Protocol of the Session on October 18, 2001

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir sind doch Antragsteller! Das passiert bedauerlicherwei- se öfter!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist Basel II zu begrüßen, es weist in die richtige Richtung. Vorrangig sollen mit Basel II die Eigenkapitalanforderungen im Kreditgeschäft stärker als bisher von der persönlichen Bonität des Kreditnehmers abhängig gemacht werden. Die Vorschläge, die jetzt aber auf dem Tisch liegen, tragen zwar dem Anliegen der Bankenaufsicht Rechnung, aber leider nicht den Kreditnöten unserer mittelständischen Wirtschaft. Denn der Mittelstand leidet schon seit längerem unter der Tatsache, dass eine Bank mit Finanzanlagen mehr Geld verdienen kann als mit einer Kreditvergabe. Basel II steht deshalb in mittelständischen Kreisen als Synonym für Kreditverknappung, Kreditverteuerung und totale Haftung mit Haut und Haaren.

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Denn schon jetzt wirft Basel II seine Schatten voraus, obwohl es erst 2005 eingeführt werden soll. Mittelständische Unternehmer im ganzen Land berichten, dass ihre Bank mitten in einem laufenden Kredit zusätzliche Auskünfte verlangt. Bestehende Kontokorrentkredite müssen plötzlich mit Sicherheiten unterlegt werden. Neue Kredite zum Beispiel für Investitionen werden nur noch mit zusätzlichen Sicherheiten bei bester Bonität gewährt. Sehr beliebt sind die Abtretung von Haus, Alterssicherung und - falls vorhanden Wertpapierdepot. Grundstücke werden nicht mehr so langfristig wie bisher und nicht mehr bis zu 60 % beliehen, sondern höchstens mit 30 bis 40 %. Eine Rechtsform, die die Haftung auf das Gesellschaftskapital beschränkt, interessiert bei kleinen und mittelgroßen Firmen nicht mehr. Die Gesellschafter sollen persönlich haften, die Rechtsform des Unternehmens wird einfach ignoriert.

Diese Entwicklung geht quer durch die Bankenlandschaft. Herr Minister Rohwer, ich frage Sie: Ist dies in diesen schwierigen Zeiten wirklich das richtige Signal an unsere mittelständischen Betriebe? Das sind immerhin die Leute, die nicht auswandern, sondern regionale Arbeitsplätze in einer globalen Wirtschaft bereitstellen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Was tut nun die Landesregierung? Sie gibt uns einen Bericht, der genauso sachlich und informativ ist wie Ihr Bericht eben, Herr Wirtschaftsminister, aber es fehlt das Herzblut in diesem Bericht.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

(Brita Schmitz-Hübsch)

Dem Verfasser im Wirtschaftsministerium nehme ich das nicht übel, aber Ihr Engagement für den gebeutelten Mittelstand in Schleswig-Holstein vermisse ich wirklich, Herr Minister.

(Beifall bei CDU und FDP - Widerspruch bei der SPD)

Wo ist Ihr Engagement für die Bauwirtschaft, für das Transportgewerbe, für die Ernährungsindustrie, für das Handwerk? Wo ist Ihr Antrag, Herr Minister, im Bundesrat, um Nachbesserungen und längere Übergangsfristen für Basel II und damit für den Mittelstand in Schleswig-Holstein sicherzustellen? Sie haben eben gesagt, Sie hätten den Antrag anderer Länder massiv unterstützt. Warum haben Sie einen solchen nicht selbst eingebracht?

(Beifall bei CDU und FDP)

Nein, ich sehe keine übergroße Anstrengung. Ich frage Sie: Weshalb kommt die schleswig-holsteinische Landesregierung nie von selbst auf eine solche Idee, wenn es darum geht, die Bürger zu entlasten? Wenn es um Belastungen geht, ist sie immer vorneweg. Ich erinnere an die Höherbewertung der Grundstücke für die Erbschaftssteuer. Das war eine Initiative SchleswigHolsteins.

(Günter Neugebauer [SPD]: Wir reden doch jetzt über Basel II!)

Dabei gibt es dringenden Handlungsbedarf. Herr Neugebauer, das wissen Sie auch. Das Steueraufkommen in Schleswig-Holstein ist niedriger als in vergleichbaren Bundesländern. Die Konjunkturzahlen sind erheblich schlechter als im Bundesdurchschnitt. Der Bauwirtschaft geht es bei uns am schlechtesten. Bei uns haben die Rinderzüchter und Rindermäster am längsten auf ihre Erstattungen gewartet. Das hat Frau Happach-Kasan vorhin schon gesagt.

(Beifall bei der CDU)

Das ist doch alles kein Zufall, Herr Minister Rohwer. Das ist leider das Ergebnis einer verfehlten, einer schlechten Politik. Haben Sie denn vergessen: Wenn die Wirtschaft hüstelt, dann hustet das Gemeinwesen. Dann fehlen auf einmal Ausbildungsplätze und die Kommunen gehen reihenweise Pleite. Ich erinnere nur an die Rückzahlungsforderungen bei der Gewerbesteuer, zum Beispiel in Brunsbüttel und in Flensburg. Eine solche Entwicklung hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Wenn man der Wirtschaft nun auch noch das Geld für Kredite entzieht, dann nimmt man ihr das Futter.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich stelle fest: Es ist Gefahr im Verzug. Ich fordere die Regierung Simonis auf, ganz anders als bisher tätig zu werden. Zum einen brauchen wir ihre Initiative auf Bundesebene, um Abmilderungen bei den bisherigen Vorschlägen und längere Übergangsfristen zu erreichen. Zum anderen brauchen wir ihre Entlastungspläne für den Mittelstand hier im Land. Wo ist zum Beispiel der Auftrag an die Landesbank, neue Produkte als Eigenkapitalersatz für den Mittelstand zu entwickeln? Von einem solchen Auftrag ist mir nichts bekannt.

Da die Regierung schläft, muss der Landtag handeln, bevor weitere Tausende Arbeitslose vor dem Landeshaus begrüßt werden dürfen.

(Beifall bei der CDU)

Ich beantrage deshalb die Überweisung dieses Berichts an den Wirtschaftsausschuss

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und Finanzen!)

und rege an dieser Stelle schon an, eine ausführliche Anhörung aller Kreditinstitute und der mittelständischen Wirtschaft in unserem Lande zu diesem Thema durchzuführen. Die Banken sollen uns sagen, wo sie ihre Rolle in der Finanzwirtschaft des Landes ab 2005 sehen und wie sie zukünftig die Kreditversorgung des Mittelstandes in Schleswig-Holstein sicherstellen wollen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und beantrage die Überweisung des Berichts auch an den Finanzausschuss.

(Beifall bei CDU und FDP)

Bevor wir mit der Debatte fortfahren, möchte ich Besucher begrüßen. In der Loge sitzt der Secretary Level des Standing Committee der Ostseeparlamentarierkonferenz, die hier heute gearbeitet hat. - Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Haus)

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort und bitte um Nachsicht, dass ich das nicht früher getan habe. Ich habe erst aufgrund Ihres Zwischenrufes festgestellt, dass die Antragslage anders war. Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, meine Nachsicht ist riesengroß. Ich bedanke mich bei den Sozialdemokraten dafür, dass ich zu diesem Thema nun das Wort ergreifen kann. Ich hätte

(Wolfgang Kubicki)

mich gefreut, wenn sich der Minister dafür bedankt hätte, dass wir überhaupt den Antrag gestellt haben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich stelle fest - da schließe ich die FDP mit ein -, dass wir alle in den vergangenen Monaten oder, besser gesagt, Jahren dieses Thema etwas verschlafen haben und dass es uns jetzt mit unglaublicher Wucht einholt.

In gut drei Jahren, Herr Minister, kommt eine weitere Belastung auf unseren gebeutelten Mittelstand zu, Basel II, verschärfte Vorschriften für Kreditabsicherung bei Banken. Ich versuche es zu erklären, Kollege Neugebauer - damit auch du es verstehst, Günter -: Banken sammeln Einlagen von Sparern, verleihen das Geld an Kreditnehmer und verdienen an der Zinsdifferenz. Dabei drohen ihnen zwei Risiken: Die Sparer könnten ihr Geld zurückfordern und die Kreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Wenn die Kreditnehmer nicht mehr zahlen können, bekommen die Sparer ihr Geld nicht zurück. Hieraus kann schnell eine Panik erwachsen, die die Welt in eine Krise stürzt.

Um diese Gefahr zu mindern, dürfen Banken nicht unbegrenzt Kredite vergeben. Sie müssen für jeden Kredit eine gewisse Summe Eigenkapital vorhalten, sozusagen als betriebsinterne Kreditausfallversicherung. Bis jetzt sind es 8 % für alle Kredite. In der Asienkrise zeigte sich, dass dies zu ungenau ist: Schlechte Risiken werden so behandelt wie gute. Mit Basel II wird sich das ändern. Für niedrige Kreditrisiken muss weniger Kapital zurückgelegt werden als für hohe.

Das Vorhalten des Kapitals verursacht Kosten. Je mehr Kapital vorgehalten werden muss, desto größer sind sie. Folglich werden Kunden mit schwächerer Bonität höhere Zinsen zahlen müssen. Außerdem wird bei größeren Kreditrisiken relativ mehr Kapital gebunden. Deshalb werden die Banken die Kreditvergabe bei hohen Risiken einschränken. Herr Minister, es geht nicht nur um die Frage der Eigenkapitalunterlegung, sondern es geht auch um die Frage, wie Banken mit ihren Kunden bei ihrer Bonitätseinschätzung umgehen. Da spielt die Frage, ob ein externes oder internes Rating stattfindet, überhaupt keine Rolle;

(Beifall bei FDP und CDU)

denn auch bei einem internen Banken-Rating werden diejenigen, die häufig Kredite benötigen - Sie haben vergessen, das zu erwähnen -, eigentlich mit höheren Kreditkosten belegt als diejenigen, die Kredite vergleichsweise weniger intensiv benötigen.

Glaubt man den Beteuerungen der Ministerpräsidentin, braucht die schleswig-holsteinische Wirtschaft Ba

sel II nicht zu fürchten. Schließlich sind wir ja überall vorn. Betrachtet man die Wirtschaftsdaten, dann muss Basel II uns alle interessieren; denn die Lage ist schlimmer als die Stimmung der Ministerpräsidentin. Von 1991 bis 2000 wuchs Schleswig-Holstein um 5,4 Prozentpunkte weniger als Deutschland insgesamt und um 1,8 Prozentpunkte weniger als die westlichen Bundesländer. Im ersten Halbjahr sind wir mit 0,2 % Wachstum fast ganz hinten. Konjunkturell und beim Wachstumstrend hängen wir zurück. Unsere Wirtschaftsstruktur ist stärker als in anderen Bundesländern mittelständisch geprägt. Die schlechte Wirtschaftslage wirkt sich gerade auf den Mittelstand negativ aus. Das sehen wir deutlich im Bereich des Handwerks und des Baugewerbes.

Hohe Verschuldungsgrade und schlechte Renditeaussichten machen viele unserer mittelständischen Betriebe aus Sicht der Banken zu Kunden mit schwächerer Bonität. Hier liegt das Problem. Ich zitiere aus dem Bericht:

„Für Unternehmen mit mittlerer und insbesondere schwächerer Bonität werden sich die Spielregeln ändern und die Kreditschöpfungsmöglichkeiten voraussichtlich verschlechtern oder verteuern. Mittelständler, sofern es sich nicht um grundsolide Unternehmen mit guter Renditeperspektive oder um so genannte High Flyer“

- mittlerweile müssen wir „Low Flyer“ sagen

„der New Economy handelt, werden es zunehmend schwerer haben, Kredite in angemessener Größenordnung zu akzeptablen Konditionen zu erhalten.“

Aus eigener Berufstätigkeit sage ich Ihnen - das kann Ihnen jeder berichten -: Banken, übrigens auch öffentliche Banken, gehen mittlerweile dazu über, Kunden, mit denen sie zum Teil eine 20-, 30- oder 35-jährige Geschäftsbeziehung haben, zu sagen, sie würden sich gern von ihnen trennen, weil der Aufwand im Verhältnis zum Ertrag dieser Kunden nicht mehr die Margen-Vorstellungen der Banken decken. Das ist ein Problem, dem wir uns stellen müssen; denn anderenfalls werden wir es nach seriösen Schätzungen erleben, dass 30 bis 35 % unserer Betriebe vom Markt verschwinden werden, weil sie keine Bank mehr finden, die sie organisiert.

(Beifall bei FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, viel spannender ist allerdings die Frage: Was folgern wir daraus? - Die Landesregierung folgert zweierlei: Erstens wird sie den Baseler Ausschuss umstimmen und zwei

(Wolfgang Kubicki)

tens mehr Subventionen zahlen. Beides wird nicht klappen, das Erste nicht, weil man in Basel nicht auf die Landesregierung hören wird, und das Zweite nicht, weil das Land schon jetzt eigentlich pleite ist und die Landesregierung bei allen Förderprogrammen zurückrudert, ganz zu schweigen davon, dass Subventionen das Problem nicht lösen, sondern eher verschlimmern.