Protocol of the Session on June 7, 2000

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Das ist erstens die genaue Fortsetzung der arroganten Besserwisserei von Frau Dr. Happach-Kasan vorhin hier am Rednerpult und zweitens überaus unpädagogisch, weil genau dieses überhebliche Gelächter dazu führt, dass sich Menschen, die sich nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt haben, weiter verunsichert fühlen.

(Zurufe von der CDU - Glocke des Präsiden- ten)

Meine Damen und Herren, ich komme gleich zum Schluss. Durch die Zwischenfrage habe ich schon eine Minute verloren.

Es geht bei den Pappeln in Großhansdorf nicht um Knospen - ob sie nun ausgetrieben sind als Blüten oder nicht -, sondern es geht darum, dass die Angst davor, dass diese Gene, die dort ja eingepflanzt worden sind für Kleinwüchsigkeit, Farbe und alle diese Dinge -, durch die Blüten auf umliegende Pappeln übertragen werden könnten. Es ist aber so, Frau Dr. HappachKasan - auch das können Sie beim Forschungsinstitut in Großhansdorf direkt erfragen -,

(Konrad Nabel)

dass diese Eigenschaften in die benachbarten Kontrollpappeln übergegangen sind, ohne dass die Pflanzen geblüht haben. Ja, wie kommt das denn?

(Glocke des Präsidenten)

Es gibt Bodenbakterien - auch das wissen Sie -, die diese Materialien und damit auch die Gene übertragen.

(Glocke des Präsidenten)

Bitte kommen Sie zum Schluss!

Ich komme zum Schluss. - Von daher bleibe ich dabei, dass Freisetzung, solange diese Risiken nicht abgeschätzt worden sind - dazu brauchen wir einen Ausbau der Technikfolgenabschätzung -, unverantwortlich ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Dr. Rohwer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Biotechnologie - das schließt die verantwortbaren Teile der Gentechnologie ausdrücklich ein - ist neben den IuK-Technologien eine zweite bedeutende Querschnittstechnologie auch für Schleswig-Holstein. Sie kann in vielen unterschiedlichen Lebens- und Anwendungsbereichen zum Fortschritt beitragen - damit meine ich nicht nur den wirtschaftlichen, sondern auch den sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Fortschritt - und sie bietet ein hohes Potential für Innovationen, für mehr Lebens- und Umweltqualität und auch neue Arbeitsplätze.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und F.D.P.)

Deshalb misst die Landesregierung diesem Bereich hohe Priorität bei, wie dies auch in der Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Heide Simonis zum Ausdruck gebracht worden ist.

Das Potential in Schleswig-Holstein ist beachtlich. Frau Happach-Kasan, Sie haben eine Studie zitiert, die von uns beziehungsweise von der ttz gemacht worden ist; die hat dieses Potential dargestellt. An unseren Biotechnologieschwerpunktorten Kiel, Lübeck und

Borstel werden Forschungen betrieben, die weltweit Anerkennung finden. Dieses wissenschaftliche Potential wird zunehmend auch wirtschaftlich erschlossen.

Wir haben uns vorgenommen, diese Entwicklung künftig noch stärker zu fördern. Dazu werden wir an drei Biotechnologiestandorten in Schleswig-Holstein Gründer- und Technologiezentren aufbauen. Dieses Konzept - Frau Schmitz-Hübsch! - ist mit der TSH abgestimmt - da gibt es keinen Dissens - und wir werden eine Unterstützung zu der Infrastruktur für diesen Bereich aufbauen. Dabei bedarf es aber - das möchte ich ausdrücklich betonen, weil es hier nicht um persönliche Meinungen, sondern um ein verantwortungsvolles Vorgehen geht - einer strikten Beachtung der gesetzlichen Vorgaben, einer umfassenden Begleitforschung und Folgenabschätzung und eines offenen gesellschafts- und technologiepolitischen Diskurses.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Nur durch breite Aufklärung über die Möglichkeiten und Chancen, aber auch die Grenzen der Bio- und Gentechnologie erreichen wir eine verantwortungsvolle Nutzung der neuen Technologie. Die moderne Biotechnologie greift mit ihrer tragenden Säule der Gentechnik mehr als jede Technik zuvor an den Kern des Lebens und berührt damit ethische Grenzen. Unverrückbare Grenzen muss es dort geben, wo es um die Würde des Menschen und den Schutz der Gesundheit geht.

Biotechnologie kann dort unterstützt werden, wo die Risiken begrenzt und beherrschbar sind und der Nutzen nachvollziehbar ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Biotechnologie nur durch Vermittlung der mit der jeweiligen Anwendung verbundenen Chancen und Risiken voran bringen können.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, CDU und F.D.P. sowie Beifall des Abgeordneten Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nur dann, wenn wir dabei vorhandene Vorbehalte und Befürchtungen ernst nehmen, uns damit auseinander setzen und wissenschaftlich fundiert den Nachweis der Unschädlichkeit erbringen, schaffen wir die Voraussetzungen für Akzeptanz. Nur dann, wenn wir einen unmittelbaren Nutzen für die Verbraucherinteressen und die Verbraucher sowie natürlich für den Gesundheitsbereich dokumentieren kön

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

nen, schaffen wir Offenheit gegenüber neuen Verfahren oder Produkten.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und F.D.P.)

Der Einsatz gentechnischer Verfahren verspricht große Fortschritte im Kampf gegen bisher nur begrenzt behandelbare Krankheiten und macht den Nutzen für den Einzelnen damit klar erkennbar. Hier liegen in Schleswig-Holstein eindeutig die Forschungsschwerpunkte. In der Diagnose und Therapie von Tumorerkrankungen oder in der Behandlung von HerzKreislauf-Erkrankungen und bakteriellen Infektionen zeichnen sich viele bahnbrechende Entwicklungen ab.

Demgegenüber sind gentechnische Methoden in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sehr umstritten. Die bisher entwickelten transgenen Pflanzen weisen zum weitaus größten Teil Herbizidresistenzen auf - wir sprachen eben darüber und müssen das heute auch nicht ausdiskutieren -; dies ist aus meiner Sicht ökologisch fragwürdig und hat jedenfalls die Verbraucher bislang eher verunsichert. Neuere Forschungs- und Entwicklungstrends in der Lebensmittelbiotechnologie gehen in eine Richtung, die allerdings eher Akzeptanz erwarten läßt.

Gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe, Reduzierung des allergenen Potentials oder ökologische Verträglichkeit sind Ziele, die dabei durchaus mit im Blick zu haben sind.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD], Jürgen Weber [SPD] und Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In diesem Sinne plädiere ich für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Thema Biotechnologie. Wir sollten auch künftig die Chancen nutzen, ohne dabei die Risiken zu vernachlässigen. Ich freue mich, dass wir jetzt im Ausschuss Gelegenheit haben werden, dieses Thema zu vertiefen. An die Adresse der Opposition sage ich: Sie mussten uns dazu nicht tragen, sondern wir haben bereits - Frau Schmitz-Hübsch, Sie wissen das - von uns aus als Landesregierung die Diskussion in den Wirtschaftsausschuss gebracht, weil wir etwas vorzuweisen haben, was wir weiterentwickeln können. In diesem Sinne hoffe ich weiter auf Ihre konstruktive Unterstützung. Ich bin sicher, dass wir gemeinsam zu Lösungen kommen.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei SPD und CDU - Peter Jensen-Nissen [CDU]: Dann haben wir Herrn Nabel völlig verkehrt verstanden!)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat beantragt, die Drucksache 15/109 an den Umweltausschuss, den Agrarausschuss und den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Welcher Ausschuss soll federführend sein?

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Wirtschafts- ausschuss! - Holger Astrup [SPD]: Und an den Bildungsausschuss, Herr Präsident!)

- Bildungsausschuss auch noch? - Gut. Dann mögen wir beschließen. Der Beschlussvorschlag lautet wie folgt - ich bitte zuzuhören! -:

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bildungsausschuss hat die Fe- derführung!)

Federführend - so ist es jetzt von der Antragstellerin beantragt worden - ist der Wirtschaftsausschuss, mitberatend sind der Bildungsausschuss, der Agrarausschuss und der Umweltausschuss. Gibt es weitere Vorschläge? - Dem ist nicht so. Dann darf ich fragen, wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte. Ich darf um die Gegenprobe bitten. - Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 10 ist damit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Absentismus/Fernbleiben vom Unterricht

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/126

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/151 (neu)

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Drucksache 15/158

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.

Für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Jost de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im April dieses Jahres wurden die ersten Ergebnisse einer bundesweiten Schülerbefragung des niedersächsischen Kriminologen Christian Pfeiffer in acht Großstädten Deutschlands bekannt. Das hinlänglich veröffentlichte Ergebnis: Kiel hatte die bundesweit höchste Rate von unentschuldigt fehlenden Hauptschülern in Höhe von 15,1 %, gefolgt von Hamburg. Die niedrig

(Jost de Jager)

ste Absentismusquote hatte die Stadt München mit 5,9 %.

Die Studie von Herrn Pfeiffer ist zugegebenermaßen nicht unumstritten. Die darin enthaltenen Zahlen werden unter anderem von der Landesregierung bestritten. Wir hätten das Pfeiffer-Gutachten allein nicht zum Anlass für einen Berichtsantrag im SchleswigHolsteinischen Landtag genommen.