Der Bericht führt vor Augen, wie oberflächlich und substanzlos gearbeitet worden ist. Ich gebe Ihnen Recht, Herr Nabel, seit der Unterzeichnung der Biodiversitätskonvention im Jahre 1992 durch 168 Staaten ist der Begriff der Biodiversität zum Glück sehr viel deutlicher in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Inzwischen wird die Erhaltung und Weiterentwicklung der biologischen Vielfalt als prioritäres Ziel verfolgt und 179 Staaten haben sich angeschlossen. Auch die Europäische Union ist der Konvention beigetreten.
In dieser Diskussion wird der Begriff Biodiversität für meinen Geschmack aber häufig zu einfach verstanden. Mal heißt es: „je vielfältiger, desto besser“, oder aber eine geringe Artenvielfalt wird von vornherein negativ bewertet. Biodiversität ist aber mehr - ich denke, da stimmen wir sogar überein - als das Zählen von Organismenarten oder das Vergleichen mit Roten Listen. Es ist auch mehr als nur Artenvielfalt. Biodiversität meint die Vielfalt des Lebens auf der Erde, von der genetischen Vielfalt über die Artenvielfalt bis hin zur Vielfalt der Ökosysteme.
Um uns die Bedeutung der Biodiversität noch einmal vor Augen zu führen, möchte ich gern aus Berendsohn,
„Die gesamte Vielfalt organismischen Lebens... stellt die für die Sicherung der menschlichen Existenz bei weitem wichtigste und zugleich die am kompliziertesten strukturierte natürliche Ressource unseres Planeten dar. Verfügbarkeit und allgemeiner Zugang zu grundlegenden Informationen über die globale Biodiversität sind daher von entscheidender Bedeutung für die zukünftige Entwicklung der Menschheit und werden zunehmend von politischer Seite gefordert.“
Vor diesem Hintergrund reicht die mit dem Bericht vorgelegte Aneinanderreihung von Daten und Fakten ohne deren vernetzte Betrachtung, Auswertung, Analyse und Bewertung schlichtweg nicht aus. Eine nachvollziehbare vertiefte Darstellung, wie es um die Biodiversität in diesem Sinne in Schleswig-Holstein bestellt ist, vermag ich nicht zu erkennen. Das bedauere ich außerordentlich.
Dafür gibt es einige Beispiele, die ich in der Kürze der Zeit nur kurz anführen kann und die wir hoffentlich im Ausschuss vertiefend betrachten können.
Was die Hinweise zur Biotopkartierung angeht, so hätte ich mir wirklich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Erhebung und den Ergebnissen der Biotopkartierung gewünscht. Sie ist, wenn sie professionell und landesweit einheitlich angewandt wird, durchaus ein geeignetes Instrument, die biologische Vielfalt in einem definierten Raum aufzunehmen. Das allerdings, was uns hier einfach nur in Form von Daten vorgelegt worden ist, hat mit einer Darstellung der Biodiversität, lieber Herr Minister, nichts zu tun.
Die Informationen über die Roten Listen sind zum Teil unvollständig und auch falsch. Auf Seite 5 unten heißt es beispielsweise:
„In abgestuften Gefährdungskategorien wird der Einfluss des Menschen auf die Artenvielfalt dargestellt.“
Diese Darstellung ist einfach nicht korrekt. Rote Listen sind und bleiben ein Verzeichnis, eine Auflistung von gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Wenn man aber hineinschaut, so stellt man fest, dass es bei keiner der hier genannten Gefährdungskategorien konkrete Angaben und Verknüpfungen mit Gefährdungsursachen, auch nicht was die Einflussnahme durch den Menschen angeht, gibt. Das ist in den Roten Listen an sich nicht enthalten. Darum sind solche Darstellungen schlichtweg nicht korrekt.
Nicht richtig ist auch, dass Rote Listen - wie es hier heißt - keinen direkten Verordnungs- und Richtliniencharakter hätten. Das ist zwar formal korrekt. Faktisch aber spielt die Anwesenheit von Arten der Roten Liste eine erhebliche Rolle, so zum Beispiel bei der Begründung für die Ausweisung von Schutzgebieten, bei der UVP und bei der Eingriffs-/Ausgleichsregelung; das wissen wir doch alle. Die Verfasser des Berichts tun gerade so, als hätten sie noch nie etwas vom Wachtelkönig und der A 20 oder vom Mühlenberger Loch und dem Wasserschierlingsfenchel gehört. Die kennen sogar der Wirtschaftsminister - er kann es im Moment leider nicht bestätigen - und die Ministerpräsidentin sie kann es im Moment auch nicht bestätigen - im Schlaf. Sie kennen die Zusammenhänge. Dies sind nur wenige Beispiele für Ungenauigkeiten und unkorrekte Angaben in diesem Bericht. Dies bei dem wichtigen Thema mehr als bedauerlich.
Wir können uns lange über das Thema der Neozoen und Neophyten, der gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten auslassen. Es wird - das haben Sie auch in Ihrer Rede getan, Herr Minister - klar eingeräumt, dass das Wissen über diese Arten und Artengruppen noch sehr lückenhaft und unvollständig ist - insoweit erhebe ich keinen Vorwurf -, und zwar auch, was die Artenzahlen und die ökologischen Auswirkungen betrifft.
Interessant ist auch Ihre Einschätzung zur Bedeutung der eingebürgerten Arten für die Ökosysteme. Ich zitiere:
„Aufgrund der hohen Komplexität ökologischer Systeme ist es nur in wenigen Fällen möglich, die Bedeutung eingebürgerter Arten für die jeweiligen Ökosysteme umfassend darzustellen. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen bis heute nicht genügend Daten zur Verfügung stehen, um die Folgen der jeweiligen Einbürgerung auch nur im Ansatz bewerten zu können.“
Welch neue Töne, muss ich sagen, wenn ich an die rigorosen Diskussionen über autochthone und allochthone Arten und die früher erhobenen Forderungen nach Ausrottung von Muffel- und Sikawild denke.
„Die oben genannten Beispiele zeigen, dass es im Zusammenhang mit Neozoen und Neophyten zu ökonomischen, vor allem aber zu zum Teil erheblichen ökologischen Problemen kommen kann. Gebietsfremde invasive Arten können ein wichtiger Faktor für den
Ich kann nicht erkennen, dass Sie mit Ihrem kümmerlichen Bericht auch nur im Ansatz die Grundlage für den Beweis für eine so weit reichende Behauptung geliefert haben.
Mit Wissenschaftlichkeit hat dies alles nichts zu tun. Ich hätte mir an dieser Stelle eine sehr viel differenziertere inhaltliche Auseinandersetzung gewünscht. Herr Minister, das unterscheidet uns dann vielleicht in dem Anspruch an solche Berichte.
Wir können doch die Auseinandersetzung um die Bewertung von Neozoen und Neophyten nicht mehr in der Art und Weise von Glaubenskriegen führen. Entscheidend ist doch, dass wir sachlich und fachlich fundiert untersuchen, ob das Auftauchen von gebietsneuen Pflanzen- und Tierarten in Ökosystemen positiv oder negativ zu bewerten ist. Verändern sich die Strukturen und die Funktionen von Biozönosen oder Ökosystemkompartimenten und, wenn ja, wie? Ganz entscheidend ist auch die Frage: Wie wirken sich diese Prozesse auf die Stabilität von Ökosystemen aus?
Dazu gehört natürlich auch die grundsätzliche Frage, ob die Biodiversität per se etwas Statisches ist. Man kann es auch anders formulieren: Ist jede Veränderung in Ökosystemen grundsätzlich negativ oder kann es sich auch um eine natürliche Weiterentwicklung hin zu noch stabileren Ökosystemen handeln?
Es gibt eine Fülle von Fragen, im Hinblick auf die ich hoffe, dass wir sie im Ausschuss weiter beraten. Mir fehlt in diesem Bericht die Quintessenz aus all diesen Überlegungen.
Das hat dieser Bericht ziemlich schonungslos offenbart. In diesem Bereich ist bisher zwar viel Geld verkleckert worden, es ist aber nichts Substanzielles oder Fundiertes dabei herausbekommen, das uns in der Vergangenheit konzeptionelle Arbeit ermöglicht hätte.
In der Kürze der Zeit kann ich leider nicht alle Beispiele anbringen. Herr Minister, mit Ihren Aussagen zur Bewertung des Erfolgs von Maßnahmen des hoheitlichen Naturschutzes, der Arbeit der Stiftung „Naturschutz“ und von Pflegemaßnahmen zum Erhalt
Ich sage deutlich: Und dies nach 13 Jahren Regierungsverantwortung, die von Ihnen - nicht persönlich, aber insgesamt - getragen wurde! Wer so etwas abliefert, hat wirklich jedes Recht verspielt, sich mit dem Umweltranking als Oberzensor im Lande aufzuspielen.
Herr Minister, leider haben Sie die große Chance zu einer fundierten Auseinandersetzung mit dem Thema Biodiversität, mit den bisherigen Zielen des Naturschutzes, mit den Instrumenten, den Ergebnissen, den Erfolgen und den Misserfolgen nicht genutzt. Ich hatte immer noch auf Ihren heutigen Redebeitrag gehofft. Es war nichts als dünne Suppe. Eigentlich wollte ich es eine akrobatische Luftnummer nennen, aber noch nicht einmal das war es. Wer so etwas abliefert, muss sich überlegen, welche Verantwortung er für den Umweltbereich unseres Landes übernehmen will.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Moment habe ich einige Schwierigkeiten, die Aufregung zu verstehen.
Irgendwie habe ich den Eindruck, dass alle ihre Arbeit gemacht haben. Die Opposition hat die Regierung kritisch gefragt, die Regierung hat eine Bestandsaufnahme und Bewertungen geliefert, die Opposition sagt: Das reicht mir alles nicht. Was also bitte soll die Aufregung?
Für die Bewertung der biologischen Vielfalt sind die so genannten Roten Listen ein altbekanntes Mittel. Sie dokumentieren den aktuellen Kenntnisstand, in dem eine Bewertung der Gefährdungssituation aufgrund von wissenschaftlichen Erkenntnissen vorgenommen wird. Die Einstufungen der Roten Liste geben somit - zugegeben in komprimierter Form - das Wissen einer großen Anzahl von Spezialisten aus den jeweiligen Sachgebieten und den Regionen wieder. Dies ist der derzeitige Stand. Ich komme später zu den Blauen Listen. Ich weiß nicht, worüber man sich da aufregen soll.
Ich finde es besonders beachtenswert, dass diese Informationen zum Teil in regionalen Verbänden oder Vereinen zusammengetragen und gesammelt werden, bevor sie an speziell eingerichtete Arbeitsgruppen zur Roten Liste oder an einzelne Koordinatoren der Roten Liste weitergegeben werden. Mein Dank richtet sich hier insbesondere an die vielen ehrenamtlichen Fachleute und Naturschutzverbände, die wertvolle Informationen liefern. Herr Nabel hat schon besonders auf den Landesnaturschutzverband hingewiesen.
Die Roten Listen sind ein Instrument der Erfassung und Kontrolle und liefern deswegen wichtige Informationen über die weiter zunehmende Gefährdung der Natur durch menschliche Nutzung. Mich überrascht es nicht, dass diese Gefährdung weiter zunimmt. Ich komme später noch darauf zurück.