- Nein. Wenn man sich die Zahlen anguckt, sieht man, dass die Inlandsaufträge der Wirtschaft konstant sind, dass die Auslandsaufträge aber massiv um 20 % eingebrochen sind.
Deswegen bin ich im Gegensatz zu einigen hier geäußerten Auffassungen über die Wirtschaftspolitik des Landes der Meinung - die lässt sich letztlich durch die Statistiken bestätigen -, dass der Konjunktureinbruch ein weltweites Phänomen ist - beginnend in Japan und in den USA -.
und dass wir als ein Land, das in hohem Maße auf Exporte angewiesen ist, natürlich auch in hohem Maße von diesem Wirtschaftseinbruch betroffen sind. Ich bin mit Ihnen, Herr Kayenburg, durchaus einer Meinung, dass es in dieser Situation keinen Sinn hat, prozyklisch zu reagieren, sondern dass es Sinn hat, vernünftig zu reagieren und jetzt zusätzliche Einnahmeausfälle nicht
Ich glaube auch, dass es Sinn hat, Investitionen vorzuziehen. Dazu brauchen wir keine neuen Investitionstitel, aber die Investitionen, die im Haushalt stehen, kann man vorziehen; dort kann man darauf achten, dass sie schnell abgewickelt werden, damit wir in diesem Winter für unser Handwerk und für unsere Bauwirtschaft das Notwendige tun, was zu tun ist.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Manfred Ritzek [CDU]: Überre- gulierung besteht, Herr Hentschel!)
Die vierte Veränderung, die die Koordinaten des Haushaltes geprägt hat, ist die Bildungsdebatte. Die nicht gerade schmeichelhaften Ergebnisse von PISA sind ja in aller Munde. Ich glaube - ganz ehrlich gesagt -, dass diese Studie ein heilsamer Schock war, und ich hoffe und bin guter Dinge, dass in den nächsten Jahren in diesem Bereich ein Ruck durch diese Gesellschaft gehen wird.
(Klaus Schlie [CDU]: Dann rucken Sie doch mal! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann ruk- ken Sie doch einmal!)
Aber die Debatte wird nicht einfach werden. Wenn ich mir ansehe, dass Länder wie Finnland und Schweden ganz vorn liegen, Länder, in denen es keine Noten gibt, in denen es kein Sitzenbleiben gibt, in denen es kein dreistufiges Schulsystem gibt, dafür aber gute, ausgezeichnete Kindergärten, dezentral verwaltete Ganztagsschulen, dann kann ich feststellen, dass wir Grünen in der Vergangenheit mit unseren Vorstellungen doch gar nicht so verkehrt gelegen haben.
Ich möchte es mir aber nicht so einfach machen. Ich weiß auch, dass unsere real existierenden Gesamtschulen nicht die Lösung des Problems sind.
Deshalb bitte ich darum: Lassen Sie uns die Ergebnisse anschauen, uns nicht in die Schützengräben verkriechen! Ich erinnere nur an Frau Schavan, stellvertretende CDU-Vorsitzende, die als Erste sagte: Ja, über das Schulsystem darf man jetzt überhaupt nicht reden - das wäre eine völlige Missinterpretation - und über Ganztagsschulen sowieso nicht.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Hentschel, (Karl-Martin Hentschel)
Ich jedenfalls bin froh, dass wir in diesem Land, in dem wir im Koalitionsvertrag die Debatte über die Ganztagsschulen als eines der ersten Länder angestoßen haben,
eine Opposition mit einem Parteivorsitzenden haben, Herrn Wadephul, der sich eindeutig zu Ganztagsschulen bekennt. - Danke schön, Herr Wadephul!
(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])
Über eines - damit sind wir wieder beim Haushalt müssen wir uns klar sein: Die Verbesserung des Bildungssystems in den nächsten Jahren hat auch etwas mit Geld zu tun.
Das Bildungssystem wird sicherlich anders werden und es wird sicherlich auch teurer. Diese Ausgaben müssen seriös finanziert werden.
Ich bin sehr froh, dass wir für das nächste Jahr wieder 200 neue Stellen finanziert haben. Ich bin sehr froh und bedanke mich ausdrücklich bei der SPD-Fraktion,
dass es möglich geworden ist - trotz des ganz unterschiedlichen Zugangs zu dem Thema freie Schulen -, das Problem der freien Schulen so zu lösen, dass auch langfristig für die Zukunft eine tragfähige Lösung gefunden worden ist. Vielen Dank dafür an den Koalitionspartner!
Dass wir dazu noch einen Einstieg in die landesseitge Finanzierung der Ganztagsbetreuung an den Schulen wagen, darauf kann man stolz sein. Es bewegt sich etwas im Land. Wir werden im nächsten Jahr eine Diskussion führen müssen, die darüber hinausgeht, und zwar eine Diskussion, die auch das Gesamtfinanzierungssystem der Bildungspolitik in Bund und Ländern auf den Prüfstand stellt und neue Weichen stellt. Ich bin davon überzeugt, dass das im Bundes
tagswahlkampf ein Thema sein wird. Dabei wird man zu ganz neuen Ergebnissen kommen, die man heute nicht voraussagen kann.
Eine letzte Bemerkung in Richtung Anke Spoorendonk! Liebe Anke, ich glaube, es ist während der Beratungen zum Haushalt sehr deutlich geworden, dass wir Grünen zur Minderheitenpolitik stehen.
Das gilt ganz besonders für die dänische und für die friesische Minderheit. Das gilt aber auch - das sage ich ebenfalls, Anke - für alle anderen Minderheiten in diesem Land. Meine Partei ist von ihrem Grundverständnis her eine multikulturelle Partei und ich weiß, dass wir darin beim SSW auch Unterstützung haben. Dafür bedanke ich mich.
Meine Damen und Herren, abseits der vier großen Veränderungen, die diesen Haushalt prägen, gibt es eine ganze Reihe von Punkten, über die es sich lohnt zu reden. Wer über Bildung redet - das hat PISA sehr deutlich gemacht -, der muss auch über die Jugendarbeit und Kindertagesstätten reden. Da ist es natürlich eine wichtige Botschaft, dass auch in Zukunft von dieser Landesregierung viele wichtige Projekte mit Kindern und Jugendlichen gefördert werden, auch wenn es angesichts der Haushaltslage manchmal zu Kürzungen gekommen ist. Die PISA-Studie sagt uns auch, dass gerade die Erziehung und Ausbildung der Kinder in der Vorschulzeit entscheidend ist.
Deshalb ist es mir eine große Freude - das sage ich ganz deutlich -, dass wir die Deckelung bei den Kindergärten wegbekommen haben. Wir werden diese Diskussion im nächsten Jahr neu führen müssen. Das wissen wir. Ich glaube und hoffe aber, dass nach den Ergebnissen von PISA endlich die teilweise von der kommunalen Seite losgetretene Diskussion - jedes Jahr neu - über die Abschaffung von Standards in den Kindertagesstätten und die Kürzungen im Kindertagesstättenbereich zu Ende ist und wir endlich begreifen, dass Kindertagesstätten pädagogische Anstalten sind, wo eine vorschulische Erziehung stattfindet,
wo Deutschunterricht stattfinden muss und dass wir die Kindertagesstätten stärken müssen, wenn wir unser Bildungssystem verbessern wollen.
Ich glaube, dazu sollten wir uns alle gemeinsam bekennen. - Den Beifall an dieser Stelle fand ich etwas mager. Das werde ich mir merken.
Zur Wirtschaftspolitik nur so viel: Der Staat kann und darf nicht glauben, er dürfe die Wirtschaft selber betreiben. Deshalb sollte sich der Staat auf wesentliche Weichenstellungen konzentrieren.
Dazu gehört in Schleswig-Holstein vor allem die Förderung von zukunftsweisenden Technologien, von regenerativen Energien und des Tourismus, wo dringend etwas passieren muss. Ich weiß sehr wohl, dass es zum Teil sehr gute Gründe gibt, warum Subventionen auch in Zukunft nötig sein werden. Das gilt zum Beispiel für die Landwirtschaft oder die Werften. Aber sie sind bestenfalls die Ultima ratio, nicht ein erstrebenswertes Ziel.
(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Jetzt kann ich mal klatschen, das ist unglaublich!)
- Danke. Vielleicht klatschen Sie jetzt weiter. Das gilt auch für den Verkehr. Ich spreche jetzt alle Parteien an, von der subventionskritischen FDP über die in alle Richtungen spendable CDU bis hin zu unserem Koalitionspartner. Der Verkehr ist der hochsubventionierteste Wirtschaftsbereich überhaupt. Insgesamt - Kommunen, Land und Bund zusammengerechnet - dürften allein in Schleswig-Holstein jährlich etwa eine drei viertel Milliarde DM in diesen Sektor fließen. Kein Wirtschaftszweig verursacht so viel Flächenverbrauch, so viel Umweltprobleme und so viel Kosten. Hier lohnt es sich noch einmal grundsätzlich über die zukünftige Entwicklung nachzudenken.