Protocol of the Session on January 24, 2002

Es geht aber nicht an - das will ich auch sagen -, dass die Länder sagen: Wir wollen die Regionalisierungsmittel, aber dafür muss die LKW-Maut fallen. Das ist völlig kontraproduktiv, wenn man wirklich umsteuern will. Wir haben in Europa die Situation - die Kommissarin Palacio hat es gesagt -, dass der Anteil der Schiene am Güterverkehr auf 8 % gefallen ist. Zum Vergleich: Der Anteil der Schiene in den USA ist in den letzten 20 Jahren auf 40 % des Güterverkehrs angestiegen. Das ist das Fünffache dessen, was wir in Europa haben. Dies zeigt, welche enormen Potenziale vorhanden sind, wenn wir endlich Wettbewerb auf die Schiene kriegen, wenn wir eine wirtschaftsorientierte Politik im Schienenverkehr bekommen. Es zeigt auch, welche Chancen in Europa vertan werden. Das gilt auch für die Bundesrepublik. Wir brauchen die Verkehrswende. Wir brauchen eine klare Finanzierung dafür. Wir stehen voll und ganz hinter Minister Rohwer, von dem wir wissen, dass er für diese Politik kämpft, dass er, was die Verkehrspolitik des Landes angeht, für diese Verkehrswende steht und Enormes geleistet hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag ist auf Unterstützung der Aktivitäten unseres Verkehrsministers ausgerichtet und findet selbstverständlich auch unsere Unterstützung.

(Beifall beim SSW)

Die Planungen auf der rot-grünen Bundesebene stehen im völligen Gegensatz zur rot-grünen Landesebene. Wenn wir hier zu einer Einigung beitragen können, so wollen wir selbstverständlich gern hilfsbereit sein. Aber merkwürdig ist die Uneinigkeit schon. Die Bundesregierung will sparen. Das ist an sich auch nichts Ehrenrühriges. Aber wenn eigene Ziele aus finanzpolitischen Erwägungen heraus torpediert werden, hat

(Lars Harms)

Berlin ein Problem mit seinem Kurs. Ziel unserer Bundesregierung ist die Stärkung des Verkehrsträgers Bahn. Hierfür gibt es verkehrstechnische und vor allem auch ökologische Gründe, die man in Berlin aber anscheinend schon wieder vergessen hat.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Derzeit erreicht uns aus Berlin in Bezug auf die Bahn eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Systematisch wird durch die bundeseigene Deutsche Bahn AG der Fernverkehr von und nach Schleswig-Holstein ausgedünnt.

(Heinz Maurus [CDU]: Ein Skandal, was da passiert!)

- So ist es, Herr Kollege Maurus. - Ziel ist nicht mehr eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Verkehrsdienstleistungen, sondern nur noch die Aufrechterhaltung des Notwendigsten. Die Deutsche Bahn AG kann als Unternehmen auch nicht anders handeln und wird in Zukunft auch weiterhin nicht anders handeln. Das kommt eben davon, wenn man Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge privatisiert. Mit den Folgen müssen wir nun leben, auch wenn wir damit schlechter leben als früher.

Bisher hat das Land Schleswig-Holstein versucht, die Ausdünnung des Fernverkehrs damit aufzufangen, dass es die ihm zur Verfügung gestellten Regionalisierungsmittel so eingesetzt hat, dass Ersatzverkehre eingerichtet wurden. So konnten wir bisher Schlimmeres verhindern.

Wenn nun die Regionalisierungsmittel abgeschmolzen werden, müssen wir damit rechnen, dass bestimmte Verkehre nicht aufrechterhalten werden können. Zur Ausdünnung des Fernverkehrs kommt auch noch die Ausdünnung des Nahverkehrs. Aber nichts ist so schlimm, als dass man es nicht noch verschlimmern könnte. Der Bund erwägt auch noch, die bisher geltende Dynamisierung auf Basis der Umsatzsteuerentwicklung zu streichen. Dies würde langfristig bedeuten, dass trotz Inflation und irgendwann vielleicht auch wirtschaftlicher Prosperität die Mittel für den BahnNahverkehr real sinken werden. Wir werden also neben der nominalen Abschmelzung der Regionalisierungsmittel auch noch die schleichende Abschmelzung der Regionalisierungsmittel verkraften müssen. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir uns dagegen wehren müssen.

Dass wir uns wehren müssen, wurde im Übrigen auch auf der verkehrspolitischen Tagung kürzlich in Schwerin deutlich, die Herr Kollege Eichelberg schon angesprochen hat. Vertreter aus den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpom

mern und Brandenburg waren sich bei der Forderung im Sinne unseres heutigen Antrages parteiübergreifend einig.

Aufgrund der Tatsache, dass Vertreter von vier Bundesländern eine gemeinsame Position bezogen haben, wird deutlich, dass dies auch eine Frage des Föderalismus ist. Wenn wir die föderalen Strukturen erhalten wollen, müssen wir uns in solchen Fällen auch gemeinsam durchsetzen.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Aus diesem Grunde begrüßen wir es ausdrücklich, dass SPD und Grüne die Landesregierung in ihrem Antrag auffordern, auf einer angemessenen Mittelausstattung zu bestehen und diese Forderung auch durchzusetzen; so ist es jedenfalls formuliert. Eine solch scharfe Formulierung aus rot-grünen Reihen gegen unsere Bundesregierung zeigt, wie wichtig und existenziell dieses Thema ist. Ohne die Zustimmung der Länder sind die von der Bundesregierung vorgesehenen Änderungen bei den Regionalisierungsmitteln nicht durchsetzbar. Somit hat die Landesregierung Einflussmöglichkeiten, um Schlimmeres zu verhindern. Das Parlament kann mit der Verabschiedung des vorliegenden Antrages die Landesregierung entsprechend unterstützen. Daher werden wir zustimmen, aber auch sehr genau darauf achten, dass die Landesregierung sich wirklich auf die Hinterbeine stellt und gegenüber Herrn Schröder und Herrn Eichel durchaus ein bisschen bockbeinig ist.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Minister Dr. Rohwer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke für die vielen nützlichen und interessanten Hinweise, die ich heute bekommen habe. Vor allem bedanke ich mich für die breite Unterstützung der Verhandlungslinie der Landesregierung. Der Vorschlag des Bundesfinanzministers ist ein Affront. Er ist ein Affront gegen die Länder und er ist ein Affront gegen eine zukunftsgerichtete Bahnpolitik.

(Beifall im ganzen Haus)

Die Argumentation, die dabei im Übrigen verwendet wird, ist völlig inkonsistent. Auf der einen Seite wird gesagt, dass der Nahverkehr ausgebaut werden soll. Auf der anderen Seite sollen die Mittel reduziert wer

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

den. Das ist mit der erklärten Programmatik der Bundesregierung nicht vereinbar. Zumindest der Bundesverkehrsminister weiß das. Der Bundesfinanzminister weiß dies wohl noch nicht.

Die Spielräume, die die Länder für sich aus dem zunehmenden Wettbewerb schöpfen, können nicht durch eine Rendite des Bundesfinanzministers abgeschöpft werden. Wir setzen doch deshalb auf Wettbewerb, damit wir die Leistungen hier in SchleswigHolstein weiter verbessern können.

(Beifall im ganzen Haus)

Deshalb muss die Wettbewerbsrendite natürlich auch in Schleswig-Holstein verbleiben. Die Deutsche Bahn streicht mit klammheimlicher und manchmal sogar offener Unterstützung des Bundes - auch in SchleswigHolstein - Fernzüge.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Gerade in Schles- wig-Holstein!)

Das ist ein Ding! Deshalb sage ich: Durch die Regionalisierungsmittel muss mindestens der Ersatz für diese Fernzüge abgedeckt werden.

(Beifall im ganzen Haus)

Der Bundesverkehrsminister hat dies auch akzeptiert. Nach den geführten Gesprächen bin ich auch sicher, dass die Bundesregierung dies akzeptieren wird. Das ist nicht bei allen Themen der Fall. Alle Länder - Aund B-Länder - stehen bei diesem Thema geschlossen. Wir stehen in enger Abstimmung. Es ist klar: Gegen die Länder kann es keine Revision geben. Dies ist ein zustimmungspflichtiges Gesetz. Es gibt gegen die Länder kein Aussetzen der Regionalisierungsmittel. Es gibt höchstens ein momentanes Einfrieren, jedoch keine Revision. Die Erpressungspotenziale, die es bei manchen Themen gibt, gibt es bei diesem Thema jedenfalls nach meinen bisherigen Eindrücken - in der Form, wie es der Bund vielleicht gern hätte, nicht.

Die Forderungen der Länder gegenüber dem Bund sind klar: Erstens. Ausreichende Mittel für den Erhalt und den Ausbau des regionalen Schienenverkehrs. Zweitens. Angemessener Ausgleich für entfallende Fernverkehrsleistungen. Unter dem Strich heißt dies: Mindestens 7,06 - also rund 7,1 - Milliarden Euro. Zu diesen 7,1 Milliarden Euro muss man allerdings fairerweise sagen, dass sie natürlich an die aktuelle Mehrwertsteuerentwicklung angepasst werden. Das heißt, der Basisbetrag muss sich - der Logik folgend der Mehrwertsteuer anpassen. Wir brauchen aber die Dynamisierung weiter. Man kann nicht beides machen: Man kann nicht - wie der Bundesfinanzminister es gern würde - den Basisbetrag aufgrund der Umsatz

steuerentwicklung reduzieren und dann die Dynamisierung wegnehmen. Das ist ein Skandal.

(Beifall im ganzen Haus)

Frau Aschmoneit-Lücke, hier bin ich nach wie vor etwas optimistischer als Sie. Ich gebe mich nicht damit zufrieden, dass wir für Schleswig-Holstein die Mittel halten. Nach der Neuverteilung der Regionalisierungsmittel bekommt Schleswig-Holstein mehr Geld. Darüber habe ich berichtet. Daher müssen wir jetzt schauen, dass das gesamte Volumen so groß ausfällt, dass dieser Aspekt nicht konterkariert wird. Nach all den Kompromissmöglichkeiten, die wir im Moment mit dem Bund besprechen, bin ich optimistisch, dass wir insgesamt für Schleswig-Holstein mehr Geld kriegen. Wir können hier um eine Flasche Rotwein wetten. Wir brauchen aber auch mehr Geld. Das habe ich hier auch immer wieder gesagt. Wir brauchen dies nicht, weil mehr Verkehr da ist, sondern weil die Deutsche Bahn im Lichte der Gutachten ihre Preise erhöht. Auch dafür müssen wir höhere Mittel einsetzen.

Die Signale, die ich zurzeit aus Berlin empfange, deuten darauf hin, dass man auch dort - rechtzeitig vor der Bundestagswahl - auf Kompromisse setzt. Irgendjemand sagte vorhin, wir müssen die Bundestagswahl nutzen. Herr Eichelberg, das ist ein wichtiger Hinweis, vielen Dank! Ich lerne heute viel dazu.

(Heiterkeit)

Die nächsten drei Monate müssen dies richten.

(Beifall im ganzen Haus)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es wurde Abstimmung in der Sache beantragt. Wer dem Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 15/1506, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Wir haben einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Konzept zur Herstellung von Chancengleichheit beim Qualitätswettbewerb der strukturschwachen Regionen im „Regionalprogramm 2000“

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/1514

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich noch einmal an die Ausgangslage bei der Förderung für strukturschwache Regionen erinnern.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

- Herr Kollege Kubicki, 72 % der Fördermittel gingen in Richtung der Ballungszentren Kiel und Lübeck und nur 28 % in den Landesteil Schleswig und an die Westküste. Unter dem Abbau öffentlicher Arbeitsplätze hat in den letzten zehn Jahren vor allem der nördliche Landesteil gelitten. Der Norden gilt als extrem strukturschwach, was letztmalig wieder im Bericht zur gemeinsamen Rahmenplanung für die GAMittel verdeutlicht wurde. Zu guter - oder auch zu schlechter - Letzt müssen gerade die nördlichen Kreise und die Westküste darunter leiden, dass die junge Bevölkerung abwandern muss. Wer eine gute Ausbildung hat, hat schlechte Chancen, in den betroffenen Regionen Arbeit zu finden. Das ist erst einmal die Ausgangslage.

Regionen mit solch schlechten Voraussetzungen haben in einem reinen Qualitätswettbewerb um Fördermittel kaum eine Chance. Die Frage ist: Wie bekommen wir es hin, dass sich diese Regionen trotzdem bedarfsgerecht entwickeln können und sie auch an positiven Entwicklungen teilhaben können? Grundsätzlich gibt es zwei Wege. Der erste Weg wäre, dass dem Landesteil Schleswig und der Westküste eine feste Summe aus dem Regionalprogramm zur Verfügung gestellt würde, um so Initiativen dauerhaft fördern zu können. Dabei ist ein Qualitätswettbewerb innerhalb der Region natürlich ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das alte Regionalprogramm für den Landesteil Schleswig und die Westküste, welches gute Erfolge vorweisen konnte.

Der andere Weg, den wir fordern, wäre, dass man versucht, mit den Akteuren vor Ort gemeinsame Entwicklungsziele zu erarbeiten. Im Kreis SchleswigFlensburg gibt es schon länger ein Entwicklungskonzept. An der Westküste soll jetzt ein Konzept erarbeitet werden. Das sind erste gute Schritte.