Protocol of the Session on January 24, 2002

Es gibt keinen Zweifel, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass das Thema Integration ein sehr ernstes Thema ist, ich sage einmal ein dynamischer Entwicklungsprozess, denen sich alle zu stellen haben, die von dieser Integration betroffen sind. Das sind einmal wir als Politiker, das sind Organisationen wie Gewerkschaften, Kirchen, Schulen, das sind aber auch die Migrantinnen und Migranten selbst. Auch die müssen wir verpflichten, ihren Anteil an der Integration wahrzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

In Ihrem Antrag - das hat mich gestört - beginnen Sie mit folgendem Satz:

„Die wichtigste Voraussetzung für die Integration in das Wirtschaftsleben sind“

- jetzt kommt es!

„neben dem Erlernen der deutschen Sprache - -“

- Neben dem Erlernen der deutschen Sprache! Nein, das ist die Voraussetzung. Das Kennen und Können der deutschen Sprache ist die Schlüsselqualifikation für alle anderen Integrationsmaßnahmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie müssen die Sprache beherrschen - das ist die Voraussetzung - und man kann nicht irgendwie sagen: Es reicht eine ausreichende Sprachkenntnis. Damit können wir uns nicht zufrieden geben.

Deshalb frage ich Sie: Warum stellen Sie in Ihrem Antrag nicht die Forderung zur Erarbeitung eines einheitlichen Sprachenkonzepts? Das wäre doch ein vernünftiger Ansatz.

(Beifall bei der CDU)

Generell sind die Bemühungen aller Organisationen ich erwähnte sie bereits: Bildungszentren, Gewerkschaften, Kirchen, Schulen und so weiter - wichtig, um den Integrationsprozess fortzuschreiben und zu fördern. Aber dazu gehören auch die Betroffenen selbst.

Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen und Angeboten sowie Vorschlägen. Warum werden diese nicht angenommen? Fehlt hier vielleicht eine enge Kooperation oder - wie es heute immer so schön heißt - eine Vernetzung? Dann vernetzen wir doch! Fordern Sie im Antrag, die Aktivitäten der Anbieter von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu vernetzen! Das wäre doch auch ein sinnvoller Antrag.

Aber nun zu den einzelnen Antragsinhalten! Das 1998 vom Land gestartete - ich gebe das zu - Programm „Migranten schaffen zusätzliche Ausbildungsplätze“ ist ja mit 150 neuen Arbeitsverhältnissen erfolgreich verlaufen. Das sollten wir fortsetzen; ebenso auch das Projekt „Ausbildung und Integration von Migranten“, das sicherlich auch ein Erfolg versprechendes Programm ist.

Kritisch hinterfragt werden muss aber, inwieweit die ausländischen Jugendlichen in diesen ausländischen Betrieben die deutsche Sprachkompetenz verbessern. Werden die einstellenden Betriebe dazu verpflichtet? Auf die Antwort auf diese Frage bin ich gespannt.

Deutsche Betriebe, Kolleginnen und Kollegen, die jetzt in diese Programme einbezogen werden sollen, kennen das Problem der Ausbildung sowohl für deutsche wie für ausländische Jugendliche. Sie kennen auch das Sprachenproblem. Aber ein viel größeres Problem besteht für diese Betriebe darin, dass sie keine qualifizierten Schulabgänger bekommen - deutsche wie ausländische. Das hat also nicht nur etwas mit Nationalitäten und Sprachdefiziten zu tun, sondern viel mit dem katastrophalen Bildungsniveau der Schulabgänger. Hier muss auch angesetzt werden.

Gerade letzte Woche haben wir auf dem Jahresempfang der IHK hier in Kiel erfahren, in der Rede des Präsidenten, dass 20 % der Schulabgänger wegen der Lerndefizite nicht ausbildungsfähig sind. Das mag natürlich auch an der Sprachkompetenz liegen, aber

(Manfred Ritzek)

nicht ausschließlich. Also tun wir auch etwas in unseren Bildungsprogrammen!

(Beifall bei der CDU)

Auf die Antragspositionen „freie Berufe“, „öffentlicher Dienst“, „Studenten“ und „Studienabgänger“, die es zwar etwas schwerer haben, möchte ich nicht weiter eingehen. Ich meine aber, dass es hier vornehmlich um bürokratische und administrative Erschwernisse geht, die es zu beheben gilt und die nicht unmittelbar mit diesem Integrationsprozess zu tun haben.

Aber eine andere entscheidende Frage möchte ich zum Schluss doch noch stellen: Bei dem eingeforderten Handlungsbedarf darf nicht die Forderung nach einem detaillierten Finanzierungskonzept für diese Integrationskosten fehlen. Die beabsichtigte Verteilung der Lasten auf alle Ebenen ist zu nennen: auf den Bund, auf das Land, auf die Kommunen.

Dabei darf auch eine Beteiligung der Zuwanderer nicht ausgeschlossen werden. Ob Unternehmen einbezogen werden können oder müssen, ist eine Frage, die zu stellen ist. Das könnte kontraproduktiv sein. Die Frage nach dem Finanzierungskonzept hätte als ein wichtiger Antragspunkt gestellt werden müssen.

(Beifall bei der CDU - Glocke des Präsiden- ten)

Herr Kollege, beachten Sie die Redezeit!

Wir haben die Basis für den ständigen Verbesserungsprozess Integration geschaffen. Lassen Sie ihn uns gemeinsam weitergehen. Ich beantrage Überweisung an die entsprechenden Ausschüsse.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der FDP erhält jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der beiden Regierungsfraktionen ist zwar sicherlich gut gemeinte Absicht, bedauerlicherweise aber nur ein Sammelsurium von Platitüden und Ungereimtheiten. Das muss man so sagen.

(Beifall bei der FDP)

Dem hohen Anspruch, die Integration der Ausländer in der Wirtschaft zu fördern, wird dieses Papier unserer Auffassung nach nicht gerecht.

Zu einzelnen Punkten. Erstens. In der allgemeinen Zielsetzung, dass junge Ausländer sowohl im Hinblick auf das Erlernen der deutschen Sprache als auch ansonsten im Bereich der Allgemeinbildung wie in der beruflichen Bildung besser gefördert werden sollen, sind wir uns sicherlich einig. Aber es kann doch nicht einfach beim Backen von solchen Allgemeinplätzchen in einem solchen Antragspapier bleiben

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

abgesehen davon, dass die Regierung dies nicht schon längst als ihre Aufgabe erkannt hat. Warum muss man das als Landtag noch beschließen? Es geht doch um die Frage, was man in diese Richtung konkret voranbringt. Es geht um konkrete Schritte im Übrigen gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der PISA-Diskussion.

(Beifall bei der FDP)

Zweitens. Im zweiten Drittel des Antragstextes ist vom Handlungsbedarf in diversen Teilbereichen die Rede. Im Einzelfall mag man darüber reden. Unsinnig erscheint mir jedoch die Prämisse, die den Formulierungen des Antrags offenbar zugrunde liegt. Die Autoren gehen, wie es scheint, von der Vorstellung aus, man müsse in dem breiten Spektrum der Arbeitswelt zu einer Art Normalverteilung ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelangen. Das jedenfalls ist mein Eindruck. Das ist schon deshalb nicht einleuchtend, weil unser Land in der Vergangenheit ausländische Arbeitnehmer speziell für Berufe und Tätigkeiten angeworben hat, in denen inländische Kräfte nicht in ausreichendem Maß verfügbar waren. Im Antrag wird der Pflegebereich genannt. Man könnte die Gastronomie, aber auch viele andere Berufszweige nennen. Mit der Greencard-Regelung wird ein solches zielgenaues Anwerben für bestimmte Bereiche jetzt auf einem sehr hohen Niveau von beruflicher Qualifikation weitergeführt.

Die aus der zielgenauen Anwerbung resultierende Überrepräsentanz von Ausländern in bestimmten Bereichen muss logischerweise korrelieren mit einer Unterrepräsentanz in anderen Bereichen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So ist das!)

Die in dem Sinn abbauen zu wollen, sie müssten überall gleichmäßig verteilt werden - das scheint mir durchzuscheinen -, halte ich nicht für sinnvoll, im Übrigen auch deshalb nicht, weil, würde das tatsächlich so verwirklicht, in einigen Bereichen neue Lücken aufgerissen würden, die dann wieder irgendwie mit

(Dr. Ekkehard Klug)

neuen Programmen gefüllt werden müssten. Das würde einen Kreislauf in Gang setzen, in dem das immer so weitergeht.

Drittens. Soweit der Antrag konkrete Berufszweige benennt - um einmal einen positiven Punkt zu nennen -, also die Bereiche Handwerk und freie Berufe, wo es Probleme beim Zugang von ausländischen Fachkräften gibt, sollte man nach unserer Auffassung mit den Kammern, mit den Verbänden aus dem jeweiligen Bereich einmal über konkrete Schritte im Sinn einer Förderung des Zugangs von Ausländern sprechen, anstatt hier eine solch allgemeine Aussage zu treffen, die nach meiner Auffassung zu wenig konkret ist.

(Beifall bei der FDP)

Viertens. Im letzten Drittel des Antrags geht es um die Situation der ausländischen Studierenden. Auch hier sind die Formulierungen entweder zu allgemein gehalten oder missverständlich beziehungsweise widersprüchlich. Es gibt konkrete Rahmenbedingungen, die gar nicht benannt werden, wie zum Beispiel die Forderung des Deutschen Studentenwerks, erst einmal in Deutschland bundesweit 21.000 Plätze in neuen internationalen Studentenwohnheimen zu errichten, damit die ausländischen Studierenden, die wir ins Land holen wollen, hier überhaupt Wohnheimplätze finden können.

Die derzeitige Rechtslage - auch das ist ein Punkt, den man ansprechen muss -, dass Studierende oft nur 90 Tage im Jahr für ihren Lebensunterhalt erwerbstätig sein dürfen, baut in der Tat unnötige und unsinnige Hürden für einen Teil der ausländischen Studierenden auf und verkennt die Realität, dass eben Studierende heute in gewissem Umfang im Rahmen von Studentenjobs und Teilzeittätigkeit hinzuverdienen müssen. Es ist sicherlich richtig, hier etwas zu tun. Aber auch da ist der Antrag zu wenig konkret.

Wenn man von Visumerleichterungen spricht, will ich darauf hinweisen, dass nach dem 11. September gerade Verschärfungen bei der Visumserteilung eingeführt worden sind. Also: Rin in die Kartoffeln, rut aus die Kartoffeln! Von der Rasterfahndung, bei der in Nordrhein-Westfalen allein 10.000 Studenten aus dem Raster herausgekippt worden sind, will ich hier gar nicht einmal reden. Wie gesagt: In der Politik muss es eine gewisse Konsistenz geben.

Fünftens. Ich komme zum letzten Spiegelstrich, unter dem gesagt wird, dass für ausländische Studierende, die hier in Deutschland ihren Abschluss erwerben, bessere Möglichkeiten eröffnet werden sollen, dass sie hier eine Berufstätigkeit aufnehmen können. Das kann man in einem Gesamtpaket durchaus diskutieren. Ich

möchte aber doch auch Folgendes anmerken. Der eigentliche Sinn des erweiterten Zugangs für ausländische Studierende zum Studium in Deutschland sollte doch der sein, qualifizierten akademischen Nachwuchskräften etwa aus der Dritten Welt hier eine akademische Ausbildung zu ermöglichen, die sie bei sich zu Hause nicht bekommen können, um dann zu Hause in der Entwicklung ihrer Heimatländer tätig werden zu können. Es kann sich doch nicht alles nur auf ein Braindrain, auf das Anwerben der geistigen, der intellektuellen Elite aus Drittweltländern konzentrieren, die wir zu uns holen, sodass sie im Ergebnis bei der Entwicklung ihrer eigenen Länder fehlen. Dass dieser Aspekt überhaupt nicht angesprochen ist, ist meiner Auffassung nach ein Manko. Man darf die Sache nicht nur auf die Anwerbung von ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für unseren deutschen Arbeitsmarkt reduzieren.

(Beifall der Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU] und Heinz Maurus [CDU])

Dann kriegt das Thema ausländische Studierende eine totale Schieflage.

Ich beantrage Ausschussberatung. Dann kann man das eine oder andere vielleicht noch konkretisieren.