Protocol of the Session on October 18, 2001

Ich erteile der Frau Abgeordneten Dr. Happach-Kasan das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! LSE ist einmal eine Erfolgsgeschichte für dieses Land gewesen. Es gibt zahlreiche Gemeinden und Kommunen, die sich auf diesen Weg begeben und gute Erfolge vorzuweisen haben. Inzwischen, Frau Ministerin, ist es eigentlich mehr eine unendliche Geschichte geworden und ich bedauere dies sehr. Ich bedauere auch, dass in der Landesregierung nicht die Einsicht vorhanden ist, dass der Haushalt des Landwirtschaftsministeriums nicht der Steinbruch für alle Defizite im Landeshaushalt sein kann.

(Beifall bei FDP und CDU)

„Die Ländliche Struktur- und Entwicklungsanalyse ist ein erfolgreiches Instrument nicht nur für die Entwicklung ländlicher Regionen, sondern auch zur Unterstützung von Stadt

Umland-Beziehungen. Sie hat in SchleswigHolstein mittlerweile einen regelrechten Entwicklungsschub ausgelöst. Bereits drei Viertel der Gemeinden unseres Landes setzen auf die LSE als Weg in die Zukunft. Man spürt die Begeisterung, die der LSE-Prozess in dieser Region ausgelöst hat.“

So Ihre Worte, Frau Ministerin, vor gerade einmal einem halben Jahr, am 5. April 2001.

Von der beschriebenen Begeisterung ist jetzt nichts mehr zu spüren. Wir alle lesen in den Zeitungen entweder, dass sich eine Gemeinde aus LSE verabschiedet hat -

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU] - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn?)

- Soll ich Ihnen alle zitieren?

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

- So lange ist meine Redezeit leider nicht. Das wissen Sie selber.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU])

Im Kreis Steinburg geht man den Weg, dass jetzt aus Kreismitteln entsprechende Defizite des Landes ausgeglichen werden. All das geschieht, obwohl wir bereits am Anfang des Jahres gesagt haben, dass die Landesregierung den Mund mit den Ankündigungen, was alles sie über LSE im Lande in die Wege leiten will, zu voll nimmt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Der Weg in die Zukunft ist für viele Gemeinden, bevor er richtig angefangen hat, längst wieder Vergangenheit; denn die Landesregierung will ihre Mittel für LSE um 20 % reduzieren. Durch diese Einsparung fallen gleichzeitig Komplementärmittel in Millionenhöhe weg. Die ländlichen Räume stehen im Dunkeln, ganz im Dunkeln, wie die folgenden Zahlen, die der FDP-Bundestagsabgeordnete Jürgen Koppelin aktuell erfragt hat, eindrucksvoll belegen.

Schleswig-Holstein stehen aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ für dieses Jahr 93 Millionen DM an Bundesmitteln zur Verfügung. Bis zum 15. Oktober dieses Jahres sind davon gerade einmal 40,9 Millionen DM abgerufen worden, davon 23,9 Millionen DM für den Küstenschutz.

Mehr als 50 Millionen DM liegen also brach, weil die rot-grüne Landesregierung Schleswig-Holstein inzwi

(Dr. Christel Happach-Kasan)

schen so heruntergewirtschaftet hat, dass es die erforderlichen Komplementärmittel nicht mehr aufbringen kann. Fazit: Schluss mit Zukunft!

(Beifall bei FDP und CDU)

Dies trifft nicht nur die ländlichen Räume selbst. Ich habe bereits in meinem letzten Debattenbeitrag darauf hingewiesen. Mittel für Infrastrukturmaßnahmen stehen fast nicht mehr zur Verfügung. Der kommunale Finanzausgleich ist im vergangenen Jahr um 75 Millionen DM gekürzt worden. Es fehlen die Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe. Wir haben drastische Einkommenseinbußen bei den rinderhaltenden Betrieben. Die Rinderprämien sind erst verspätet gezahlt worden. All das bedeutet, dass die Finanzkraft nicht im ländlichen Raum ist, wie wir das in den vergangenen Jahren gehabt haben, sondern dass auch die Aufträge nicht an die mittelständischen Betriebe gegeben werden können, wie das vorher der Fall gewesen ist. Dies ist eine Politik, die gegen mittelständische Betriebe, gegen das Land gerichtet ist.

Daher sind Wut und Enttäuschung der Bürgerinnen und Bürger, die sich in diesem Prozess sehr intensiv ehrenamtlich engagiert haben, nur zu verständlich. Ich meine, es ist auch ein bisschen einfach, Frau Schümann, einfach zu sagen, die einen sind auf die sichere Seite gegangen, die anderen haben den Worten der Landesregierung geglaubt.

Wir haben das Thema LSE sehr oft in diesem Land diskutiert. Bisher konnten sich die Kommunen darauf verlassen, dass dann, wenn der vorzeitige Maßnahmebeginn genehmigt wurde, später auch die Mittel geflossen sind. Das war Politik dieses Landes. Das muss man anerkennen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wohin kommen wir, wenn in einem Land mit ländlicher Struktur das gesprochene Wort nicht mehr gilt? Ich glaube, diesen Weg sollten wir nicht gehen, wir sollten uns nicht auf den formalen Standpunkt zurückziehen, sondern sollten sagen, dass die Menschen der Landesregierung vertraut haben, dass sie aber in ihrem Vertrauen zutiefst enttäuscht worden sind.

(Beifall bei FDP, CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Von daher bitte ich die Landesregierung - wir sollten in den kommenden Haushaltsberatungen ebenfalls darauf hinwirken -, dass wir eine Trendwende erreichen und diese Tendenz umgekehrt wird; denn wir können es uns nicht leisten, die ländlichen Räume derart im Regen stehen zu lassen, wie dies in der letzten Zeit versucht worden ist.

Der Überweisung des Antrages an den Ausschuss stimme ich zu.

(Beifall bei FDP und CDU)

Bevor ich das Wort weiter erteile, will ich einen weiteren Gast begrüßen. In der Besucherloge hat unser ehemaliger Abgeordneter Herr Solterbeck Platz genommen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Steenblock das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Tagesordnungspunkte, bei denen merkt man besonders, dass es gut ist, wenn man neben einer guten Landesregierung auch ein gutes Landesparlament hat.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Gabriele Köt- schau [SPD])

Dass wir an dieser Stelle auch die Möglichkeit haben, uns zu dem, was die Landesregierung für den Haushalt vorgeschlagen hat, als Parlament anders zu artikulieren, ist schon in der letzten Tagung deutlich geworden. Deshalb freue ich mich auch auf die Beratung im Ausschuss.

Ich will nicht noch einmal alle die Punkte, die wir das letzte Mal angesprochen haben, wiederholen. Es ist richtig - dies stichpunktartig -, die LSE ist eine von unserer Seite hoch geschätzte Lenkungsmaßnahme für Investitionen im ländlichen Raum.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dadurch ist regional eine hervorragende Entwicklungsplanung möglich.

Allerdings müssen die Kriterien für diese Maßnahmen unserer Ansicht nach immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Das gilt auch für die Finanzmasse in diesem Bereich. Insofern bin ich sehr froh, dass der Kollege Ehlers in diesem Zusammenhang gesagt hat, dass wir im Hinblick auf die künftigen Maßnahmen schauen müssen, was und wie wir finanzieren wollen. Darin sind wir uns einig. Das muss auch gemacht werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Die Frage des Vertrauensschutzes ist für uns als grüne Landtagsfraktion eine hochrangige. Wir dürfen uns darüber nicht leichtfertig hinwegsetzen. Das Verhält

(Rainder Steenblock)

nis von Kommunen und Landesregierung ist für uns ein sehr hohes Gut. Das sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Allerdings hat mich ein bisschen nachdenklich gemacht, dass sich einige Gebietskörperschaften - bis hin zu einem Landrat - sofort hingestellt und gesagt haben: Wenn das Land es nicht finanziert, können wir es gegenfinanzieren. - Das halte ich für taktisch falsch. Ich stimme mit dem Kollegen Arp überein, dass sich bestimmte Gebietskörperschaften unklug verhalten. Dies muss uns als Landesparlament auch nachdenklich stimmen. Wenn eine Kompensation in Bezug auf solche Maßnahmen durch die kommunale Seite so leicht möglich ist, dann ist es, glaube ich, richtig, das Verhältnis zu den Kommunen an dieser Stelle noch einmal ernsthaft zu überdenken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Die Frage des Vertrauensschutzes betrifft beide Ebenen. Es kann nicht sein, dass das Vertrauen, was die jetzt in Aussicht gestellten Maßnahmen angeht, nur von Landesseite besteht; vielmehr muss auch für die kommunale Seite gelten, dass sie ihre Mittel in diesen Prozess ebenso vertrauensvoll hineingibt, wie es ihren Möglichkeiten entspricht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Deshalb müssen wir miteinander über die Maßnahmen reden.