Protocol of the Session on January 24, 2002

(Irene Fröhlich)

gibt, an dem sie es offensichtlich nicht mehr schaffen, Vertrauen zu anderen Menschen ihrer nächsten Umgebung aufzubauen. Kinder, denen so etwas passiert - das Deutsche Jugendinstitut schildert zum Beispiel Fälle, in denen Kinder selbst aus Kindergärten geschmissen werden, weil sie dort nicht mehr tragbar sind -, nehmen eine Belastung von Fremdenfeindlichkeit und eine Unkultur an Vertrauen mit in ihr Leben. Das fördert Fremdenfeindlichkeit. Lesen Sie diese Studie des Deutschen Jugendinstituts einmal nach, dann sind Sie hinterher vielleicht ein bisschen klüger als jetzt!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelter Beifall bei der SPD)

Prävention ist harte Arbeit; Prävention ist Alltagsarbeit. Sie findet in klitzekleinen Schritten statt, die aufeinander aufbauen und erst nach Jahren erkennbare Erfolge aufweisen. Natürlich muss man nichtsdestotrotz immer wieder fragen, was tatsächlich und konkret passiert. Insofern will ich mich überhaupt nicht verschließen, diesem Projekt in Pinneberg unsere Aufmerksamkeit einmal exemplarisch besonders zuzuwenden. Das halte ich für sehr gut.

Unsere Aufgabe als Gesellschaft und auch die Aufgabe von Familien, Jugendhilfe, Schulen, und vielen anderen Einrichtungen, die sich mit Kindern und Jugendlichen beschäftigen, ist es, Kinder stark zu machen, Eltern zu unterstützen, die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern und Toleranz und Menschenwürde in einer Kultur des Aufwachsens zu sichern.

(Frauke Tengler [CDU]: Wunderbar! Das ist einmal konkret!)

Präventive Maßnahmen richten sich nicht nur an einzelne, so genannte Problemjugendliche, sondern zielen auch auf die Verbesserung der Lebensbedingungen aller Jugendlichen. Durch eine Stärkung ihrer Kompetenzen zur Lösung von Problemen sowie ihre Aktivierung für die Interessen des Gemeinwesens werden Kinder und Jugendliche sozial eingebunden und in ihren Entwicklungschancen bestärkt.

Insofern hätte ich noch verstanden, wenn Sie, Herr Geerdts, gefragt hätten: Was soll da eine Fahrradschule? Auch das hätte ich Ihnen erklären können. Aber da Sie nun auch noch das Bus-Engel-Projekt nennen, zeigt mir, dass Sie es einfach nicht begriffen haben.

(Frauke Tengler [CDU]: Aber Sie natürlich!)

Prävention verbindet darüber hinaus Ansätze aus einer breiten Palette von Themenfeldern, die sich mit der Erziehung, Entwicklung und Unterstützung von Kin

dern und Jugendlichen und ihren Familien beschäftigen. Dazu gehört eine ganze Reihe von Themen, die alle aufgelistet sind.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Entschuldigung. - Ich darf um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin bitten!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Erfahrungen aus diesen Aktivitäten haben aus meiner Sicht aber auch aufgezeigt - insofern ist natürlich eine kritische Stellungnahme notwendig und sinnvoll -, wo und in welcher Richtung weiterer Handlungsbedarf besteht. Ich nenne hier nur beispielhaft: Wir brauchen eine verbesserte Abstimmung der unterschiedlichen Aktivitäten in den Regionen. Wir arbeiten daran. Wir arbeiten im Jugendhilfeausschuss daran. Wir arbeiten auch in dem Projekt „Jugendhilfe und Schule“ daran. Wir arbeiten an verschiedenen Stellen daran. Insofern rennen Sie bei uns offene Türen ein. Für die Jugendpolitik bedeutet dies eine Umsteuerung von einer Intervention durch Maßnahmen der Hilfen zur Erziehung zu frühzeitig angelegten präventiven Angeboten, die spätere massive Hilfen möglichst überflüssig machen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Vorbeugung ist es immer so eine Sache. Legt man den Begriff der Prävention einerseits zu eng aus, dann übersieht man viele sinnvolle Maßnahmen im Bereich der so genannten primären Prävention, die die Entstehung der Probleme von vornherein vermeiden sollen. Legt man ihn andererseits zu breit aus, dann droht der Überblick und damit die politische Problemlösungsfähigkeit abhanden zu kommen.

Die Landesregierung und ihr Bericht gehen zu Recht davon aus, dass es bei der Verhinderung von Rechtsextremismus zuvörderst auch um einen breiten Begriff von primär präventiven Maßnahmen geht.

(Silke Hinrichsen)

Es sollen jene Faktoren im Leben von Kindern und Jugendlichen vermieden werden, von denen erwartet wird, dass sie die Affinität zu rechtsradikalem und fremdenfeindlichem Gedankengut fördern. Es sollen jene Faktoren gefördert werden, die geeignet erscheinen, demokratische Gesinnung und Toleranz zu unterstützen.

Maßnahmen, die aus einem solchen Ansatz der frühzeitigen Vermeidung abgeleitet werden, sind aber dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht unbedingt direkt auf das Problem des Rechtsextremismus bezogen sind. Sie basieren auf einem breiten lebensweltlichen Ansatz, den auch die Landesregierung für sich in Anspruch nimmt. Das ist der Regierung auch nicht zu verdenken. Dabei kommt dann aber schnell heraus, dass der Verkehrskasper auch gegen die Nazis hilft. Das mag zwar zutreffen, bringt uns aber politisch nicht wirklich weiter. Denn unter diesen Vorzeichen ist es fraglich, ob es überhaupt Sinn hat, über diese Maßnahmen zu reden. Dann stellt sich schon ernsthaft die Frage, ob nicht andere Faktoren wie die Arbeitsmarktpolitik, die Innenpolitik oder die ausländerpolitische Rhetorik von Politikern mittelbar nicht einen größeren Einfluss auf die Neigung zu rechtsradikalem Gedankengut haben als die Fahrradprüfung.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Sehr richtig!)

Wenn die Maßnahmen zur Prävention von Rechtsextremismus für uns Landespolitiker wirklich noch greifbar bleiben sollen, dann hätte man besser nicht nur eine so breite Liste vorgelegt, die zudem gleich auf den ersten Seiten als unvollständige Ressort-Umfrage gekennzeichnet wird.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Ja!)

Ein solcher Bericht hat nur Sinn, wenn man trotz des breiten Präventionsansatzes auch die Beziehung zur Problematik der Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Ausländerfeindlichkeit aufzeigt.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Ansonsten lässt sich schwer nachvollziehen, was wir wirklich unternehmen, ob die Anstrengungen verstärkt worden sind und ob sie die Facetten der Problematik ordentlich abdecken, also ob wir genug und das Richtige tun.

Es wäre besser gewesen, besonders die speziellen und neuen Ansätze und Projekte herauszustellen, statt nur eine Sammlung von Lebenskompetenz stärkenden Einzelmaßnahmen für Kinder und Jugendliche aufzuführen. Zum Auftrag an die Landesregierung gehörte auch, gemeinsam mit anderen Stellen Konzepte für eine bessere Verzahnung der Angebote zu entwik

keln. Hierzu möchte ich anfügen - das führt die Regierung in ihrem Bericht ebenfalls aus -, dass diese Arbeit noch läuft. Wir bekommen das Ergebnis noch vorgelegt. Darüber hinaus hat die Regierung in ihrem Bericht explizit gesagt, die Zeit sei zu kurz gewesen. Wir hoffen also, dass wir noch eine solidere Datengrundlage bekommen werden.

Positiv möchte ich aber gerne Folgendes hervorheben. Bei der Lektüre des Berichts habe ich mich wirklich über die Vielfalt der bereits genannten Maßnahmen gefreut. Sie zeigt, wie viele Menschen dazu beitragen, den Wert der Demokratie im Bewusstsein unserer Kinder und Jugendlichen zu verankern. Dafür verdienen sie unsere Anerkennung und unseren Beifall.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

Ich freue mich darauf, die weiteren Informationen zu erhalten, und hoffe, dass wir diese Debatte dann weiterführen können.

(Beifall beim SSW)

Zu einem Kurzbeitrag erteile ich jetzt dem Abgeordneten Dr. Johann Wadephul das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Garg, bei allem Verständnis dafür, dass Sie den Beitrag der Kollegin Herdejürgen verteidigen wollen - er enthielt sicherlich manch Nachdenkenswertes -, muss ich schon sagen: Der Union wird immer vorgeworfen, dass wir sehr pauschal und ungerechtfertigt die große Zahl von Beauftragten dieser Landesregierung kritisierten. An der Stelle sollten wir aber, wie ich finde, durchaus festhalten: Wenn wir denn schon Beauftragte haben, dann sollten sie eine fachspezifische Debatte wie diese dazu nutzen, um Rechenschaft über ihre Arbeit abzulegen und um uns vielleicht davon zu überzeugen, wie sinnvoll ihre Tätigkeit ist. Wenn Sie, Frau Kollegin, dies als Kinderund Jugendbeauftragte nicht tun, dann spricht das sehr dafür, dass wir auf diese Stelle entweder verzichten sollten oder dass Sie die falsche Besetzung sind.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Wadephul, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Herdejürgen?

Nein. Bei einem Dreiminutenbeitrag geht das nun wirklich nicht. Sie können ja vielleicht anschließen.

Im Übrigen muss ich den Kollegen Geerdts an dieser Stelle nicht nur in Schutz nehmen, sondern will ihm auch herzlich dafür danken, dass er überhaupt bereit war, zu diesem „Bericht“ Stellung zu nehmen. Frau Fröhlich, wenn man sich den Bericht genau ansieht, sieht man, dass er mit dem sehr ernsthaftem Thema der Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen und mit der Frage der Prävention, damit sie sich nicht extremistischen politischen Gruppierungen zuwenden, nichts zu tun hat. Das sind ja zwei sehr ernsthafte Themenbereiche. Wir haben über sie gestern auch gut miteinander diskutiert. Aber dieser Bericht, von Fahrradkursen bis zu Essstörungen und einer Adressenaufzählung, ist peinlich für diese Landesregierung.

(Beifall bei der CDU - Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist so schade, dass die CDU das nicht kapiert!)

Zuletzt möchte ich auf den gestrigen Wortbeitrag des Herrn Innenministers zurückkommen, der insbesondere an einer Stelle, an der der Minister auch für die Frau Bildungsministerin gesprochen hat, einen sehr guten Ansatz enthielt, den wir nachhaltig unterstützen wollen. Das hohe Haus hat Gelegenheit, diesen zu unterstützen. Ich habe mich sehr gefreut, Herr Innenminister, dass Sie gestern im Einvernehmen mit der Kultusministerin erklärt haben, diese Landesregierung wolle den deutschsprachigen Islamunterricht an den schleswig-holsteinischen Schulen in Angriff nehmen. Damit wir jetzt auch über die Konzepte sehr schnell und sehr konkret miteinander reden können,

(Silke Hinrichsen [SSW]: Es besteht doch schon ein Konzept!)

sollte das hohe Haus die Gelegenheit nutzen, nicht nur über den unvollständigen Bericht zu diskutieren, sondern - dazu ist die Opposition auch sehr gerne bereit, jedenfalls die CDU-Fraktion - die Landesregierung darin auch unterstützen, dass sie endlich an das Thema des deutschsprachigen Islamunterrichts herangeht und somit vielen anderen Ländern endlich folgt. Das ist ein praktischer Beitrag zur Integration. Deswegen wollen wir Sie, Herr Innenminister, auf diesem Weg sehr gern unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Dem Präsidium liegt jetzt eine Reihe von Wünschen zu Kurzbeiträgen vor. Der Reihenfolge der Meldungen

gemäß darf ich zunächst dem Abgeordneten Holger Astrup das Wort nach § 56 Abs. 4 erteilen.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Dr. Wadephul, über die Rede der Kollegin Herdejürgen sollten diejenigen entscheiden, die etwas davon verstehen. Dazu zähle ich Sie nicht. Insofern lohnt es sich auch nicht, darauf einzugehen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Die habe ich gar nicht kritisiert!)

Wenn Sie sich schon hier hinstellen und glauben, Sie könnten gemeinsam mit Herrn Geerdts die Arbeit der Kinderbeauftragten insoweit kritisieren, als Sie sie auffordern, sie möge sich hier hinstellen und Rechenschaft ablegen, bitte ich Sie, doch einmal darüber nachzudenken, welche Aufgabe die Kinderbeauftragte hat. Sie ist Kinderbeauftragte der Landesregierung. Wir sind hier in einer Parlamentsdebatte der jugendpolitischen Sprecher. Insofern habe ich nicht verstanden, warum ausgerechnet Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie seien auf diesem Gebiet ein Fachmann.

(Klaus Schlie [CDU]: Und wir verstehen jetzt nicht, warum Sie das tun! Wenn man keine Ahnung hat, sollte man überhaupt nicht nach vorn gehen, Herr Kollege Astrup!)