Protocol of the Session on June 7, 2000

Die Menschen fühlen sich ohnmächtig, wenn sie Getreide anbauen, von dem sie wissen, es wird keine Saat bringen. Sie müssen wieder das gleiche Getreide kaufen, die gleiche Herbizidmischung, obwohl sie wissen, dass ihr Boden dadurch kaputtgeht, weil sie darauf angewiesen sein werden, weil standortangepasste Saaten entweder zu teuer oder aber später nicht mehr verfügbar sind.

Es ist bekannt, dass Leute, denen die Argumente ausgehen, zu Mitteln greifen, die oft an Perfidie grenzen. Ich will das hier nicht unterstellen, aber wenn ich die „Frankfurter Rundschau“ vom 19. Mai 2000 lese schaler Geschmack -, die mit der Überschrift anfängt: „Versehen, Irrtum oder Absicht?“, dann reicht das eigentlich, um dies zu klassifizieren, was ich annehme.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. - Dieses Saatgut ist nämlich nicht mehr aus der Welt zu schaffen, auch wenn es sich nur um 0,038 % handelt. Das ist da. Wir müssen damit leben. Es ist in diesem Fall vielleicht nicht so schlimm. Aber es gibt andere Saaten - ich habe von Weizen und von Gerste gesprochen, von Maniok oder von was auch immer -, die weltweit andere Notwendigkeiten als Raps haben. Es ist ein großes Problem, wenn Akzeptanz durch die Macht des Faktischen hergestellt wird. Das ist eine Zermürbungsstrategie, auf die wir uns einstellen müssen.

Meine Damen und Herren, wir müssen diese Diskussion nicht nur unter naturwissenschaftlichen, sondern auch unter sozialwissenschaftlichen, auch unter kulturellen Gesichtspunkten führen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD], Günter Neugebauer [SPD], Renate Gröpel [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW])

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

(Zurufe von der CDU: Doch!)

- Das habe ich übersehen. Entschuldigen Sie bitte. Frau Abgeordnete Dr. Happach-Kasan hat das Wort. Wer ist zunächst dran? - Herr Abgeordneter JensenNissen hat nach § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nehme die Worte des Herrn Kollegen Nabel sehr ernst, weil es seine persönliche Meinung ist. Aber Sie als Sozialdemokraten und Grüne müssen schon die Fragen beantworten, die man an Sie stellt. Sie reden hier nämlich mit gespaltener Zunge.

(Zuruf von der SPD: Was? - Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wenn der Bundeslandwirtschaftsminister sagt, dieser Produktionsfortschritt könne ohne die Biotechnologie und Gentechnik nicht erreicht werden, wenn es um die Welternährung geht, dann müssen Sie den Leuten den Widerspruch erklären: Gentechnologie in Asien und Afrika ja, aber in Deutschland nein. Diese Fragen müssen Sie beantworten. Das können Sie sich nicht so einfach machen.

Wenn hier Herr Müller und im Grunde genommen Frau Franzen die Thematik in Fragestellungen sehr deutlich problematisieren, dann frage ich mich, was mit dem Aufsatz im „Agrarreport Schleswig-Holstein 2000“ ist, in dem Sie unkommentiert die Biotechnologie als eine Chance für mittelständische Unternehmen in der Pflanzenzucht in Schleswig-Holstein darstellen, in dem Sie dies sehr gut, präzise aufarbeiten und damit vorgeben, dass das Ihre Meinung sei. Da darf man doch schon einmal fragen - wenn da steht, die teilweise dramatisch geschilderten Vorkommnisse wie Auskreuzungen seien natürliche Ereignisse -, welche beim transgenen Material in gleicher Weise vorkämen wie bei traditionellem Zuchtmaterial. Warum wird das hier nicht gesagt? Aber in Ihrem „Agrarreport“ erwecken Sie den Eindruck, als

(Peter Jensen-Nissen)

sei dies Ihre Meinung. Hier wird mit doppelter Zunge geredet. Das ist unerträglich!

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Wenn es um die grüne Gentechnologie geht, so bin ich dafür. Wir sind uns einig: Klare Kennzeichnung, Herr Steenblock, damit jeder weiß, womit er es bei Nahrungsmitteln und Saatgut zu tun hat. Unbeabsichtigtes oder fehlerhaftes Beimengen sind nicht zu tolerieren. Darin sind wir uns einig. Aber sie sind auch nicht zu dramatisieren, wenn sie weit unter den Grenzen liegen, die beispielsweise - wie Sie es dargelegt haben, Frau Franzen - in der Schweiz gelten. Deshalb muss man mit diesen Dingen verantwortungsvoll umgehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein weiterer Punkt! Wie halten Sie es denn, wenn in diesem Artikel, im Rahmen des Leitprogrammes „NABUS 2000“ steht: „Gesunde Lebensmittel aus transgenem Raps“? Hier wird mit Förderung des BMFT an einer Zukunftstechnologie geforscht. Sagen Sie Ja oder sagen Sie Nein dazu? Ich bleibe bei dem, was meine Kollegin Scheicht gesagt hat. Forschen ja, anwenden nein? Wie wollen Sie diese Fragen beantworten und wie wollen Sie dies verantwortungsvoll vor der Bevölkerung darstellen?

(Lebhafter Beifall bei CDU und F.D.P.)

Erlauben Sie mir den Hinweis darauf, dass Meinungsäußerungen von der Regierungsbank vielleicht verständlich, aber nicht zulässig sind.

Frau Dr. Happach-Kasan, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Nabel, ich möchte Ihren Beitrag nicht kommentieren, weil ich finde, dies gebietet die Fairness. Sie haben das Recht, hier eine ganz persönliche Meinung zu äußern. Ich finde es gut, dass solche persönlichen, nachdenklichen Meinungen in diesem Hause Platz finden. Deshalb begrüße ich Ihre Stellungnahme.

(Beifall bei SPD und SSW)

Frau Franzen, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie noch einmal die besondere Bedeutung von Raps für Schleswig-Holstein herausgestellt haben, und zwar im Hinblick auf den agrarischen Aspekt, auf den touristischen Aspekt und so weiter. Dies ist richtig. Herr Kollege Wodarz, wir sollten Raps nicht schlecht reden. Das kann sich dieses Land überhaupt nicht leisten.

Auf eines möchte ich gern hinweisen: Die Auskreuzung von Raps findet statt. Das wissen wir. Das hat auch nichts damit zu tun, ob er gentechnisch verändert ist. Raps kreuzt immer aus. Das ist einfach so.

Der Kollege Steenblock möchte keine Schwellenwerte haben und sagt, er möchte Raps haben, der völlig gentechnikfrei ist. Aber wir müssen letztlich feststellen, dass ein total gentechnikfreier Raps nur in solchen Gegenden produziert werden kann, in denen auf keinem Versuchsfeld, auf keinem Quadratmeter Acker auch nur ein bisschen transgener Raps angepflanzt wird. Das heißt, wenn man eine solche Kennzeichnung haben will, kann dies nur bedeuten: Land X gentechnikfrei oder Land Y nicht gentechnikfrei. Das ist die einzige Möglichkeit.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies würde aber letztlich bedeuten - ich frage mich, ob dies in der EU durchzusetzen ist -, dass wir weder aus Kanada noch aus den USA Saatgut mit der Kennzeichnung „gentechnikfrei“ einführen könnten. Angesichts der EU-weiten Verflechtungen und der EURichtlinien ist allerdings auch zu sehen, dass wir keinen Landwirt in Schleswig-Holstein oder in irgendeinem anderen Land daran hindern können, Saatgut, das von der EU-Kommission freigegeben ist, anzubauen. Insoweit ist Ihre Stellungnahme fundamentalistisch verständlich, aber auch illusorisch.

Insofern müssen wir uns fragen, ob man nicht doch sagt: Wir nehmen Genkonstrukte unter das allgemeine Saatverkehrsgesetz, wobei ich keine Probleme damit habe, statt 1 % Verunreinigung, wie es im Augenblick festgelegt ist, nur noch 0,5 % vorzusehen. Das ist nicht das Problem dabei. Denn wir sind uns alle darüber einig, das Saatgut möglichst sortenrein sein muss. Das gilt in gleicher Weise natürlich für herkömmlich produziertes Saatgut. Wer Doppelt-00-Raps anbaut, möchte eben keine Erucasäure, und wer Erucasäure produzieren will, möchte eben keinen Doppel-00Raps. Das Interesse, eine möglichst große Sortenreinheit zu haben, ist also identisch. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass dem Verhindern des Auskreuzens von Raps Grenzen gesetzt sind. Darüber sollten wir im Ausschuss diskutieren.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann schließe ich die Beratung endgültig.

Ich schlage vor, dass der mündlich gegebene Bericht zur Kenntnis genommen und der angekündigte schriftliche Bericht zur abschließenden Beratung

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

federführend dem Umweltausschuss und dem Agrarausschuss überwiesen wird. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Fünfter Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes SchleswigHolstein bei dem Präsidenten des SchleswigHolsteinischen Landtages Drucksache 15/100

In der Loge begrüße ich die Bürgerbeauftragte Sigrid Warnicke.

(Beifall)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Baasch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Qualität der Arbeit der Bürgerbeauftragten wie auch die hohe Akzeptanz ihrer Arbeit wird erneut an den Zahlen der Eingaben deutlich. So hat sich die Zahl der Eingaben im Zeitraum von Januar bis Dezember 1999 erneut erhöht. 2.380 Bürgerinnen und Bürger des Landes Schleswig-Holstein haben bei der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten um Unterstützung und um Hilfe nachgesucht. Von diesen 2.380 Eingaben wurden 2.091 als zulässig bearbeitet und in sage und schreibe 89 % der Fälle konnte durch Beratung, Auskunft oder durch Abänderung von Verwaltungsentscheidungen den Hilfesuchenden direkt geholfen werden.

(Beifall bei der SPD)

Dies sind Qualitätsmerkmale der Arbeit der Bürgerbeauftragten, die für sich sprechen. Diese Qualitätsmerkmale veranlassen mich und meine Fraktion, Ihnen, Frau Warnicke, und Ihrem Team auch in diesem Jahr herzlich für Ihre erfolgreiche Arbeit zu danken.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Der Erfolg der Arbeit der Bürgerbeauftragten beruht aber nicht nur auf einer hohen Zahl abgearbeiteter und gelöster Fälle, sondern die Akzeptanz der Bürgerbeauftragten spiegelt sich auch in einer direkten und offenen Präsentation wider. Gut angenommene Dienstleistungsabende, Telefonsprechstunden, Außensprechtage in der Region und Präsenz auf öffentlichen Veranstaltungen zeigen nicht nur Bürgernähe, sondern machen den Bürgerinnen und Bürgern auch Mut, sich an die Bürgerbeauftragte zu wenden.

Auch der Fünfte Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten spiegelt ein Stück gesellschaftlicher Realität wider. Sie ist ein Gradmesser für die soziale Lage in unserer Gesellschaft, für den Umgang mit in Not geratenen Menschen und mit den Hilfebedürftigen. In diesem Sinne ist die Arbeit der Bürgerbeauftragten nicht nur von großer Bedeutung, sondern sie ist auch Vertrauensarbeit in unsere Gesellschaft und in unsere Demokratie. Menschen, die Beratung und Hilfe suchen und Hilfe brauchen, können sich vorbehaltslos an die Bürgerbeauftragte wenden.

(Beifall bei SPD und SSW)

Aus dem Bericht der Bürgerbeauftragten wird aber auch deutlich, dass nach wie vor der Umgangston den um Hilfe und Unterstützung nachsuchenden Bürgerinnen und Bürgern häufig nicht gerecht wird. Wenn zum Beispiel einer älteren Frau die Wohnung aufgekündigt werden soll, weil die Mietobergrenze um 42 DM überschritten ist, so stellt sich die Verhältnismäßigkeit nicht mehr eindeutig dar, und wenn die Begründung des zuständigen Sozialamtes hierfür lautet, die Obergrenze werde zwar nur um 42 DM pro Monat überschritten, aber im Laufe der Zeit ergebe dies doch eine größere Summe, als man zunächst denke, so ist dies oberlehrerhaft und arrogant.

(Beifall bei SPD und SSW)

Nur gut, dass auch in diesem Falle der um Unterstützung nachsuchenden Bürgerin geholfen werden konnte, allerdings dadurch, dass der Vermieter die Miete rückwirkend um 42 DM senkte, sodass die Mietobergrenze nicht mehr überschritten wurde. Dass dadurch nun auch noch Gerichtskosten für die Hilfesuchende entstanden sind, ist bitter; aber der Erfolg ist, dass nach der Intervention der Bürgerbeauftragten die Hilfesuchende in ihrer Wohnung, in der sie seit vielen Jahren lebt, und damit in ihrem vertrauten Lebensumfeld bleiben kann.

Ich will es dabei belassen, die erfolgreiche Arbeit der Bürgerbeauftragten an diesem Beispiel aufzuzeigen. Wir sollten uns die Gelegenheit nehmen, im Sozialausschuss des Landtages den Fünften Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten vertiefend mit Frau Warnicke zu diskutieren. Der Bericht der Bürgerbeauftragten macht deutlich: Sozialhilfe, Pflegeversicherung, Renten- und Krankenversicherung sind wichtige und notwendige Bestandteile unserer sozialen Sicherung. Aber sie müssen immer auch auf ihre Wirksamkeit und auf ihre soziale Gerechtigkeit für den Einzelnen hin überprüft werden. Die Bürgerbe