Protocol of the Session on February 21, 2002

Damit stärken und fördern wir konkret Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt.

In unserem Antrag sprechen wir uns außerdem für eine Reform der Selbstverwaltung bei der Bundesanstalt für Arbeit aus. Auch dort wollen wir schlankere Gremien, die ihre Kompetenzen und Kontrollaufgaben auch wirklich wahrnehmen können.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir wollen Interessenkollisionen verhindern und schlagen deshalb vor, dass eine Mitwirkung in der Selbstverwaltung und die gleichzeitige Mitgliedschaft bei Trägern arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen entflochten werden müssen.

In dieser Wahlperiode wollte die Bundesregierung die Voraussetzungen für die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und der Sozialhilfe einleiten. Auch dieses Ziel wurde nicht erreicht.

Daher fordern wir im letzten Punkt unseres Antrages die Landesregierung auf, die Bundesratsinitiative des Landes Hessen „Offensiv aus der Sozialhilfe - durch optimales Fördern und Fordern“ zu unterstützen.

Die dauerhaft hohe Zahl von Sozialhilfeempfängern von bundesweit über 2,6 Millionen Menschen und jährliche Ausgaben von über 20 Milliarden € belegen hier den dringenden politischen Handlungsbedarf. Hinzu kommen weitere 1,5 Millionen Menschen, die ebenfalls keine Arbeit haben und von der Bundesanstalt für Arbeit jährlich weit über 10 Milliarden € an Arbeitslosenhilfe beziehen.

Wir fordern noch einmal - das haben wir in der Debatte im vergangenen Sommer schon getan -, dass endlich die Grundlagen geschaffen werden, um die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zusammenzuführen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Beide Hilfearten sind steuerfinanziert; sie federn das Risiko bei Arbeitslosigkeit ab, prüfen die Bedürftigkeit des Empfängers, sollen den Lebensunterhalt sichern und die Menschen wieder in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln.

Das Ziel ist die Verbesserung der Hilfe und der Förderung von Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfängern durch die Zusammenführung von Betreuung, Qualifizierung, Vermittlung und Leistungsgewährung.

Wir sprechen uns dabei für Vermittlungsagenturen aus, die von privaten, freien und öffentlich-rechtlichen Trägern betrieben werden können. Also auch dort mehr Markt und damit auch mehr Wettbewerb!

Das sind die Vorschläge der Union, die wir gemeinsam mit dem Antrag der FDP im Ausschuss vertiefen wollen. Aber vielleicht sollte die FDP auch die offizielle Positionierung ihrer Bundespartei gleich mit in die Debatte einbringen, die sich nämlich deutlich von dem unterscheidet, was die FDP hier heute vorgelegt hat.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die Bundesanstalt für Arbeit befindet sich in der Tat in einer schweren Krise. Der Schleswig-Holsteinische Landtag sollte den politisch verantwortlichen Arbeitsminister nicht aus der Pflicht lassen, sondern auffordern, unverzüglich zu handeln und eine grundlegende Strukturreform der Bundesanstalt für Arbeit auf den Weg zu bringen.

(Torsten Geerdts)

Wir müssen weg von der geräuschlosen Verwaltung der Arbeitslosigkeit und hin zum absoluten Vorrang jeglicher Vermittlungsbemühungen.

(Beifall bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoo- rendonk [SSW])

Das Wort hat Frau Abgeordnete Heinold.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg die Einschätzung meiner Fraktion zur laufenden Debatte auf Bundesebene! Eine grundsätzliche Reform der Arbeitsverwaltung und der Arbeitsvermittlung ist unumgänglich. Wer Arbeitslosigkeit bekämpfen will, muss mehrgleisig fahren und kreativ alle Marktinstrumente ausschöpfen, statt sich selbst zu verwalten. Deshalb ist es auch richtig, dass Herr Jagoda den Weg für einen Neuanfang frei macht, auch wenn er mit Sicherheit nicht der Alleinverantwortliche ist und wenn sich vor allem der Vorstand der Bundesanstalt die Frage gefallen lassen muss, wie er seine Aufsichtsfunktion eigentlich wahrgenommen hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Sympathische an diesem Vorstand ist ja, dass diese Frage alle Teile der gesellschaftlichen Vertretungen - ob sie nun eher den Linken sympathisch sind oder eher den Rechten - betrifft.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Dass wir uns nun auch im Schleswig-Holsteinischen Landtag mit der Situation der Arbeitsämter beschäftigen, ist sicherlich sinnvoll; schließlich ist uns allen sehr daran gelegen, dass die Arbeitslosen im Land nicht verwaltet, sondern beraten, weiter qualifiziert und in den Arbeitsmarkt vermittelt werden.

Die Bilanz der Arbeitsverwaltung ist eindeutig schlecht. Die Stellenvermittlung der Arbeitsämter arbeitet bei weitem nicht so effektiv, wie sie selber angegeben hat. Die Vermittlungsquote in Beschäftigungsverhältnisse, die länger als sieben Tage dauern, liegt bei knapp 30 %. Erschwerend kommt hinzu, dass seit dem Jahr 2000 die Vermittlung von Arbeitslosen sowohl in absoluten wie auch in relativen Zahlen rückläufig ist - zugunsten kurzfristiger Arbeitsverhältnisse.

Die jetzt veröffentlichten Erkenntnisse verlangen grundsätzlich Reformen der Arbeitsverwaltung und der Arbeitsvermittlung. Die Verantwortung liegt bei der

Spitze der Bundesanstalt, beim Vorstand und bei dem zuständigen Chef dieser Anstalt, nicht bei den einzelnen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsämter mühen sich täglich im Interesse derjenigen, die eine neue Arbeitsstelle suchen, sie beraten Jugendliche bei ihrer Berufswahl und vermitteln Qualifizierungsmöglichkeiten.

Die Gesellschaft muss insgesamt ein hohes Interesse daran haben, die viel zu hohe Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren und jedem eine Chance auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu geben.

Wir brauchen keine geschönten Statistiken, sondern wir brauchen Erfolge, vor allem in der Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, aber auch Hilfestellung für diejenigen, die eine besonderen Hilfestellung bei der Wiedereingliederung benötigen - aus welchen Gründen auch immer.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Günter Neugebauer [SPD])

Die bisher vorgelegten Vorschläge des Vorstandes der Bundesanstalt für Arbeit sind enttäuschend. Sie reichen nicht aus, um eine schnelle und effiziente Arbeitsvermittlung für die Zukunft zu sichern. Der Reformbedarf ist groß. Da helfen keine vagen Vorschläge, da helfen nur klare Zielvorgaben.

Herr Riester hat nun angekündigt, mutigere Schritte zu gehen. Noch kann ich nicht beurteilen, ob seine Vorstellungen ausreichend sind, denn sie liegen mir noch nicht vor; er hat das ja erst gestern Abend kundgetan.

Notwendig ist, dem Reformprozess eine detaillierte Analyse durch eine renommierte Unternehmensberatung zugrunde zu legen. Eine solche Aufgabe kann auch die vorgesehene drittelparitätisch besetzte Lenkungsgruppe wohl nicht leisten.

Die Neuausrichtung der Bundesanstalt muss eine konsequente Kundenorientierung in der Arbeitsvermittlung sein.

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Dazu sind Entlastungen von vermittlungsfremden Leistungen - das wurde eben schon erwähnt - ebenso notwendig wie eine Dezentralisierung und Verschlankung der oberen und mittleren Instanzen sowie die Umschichtung von Personal, klare Verantwortlichkeiten und Kontrollsysteme.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD])

(Monika Heinold)

Zu keinem dieser Punkte gibt es aber bisher konkrete Vorgaben durch den Vorstand.

Nur 10 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - auch das ist erwähnt worden - sind in der direkten Arbeitsvermittlung tätig. Das reicht bei weitem nicht aus. Innerhalb der Bundesanstalt muss umgeschichtet werden. Die örtlichen Ebenen müssen gestärkt und die Strukturen dezentralisiert werden.

(Unruhe)

Der Vorstand hat konkrete Zielvorgaben für die angestrebte Mobilisierung zusätzlicher Vermittlungskapazitäten unterlassen. Für den Arbeitslosen sollte die private Vermittlung zum Rechtsanspruch ab Beginn der Arbeitslosigkeit werden. Im Vorschlag des Vorstandes bleibt die Ausweitung der Nutzung von privaten Vermittlern nur eine Absichtserklärung. Es fehlen die Kriterien, wann und wie die Einschaltung Dritter geboten ist.

Es gibt nicht den Königsweg zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und es gibt auch nicht den Königsweg zur Umstrukturierung. Aber eines wissen wir: Wir müssen mehrgleisig fahren und wir müssen kreativer werden. Deshalb müssen alle Bemühungen dahin gehen, die individuelle Betreuung von Arbeitslosen zu verstärken. An dieser Stelle möchte ich vor allem die kommunal eingesetzten privaten Vermittler wie Maatwerk und andere loben, denen es ausgesprochen gut gelingt, individuell zu beraten und Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt hineinzuvermitteln.

(Beifall)

Als Modelle können schon jetzt die neuen Eingliederungspläne nach dem Job-Aqtiv-Gesetz oder dem Kombilohnmodell umgesetzt werden. Dazu ist die verstärkte Einbeziehung Dritter notwendig. Nicht bürokratische Vorgaben, sondern die Nachfrage nach Vermittlungsleistungen durch die Kunden sollte zukünftig das zahlenmäßige Verhältnis zwischen privater und öffentlicher Arbeitsvermittlung bestimmen.

Die Hälfte der Geschäftsbereiche der Bundesanstalt dienen der reinen Eigenverantwortung. Diese Prioritätensetzung ist falsch. Hier kann und muss verschlankt und umgeschichtet werden. Es kann nicht nur um eine Überprüfung, sondern es muss um eine grundsätzliche Veränderung der Aufbau- und Ablauforganisation gehen. Ohne den Mut, alles auf den Prüfstand zu stellen, und ohne den Mut, klare Zielvorgaben zu formulieren, wird es keine wirksame Reform der Bundesanstalt geben.

Im Antrag der FDP wird eine Bundesratsinitiative mit einem schon fertigen Konzept gefordert. Darüber sollten wir im Sozialausschuss inhaltlich beraten, zu

mal die Forderung der kompletten Zerschlagung der bisherigen Bundesanstalt sehr weit gehend ist und in meiner Fraktion so keine Mehrheit findet. Die Rede des Herrn Garg - ich habe das vorhin schon in einem Zwischenruf gesagt - war aber aus meiner Sicht ausgesprochen gut und auch richtungsweisend in der Klarheit, dass Strukturreformen notwendig sind.

Der CDU-Antrag verfolgt ein anderes Ziel: Er fordert auf, unverzüglich zu handeln - das ist eine Selbstverständlichkeit -, er fordert auf, grundlegende Reformen der Struktur und Arbeitsweise der Bundesanstalt einzuleiten, und er nennt dann inhaltliche Leitlinien. In vielen dieser Forderungen findet sich meine Fraktion wieder und würde auch diese Überlegungen gern im Ausschuss diskutieren.

In der Sache sind wir uns alle einig: Einfache Schuldzuweisungen funktionieren nicht. Wir brauchen eine Arbeitsverwaltung, die dazu beiträgt, dass die Menschen im Lande Arbeit finden. Dieses Ziel muss ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Nach der ausgesprochen guten Debatte heute im Landtag glaube ich, dass es richtig ist, wenn wir aus SchleswigHolstein in die Diskussion hinein Impulse geben. Mehr können wir nicht tun, aber das sollten wir tun.

(Beifall)