Protocol of the Session on November 15, 2001

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie doktern noch 18 Monate nach der Regierungserklärung an der Frage herum, was genau unter den Begriffen Wellness, Gesundheitstourismus oder Gesundheitsmarkt zu verstehen ist. Zwölf Arbeits- und Lenkungsgruppen sind mit der Erforschung dieser Fragestellung regierungsseitig beauftragt. Sie handeln einmal wieder nach der Devise: Wenn ich nicht weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis. Ich sage Ihnen, diese Arbeitsgruppen werden noch tagen und beraten, wenn der Trend vorbei ist. Zumindest wird aber kein einziger Gast mehr nach Schleswig-Holstein kommen.

Das, was in der Medizintechnik geschehen ist - ich nenne als Beispiel die Firma Dräger -, ist lobenswert. Das ist aber ein privater Investor, der keine Unterstützung der Landesregierung hatte. Die Gesundheitsinfrastruktur haben Sie nicht konzeptionell begleitet. Der von Ihnen angesprochene skandinavische Gesundheitsmarkt - sehr lobenswert - könnte aus meiner Sicht noch viel besser ausgebaut und für unsere Mediziner besser genutzt werden, weil dort die Steuerlast sehr hoch ist.

Ein Tourismuskonzept fehlt bis heute. Der erste Schritt der TASH ist lobenswert, aber das ist kein Konzept, sondern eine Agentur. Der sanfte Tourismus, lieber Herr Kollege Steenblock, ist gescheitert. Er hat uns dahin gebracht, dass wir heute an der letzten Stelle derjenigen Regionen mit den geringsten Zuwachsraten im Tourismus stehen.

Der neue Gesundheitsmarkt, über den wir heute reden, könnte maßgeblicher Träger des nächsten Konjunkturzyklusses sein. Darin gebe ich Ihnen Recht. Das sagen nicht nur Sie, das sagen nicht nur wir, sondern das sagen eben auch namenswerte Forscher im Gesundheitswesen, wie Herr Professor Nefiodow.

Eine frühzeitige Einrichtung auf die Erfordernisse dieses neuen Marktes kann helfen, die Wettbewerbsfähigkeit Schleswig-Holsteins in diesem Teilmarkt zu verbessern. Wir sind bereit, Frau Ministerpräsidentin, Sie bei diesem Vorhaben zu unterstützen. Dies geht allerdings nur, wenn man Mut zum Handeln hat. Dabei hat Schleswig-Holstein große Chancen. Durch seine vielen Heilbäder haben wir eine einmalige Infrastruktur und eine große Destination bei den Begriffen Wellness, Erholung und Gesundheit.

Nach Bayern, Spanien und Österreich stehen wir auf der Beliebtheitsskala an vierter Stelle. Dabei ist diese Skala kein Ewigkeitswert, sondern sie unterliegt den Veränderungen des Marktes.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist es!)

Länder wie Tunesien, Marokko und die Türkei kämpfen heute genau so wie die Bundesländer BadenWürttemberg, Niedersachsen und natürlich Mecklenburg-Vorpommern um höhere Marktanteile. Von den fünf Top-Wellness-Hotels sind allein zwei in Mecklenburg-Vorpommern, während es in SchleswigHolstein noch keines gibt.

(Zurufe von der CDU: Sehr richtig!)

Wir müssen unsere Marktanteile verteidigen und brauchen zusätzliche Alleinstellungsansprüche, wie beispielsweise im Tallasso-Bereich mit Algen aus der Ostsee, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Meierhof in Glücksburg und das Vital-Zentrum in Damp zeigen den richtigen Weg. Nur machen zwei WellnessSchwalben noch keinen Sommer.

Allein von 1996 bis 2001 war die Nachfrage bei der TUI im Wellness-Bereich um 150 % gestiegen. Die Menschen wollen vermehrt Kurzreisen, überwiegend im Gesundheitsbereich machen.

Frau Ministerpräsidentin, der Gesundheitstourismus muss nicht neu erfunden werden. Er ist von alters her die eigentliche Keimzelle unseres heutigen Urlaubs. Schon Goethe, Schiller und andere Größen der Zeitgeschichte

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

nutzten das heilklimatische Klima hier bei uns im Norden gegen Asthma, Juckreiz, Neurodermitis und Pollenallergien.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Schleswig-Holstein hat anerkanntermaßen gute Voraussetzungen, diese Gegebenheiten mit den neuen Bedürfnissen in Einklang zu bringen und als solche auch wirksam zu vermarkten. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Daher auch dieser Berichtsantrag. Um diese bewältigen zu können, brauchen wir nicht zwölf Arbeitsgruppen zur regierungsinternen Begriffsfindung, sondern die Bereitschaft sich auf folgende fünf Schwerpunkte zu konzentrieren.

Erstens. Wir brauchen hochwertige Qualitätskriterien.

Zweitens. Wir brauchen eine institutionelle Forschung, die uns von unseren Mitbewerbern im In- wie im Ausland abgrenzt und unsere Alleinstellungsmerkmale

(Hans-Jörn Arp)

hervorhebt. Wir müssen mit unserem Land, mit dem Klima und der einmaligen Lage zwischen den Meeren werben und wir müssen unsere hervorragenden Mediziner mit einbeziehen.

Drittens. Wir müssen alle Kräfte bündeln und die Leitprojekte, die dieses hergeben, inszenieren und dann auch finanziell fördern. Wenn Sie allerdings als Leitprojekt nur deshalb die „Hüttener Berge“ nehmen, weil sie eine abgeschlossene LSE haben, dann haben Sie wirklich nicht begriffen, welche Infrastruktur der neue Gesundheitsmarkt braucht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Viertens. Wir brauchen eine bessere Verkehrsanbindung, zum Beispiel die A 20, denn Kurzurlauber wollen nicht stundenlang im Stau stehen. Kurzurlauber wollen - wie der Name schon sagt - einen kurzen Urlaub und möglichst viel Entspannung und keinen Stress auf der Straße oder in der Bahn.

(Beifall bei der CDU - Glocke des Präsiden- ten)

- Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Ich habe insgesamt fünf Punkte; einen muss ich noch erwähnen.

Fünftens. Wir müssen den gesamten Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein evaluieren, um hochrangige drittmittelgeförderte Forschungsvorhaben zu definieren, um die medizinische Forschung und Lehre zu unterstützen.

Meine Damen und Herren von der Regierungsseite, wir würden Sie gern unterstützen, denn wir wollen das Beste für Schleswig-Holstein - und das ist die Wertschöpfung in diesem Bereich.

(Beifall bei CDU und FDP und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Herr Abgeordneter Benker hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Arp, den letzten Satz übernehme ich. Das Übrige habe ich leid, nämlich das ständige Lamentieren darüber, dass es nicht vorangeht, nicht funktioniert oder irgendetwas nicht stimmt. Hinter Ihrer Kritik höre ich nichts anderes als die Forderung: Mehr Geld für diesen Bereich!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mehr Ideen!)

Das kennen wir aus den vorangegangenen Diskussionen und allem anderen. Noch ist für den Tourismus Wirtschaft der entscheidende Punkt. Noch sind es Unternehmer, die etwas unternehmen müssen. Es ist

nicht die Landesregierung, die Hotels oder irgendetwas anderes baut.

(Beifall bei der SPD)

Dort, wo Unternehmer aktiv sind, dort wird auch gefördert. Die Ministerpräsidentin hat darauf hingewiesen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich sage nur Büsum!)

Dieser Bericht kann sich sehen lassen, denn der Ausbau des Gesundheitsstandorts wird konsequent weiterverfolgt. Die Infrastruktur in diesem Bereich ist in Schleswig-Holstein gut. Die Voraussetzungen für die touristische Einbindung sind gegeben. Die touristischen Anbieter müssen zielgerichtete, qualitativ hochwertige Angebote schaffen. Die Tourismusagentur Schleswig-Holstein, TASH, wird sich mit einer entsprechenden Marketingbegleitung für diese Angebote einsetzen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wo? - Zurufe von der CDU)

- Lesen Sie doch den Bericht, das steht da drin. Ziel muss es sein, über Leitprojekte hinaus die Einmaligkeit Schleswig-Holsteins durch Klima und Infrastruktur hervorzuheben und mit Qualitätsangeboten Marktführer gegenüber den Mitbewerbern zu werden. Auf die Mitbewerber haben Sie mit Recht hingewiesen. Noch wird bei dem Stichwort Gesundheit und Wellness Bayern vor uns genannt. Das muss sich ändern.

(Zuruf des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Die von mir genannten Fakten sind eine grobe Zusammenfassung. Ich bin der Meinung, dass SchleswigHolstein mitten im Prozess und auf dem richtigen Wege ist, zu einem Gesundheitszentrum in Norddeutschland zu werden. Daran hat die Landesregierung einen erheblichen Anteil. Sie können diesen Bericht nicht isoliert betrachten. Über die Gesundheitswirtschaft sagt Ihnen die Potenzialanalyse mehr als das, was Sie immer nur aufgrund von Gerüchten sagen, nämlich dass hier nichts getan wird.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Herr Kayenburg, ich nenne die Schritte, die dazu geführt haben. Wenn ich von einem Prozess spreche, dann beginnt es mit der Expertise über genau diese Potenziale. Es setzt sich fort mit dem Workshop vom Mai dieses Jahres.

(Martin Kayenburg [CDU]: Nicht realisier- bare Möglichkeiten!)

(Hermann Benker)

Weiter erfolgte im Dezember die Gründung der Gesundheitsinitiative. Hervorzuheben ist auch und gerade die Kooperation mit den Akteuren, die aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden zusammengeholt wurden und zusammen auch an der zukünftigen Konzeption gearbeitet haben. Ich nenne die Projektgruppen vom Mai 2001 sowie die dort entwickelten Leitprojekte, die alle gefördert werden, und den Kongress, der Ende des Monats unter dem Titel „Gesundheit der Zukunft - Zukunft mit Gesundheit“ in Lübeck stattfindet.

(Beifall der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

Das sind Schritte, um aus Leitprojekten Routineinstrumente der schleswig-holsteinischen Gesundheitswirtschaft zu machen. Es ist ein Zukunftsmarkt.

Ich nenne Zahlen zu diesem Bereich: Die Zahl der Beschäftigten in der Tourismuswirtschaft insgesamt liegt auf Bundesebene bei 2,8 Millionen Menschen. Das wird häufig unterschätzt. Es zeigt die Konkurrenzsituation, in der wir uns auf dem Tourismusmarkt insbesondere auf dem Gesundheitsmarkt - befinden. Es wird immer von Benchmarking gesprochen, als ob wir immer auf andere gucken müssten. Wir sind im Bereich der Gesundheitswirtschaft in bestimmten Bereichen auch Benchmarker. Das zeigen die Zahlen aus dem Bericht im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. In Schleswig-Holstein beträgt der Umsatz der Gesundheitswirtschaft am Gesamtumsatz 32 %. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 13,6 %. Wir geben in SchleswigHolstein im Dienstleistungsbereich 32 Milliarden DM aus. Warum sollen wir die Bereiche Wellness, Beauty und Gesundheit in der Tourismuswirtschaft nicht auch zu vergleichbaren Spitzenzahlen bringen? Diesem Ziel dienen der Bericht und die Initiativen dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])