Weg zu gehen, ist nicht so ganz einfach. Dazu kriegt man natürlich mehr oder weniger nette Bemerkungen, denen man zwiespältig gegenübersteht, weil man selber am besten weiß, wie es sich im Inneren anfühlt, wenn man sich auf solch einen schwierigen Weg begibt.

Ich habe mich zunächst einmal durch einen Blick in die Geschichte belehren lassen. Die Geschichte des schleswig-holsteinischen Richterwahlausschusses, dem ich angehöre und bei dem ich über praktische Erfahrungen verfüge, über die ich auch berichten kann, ist so, dass es seit 1971, als Schleswig-Holstein noch rabenschwarz war, einen Landesrichterwahlausschuss gegeben hat, bei dem Richtern eine Vetoposition zukam. Es wurde mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Die Richter hatten eine Vetoposition. Das stellte eine so genannte negative Kooptation dar. Aus meiner Sicht ist das tatsächlich eine mangelnde demokratische Legitimation, weil ich glaube, dass die Justiz niemals wirklich unpolitisch ist. Sie soll nicht parteilich sein und schon gar nicht parteipolitisch ausgerichtet sein, aber sie steht natürlich unter der Verantwortung der Politik. Das ist gar keine Frage.

Andere Länder, wie zum Beispiel die USA oder die Schweiz, handhaben dies so, dass die Richterinnen und Richter dort direkt vom Volk gewählt werden müssen, damit sie das Volk auch repräsentieren können. Wenn wir in einer Vertreterdemokratie also Abgeordnete

haben, die die Politik und damit die Bürgerinnen und Bürger vertreten, dann müssen wir mindestens ein gleichwertiges Wahlrecht haben. Das kann nicht allein aus dem Richterstand kommen.

Das waren meine damaligen Bedenken. Das waren auch die Bedenken, als wir uns im Innen- und Rechtsausschuss noch einmal mit dieser Frage beschäftigt haben. Tatsächlich habe ich noch weiter gehende Fragen. Das bisherige Verfahren stellt zumindest sicher, dass der Föderalismusgedanke, den wir in der Bundesrepublik haben, insofern gepflegt wird, als durch die jeweiligen Justizminister und Justizministerinnen der Bundesländer auf Bundesebene gemäß der Länderkompetenzen ein gewisses Gleichgewicht in der Verteilung der Richterinnen und Richter sichergestellt wird. Ich frage mich schon, wie das stattfinden wird, wenn Richterinnen und Richter sich direkt und persönlich bewerben und in ein direktes Verfahren kommen. Wie wird man diesem föderalistischem Gedanken weiter gerecht werden?

Aber auch die CDU hatte damals gelernt: 1985 schaffte die CDU die Mitwirkung des Richterwahlausschusses an der Ernennung der Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten ab und überließ diese allein der Landesregierung. Das entsprach für mich nicht einer entsprechenden Legitimation, für die ich gerade gesprochen habe, sondern dem Gegenteil. Das war ein Warnhinweis und veranlasste mich zu meiner - wie Herr Hildebrand gesagt hat - polternden Rede im Landtag und machte mich höchst misstrauisch gegenüber den Vorschlägen der CDU.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ursula Kähler [SPD])

Für einige von Ihnen ist das möglicherweise verständlich. Wenn wir uns nun im Innen- und Rechtsausschuss aufgrund unseres Antrags so verständigt haben, so bleiben doch noch einige Fragen offen. Diese müssen vom Bundesgesetzgeber gelöst werden. Darüber bin ich froh. Die werden das wohl hinkriegen.

Das Landesrichterwahlverfahren, das wir jetzt haben, hat die SPD-Regierung eingeführt. Das muss man hier deutlich sagen. Dieser Regelung kann man aus meiner Sicht und aus meiner politischen Erfahrung heraus zugestehen, dass es ein gutes, demokratisch legitimiertes Verfahren ist. Der Ausschuss wird aus dem Parlament heraus gewählt. Der Landtag hat hier vertreten durch die gewählten Abgeordneten in ausge

(Irene Fröhlich)

wogenem Verhältnis der Fraktionen untereinander ein starkes Gewicht.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Klaus- Peter Puls [SPD])

Hier kommt es zu einer politisch vertretbaren Richterwahl. Nach diesem Muster kann ich mir auch einen Bundesrichterwahlausschuss vorstellen. Ich würde mir wünschen, dass das gelänge.

(Beifall des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

- Herr Geißler, Sie klatschen so schön. Ich erzähle Ihnen diese Geschichte! Sie haben 16 Jahre lang die Möglichkeit gehabt, dies zu tun. Ihre damalige schwarz-gelbe Regierung hat dies nicht getan. Sie sind erst darauf aufmerksam geworden, als das, was jahrelang Praxis in diesem Land war, auch von Grünen genutzt wurde. Erst dann wurden Sie darauf aufmerksam. Dass mich das einigermaßen misstrauisch macht, werden Sie bei etwas gutem Willem möglicherweise verstehen können.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und bei der SPD)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich Frau Abgeordneter Silke Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Beratung in der Septembersitzung des Landtags und der ausführlichen Beratung im Innen- und Rechtsausschuss sind die Anträge - sowohl der CDU als auch der FDP - entsprechend geändert beziehungsweise nicht berücksichtigt worden. Herr Hildebrand, das lag an der ausführlichen und sehr guten Diskussion im Ausschuss. Ich verweise im Übrigen auf meinen Beitrag aus der Plenardebatte, den ich gern wiederholen möchte. Der Änderungsantrag der FDP ist problematischer. Die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für eine ausgeschriebene Stelle müssen grundsätzlich erfüllt werden. Welches weitere Anforderungsprofil hier gefordert wurde, ist auch weiterhin unklar. Leider haben Sie dazu nichts weiter ausgeführt. Für meine Fraktion sage ich trotzdem: Genau dieser Beschlussvorschlag des Innen- und Rechtsausschusses ist das, was wir in dieser Sache für angemessen halten. Aus diesem Grunde werden wir diesem zustimmen.

(Beifall des SSW und der Abgeordneten Jür- gen Weber [SPD] und Thorsten Geißler [CDU])

Das Wort hat nun Frau Ministerin Lütkes.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich richtig stellen, dass der Präsident des Oberlandesgerichts im Ruhestand, Herr Mett, keineswegs seine Amtszeit verlängert, sondern pünktlich seine Entlassungsurkunde bekommen hat. Allein die Nachfolge hat aus den hier bekannten Gründen lange gedauert. Herr Mett meinte persönlich, nicht in Urlaub fahren zu dürfen. Daraus indirekt ein Verschulden der Justizministerin zu machen, halte ich für etwas abwegig - wenn ich das so offen sagen darf.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die Justizministerkonferenz ist in der hier diskutierten Frage mit 16 zu 0 quer durch alle Parteien einer Meinung. Der Beschluss der Justizministerkonferenz vom 22. November ist bekannt. Entsprechend der damaligen Übereinkunft haben wir eine Erörterung darüber stattfinden lassen, wie das Verfahren im Bundesrichterwahlausschuss transparenter gestaltet werden kann und ob es sinnvoll ist, beispielsweise eine Ausschreibung für die zu besetzenden Stellen vorzunehmen oder beziehungsweise wie der Meinung der Mütter und Väter des Grundgesetzes in Artikel 95 des Grundgesetzes Rechnung getragen werden kann, dass nämlich der Bundesrichterwahlausschuss zusammengesetzt aus Abgeordneten oder vom Bundestag gewählten Mitgliedern und Mitgliedern der Landesregierungen auf der Basis eines Vorschlagsrechts wählt.

Nun sind wir uns in diesem hohen Haus sicher einig, dass eine möglichst demokratische Besetzung der unabhängigen dritten Gewalt gewährleistet ist. Das System, das Schleswig-Holstein praktiziert, ist ein demokratisch einwandfreies, vorbildliches und letztendlich auch sehr taugliches - wenn wir vielleicht auch öfter schneller gemeinsam zu einer Entscheidung kommen könnten, wenn ich mir auch diese Bemerkung erlauben darf.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allein im Bund ist die Situation etwas anders; denn wir leben in einem föderalen System. Der Bundesrichterwahlausschuss, der auch das System der demokratischen Anbindung an das Parlament garantiert, muss im föderalen System die Anbindung an die Län