„Wir werden die erneuten Korruptionsfälle zum Anlass nehmen, die Kontrolle in der Finanz- und Bauverwaltung weiter zu verstär
ken, um die bisherige Vergabepraxis von öffentlichen Aufträgen noch systematischer zu durchleuchten.“
Als Sofortmaßnahme kündigte Möller in derselben Pressemitteilung an, ein anonymes „Korruptionstelefon“ einzurichten und eine Taskforce Innenrevision der Steuer- und Bauverwaltung zu bilden. Das Telefon sollte denjenigen, die Anhaltspunkte für Korruption haben, die Möglichkeit geben, ihr Wissen auch unerkannt zu offenbaren, zum Beispiel unbegründetes Abweichen von Vergabevorschriften.
Das war fünf Monate vor Abschluss der Verträge mit debis/SAP. Im selben Jahr hat die Landesregierung einen Erlass zur Bekämpfung von Korruption herausgegeben, in dem sie als entscheidenden Punkt hervorhebt, dass die Vergabevorschriften strikt einzuhalten sind. Unterschrift: Innenminister des Landes Schleswig-Holstein - Klaus Buß war es nicht, es war Dr. Ekkehard Wienholtz.
Was sollen die Menschen des Landes von dieser Landesregierung halten angesichts der Tatsache, dass der Finanzminister und die leitenden Mitarbeiter seines Ministeriums sich entweder um das überhaupt nicht kümmern, was vergaberechtlich in ihrem Haus geschieht, oder dass es ihm mittlerweile egal ist, dass sie sich rechtswidrig verhalten? Was sollen die Menschen dieses Landes davon halten, dass der Minister über Wochen wahrheitswidrig behauptet, die Finanzausschussvorlagen seien Vergabevermerke, sie hätten die Qualität eines Vergabevermerks, und selbst wenn dies nicht so sei, folge daraus nicht die Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens?
Anschließend lässt er sich durch eine Frankfurter Kanzlei auf Kosten des Steuerzahlers bestätigen, dass weder die Kabinettsvorlagen noch die Finanzausschussvorlagen ein Vergabevermerk seien, auch nicht ansatzweise dessen Qualität aufweisen würden, ihn nicht ersetzen könnten und dass damit das Vergabeverfahren rechtswidrig ist. Es wäre nicht Claus Möller, wenn er der staunenden Öffentlichkeit nicht wiederum erklären würde, dies bestätige ihn in seiner Auffassung.
Es sei schließlich festgestellt worden, dass Schadenersatzansprüche nicht herzuleiten seien. Dass auch dies Nonsens ist, werden wir noch dokumentieren. Ich bin es leid, mich mit der geballten Inkompetenz des Finanzministers beziehungsweise seines Hauses in
diesen Fragen auseinander zu setzen. Nur eine Literaturempfehlung, Herr Finanzminister: Es muss auch in Ihrem Haus möglich sein, so etwas einmal nachzulesen. Der Schadenersatzanspruch steht im Vergabeverfahren, in Vergabe-News 03/98 von Arnold Bösen, auf den ich als Kommentator des Vergaberechts ausdrücklich hinweise. Das Finanzministerium sollte vielleicht auch in Bösens Kommentar „Vergaberecht“, erste Auflage 2000, die Randnummern 153 ff. der Einleitung sorgfältig lesen, was die Frage der Rechtsanwendung angeht.
Selbst wenn die Mitglieder keine Schadenersatzansprüche mehr durchsetzen könnten - Herr Minister Möller, wenn Sie mir nicht glauben, vielleicht glauben Sie Ihrer eigenen Bundesregierung, die würde Ihnen auch bestätigen, was ich Ihnen hier gerade sage, aber möglicherweise reden Sie mit Hans Eichel ja gar nicht mehr -, selbst wenn die Mitglieder keine Schadenersatzansprüche mehr durchsetzen könnten, ist dies weder eine Entschuldigung noch ein Freibrief für ein derart gravierendes politisches Fehlverhalten.
Claus Möller kommt mir mit seiner Freude: „Es ist doch noch nichts passiert, es ist doch kein Schaden angerichtet worden“ vor wie ein volltrunkener Autofahrer, der mit 180 Stundenkilometern durch eine geschlossene Ortschaft fährt und von der Polizei angehalten wird, nachdem er eine rote Ampel vor einem Kindergarten überfahren hat und sagt: „Herr Wachtmeister, es ist doch nichts passiert!“ Wir können gar nicht feststellen, Kollege Hay, ob das Land einen Schaden erlitten hat, weil wir gar nicht wissen, ob wir ein zu teures Produkt bei gleicher Leistungsbreite eingekauft haben.
Und dies gilt unabhängig von möglichen Regressforderungen unterlegener Bieter. Es vereinfacht die Bewertung der Sache nicht gerade, dass die ehemalige Projektleiterin im Finanzministerium, die für die ordnungsgemäße Vergabe und deren Dokumentation zumindest mit verantwortlich war, ebenso wie der ehemalige Staatssekretär Dr. Lohmann nunmehr im Sold derjenigen Unternehmen stehen, die auf der Grundlage des rechtsfähigen Vergabeverfahrens den Zuschlag erhielten. Aber das ist ein anderer Punkt. Ich unterstütze ausdrücklich die Aussage des Kollegen Hay, dass für beide selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt und gelten muss und wir gut daran täten, hier keinen anderen Eindruck zu erwecken.
Von der Ministerpräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kraft zu erwarten, ihren Finanzminister
zu entlassen, den sie öffentlich bereits für unverzichtbar erklärt hat, ist zu viel verlangt. Sie ist längst nicht mehr Herrin im Hause über das, was in ihrer Landesregierung passiert. Sie hat den Überblick verloren, möglicherweise ist es ihr aber auch egal. Jedenfalls, Frau Ministerpräsidentin, Herr Finanzminister, habe ich mir auch das mit mehr als 1 Million DM produzierte Leitbild der Landesregierung aufbewahrt, in dem es unter anderem heißt - ich zitiere -:
„Wir arbeiten nach Recht und Gesetz. Dies ist für uns Verpflichtung und Herausforderung gleichermaßen.“
Es ist wirklich traurig, dass wir in Schleswig-Holstein aller Voraussicht nach erneut einen Untersuchungsausschuss benötigen, um den Menschen das Vertrauen in den Rechtsstaat zurückzugeben, das Vertrauen darin, dass Rechtsverstöße nicht sanktionslos bleiben, auch wenn sie von einem Minister oder Spitzenbeamten eines Ministeriums begangen werden. Und um alle Nachfrager gleich zu beruhigen: Der Untersuchungsausschuss wird deutlich preiswerter als das Gutachten in dieser Sache, dem die Spitze des Finanzministeriums nicht folgen wollte.
Herr Finanzminister Möller, Sie sind ein Minister auf Abruf. Und dieser Ruf kommt schneller, als Sie heute möglicherweise ahnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht um den heißen Brei herumreden. Bei der Einführung des Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystems in der Landesverwaltung sind Fehler gemacht worden. Darüber haben wir im Finanzausschuss ausführlich diskutiert. Meine Fraktion hat sich mit kritischen Fragen beteiligt.
Aus meiner heutigen Sicht komme ich zu folgender Einschätzung. Es gibt keinen Vergabevermerk. Die Kabinettsvorlage, welche den Vorgang nach Aussage des Finanzministers teilweise dokumentiert, ist kein ausreichender Vergabevermerk und damit aus Sicht des vom Ministerium eingeholten Gutachtens formal rechtsfehlerhaft. So ein Fehler darf gerade im Finanzministerium nicht passieren.
Die personelle Besetzung der Projektgruppe, die für die Einführung des neuen Systems verantwortlich war, war weder qualitativ noch quantitativ ausreichend.
Damit hängt wohl auch die unzureichende Dokumentation des gesamten Vorgangs zusammen. Hier muss die Regierung zukünftig vom Parlament mehr Mittel einfordern, um die angestrebte Verwaltungsmodernisierung auch durchführen zu können.
Der Finanzausschuss hatte eine bedingte Vergabe beschlossen. Da diese, wie sich später herausgestellt hat, rechtlich nicht möglich war, hat das Finanzministerium eine andere „Reißleine“ in den Vertrag eingezogen, nämlich die besonderen Kündigungsmöglichkeiten nach § 8. Damit ist aus meiner Sicht dem Anliegen des Ausschusses Rechnung getragen worden. Allerdings kann ich verstehen, wenn die Opposition sagt: Im Nachhinein wäre es besser gewesen, wenn der Minister vor Abschluss des Vertrages den Ausschuss noch einmal informiert hätte.
Diese Kritikpunkte sind aus meiner Sicht gerechtfertigt. Der Finanzminister hat dafür die politische Verantwortung übernommen und er hat zugesagt, auf schnellstem Wege einen Vergabeleitfaden erarbeiten zu lassen, damit das komplizierte Vergaberecht von allen Beteiligten in der Verwaltung EU-konform, korrekt und kontrollierbar angewandt werden kann.
Nun komme ich zum zweiten Teil meiner Rede. Es gibt viele, die diese gemachten Fehler nutzen wollen, um ihr eigenes politisches Süppchen zu kochen. Deshalb ist es notwendig, noch einmal darzustellen, wie und warum der Finanzausschuss seine Entscheidung 1998 mit den Stimmen aller Fraktionen gefällt hat. Wir haben uns in ausführlicher Beratung das Pro und Kontra der unterschiedlichen Anbieter und Systeme vorstellen lassen. Dabei hat Finanzminister Möller ausführlich, transparent und in schriftlicher Form informiert. Ich sage sehr deutlich: Eine so transparente Information ist mir ausgesprochen lieb.
Ich weiß nicht, ob die CDU, die damals, als sie die Verantwortung hier im Lande hatte, die Ausschüsse
Wir haben die Bedenken des Landesrechnungshofes diskutiert und haben daraufhin beschlossen, dass in den Vertrag eine Sicherheitsklausel eingebaut wird. Von allen Fraktionen wurde die Situation so eingeschätzt, dass wir trotz der Bedenken des Rechnungshofes, der aber auch keine überzeugende Alternative nennen konnte, die Mittel freigeben sollten, da wir alle die zügige Einführung der Kosten-Leistungs-Rechnung in der Landesverwaltung wollten und die Regierung ja auch gedrängt hatte, dies zu tun.
Dabei war dem Finanzausschuss klar, dass wir ein Restrisiko eingehen würden, weil wir gemeinsam mit Hamburg Pilotland bei der Einführung dieser neuen EDV waren. Gerade die Zusammenarbeit mit Hamburg war uns aber sehr wichtig. Deshalb musste sich Schleswig-Holstein auch mit Hamburg einigen, welches System beschafft werden sollte.
In den letzten Tagen und Wochen hat der Finanzminister im Finanzausschuss auch noch einmal auf die enge Abstimmung mit dem Landesrechnungshof 1998 hingewiesen. Wenn der Rechnungshof nun so tut, als sei er von dem Vorgang völlig überrascht und habe bei der Prüfung lauter Neuigkeiten gefunden, die er unbedingt der Öffentlichkeit mitteilen müsse, argumentiert er scheinheilig.