Protocol of the Session on December 12, 2001

Aber auch die halbe Milliarde DM an Steuereinnahmen, die dem Land durch die Steuerreform jährlich fehlt, belastet den Haushalt 2002. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Leidensfähigkeit der Finanzpolitiker in den letzten Jahren immer wieder mit immer neuen Haushaltslöchern und immer kreativeren Finanzkonstruktionen zur Abhilfe dieser Defizite strapaziert wurde.

Ein dänischer Finanzminister hat einmal Ende der 70er-Jahre über den Zustand seines Haushalts gesagt: „Wir stehen am Abgrund“. Finanzminister Möller hängt bereits seit Jahren mit mehr als einem Bein im Abgrund. Er schafft es aber immer wieder, sich - zumindest zur zweiten Lesung des Haushalts im Dezember - mit eigener Kraft aus dem Abgrund hochzustemmen. Das spricht für ihn und ist eine beachtliche Leistung.

Auch diesmal ist es so. Gleichwohl bedurfte die Verabschiedung des Haushalts 2002 einer besonderen Kraftanstrengung seitens der Landesregierung. Die Haushaltsberatungen 2002 standen also - nicht nur wegen der negativen konjunkturellen Auswirkungen des 11. Septembers auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt unter einem denkbar schlechten Vorzeichen. Schon im Frühjahr lahmte das Wirtschaftswachstum in Schleswig-Holstein mit nur 0,2 % im ersten Halbjahr. Im November zeigte die regionalisierte Steuerschätzung, dass die aktuellen Konjunkturerwartungen zu einem neuen Haushaltsloch von über 400 Millionen DM für die Jahre 2001 und 2002 führen werden. Dass die Investionsquote mit knapp 10 % ein neues Rekordtief erreicht hat, wiederhole ich nur der Ordnung halber. Dazu ist in den vergangenen Monaten alles gesagt worden.

Der Haushalt 2002 ist in erster Linie durch Kürzungen gekennzeichnet. Dennoch macht er auch einige Prioritäten deutlich: Im Bildungsbereich wir an der Neueinstellung von 200 neuen Lehrerinnen und Lehrern festgehalten. Der Innenminister kann sich durch die Nachschiebeliste über erhöhte Haushaltsansätze in zweistelliger Millionenhöhe zur Stärkung der inneren Sicherheit freuen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

(Anke Spoorendonk)

Im Arbeitsmarktbereich wird sich zeigen, ob es stimmt, dass die Kürzungen beim ASH-Programm durch eine bessere Effizienz bei der Vermittlung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt und durch das neue JOB-AQTIV-Gesetz aufgefangen werden können. Dies ist zu hoffen.

Auch die Kürzungen im LSE-Bereich sind teilweise zurückgenommen worden und die Regierungsfraktionen haben durchgesetzt, dass zur Stärkung der Steuerverwaltung des Landes - und damit der Einnahmeseite des Haushalts - mehr Personal eingestellt wird. Diese Prioritäten werden vom SSW unterstützt. Es ist auch richtig, dass die Landesregierung zur Deckung der neuen Haushaltslücke in 2001 keine neuen Sparvorschläge machte, sondern den laufenden Etat durch die Restkreditermächtigungen ausgeglichen hat.

Dennoch hätten wir uns - insbesondere im investiven Bereich - mehr Anstrengungen gewünscht. Wir haben es bereits in der November-Tagung diskutiert: Es gibt viele ernst zu nehmende Wirtschaftswissenschaftler, die darauf hinweisen, dass man bei einer wirtschaftlichen Flaute vom harten Sparkurs abweichen sollte, um die Konjunktur mit antizyklischen Maßnahmen zu beleben. Diese Forderung an die öffentliche Hand gilt auch für die Landespolitik.

Natürlich weiß auch der SSW, dass der Spielraum für solche Maßnahmen sehr eingeengt ist. Bei unseren eigenen Änderungsvorschlägen zum Haushalt haben wir uns darauf konzentriert, konkrete Vorschläge zu erarbeiten, die zu steigenden Investitionen im Haushalt führen. So haben wir beispielsweise eine Erhöhung der Zuschüsse für die einzelbetriebliche Förderung im Rahmen des Regionalprogramms 2000 um 2 Millionen DM vorgeschlagen, weil es sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass gerade diese Förderung am besten zum Erhalt von Arbeitsplätzen oder zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen beigetragen hat. Wir sind der Meinung, dass in den strukturschwachen Regionen höhere Investitionen aus dem Regionalprogramm 2000 für positive Impulse sorgen könnten. Dies gilt wohlgemerkt für Investitionen im ländlichen Raum oder zum Beispiel auch in der Stadt Flensburg. Dies gilt nicht, wenn das Regionalprogramm dazu genutzt werden soll, den Flugplatz in Holtenau auszubauen.

(Beifall beim SSW)

Ein möglicher Ausbau der Startbahn des Flughafens in Kiel-Holtenau hätte zumindest auf den nördlichen Landesteil keinen positiven wirtschaftlichen Effekt,

(Martin Kayenburg [CDU]: Wieso? Eine völlig verfehlte Interpretation!)

im Gegenteil, denn wichtige Gelder für Infrastrukturmaßnahmen in dieser und auch in anderen strukturschwachen Regionen würden dadurch in Zukunft fehlen.

Auch eine Erhöhung der Mittel für den Küstenschutz um 4 Millionen DM hatte der SSW vorgeschlagen. Neben den positiven Impulsen für Investitionen und Arbeitsplätze hat für uns dabei natürlich auch eine Rolle gespielt, dass diese Maßnahmen des Küstenschutzes nicht weiter aufgeschoben werden dürfen. Für diese maßvollen, aus unserer Sicht aber wichtigen Investitionen haben wir keine Mehrheit gefunden.

Für den SSW hat die Weiterentwicklung des Hochschulstandortes Flensburg höchste Priorität sowohl aus bildungspolitischer als auch aus regionalpolitischer Sicht. Wir begrüßen, dass sich auch die Landesregierung zu Flensburg bekennt. Dies tat sie, als es in der letzten Landtags-Tagung um die Hochschulstrukturentwicklung ging. Dennoch ist die Universität Flensburg jetzt an einem Punkt angelangt, an dem grundlegend eine strategische Entscheidung getroffen werden muss. Damit die Uni im verstärkten Hochschulwettbewerb überleben kann, braucht sie langfristig mehr finanzielle und personelle Ressourcen. Im Vergleich zu den übrigen Universitäten bekommt Flensburg vom Land eher weniger Mittel pro Studierendem. Kurzfristig beträgt die Deckungslücke für 2002 nach Angaben der Universität über 2 Millionen DM. Der SSW hatte daher in seinen Haushaltsanträgen eine Erhöhung der Zuschüsse für die Universität um circa 0,7 Millionen DM beantragt, damit - wir sind bescheiden - zumindest der geplante Umzug zum Sandberg und die dringendsten Hilfsmittel für die Studierenden finanziert werden können. Auch damit kamen wir nicht durch.

Bei der anstehenden Debatte über die Hochschulentwicklung werden wir aber weiterhin darauf drängen, dass sich das Bekenntnis zu Flensburg auch in der Frage der Ressourcen niederschlägt. Damit meine ich, dass beide Flensburger Hochschulen, also die Universität und die Fachhochschule, am Ende als Gewinner dieses Prozesses dastehen müssen. Mit einer Zusammenlegung der Verwaltung als einziger Strukturmaßnahme ist das nicht zu erreichen.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Lothar Hay [SPD])

Auch muss die Frage beantwortet werden, warum die Landesregierung gerade für die erfolgreichen Studiengänge einen Numerus clausus ausgesprochen hat. Vor dem Hintergrund der Gesundheitsinitiative der Landesregierung - man kann natürlich auch diese Initiative ins Lächerliche ziehen, aber wer gehört hat, was in Lü

(Anke Spoorendonk)

beck gesagt wurde, wird wissen, dass das keine Initiative ist, die es verdient, lächerlich gemacht zu werden

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

ist es für mich nicht zu begreifen, dass es immer noch keine Genehmigung eines Lifescience-Masterabschlusses für die Fachhochschule gibt. Da scheint die eine Seite nicht zu wissen, was sich an Zukunftsweisendem in der Hand der anderen Seite befindet.

(Beifall beim SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich hat der nördliche Landesteil nicht nur Probleme, er hat auch große Chancen. Diese liegen - das wissen wir - nicht zuletzt auch in einer Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich der Europaausschuss nach der Debatte im Landtag nun mit einer fraktionsübergreifenden Initiative zur intensiveren Zusammenarbeit beschäftigt. Es liegt auf der Hand, dass wir in der Grenzregion ein strategisches Interesse daran haben, ein gemeinsames regionales Profil zu entwickeln, bevor die Fehmarnbelt-Brücke gebaut wird. Man kann natürlich darüber philosophieren, ob und wann sie denn gebaut wird; das werde ich lassen. Aber wir brauchen eine Verbesserung der Zusammenarbeit im kulturellen und im Hochschulbereich sowie eine Stärkung des grenzüberschreitenden Verkehrs und des gemeinsamen Arbeitsmarktes. Stichwort hierzu ist das neue INTERREG-III-A-Programm für die deutschdänische Grenzregion. Ich sage es in jeder Rede: Wir haben Zeit bis 2006 und dann wird nichts mehr laufen. Dennoch - auch dies haben wir schon oft gesagt -, das Haupthindernis, wenn es darum geht, einen gemeinsamen Arbeitsmarkt im Grenzgebiet zu schaffen, sind nicht die Barrieren, die durch die verschiedenen Steuer- oder Sozialsysteme entstehen, sondern die mangelnden Kultur- und Sprachkenntnisse auf beiden Seiten der Grenze.

(Lars Harms [SSW]: So ist es!)

Um hier weiterzukommen, spielen gerade auch die Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze eine entscheidende Rolle.

(Beifall beim SSW, vereinzelt bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Die erfolgreiche Minderheitenpolitik im deutschdänischen Grenzland ist eine Voraussetzung dafür, dass wir heute überhaupt über eine Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit diskutieren können. Leider hat der Verlauf der Haushaltsberatungen 2002 aber wieder einmal gezeigt, dass das in der Minderheitenpolitik bisher Erreichte keine Selbst

verständlichkeit ist. Die Kürzungsvorschläge der Landesregierung, insbesondere die ursprünglich vorgeschlagene Schulgesetzänderung, die bis 2005 eine Festschreibung der Schülerkostensätze für die dänischen Schulen auf dem Niveau von 1998 vorsah, hat viel Porzellan zerschlagen.

(Lars Harms [SSW]: Das ist wahr!)

Auch wenn wir am Ende ein akzeptables Ergebnis erreicht haben, wünsche ich mir wirklich, dass wir nicht noch einmal einen ähnlichen Prozess durchmachen müssen, der dem Ansehen der Landesregierung nördlich der Grenze doch auch sehr geschadet hat. Es war ein hartes Stück Arbeit. Aber durch die veränderte Fassung des Schulgesetzes sind die Regierungsfraktionen der Minderheit entgegengekommen. Dafür danken wir Ihnen. Wir bedanken uns bei den beiden Fraktionsvorsitzenden. Lieber Kollege Hentschel, ich bedanke mich auch für das, was Sie heute gesagt haben. Ich bedanke mich nicht zuletzt bei dem Kollegen Hay dafür, dass er in ganz vielen Gesprächen dafür gesorgt hat, dass das verloren gegangene Vertrauen zurückgewonnen wurde.

(Beifall beim SSW)

In diesem Sinne bedanken wir uns auch bei der Minderheitenbeauftragten der Ministerpräsidentin, Frau Renate Schnack.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Schulen der dänischen Minderheit werden 2002 mit den öffentlichen Schulen gleichgestellt. Die Zuschüsse erhöhen sich damit für 2002 um fast 0,6 Millionen DM. Für die kommenden Jahre sichert die gefundene Regelung eine dynamische Erhöhung der Zuschüsse in Höhe der Steigerung der Beamtengehälter zu. Dies ist zwar insgesamt nicht das Optimum für den SSW, aber für 2002 können wir damit gut leben. Unter dem Strich betrachtet bekommen die Organisationen der Dänen und Friesen nächstes Jahr nämlich fast 0,5 Millionen DM mehr als in diesem Jahr.

(Holger Astrup [SPD]: Was? So viel?)

Damit haben wir endlich eine Trendwende bei der Höhe der Zuschüsse für die Minderheiten in Schleswig-Holstein geschafft,

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

eine Trendwende, die aber - auch dies muss gesagt werden - weiterhin vor dem Hintergrund betrachtet werden muss, dass Dänemark sowohl für die deutsche

(Anke Spoorendonk)

Minderheit nördlich der Grenze als auch für die dänische Minderheit hier noch immer am meisten zahlt.

Zudem ist es gelungen, die Kürzung der kulturellen Zuschüsse für die dänische Minderheit auf knapp 5 % zu begrenzen. Der Verband der landwirtschaftlichen Vereine der dänischen Minderheit bekommt die gleichen Zuschüsse wie 2001. Ursprünglich war eine Reduzierung um knapp 40 % geplant, was dann zu Entlassungen im Mitarbeiterstab des Verbandes geführt hätte. Auch die Kürzungen der Mittel für die friesische Kulturarbeit wurden durch den Finanzausschuss auf Initiative der Regierungsfraktionen rückgängig gemacht. Dagegen blieb es bei den Kürzungen zwischen 5 % und 10 % für Jaruplund Høskole und Dansk Centralbibliothek. Natürlich sind wir damit nicht zufrieden. Aber in Zukunft werden die Haushaltstitel für die Kulturzuschüsse der dänischen Minderheit gegenseitig deckungsfähig sein. Dadurch kann man im Laufe des Jahres flexibel auf die finanzielle Situation der einzelnen Organisationen reagieren. Das begrüßen wir.

Die ursprünglich vorgeschlagenen Kürzungen sind jetzt also im Großen und Ganzen wieder vom Tisch. Dennoch muss ich darauf hinweisen, dass der SSW nur angesichts der aktuellen Finanzlage des Landes und auch nur für eine Übergangsphase - akzeptieren kann, dass die Schulen der dänischen Minderheit von der Entwicklung des öffentlichen Schulwesens abgekoppelt werden.

Wir streben natürlich weiterhin die vollständige finanzielle Gleichstellung der Schulen der dänischen Minderheit mit dem öffentlichen Schulwesen an.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Gerade deshalb plädieren wir weiterhin dafür, dass die in Gesprächen mit Vertretern der Landesregierung angedachte Arbeitsgruppe zwischen der Landesregierung und Dansk Skoleforening nächstes Jahr mit dem Ziel einberufen wird zu untersuchen, ob es möglich ist, ein eigenständiges Gesetz für die dänischen Schulen unter Vorraussetzung der Gleichstellung mit den öffentlichen Schulen zu erarbeiten. So ein Gesetz würde unterstreichen, dass die Schulen des Dänischen Schulvereines als das öffentliche Schulwesen der dänischen Minderheit anzusehen sind. Es wäre doch schön, wenn wir uns zum 50-jährigen Jubiläum der Bonn/Kopenhagener-Erklärungen mit so einem Gesetz ein Zeichen setzen könnten.

Ich will im Einzelnen gar nicht die Diskussionen wieder aufgreifen, die der SSW und die Organisationen der Minderheiten sowohl mit den Regierungsvertretern als auch mit den Regierungsfraktionen sowie mit CDU und FDP geführt haben. Am Ende haben die Einsicht

und der gute Wille, die bisher erfolgreiche Minderheitenpolitik weiterzuführen, gesiegt.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Bei den Fraktionen von CDU und FDP möchte ich mich ausdrücklich dafür bedanken, dass sie diese Gespräche geführt haben und dass sie sich für die Wiederherstellung des Schulgesetzes eingesetzt und ausgesprochen haben.