Protocol of the Session on December 12, 2001

(Heiterkeit)

Das ist wohl bei der Landtagsverwaltung irgendwo - in welchen Kanälen auch immer - verschwunden.

Um der nachfolgenden Aussprache nicht weiter vorzugreifen, schließe ich den Bericht für den Finanzausschuss an dieser Stelle ab. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Landtag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP, den Gesetzentwurf in der Fassung der rechten Spalte der Ihnen vorliegenden Drucksache anzunehmen. Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage sind durch Fettdruck kenntlich gemacht.

Des Weiteren schlägt der Ausschuss vor, den Gesamtplan (Anlage zum Gesetz) in der nachstehenden Neufassung, die Einzelpläne des Haushalts einschließlich der Erläuterungen mit den in der Anlage 1 zusammengefassten Änderungen und Ergänzungen zum Sachhaushalt und die als Anlage 2 beigefügten Änderungsvorschläge zum Haushaltsentwurf 2002 Stellenpläne und Stellenübersichten - anzunehmen.

Zur Information beigefügt sind der Gruppierungsplan unter Berücksichtigung der Änderungsvorschläge des Finanzausschusses zum Sachhaushalt und vom Finanzausschuss beschlossene Änderungen von Erläuterungen zum Sachhaushalt.

Letztlich bleibt mir nur, noch einmal den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien und insbesondere in der Landtagsverwaltung für die zügige und gute Zuarbeit zu danken. Das gilt insbesondere für unseren neuen Geschäftsführer, Herr Schmidt. Ganz herzlichen Dank!

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke der Frau Berichterstatterin für den ausführlichen Bericht. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Einzelberatung und erteile das Wort zunächst Herrn Fraktionsvorsitzenden Hay.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schlagzeilen in den Medien wurden in den letzten Tagen bundesweit vom Thema „PISA“ geprägt. Der Name PISA ist besonders symbolträchtig, weil er zumindest für Deutschland auch die Schieflage unseres Bildungssystems skizziert. Aber statt erst einmal die Studie in aller Gründlichkeit zu prüfen, sich kritisch mit den Ergebnissen auseinander zu setzen, mit Besonnenheit zu reagieren, gab es aus meine Sicht übereilte Reaktionen, die niemandem nutzen, außer den Printmedien, die Schlagzeilen haben. Nichts ist mehr zu befürchten, als vermeintliche Patentrezepte gegen die Bildungsmisere.

Wenn die Kultusminister, die mit Bestürzung reagierten, um dann überstürzt zu agieren, genau einen Tag brauchten, um Lösungen aus der Schublade zu holen, so kann ich nur sagen: Das ist der falsche Weg!

(Beifall bei der SPD)

- Keine Sorge, auf Frau Erdsiek-Rave als rühmliche Ausnahme werde ich noch eingehen; Sie brauchen sich nicht aufzuregen.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei CDU und FDP)

Das Thema ist mir einfach zu ernst, um im parteipolitischem Streit damit umzugehen. Ich nenne jetzt einige Beispiele von allen politischen Gruppierungen in der Bundesrepublik Deutschland, die skizzieren, wie Schnellschüsse zustande gekommen sind. Die Vorschläge reichten von der Verlängerung der Grundschulzeiten - SPD-Fraktionsvorsitzender in NordrheinWestfalen -, Bildungsgipfel beim Bundeskanzler, Rahmenkompetenz des Bundes in Bildungsangelegenheiten - FDP-Politiker Möllemann -, Begrenzung der Einwanderung - bayerischer Ministerpräsident - bis hin zu dem Vorschlag, dass Gymnasiasten den 11. Jahrgang an ausländische Schulen verbringen sollten ein Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordneter.

Ich will diese Vorschläge bewusst nicht bewerten, weil ich dann genau den Fehler machen würde, den ich der aktuellen politischen Diskussion anlaste. Ich freue mich, dass unsere Kultusministerin, Frau ErdsiekRave, so unaufgeregt reagiert hat, was ihr sogar das Lob des uns sonst nicht sehr wohlgesonnenen Philologenverbandes eingebracht hat.

(Beifall bei der SPD -Zurufe der Abgeordne- ten Martin Kayenburg [CDU] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Die PISA-Studie gibt uns Politikern eine ähnliche Chance wie Ende der 60er-Jahre, grundlegende Veränderungen im Bildungsbereich zu entwickeln. Dies

(Lothar Hay)

wird uns aber nur gelingen, wenn wir über Parteigrenzen hinweg bereit sind, die bildungsideologischen Grabenkämpfe einzustellen und zu versuchen, den gesellschaftlichen Konsens zu gestalten. Das gilt auch für meine eigene Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Voraussetzung hierfür ist auch, in der Vergangenheit zu bohren, zu erkennen, dass Bildung in unserem Land immer noch kein Bürgerrecht ist - für Sozialdemokraten besonders schmerzhaft -, dass Kinder von Migranten besonders stark benachteiligt werden und dass wir ähnlich wie die nordischen Länder kompromisslos auf ausreichender Sprachbeherrschung als Eintrittsvoraussetzung ins Bildungssystem beharren müssen. Hier müssen wir umdenken, sonst werden wir das Schicksal von Migranten in der Art und Weise nicht lösen können, wie wir es gern möchten, um sie zu vollwertigen Mitgliedern unserer Gesellschaft zu machen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Lassen Sie uns nach sorgfältiger Vorbereitung und schonungsloser Analyse eine Bildungsoffensive in Schleswig-Holstein starten! Dazu lade ich alle Fraktionen des Landtages im Sinne eines Bildes von Michel de Montaigne ein: “Kinder sind keine Fässer, die gefüllt, sondern Feuer, die entfacht werden wollen.“

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Nach dem 11. September hat sich in der Bundesrepublik eine Debatte über die notwendigen Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit entwickelt. Erste Maßnahmen, die ein weiteres Einsickern von Terroristen in die Bundesrepublik verhindern und das Aufspüren von auch in der Bundesrepublik lebenden Schläfern ermöglichen sollten, sind ergriffen worden. Es kommt jetzt für uns auch in Schleswig-Holstein darauf an, auf der einen Seite eine sachliche Debatte über weitere notwendige Maßnahmen zu führen und auf der anderen Seite übereilten Forderungen entgegenzutreten. Nicht alles, was im so genannten Sicherheitspaket II von Otto Schily enthalten ist, erschließt sich dem Laien und auch dem Fachmann nach Überprüfung als hilfreich und sinnvoll.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Jede der mit dem Sicherheitspaket vorgeschlagenen Maßnahmen ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen, ob sie für den vorgegebenen Zweck der Bekämpfung des internationalen Terrorismus geeignet ist, ob sie erforderlich ist, ob es Maßnahmen gibt, die möglicherweise die Bürgerrechte

weniger berühren oder beeinträchtigen, und ob die Maßnahme verhältnismäßig ist, ob also akzeptiert werden kann, dass ein bestimmtes Grundrecht, zum Beispiel die persönliche Freiheit, eingeschränkt wird, wenn dadurch essenziell und substanziell mehr für die objektive Sicherheit und das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung getan werden kann. Das sind die Kriterien, die wir an das gesamte Sicherheitspaket als Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein anzulegen haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb stehen wir der vorgesehenen Erweiterung der Kompetenzen des Bundeskriminalamtes auf so genannte Initiativermittlungen, der Erweiterung der originären Auskunftsansprüche des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes gegenüber Telekommunikationsdiensten, Telediensten, Kreditinstituten und Finanzunternehmen kritisch gegenüber.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Maßnahme ist nicht erforderlich, weil dem MAD und dem BND bereits nach geltendem Recht durch die Verfassungsschutzbehörden die dort verfügbaren Erkenntnisse übermittelt werden können. Maßnahmen, deren Erfolg zumindest fragwürdig ist, sollten in jedem Fall zeitlich begrenzt und regelmäßig überprüft werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Kritisch sehen wir ebenfalls die Ausweitung der so genannten Regelausweisungen bei gleichzeitiger Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Rechtschutzgarantie der Verfassung darf nicht aufgegeben werden. Ein Sofortvollzug ohne die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit zu überprüfen, ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu rechtfertigen. Die generelle gesetzliche Anordnung des Sofortvollzugs auch in Fällen der Regelausweisung ist hingegen nicht akzeptabel und wird von uns so nicht mitgetragen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir haben schon in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die Landesregierung Maßnahmen zur Stärkung von Polizei, Verfassungsschutz, Justiz und Katastrophenschutz ergriffen hat. Dies ist auch im Haushaltsentwurf, den wir in dieser Tagung des Landtages verabschieden, finanziell abgesichert. Trotz der Debatte um die innere Sicherheit wird hoffentlich zügig der Entwurf zum Zuwanderungsgesetz, den der

(Lothar Hay)

Bundesinnenminister im November vorgestellt hat, im Deutschen Bundestag beraten und nach Möglichkeit gemeinsam mit der Union bis zur Sommerpause des nächsten Jahres verabschiedet. Ich hoffe, dass das Ausländerrecht den originär deutschen Interessen in verschiedener Weise gerecht wird, erstens den ökonomischen Anforderungen durch ein praktikables und flexibles Aufenthaltsund Arbeitserlaubnisrecht, zweitens den sozialen und kulturellen Bedürfnissen durch konkrete Integrationsrechte, aber auch Pflichten wie die Teilnahme an Sprachförderkursen als Bestandteil eines konsequenten Integrationskonzeptes hier müssen wir den skandinavischen Weg gegen, um dieses Ziel zu erreichen -,

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

drittens der nach dem 11. September veränderten Sicherheitslage durch wirksame und rechtsstaatlich unbedenkliche Bestimmungen für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung.

Mein Fazit: Zuwanderung aus humanitären und aus ökonomischen Gründen liegt im Interesse aller in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Menschen. Ich hoffe, dass alle wichtigen politischen Kräfte in der Bundesrepublik der Neigung widerstehen, Wahlkampf auf dem Rücken der ausländischen Menschen auszutragen und damit die rechtsextremen Gruppierungen erneut zu stärken.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich kann mich dem Aufruf anschließen, den die Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche an die Politiker der Bundesrepublik Deutschland gerichtet haben, nicht die Furcht vor Ausländern zu bestärken, sondern besonnen zu handeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir konnten heute Morgen erneut eine Konjunkturprognose in den Zeitungen lesen. Ich bin trotzdem der Meinung, auch wenn hier eine Zahl von über 1 % genannt worden ist, dass die wirtschaftliche Situation unseres Landes zum Ende dieses Jahres schwierig ist; man muss nicht viel darum herumreden. Auch die Tatsache, dass Schleswig-Holstein im Verhältnis zu anderen Ländern nach der Novembersteuerschätzung etwas besser dasteht, hilft uns im Grunde wenig. Die Bewertung der Perspektiven für 2002 geht von einem Wachstum von über 1 % auf 0,7 % zurück. Über die Gefahr einer Rezession wird an vielen Stellen schwadroniert. Auch die Frage, ob die Lage besser ist als die Stimmung oder die Stimmung besser ist als die Lage, hilft uns bei der Bewertung nicht weiter.

Klar ist: Die Rahmenbedingungen - sowohl für den Bund als auch für Land und Kommunen - sind schwierig und werden sich mit Sicherheit im Jahre 2002 nicht so verbessern, dass die steuerlichen Mindereinnahmen infolge der Steuerreform ausgeglichen werden könnten. Davon müssen wir ausgehen. Ein Beispiel dafür, mit welchen Problemen wir zu kämpfen haben, ist allein die Tatsache, dass die Körperschaftssteuer von 23,6 Milliarden € im Jahre 2000 auf 1,7 Milliarden € im Jahre 2001 gesunken ist. Das macht in aller Deutlichkeit klar, welche dramatische Entwicklung es bei den Steuereinnahmen gibt.

Das Folgende scheint mir wichtig, weil wir uns auch in der Finanzpolitik des Landes mit ganz neuen Gegebenheiten beschäftigen müssen: Vorsichtig formuliert könnte man sagen, dass unternehmerische Entscheidungen in einer globalisierten Wirtschaft Prognosen über Steuereinnahmen erschweren. Konkret heißt das, dass die Finanzpolitik in Zukunft bei den im Grundsatz auf Jährlichkeit festgelegten Haushaltsplanungen mit noch größeren Unsicherheiten rechnen muss als bisher. In immer stärkerem Maße wird es also um mittelfristige Orientierungslinien gehen. Wenn man dies als Grundlage akzeptiert, folgt für mich daraus, dass extra aufgelegte Konjunkturprogramme in ihrer Wirkung höchst fragwürdig sind. Man könnte auch sagen, die Wirkung verpufft.

Auch teilen wir nicht die Auffassung, die von einigen Unionspolitikern vorgetragen worden ist, nämlich dass das Vorziehen der nächsten Stufen der Steuerreform helfen würde. Es würde uns nicht helfen, sondern würde - auch in unionsregierten Ländern - zu Einnahmeausfällen führen. Das können wir als Land SchleswigHolstein nicht weiter verkraften.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Trotzdem wird es unsere Aufgabe sein, im ersten Quartal des nächsten Jahres die Konjunkturlage zu analysieren und darüber zu entscheiden, ob es möglich ist, der Wirtschaft in Schleswig-Holstein - insbesondere dem Bauhaupt- und Baunebengewerbe - zu helfen und zu überlegen, ob wir Investitionen - auch über die GMSH - vorziehen können. Dies wird sicherlich nur dann möglich sein, wenn wir auch bereit sind, darüber zu diskutieren, mittelfristig das Ziel, die Neuverschuldung auf null zu setzen, nicht aus dem Auge zu lassen, aber kurzfristig bereit zu sein, die Neuverschuldung einen kleinen Tick zu erhöhen, damit es wieder in ausreichendem Maß Aufträge für schleswig-holsteinische Bauunternehmen gibt. Das sichert auch Arbeitsplätze.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)