Protocol of the Session on June 7, 2000

Förderung der Biotechnologie

Antrag der Fraktion der F.D.P. Drucksache 15/119

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Für die F.D.P.Fraktion hat Frau Abgeordnete Dr. Christel HappachKasan das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Biotechnologie ist für sich genommen ein alter Hut. Wir haben mehrfach darüber gesprochen. Ich freue mich dennoch, heute diesen Antrag einbringen zu können.

Die Anwendung der Methoden der Gentechnik macht aus dieser Uralt-Technologie von vor 5.000 Jahren eine moderne Technologie mit enormen Zukunftschancen. Völlig richtig wird daher in der Juni-Ausgabe des Informationsmagazins der Technologiestiftung Schleswig-Holstein die Gentechnik als tragende Säule der modernen Biotechnologie beschrieben.

„Sie stellt“

„eine Querschnittstechnologie dar, die weite Bereiche der Medizin, der Chemie, der Landwirtschaft, der Lebensmittelverarbeitung und des Umweltschutzes beeinflusst.“

In der Einleitung des Beitrags heißt es:

„Die Biotechnologie gilt als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts.“

Das ist eine Formulierung, die auch die rot-grüne Bundesregierung bei der Beantwortung der Großen Anfrage der F.D.P.-Bundestagsfraktion zur Gentechnik gewählt hatte. Auch diese Formulierung ist richtig - also breite Übereinstimmung!

Damit wird deutlich: Das Zusammenwirken von Gentechnik und Biotechnologie ist von verantwortlichen Politikern begriffen worden. So ist auch die Ankündigung des Landes Rheinland-Pfalz zu verstehen, das in den nächsten Jahren im Zentrum für grüne Gentechnik in Neustadt an der Weinstraße über 8 Millionen DM investieren will.

Unsere Landesregierung wird nicht müde, von den großen Fördermöglichkeiten zum Beispiel auch durch die Programme „ziel“ und „ZAL“ zu schwärmen. Wir haben als F.D.P. immer deutlich gemacht, dass wir in diesen Programmen eine Chance sehen, die Wirtschaftskraft des Landes nachhaltig zu stärken. Das kann nur gelingen, wenn man in Technologien mit Zukunftschancen investiert. Die moderne Biotechnologie unter Einbeziehung der Gentechnik ist eine solche Zukunftschance.

Die rot-grüne Bundesregierung hat dies erkannt und setzte das von der alten Bundesregierung initiierte nationale Forschungsprojekt „GABI“ - Genomanalyse im biologischen System Pflanze - fort. Daran sind Institutionen und Unternehmen des Landes Schles

(Dr. Christel Happach-Kasan)

wig-Holstein beteiligt. Dies zeigt den hohen wissenschaftlichen Standard, der in Schleswig-Holstein erreicht wurde, auch ohne dass dies von dieser Landesregierung gefördert wurde. Gleichwohl wollen wir diesen nutzen, um durch eine zügige Überführung von biotechnologischen Forschungsergebnissen in wirtschaftliche Anwendungen die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Zurzeit sind in Schleswig-Holstein 2.000 Menschen mit biowissenschaftlicher und biomedizinischer Forschung beschäftigt, 9.000 Studenten werden in Biotechnologie ausgebildet, in 68 Biotechnologieunternehmen arbeiten etwa 800 Menschen in Forschung und Entwicklung. Dies sind gute Voraussetzungen, um Schleswig-Holstein als Standort für Biotechnologie weiter auszubauen.

Ein weiteres Anliegen ist es uns, die Züchtung von Pflanzensorten zu unterstützen, die die Nutzungsmöglichkeiten von Pflanzen als nachwachsende Rohstoffe verbessern. Die Agenda 21 hat die Hinwendung zu nachhaltigem Wirtschaften zum Ziel. Dazu kann die vermehrte Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen einen wichtigen Beitrag leisten.

In der Diskussion um die Freisetzung transgener Sorten wird immer von Forschungsbedarf gesprochen. Dieser ist unzweifelhaft vorhanden. Allerdings ist eine Ursache dafür die Tatsache, dass die Zerstörung von Feldern mit transgenen Pflanzen die Investitionen in solche Begleitforschung äußerst verlustreich werden lässt. Diejenigen, die solche Begleitforschung fordern, sind aufgerufen, sich auch für ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit einzusetzen und insbesondere auch die Ergebnisse zu rezipieren.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Die Bündnisgrünen haben in den verschiedensten Politikbereichen deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sind, wissenschaftliche Ergebnisse aufzunehmen, die ihren ideologischen Vorstellungen nicht entsprechen. All denen, die sich mit diesem Politikfeld beschäftigen, ist bewusst, dass die Anwendung gentechnischer Methoden von den Menschen im Land mit Skepsis betrachtet wird. Dies ist auch in der Enquetekommission „Gentechnik“ in der vergangenen Legislaturperiode angesprochen worden und es wurde nach Lösungen gesucht.

Die F.D.P. will die vorhandene Skepsis nicht beiseite schieben. Gleichzeitig gibt es aber keinen Grund, weitere Ängste zu schüren. Wir haben mit der Durchführung einer gut dokumentierten Anhörung zur grünen Gentechnik, mit der Durchführung eines Landesparteitages zum Thema Bio- und Gentechnik der Öffentlichkeit ein umfassendes, qualifiziertes Informati

onsangebot gemacht. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass die Regierung entsprechend ihrem Wissen und ihren Möglichkeiten und ihrer eigenen Einschätzung von der Bedeutung der Gentechnik als Querschnittstechnologie für die Anwendung dieser Technik eintritt. Wenn wir die Chancen nutzen wollen, ist die Regierung aufgefordert, dafür auch öffentlich einzutreten.

Peinlich genau hat die Ministerpräsidentin darauf geachtet, dass in ihrer Regierungserklärung das Wort „Gentechnik“ nicht vorkam. Der Koalitionsvertrag dient in diesem Abschnitt allein der Beruhigung der rot-grünen Klientel. Auf diese Weise wird der von der Enquetekommission „Gentechnik“ nachdrücklich und einvernehmlich geforderte Diskurs verhindert.

Wir als F.D.P. wollen nicht, dass zur Sicherung der Existenz der Grünen die Entwicklung der Gentechnik in Schleswig-Holstein weiter behindert wird. Wir wollen diese Technologie weiter fördern und wir wollen auch weiter darüber sprechen, denn nur so können wir die Akzeptanz der Menschen im Land erreichen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Das Wort erhält für die SPD-Fraktion der Herr Abgeordnete Jürgen Weber.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne Frage: Es besteht kein Zweifel daran, dass die Biowissenschaften in den kommenden Jahren eine dominante Rolle im wissenschaftlichen und ökonomischen Innovationsprozess spielen werden, wahrscheinlich nur vergleichbar dem der Physik vor 100 Jahren. Der Biotechnologie kommt dabei auch in unserem Land eine steigende Bedeutung zu. Es sind vier Punkte, die hervorzuheben wichtig ist, um deutlich zu machen, dass wir als Schleswig-Holsteiner und als Land Schleswig-Holstein gute Startbedingungen dafür haben.

Zum Ersten: In Schleswig-Holstein besitzen die Bereiche Nahrungsmittel, Landwirtschaft, Gesundheit, Meer und Umwelt einen hohen Stellenwert. Gerade dies sind Sektoren, in denen Biotechnologie eine ganze Menge zu leisten vermag. Man kann also ohne Übertreibung sagen, dass moderne biowissenschaftliche Kompetenz in Forschung, Entwicklung und Anwendung in unserem Land einen sehr guten Nährboden hat.

Zweitens: Eine weitere gute Basis für die nutzbringende Anwendung dieser Technologien besteht in der

(Jürgen Weber)

Struktur unserer Wirtschaft, insbesondere in der spezifischen Entwicklung der Branchen wie der Nahrungsmittelherstellung, der Umweltwirtschaft oder auch der Medizintechnik. Auch dies sind positive Anknüpfungspunkte.

Ein drittes ausbaufähiges Potential liegt ohne Zweifel in unseren Hochschulen und in den großen Forschungseinrichtungen. Die Spannbreite ist dort auch deutlich größer, als es oftmals öffentlich wahrgenommen wird. Ich nenne als Beispiel die Forschung an der Fachhochschule Flensburg zu Methoden des Nachweises von gentechnisch veränderten Lebensmitteln bis hin zur Krebsforschung im Bereich der Hämatopathologie an der CAU. Es ließe sich sicherlich eine ganze Reihe zusätzlicher Beispiele nennen.

Nicht zuletzt möchte ich auf eine vierte Säule hinweisen, die nicht oft genug erwähnt werden kann, nämlich darauf, dass durch die Bioinitiative Nord und durch die Beteiligung am Bioregio-Wettbewerb Grundlagen gelegt und Anstöße formuliert worden sind, hier etwas auf den Weg zu bringen. Ich verweise an dieser Stelle auf eine Empfehlung der Enquetekommission, die uns empfiehlt, diesen Bereich auszubauen. Die Ministerpräsidentin hat in ihrer Regierungserklärung dafür ja auch ein Signal gesetzt.

Nun setzen jede Entscheidung und jedes Handeln hinsichtlich der Förderung neuer Technologien eine klare und deutliche Bewertung von Nutzen und Risiken voraus, umfassend, transparent, vor allem aber auf höchstem wissenschaftlichen Niveau und unter Einbeziehung eines breiten gesellschaftlichen Diskurses. Für längere Ausführungen zu diesem Komplex ist hier keine Zeit. Ich möchte nur ein paar Stichworte nennen, um klarzumachen, dass wir auch in der Nutzendefinition noch etwas über das hinausgehen müssen, etwas breiter diskutieren müssen, als es im F.D.P.-Antrag steht.

Ich nenne aus dem Bereich der so genannten grünen Gentechnik als Stichworte Möglichkeiten für den Schutz vor Pflanzenkrankheiten, die Verbesserung von Kulturpflanzen mit Inhaltsstoffen von besonderem ernährungsphysiologischem Wert, Nutzpflanzen mit verminderten Allergiepotentialen, Pflanzen als Bioreaktoren zur Produktion von pharmazeutischen Erzeugnissen und vieles mehr - alles nützliche Entwicklungen unter Anwendung der Option der Biotechnologie, aber gleichzeitig natürlich Herausforderung dafür, Forschungsziele und Anwendungsbereiche, ökonomischen Nutzen und ökologischen Nutzen bei der Förderung differenziert und gemeinsam in den Blick zu nehmen.

(Unruhe)

Nun ist es kein Geheimnis, dass der gesamte Komplex der Biotechnologie vor allem durch einen seiner zentralen Bereiche, die Gentechnologie, höchst umstritten diskutiert wird. Auch darauf möchte ich jetzt nicht im Detail eingehen, sondern deutlich sagen, dass wir eines festhalten sollten: Mindestvoraussetzung - ich betone: Mindestvoraussetzung - für die Förderung von Forschung und Entwicklung des gesamten Spektrums der Biotechnologie sind für uns die Implementierung von Technikfolgenabschätzung und Begleitforschung zu allen Aspekten ihrer ökologischen Auswirkungen. Dazu gehört auch die ständige Evaluation der Zulassungsverfahren in Deutschland beziehungsweise der EU, sowohl was Freisetzungsversuche als auch InVerkehr-Bringung angeht. Wir tun gut daran - das möchte ich unterstreichen -, darauf zu beharren, dass der Fortschritt, des biotechnologischen, des molekularbiologischen und des ökosystemaren Wissens dem Menschenschutz, dem Gesundheitsschutz und dem Schutz der Umwelt tatsächlich zugute kommt. Das sollte Common Sense aller politisch Verantwortlichen sein.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Schluss ein Zitat aus der gestrigen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vortragen.

(Zurufe)

- Es ist erstaunlich, dass bei der Nennung der „FAZ“ Unruhe auf der rechten Seite des Hauses entsteht. Höchst bemerkenswert!

(Zurufe)

Lassen Sie mich als Letztes folgende Sätze aus dem Aufsatz von Bill Joy hervorheben:

„Meine Hoffnung richtet sich auf eine breite Diskussion (...). Eine Diskussion mit Menschen aus den verschiedensten Lebensbereichen und in einem Klima, das weder durch Technikangst noch durch blindes Vertrauen in die Technik geprägt ist, verlangt es, ernst genommen zu werden. Horrorgemälde nutzen genauso wenig wie vorsätzliche Gedankenlosigkeit.“

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Lassen Sie uns das, was die F.D.P. aufgeschrieben hat, was verbesserungsnotwendig und -fähig ist, zusammen mit der tatsächlichen Auswertung der Ergeb

(Jürgen Weber)

nisse der Enquetekommission, die in den Ausschüssen bisher noch nicht diskutiert worden sind,